02.04.00. Die Radicalen formieren sich. 1879 bis 1882 / Chronik 1882

Überblick

Zentren der radicalen Arbeiterbewegung waren nunmehr Wien und die Steiermark, wo die Radicalen in diesem Jahr gegenüber den Gemäßigten die Oberhand gewannen. Auffallend ist die weitgehend flächendeckende Streuung der radicalen Arbeiterbewegung in der Steiermark, mit den Brennpunkten Graz, Marburg an der Drau [Maribor, Slowenien] sowie den obersteirischen Industrieorten Bruck an der Mur, Kapfenberg, Knittelfeld, Leoben und Mürzzuschlag. In Oberösterreich formierten sich Radicale vor allem in den Industriestädten Steyr und Wels. Und in den heute außerhalb Österreichs liegenden Teilen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie dominierten die Radicalen in Böhmen und Mähren. Bemerkenswert ist, dass auch in Ungarn eine Gruppe Radicaler um den Schneidergehilfen Ármin Práger (1851–1905) – vor allem die Schuhmachergehilfe István Heckmann (1850–1937), Lipót Braun (1849–?) und Ágoston Nagy (1849–?) – verstärkt in den Vordergrund trat und gleich mehrere radicale Zeitungen herausgab.

1882 war das entscheidende Jahr des Kampfes um das Wahlrecht. Den Radicalen in Österreich, Böhmen und Mähren gelang es, das Dogma vom Wahlrecht als Mittel zur Eroberung der politischen Macht aus dem Programm der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, der deutschsprachigen wie der tschechoslawischen, zu eliminieren.

Das Aufsehen erregendste und wohl auch folgenreichste Ereignis der radicalen Arbeiterbewegung Österreichs war in diesem Jahr zweifellos der Überfall auf den Wiener Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) im Juli 1882, der die Hinwendung gewisser Radicaler zu den Sozialrevolutionären offensichtlich machte. Bemerkenswert ist auch, dass gerade im Umfeld dieses Attentats immer häufiger die Bezeichnung »Anarchisten« für Angehörige der radicalen Arbeiterbewegung verwendet wurde, zunächst meist als denunziatorischer Begriff der Gemäßigten, welche dann auch den Begriff »Pseudo-Anarchisten« gegen die Radicalen prägten. Aber auch die Radicalen selbst benutzten nun immer öfter die Wörter »Anarchisten« und »Anarchismus« zur Selbstpositionierung, wobei die Begriffe inhaltlich jedoch vage blieben und meist nur sozialrevolutionäres Handeln bezeichneten. Mit den so genannten Schusterkrawallen vom November 1882 in Wien trugen erstmals Radicale eines Fachvereins (Gewerkschaft) ihre Anliegen in massiver Form an die Öffentlichkeit.

Die Flugschriftenpropaganda der Radicalen in Österreich war leicht rückläufig, doch bemühten sie sich nun verstärkt um die Beschaffung einer geheimen Druckerpresse. Vor diesem Hintergrund ist auch die so genannte Merstallinger-Affäre zu sehen.

Zuverlässige Daten über die behördliche Verfolgung der radicalen Arbeiterbewegung in Österreich im Jahr 1882 gibt es nicht. Die Zeitung »Die Zukunft« (Wien) meldete in ihrer Nummer 79 (25. Jänner 1883), dass in den im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern (also in der österreichischen Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) 1882 hundertachtundvierzig Personen verhaftet wurden. Die verhängten Strafen betrugen achtundzwanzig Jahre und zehn Monate schwerem Kerker sowie zweiundzwanzig Jahre und vier Monate Arrest. Dazu kommt noch Untersuchungshaft im Ausmaß von dreiundzwanzig Jahren. Bemerkenswert ist die teils extreme Abstrafung, wie das Urteil gegen den Schuhmachergehilfen Johann Richter (1852–nach 1932) vom Mai 1882 zeigt: zwölf Jahre Kerker für ein nicht einmal gedrucktes und zur Verteilung gelangtes Flugblatt.

 

Chronik

  • 1. Jänner 1882 (Sonntag)
    Budapest (Ungarn): Am 1. Jänner 1882 erscheint die erste Nummer der radicalen Zeitung »Der Sozialist« (Budapest), welche mit der Nummer vom ►Mai 1882 nach fünf Nummern ihr Erscheinen einstellen wird. Da der Zeitung der Postdebit (Zeitungsvertrieb durch die Post) mit Erkenntnis des Ministeriums des Innern vom 14. Jänner 1882 für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder (also der österreichischen Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) behördlich entzogen wird, muss sie nach Österreich eingeschmuggelt werden.

  • 2. Jänner 1882 (Montag)
    Graz (Steiermark): Der am ►9. März 1879 gegründete »Erste steiermärkische Arbeiterbund für alle Erwerbszweige«, der vor allem dank der Tätigkeit des Metallarbeiters Stefan Pauler (1840–?) seit 1880 eine Heimstätte Radicaler ist, wird mit Erlass der Steiermärkischen Statthalterei vom Montag dem 2. Jänner 1882 wegen gemeingefährlicher Umtriebe behördlich aufgelöst.

  • 10. Jänner 1882 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Im Zusammenhang mit den am ►26. Dezember 1881 abgehaltenen Volksversammlungen wird am 10. Jänner 1882 der Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?) verhaftet. Er wird sich am ►14. Februar 1882 vor Gericht verantworten müssen.

  • 11. Jänner 1882 (Mittwoch)
    Wien und Vororte: Am 11. Jänner 1882 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess wegen des Tumults während einer Volksversammlung am ►15. November 1881 gegen den Spenglergehilfen Franz Rauch (1851–?) und den Tischlergehilfen Johann Feichtinger (1858–?) statt. Im Sinne der Anklage werden Franz Rauch wegen Vergehens des Auflaufs zu sechs Monaten schwerem Kerker und Johann Feichtinger wegen Vergehens des Auflaufs durch Behinderung von Amtspersonen zu zwei Monaten strengem Arrest verurteilt. Franz Rauch, der in Göllersdorf (Niederösterreich) einsitzen wird, wird nach seiner am 11. Juli 1882 (Dienstag) erfolgten Entlassung in der Nummer 68 (27. Juli 1882) der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) einen ausführlichen, namentlich gezeichneten Bericht über die schrecklichen Zustände in diesem Gefängnis veröffentlichen.1 Franz Rauch wird im April 1884 aus Bayern ausgewiesen werden, nach Budapest (Ungarn) gehen, von wo er aber im September 1884 in seine steirische Heimat abgeschafft werden wird.

  • 12. Jänner 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Im Zusammenhang mit der am ►26. Dezember 1881 abgehaltenen Volksversammlung wird am 12. Jänner 1882 in Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) der Fabrikarbeiter Ferdinand Schaffhauser (1836–190?) verhaftet. Er wird sich am ►14. Februar 1882 vor Gericht verantworten müssen.

  • 13. Jänner 1882 (Freitag)
    Wien und Vororte: Am 13. Jänner 1882 werden in Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) der Kupferschmiedgehilfe Karl Urbanek (1848–?) und dessen Ehefrau, die Hausfrau Rosa Urbanek (1846–?), verhaftet und in das Kreisgericht Korneuburg (Niederösterreich) eingeliefert. Sie werden sich vom ►9. bis 12. Juni 1882 vor Gericht verantworten müssen.

  • 13. Jänner 1882 (Freitag)
    Wien und Vororte: Am 13. Jänner 1882 werden in Wien nach Hausdurchsuchungen und wegen angeblich aufreizender Reden der Tischlergehilfe Paul Futschik (1847–1904) (►25. Dezember 1881) sowie unter dem Verdacht der Verbreitung verbotener Druckschriften der Handlungsgehilfe Christof Černý (1860–1899) und der Buchbindergehilfe Ernst Schmid (1853–1919) verhaftet. Paul Futschik wird erst am 6. Februar 1882 (Montag) ohne Anklageerhebung aus der Untersuchungshaft entlassen, die beiden anderen kurz darauf. Allerdings wird Ernst Schmid drei Tage später aus Wien ausgewiesen werden, was sein Rechtsanwalt mit dem Hinweis, dass sein Mandant nach seiner Entlassung Arbeit gefunden habe, wird abwenden können.

  • 15. Jänner 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Am 15. Jänner 1882 findet in Wien der Prozess gegen den Schneidergehilfen Ignaz Formanek (1854–nach 1905) statt. Er wird der Übertretung des Vereinsgesetzes angeklagt, begangen durch Abhaltung einer ungesetzlichen Versammlung im »Gewerbeverein der Schneider Wiens«. Am 2. Jänner 1882 (Montag) hatte der Gewerbeverein eine freie Volksversammlung in »Ignaz Gerhold’s Bierhalle und Restauration« (Ignaz Gerhold und Marie Gerhold) in Wien 1., Schottenring 15, einberufen, auf welcher der liberale Reichsratsabgeordnete Ferdinand Kronawetter (1838–1913) einen Vortrag zum Thema »Über die Stellung der Gewerbsgehilfen mit Bezug auf den gesetzlichen Begriff« halten sollte. Da sich der Vortragende verspätet hatte, hat der Vorsitzende zunächst interne Angelegenheiten besprochen. Der zu spät eingetroffene Ferdinand Kronawetter hatte danach einen fast zweistündigen Vortag gehalten, wobei während dessen Rede etwa vier Fünftel der Anwesenden den Saal verlassen hatten. Danach hatte Ignaz Formanek noch einige Sätze zu den im Saal Verbliebenen gesprochen. Ignaz Formanek wird nun im Sinne der Anklage zu 35 Gulden Geldstrafe, eventuell sieben Tage Arrest, verurteilt. (►12. März 1882)

  • 15. Jänner 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Die für den 15. Jänner 1882 vom radicalen Schlossergehilfen Emil Pelikan (1852–?) einberufene Volksversammlung in »Georg Endres’ Restaurations-Lokalitäten ›zur Lokomotivfabrik‹« in Großjedlersdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]), Brünner Straße 196, wird wegen der Ereignisse bei den letzten Volksversammlungen (►25. Dezember 1881) behördlich untersagt.

  • 16. Jänner 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 16. Jänner 1882 findet vor dem Landes- als Erkenntnissenat in Wien der Prozess gegen den Tischlermeister Wilhelm Bernt (1841–?), den Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?) sowie die Tischlergehilfen Heinrich Hotze (1851–1891) und Johann Kompoß (1842–192?) statt. Sie werden des Vergehens der Aufreizung, Wenzel Führer und Johann Kompoß zusätzlich der Schmähung des Reichsrats angeklagt, begangen durch Reden in einer Wiener Volksversammlung am ►24. Oktober 1881, wo sie von »Arbeiter-Bataillonen« sprachen und von einem »Sturme, der aus Russland zu uns herüberdringen« werde. Im Sinne der Anklage werden Heinrich Hotze zu drei Monaten Arrest, verschärft mit einem Fasttag in jedem Monat, Wilhelm Bernt zu zwei Monaten Arrest, verschärft mit einem Fasttag in jedem Monat, und Johann Kompoß zu einem Monat Arrest, verschärft durch einen Fasttag, verurteilt. Wenzel Führer, der meinte, »Ich befinde mich nicht vor Richtern, sondern vor Executoren!«, wird freigesprochen, wogegen er nach der Urteilsverkündung Einspruch erhebt: »Ich bedauere und protestire gegen meine Freisprechung«.2 Gegen Wenzel Führer ist eine weitere gerichtliche Untersuchung, ebenfalls wegen Aufreizung, anhängig. (►14. Februar 1882)

  • 20. Jänner 1882 (Freitag)
    Wien und Vororte: Am 20. Jänner1882 findet vor einem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess gegen den Tischlergehilfen Eduard Doleschal (1848–1883) und gegen den Metalldrechsler Franz Mangl (~1856–?) anlässlich der so genannten Affäre »zum grünen Thor« (►4. Dezember 1881) statt. Eduard Doleschal gibt zu, dem Polizeikommissär Franz Kadlec (1841–1898) ein Henkelglas an den Kopf geworfen sowie diesen am Hals gehalten und dann zu Boden geworfen zu haben. Franz Mangl gesteht den Wurf zweier Gläser auf den Kopf des Polizeikommissärs. Im Sinne der Anklage werden wegen Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit Eduard Doleschal zu drei und Franz Mangl zu zwei Jahren schwerem Kerker, jeweils verschärft durch einen Fasttag im Monat, verurteilt. Beide verbüßen ihre Strafe im Gefängnis Stein [zu Krems an der Donau] (Niederösterreich). Hier wird Eduard Doleschal am ►11. Oktober 1883 an Lungentuberkulose sterben.

  • 20. Jänner 1882 (Freitag)
    Wien und Vororte: Karl Krticzka Freiherr von Jaden (1824–1885), seit 1860 bei der niederösterreichischen Statthalterei in Wien tätig, wird am 20. Jänner 1882 zum provisorischen Leiter der Polizei-Direktion Wien und am 9. Juni 1882 (Freitag) zum Polizei-Präsidenten bestellt. Er wird das personifizierte Feindbild der Radicalen werden.

  • 23. Jänner 1882 (Montag) bis 4. Februar 1882 (Samstag)
    Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Vom 23. Jänner bis 4. Februar 1882 findet vor dem Landes- als Strafgericht Prag in geheimer Verhandlung der erste große Prozess (►11. bis 17. April 1882, ►3. bis 8. Juli 1882 und ►4. bis 22. Dezember 1882) gegen die im Vorjahr (►19. August 1881, ►27. bis 31. Oktober 1881, ►18. Dezember 1881) verhafteten einunddreißig tschechischen Radicalen statt, von denen sich 20 bis zum Prozessbeginn in Haft befanden: der Tischlergehilfe Adalbert Bažant (1861–?), der Schmiedgehilfe Josef Bernášek (~1846–?), der Webergehilfe Peter Fajt (~1848–?), der Lohgerber Primus Fraitag (1856–?), der Tischlergehilfe Karl Holovský (~1856–?), der Tischlergehilfe Anton Houba (1858–?), der Gastwirt Adalbert Jarušek (1829–1889), der Maschinenschlosser Thomas Josef Jiroušek (1858–1940), der Schleifergehilfe Anton Johannovský (~1857–?), der Schneidergehilfe Franz Jonata (1852–1917), der Maurergehilfe Anton Kašpárek (1854–?), der Schriftsteller und Greißler Leo Kochmann (1847–1919), der Webergehilfe Peter Kopal (~1850–?), der Arbeitslose Alois Krafneter (~1858– ?), der Maurergehilfe Josef Kratochwil (~1856–?), der Goldarbeitergehilfe Mathias Kunst (1855–1931), der Schneidergehilfe Franz Mařáček (1847–1915), der Schriftsetzer Eduard Milý (1858–1923), der Webergehilfe Johann Moravec (1849–?), der Schneidergehilfe Anton Mottl (1854–1933), der Lackierergehilfe Josef Multrus (~1858–?), der Schneidergehilfe Anton Novák (1856–?), der Maurergehilfe Josef Pačes (1856–1909), der in Wien tätige Redakteur Josef Boleslav Pecka (1849–1897), der Schlossergehilfe und Maschinist Adalbert Pinkava (1863–1929), der Redakteur und Kontorist August Radimský (1862–1929), der Webergehilfe Josef Rezler (1855–1925), der Maurergehilfe Josef Šebek (1861–?), der Schuhmachergehilfe Franz Špaček (~1862–?), der Schneidergehilfe und Redakteur Ladislaus Zápotocký (1852–1916) sowie der Gold- und der in Wien lebende Silberarbeiter Norbert Zoula (1854–1886). Alle werden der Vergehen gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung und der Geheimbündelei angeklagt, Franz Jonata, Leo Kochmann, Franz Mařáček, Anton Mottl, Josef Boleslav Pecka, August Radimský, Josef Rezler und Ladislaus Zápotocký außerdem des Verbrechens der Majestätsbeleidigung, Josef Rezler auch noch des Verbrechens der Beleidigung von Mitgliedern des kaiserlichen Hauses, Franz Jonata, Anton Mottl und Ladislaus Zápotocký des Vergehens der Gutheißung ungesetzlicher Handlungen, schließlich Alois Krafneter und Anton Mottl auch noch wegen Pressevergehens durch Verbreitung verbotener Druckschriften sowie Leo Kochmann, Adalbert Pinkava, August Radimský und Josef Rezler wegen Presseübertretung durch unerlaubte Kolportage. Bemerkenswert ist auch, dass die Anklage den Radicalen zwei Attentatsversuche anlastet: Am 12. Mai 1881 (Donnerstag) wurden von der Thun’schen Gasse aus in die unterirdische Pferdestallung des Hauses Nummer 1–3, zugleich Sitz der Statthalterei, zwei Dynamitpatronen mit einem bereits glimmenden Glühschwamm geworfen, den ein zufällig anwesender Kutscher sofort löschte. Am Nachmittag des 7. August 1881 (Sonntag) fing ein Fischer eine so genannte Thomasuhr, eine Höllenmaschine, aus der Moldau [Vltava]. In beiden Fällen konnten die Täter nicht eruiert werden. Verurteilt werden wegen Verbrechens der Majestätsbeleidigung und der Vergehen der Gutheißung einer gesetzlich verbotenen Handlung sowie gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung als Mitglied einer geheimen Gesellschaft als Vorstand Ladislaus Zápotocký zu achtzehn und Franz Jonata (►19. bis 22. November 1885) sowie Anton Mottl zu je vierzehn Monaten schwerem Kerker, wegen der Verbrechen der Majestätsbeleidigung und der Beleidigung eines Mitglieds des kaiserlichen Hauses sowie des oben genannten Vergehens der Mitgliedschaft in einer geheimen Gesellschaft Josef Rezler zu achtzehn Monaten schwerem Kerker, wegen Verbrechens der Majestätsbeleidigung und Vergehens der Mitgliedschaft in einer geheimen Gesellschaft Franz Mařáček und Josef Boleslav Pecka zu je vierzehn Monaten sowie Leo Kochmann zu einem Jahr schwerem Kerker, jeweils verschärft durch einen Fasttag im Vierteljahr, weiters wegen Vergehens der Mitgliedschaft in einer geheimen Gesellschaft als Vorsteher Thomas Josef Jiroušek zu vier, Norbert Zoula zu zehn Monaten (►4. Dezember 1882), Josef Pačes zu drei und Adalbert Jarušek zu zwei Monaten strengem Arrest, wegen Vergehens der Mitgliedschaft in einer geheimen Gesellschaft Primus Fraitag zu zwei Monaten, Adalbert Bažant, Karl Holovský, Anton Houba, Anton Johannovský, Anton Kašpárek, Alois Krafneter, Josef Kratochwil, Eduard Milý, Johann Moravec, Josef Multrus, Adalbert Pinkava, August Radimský, Josef Šebek und Franz Špaček zu je sechs Wochen sowie Anton Novák zu einem Monat einfachem Arrest, zusätzlich wegen Übertretung des Pressegesetzes Leo Kochmann, Adalbert Pinkava, August Radimský und Josef Rezler zu je zehn Gulden Geldstrafe, eventuell 48 Stunden Arrest. Vier Angeklagte werden freigesprochen: Josef Bernášek, Peter Fajt, Peter Kopal und Mathias Kunst. Alle Nichtigkeitsbeschwerden werden vom Kassationshof mit Urteil vom 8. Juli 1882 (Samstag) zurückgewiesen werden. Die Folgen dieses Prozesses sind sowohl für die Radicalen in Österreich wie auch für die österreichischen Radicalen im Exil, insbesondere in den USA, von großer Bedeutung. Leo Kochmann flieht noch vor Antritt der Strafe nach Chicago (Illinois, USA), später nach New York City (New York, USA), wo er zu den bekanntesten Radicalen zählen wird. Übrigens werden noch vor der Urteilsverkündung, in der Nacht vom 2. Februar 1882 (Donnerstag) auf den 3. Februar 1882 (Freitag) neuerlich Hausdurchsuchungen vorgenommen und zwei Radicale verhaftet, und die restlichen am ►18. Dezember 1881 verhafteten Radicalen werden vom ►11. bis 17. April 1882 angeklagt werden.

  • 12. Februar 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Am 12. Februar 1882 kommt es zu Mittag in Simmering (Niederösterreich [zu Wien 11.]) auf der Simmeringer Hauptstraße zu einem so genannten Arbeiterexzess. Zwei Wachleute arretieren den Taglöhner Karl Nový (~1853–?) wegen Trunkenheit. Er leistet heftigen Widerstand, und als die beiden Wachleute mit Nový bei der Simmeringer Waggonfabrik der »Maschinen- und Waggonbau-Fabriks-Aktiengesellschaft in Simmering« in Simmering (Niederösterreich [zu Wien 11.]), Leberstraße 34, vorbeikommen, rufen Arbeiter dieser Werkstatt »Hurra! Lasst keinen Arbeiter arretieren!« und stürzen sich auf die Wachleute. Karl Nový kann entfliehen und wird erst am nächsten Tag gefasst werden. Der Taglöhner Mathias Czermak (~1841–?) wird sofort als Rädelsführer der Befreiungsaktion festgenommen. Im Laufe des Abends werden noch die Fabrikarbeiter Heinrich Sterl (1853–1924), der aber kurz darauf wieder freigelassen wird, und Alois Nečas verhaftet. Czermak, Nečas und Nový werden am 13. Februar 1882 (Montag) ins Landesgericht Wien eingeliefert. (►10. März 1882)

  • 14. Februar 1882 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Am 14. März 1882 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien in geheimer Verhandlung der Prozess gegen zwei am ►12. Jänner 1882 verhaftete Radicale statt, nämlich gegen den Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?), welcher erst am ►16. Jänner 1882 in einem ähnlichen Prozess freigesprochen worden war, und den Fabrikarbeiter Ferdinand Schaffhauser (1836–190?), angeklagt des Vergehens der Aufreizung, begangen durch Reden in den Volksversammlungen vom ►25. Dezember 1881, ►26. Dezember 1881 und 9. Jänner 1882. Ferdinand Schaffhauser wird zu sechs Wochen strengem Arrest, verschärft durch einen Fasttag alle vierzehn Tage, Wenzel Führer zu einem Monat einfachem Arrest verurteilt.

  • Mitte Februar 1882
    Bregenz (Vorarlberg): Der Tischlergehilfe Alois Treibenreif (1836–1903), der ►Mitte November 1881 Wien verlassen hatte, um revolutionäre Gruppen nach den Anweisungen des Journalisten Johann Most (1846–1906) in der Provinz zu organisieren, wird Mitte Februar in Bregenz verhaftet, jedoch nach zwei Wochen aufgrund einer Intervention des Hof- und Gerichtsadvokaten Sigismund Wolf-Eppinger (1850–1912) wieder freigelassen werden.

  • 22. Februar 1882 (Mittwoch)
    Wien und Vororte: Am 22. Februar 1882 findet vor dem Bezirksgericht Ottakring (Niederösterreich [zu Wien 16.]) der Prozess gegen den Manufakturarbeiter Michael Pisternik statt. Er hatte in einer Versammlung der Manufakturarbeiter und Manufakturarbeiterinnen in Neulerchenfeld (Niederösterreich [zu Wien 16.]) im Gasthaus »zum weißen Engel«, Gärtnergasse 15 [Grundsteingasse], am 22. Jänner 1882 gesagt: »Wir haben nicht die Macht wie jene im Parlament.« Michael Pisternik wird zu einer Woche Arrest und zum Ersatz der Prozesskosten verurteilt.

  • März bis 30. November 1882 (Montag)
    St. Gallen / Saint-Gall / San Gallo (Kanton St. Gallen, Schweiz): Der Ende Februar 1882 (►Mitte Februar 1882) aus der Untersuchungshaft in Bregenz (Vorarlberg) entlassene Tischlergehilfe Alois Treibenreif (1836–1903) hält sich vom März bis 30. November 1882 in St. Gallen auf, um hier den Schmuggel revolutionärer Druckschriften von der Schweiz nach Österreich zu organisieren.

  • 2. März 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Am 2. März 1882 wird in Wien der »Fachverein der Bäckereiarbeiter Wiens« gegründet. (►3. November 1881) Diese Gewerkschaft wird ein organisatorisches Zentrum der Radicalen, aber auch zahlreiche Anarchistinnen und Anarchisten werden aus dieser Organisation hervorgehen. (►29. März bis 30. April 1883)

  • 6. März 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 6. März 1882 werden der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) und der Tischlergehilfe Heinrich Hotze (1851–1891), welche am ►15. Dezember 1881 verhaftet wurden waren, ohne Anklageerhebung freigelassen. Josef Peukert wird jedoch sofort nach Gablonz an der Neiße (Böhmen [Jablonec nad Nisou, Tschechien]) abgeschoben, wird aber zwei Wochen später nach Wien zurückkehren, wo er seither zusammen mit dem Tischlergehilfen Friedrich Schwaiger (1856–?) ein Zimmer in Wien 6., Sandwirtgasse 20, bewohnt. Josef Peukert wird sich später an seine Wohnung in Wien erinnern: »Das Zimmer, das ich mit noch einem jungen Manne bewohnte, war ein Eckezimmer an der Sandwirth- und Mollardgasse, eine Treppe hoch gelegen. Hell und luftig war es, und ich konnte daher recht deutlich beobachten, wie sich die Wächter der hohen Obrigkeit eifrig Mühe gaben, auf mich aufzupassen. Gradüber in einer Wirtschaft war das eine Fenster den ganzen Tag – wenigstens wenn und solange ich zu Hause war – besetzt. Ich konnte ganz deutlich sehen, wie sie sich ablösten wie die Militärposten.«3 Josef Peukert, der zunächst als Zimmermaler arbeitet, wird im Juli 1882 bezahlter Redakteur der Zeitung »Die Zukunft« (Wien), doch zeichnet er nur für die Nummern vom 14. September 1882 bis 22. März 1883 als Mitherausgeber und ab 12. April 1883 als verantwortlicher Redakteur.

  • 10. März 1882 (Freitag)
    Wien und Vororte: Am 10. März 1882 entdeckt Ferdinand Kirschner (1821–1896), Burghauptmann der k. k. Burghauptmannschaft in Wien, dass bei den Gemälden im so genannten Kronprinzensaal bei den Porträts die Augen herausgeschnitten worden waren. Zu diesem Zeitpunkt wird in der Hofburg gerade an der Herstellung der Telegrafenleitung zwischen den Mitgliedern des kaiserlichen Hauses gearbeitet. Der Täter, der unter anderem auch in Kreisen der radicalen Arbeiterbewegung vermutet wird, wird nie ermittelt werden.

  • 10. März 1882 (Freitag)
    Wien und Vororte: Am 10. März 1882 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess anlässlich des so genannten Arbeiterexzesses (►12. Februar 1882) gegen den Taglöhner Mathias Czermak (~1841–?), den Fabrikarbeiter Alois Nečas und den Taglöhner Karl Nový (~1853–?) statt. Im Sinne der Anklage werden Karl Nový wegen öffentlicher Gewalttätigkeit und Wachebeleidigung zu drei Monaten schwerem Kerker und Alois Nečas wegen Einmengens in die Vollziehung des öffentlichen Dienstes zu vierzehn Tagen Arrest verurteil. Mathias Czermak wird freigesprochen.

  • 11. März 1882 (Samstag)
    Budapest (Ungarn): Am 11. März 1882 erscheint die erste Nummer der radicalen Zeitung »Der Kommunist« (Budapest), welche mit der Nummer von ►Mitte Mai 1882 nach drei Nummern ihr Erscheinen einstellen wird. Da der Zeitung der Postdebit (Zeitungsvertrieb durch die Post) mit Erkenntnis des Ministeriums des Innern vom 26. März 1882 (Sonntag) für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder (also der österreichischen Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) behördlich entzogen wird, wird sie nach Österreich vor allem eingeschmuggelt werden. Bemerkenswert ist der verantwortliche Redakteur der Zeitung, der Hutmachergehilfe Rudolf Hofmann (1855–1924), der zu diesem Zeitpunkt bereits als Spitzel für die Polizei-Direktion Wien arbeitet. Herausgeber sind die Schriftsetzer Mátyás Rusz (1860–?) und Márkus Weisz.

  • 12. März 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Am Vorabend der Feier für die so genannten Märzgefallenen findet am 12. März 1882 im Gasthaus »zum grünen Jäger« (Franz Weißmayer) in Wien 5., Hundsturmer Straße 13 [Schönbrunner Straße], eine Versammlung von rund dreihundert Tischlergehilfen statt. Anschließend ziehen diese in kleinen Gruppen, die meisten Arbeiter mit einer roten Krawatte versehen, zum Schmelzer Friedhof, um sich vor dem Obelisken wieder zu sammeln. Der Tischlergehilfe Josef Kreps (1859–1945) will eine Ansprache halten, was ihm von einem Polizisten untersagt wird. Josef Kreps ruft daraufhin »Den Männern der Freiheit ein Hoch!« und wird verhaftet. Vier Tischlergehilfen, die seine Arretierung verhindern wollen, werden ebenfalls festgenommen: Karl Slonek (1855–1927) soll versucht haben, den Polizeiagenten von hinten niederzureißen, Franz Hansl soll dem Polizeiagenten jenen Stock, der Josef Kreps zuvor abgenommen wurde, entrissen haben, und Franz Tichy (1852–1895) ruft nach seiner Festnahme laut »Auslassen! Es lebe die Freiheit!« (►13. April 1882) Der wegen Renitenz festgenommene Tischlergehilfe Josef Kowalik wird später ohne Anklageerhebung wieder freigelassen. Trotz dieses Vorfalls kann beim Denkmal ein Kranz mit roter Schleife und der Aufschrift »Gewidmet von den Arbeitern Oesterreichs« niedergelegt werden.

  • 12. März 1882 (Sonntag)
    Zürich / Zurich / Zurigo (Kanton Zürich, Schweiz): Am 12. März 1882 flüchtet der Schneidergehilfe Ignaz Formanek (1854–nach 1905) aus Wien nach Zürich, um dort den Vertrieb sozialrevolutionärer und anarchistischer Druckwerke für Österreich zu übernehmen. (►15. Jänner 1882) Er reist dann weiter nach Winterthur / Winterthour / Vitudurum (Kanton Zürich, Schweiz), und weil er dort keine Arbeit findet, lässt er sich schließlich in St. Gallen (Kanton St. Gallen, Schweiz) nieder, wo Ignaz Formanek zum Präsidenten des »Allgemeinen Arbeiterbildungs-Vereins St. Gallen« gewählt, allerdings im Jänner 1884 aus demselben ausgeschlossen werden wird. Ignaz Formanek, der Buchbindergehilfe Anton Kammerer (1862–1884) (►28. März 1883), der Tischlergehilfe Michael Kumić (1853–?) und der in Preußen geborene Schuhmachergeselle Hermann Stellmacher (1853–1884) dienen als Kontaktmänner in der Schweiz für den Schmuggel der Zeitung »Freiheit« (London) und anderer verbotener Druckschriften nach Österreich (►August 1883). Die Schweiz-Reise von Ignaz Formanek hat einen juristischen Hintergrund: Für den nächsten Tag, den 13. März 1882 (Montag), ist in Wien eine Schwurgerichtsverhandlung gegen ihn wegen Ehrenbeleidigung in der »Schneider-Fachzeitung« (Wien) anberaumt, angestrengt vom Damenschneidermeister Josef Petržilka. Ignaz Formanek hatte ihm in einem Artikel in der Nummer 19 (1. Oktober 1881) Missbrauch seiner Arbeiter und anderes mehr vorgeworfen und wird nun in Abwesenheit zu zwei Monaten strengem Arrest verurteilt. (►Mai 1882)

  • 25. März 1882 (Samstag)
    Wien und Vororte: Am 25. März 1882 findet in »Zobel’s Bierhalle« (Franz Zobel) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Gasgasse 4–6 / Zwölfergasse 3–15, eine Volksversammlung statt, einberufen vom Miederfabrikanten Franz Gams (1850–1899), an der weit über dreitausend Arbeiterinnen und Arbeiter teilnehmen. Zum Vorsitzenden wird der Schuhmachergehilfe Johann Richter (1852–nach 1932) gewählt, zu seinem Stellvertreter der Tischlergehilfe Johann Kompoß (1842–192?), zum Schriftführer Franz Gams; alle drei gehören den Radicalen an. Zur Tagesordnung »Die Forderungen des vierten Stands vor dem Forum des österreichischen Parlaments« gibt zunächst der auf Seiten der Sozialdemokratie stehende liberale Reichsratsabgeordnete Ferdinand Kronawetter (1838–1913) einen Überblick über die Haltung des Parlaments zu den Forderungen der Arbeiter (►9. Juni bis 1. Juli 1882). Ihm folgt der Eisentrödler Franz Mayer, der einzige Unternehmer in der Riege der Redner bei dieser Veranstaltung, doch beschäftigt er sich vorwiegend mit den in letzter Zeit vorgefallenen Ausschreitungen von Arbeitern. Gegen den Kampf für das allgemeine Wahlrecht sprechen sich Johann Kompoß, der Maurergehilfe Heinrich Hampel (1833–?), der Webergehilfe Franz Schustaczek (1850–1908), der Maschinenschlosser Johann Nepomuk Bauer und der Kartenmaler Andreas Voglgruber (1832–?) aus. Der Webergehilfe Josef Hybeš (1850–1921) bezweifelt die Möglichkeit, dass die »Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs« bei den Wahlen eine Mehrheit erreichen könne, da dies die Herrschenden nicht zulassen und im Fall einer sozialdemokratischen Mehrheit das Parlament auflösen würden. Zwei Gemäßigte wollen für das Wahlrecht das Wort ergreifen, werden aber durch Zwischenrufe weitgehend gehindert. Es kommt auch zu antisemitischen Ausfällen, gegen die sich die Radicalen unter Hinweis auf ihren Internationalismus verwehren. (►16. April 1882) Diese Versammlung ist die erste erfolgreiche öffentliche Manifestation der Radicalen gegen das Wahlrecht. Bemerkenswert ist, dass der Schriftsetzer Ferdinand Barth (1862–1913), später ein wichtiger Anarchist, sich auf dieser Versammlung noch für das Wahlrecht ausspricht. (►9. Juni bis 1. Juli 1882)

  • 26. März 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Mit Bescheid der Polizei-Direktion Wien vom 26. März 1882 wird der Tischlergehilfe August Koeppen, seit 10. November 1881 (Donnerstag) Mitherausgeber und seit Jänner 1882 Administrator der Zeitung »Die Zukunft« (Wien), wegen werktätiger Teilnahme an der staatsgefährlichen Propaganda der sozialdemokratischen Partei aus sämtlichen im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern (also aus der österreichischen Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) für immer ausgewiesen. Er legt Rekurs ein, doch wird dieser am 4. April 1882 (Dienstag) abgelehnt und August Koeppen am 11. April 1882 (Dienstag) abgeschafft werden. Mit ihm werden auch zwei andere Radicale aus sämtlichen im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern ausgewiesen: der Tischlergehilfe Paul Futschik (1847–1904) und der im Vorjahr »begnadigte« (►10. Mai 1881) Tischlergehilfe Nikolaus Trojar (1851–1919). Anders als in sozialdemokratischen Parteigeschichten und in so mancher wissenschaftlichen Literatur nahegelegt, sind dies nur zwei Beispiele dafür, wie die österreichischen Behörden schon lange vor den Ausnahmsverordnungen vom ►30. Jänner 1884 Abschaffung und Ausweisung als wichtiges Instrumentarium zur Zerstörung der radicalen Arbeiterbewegung nutzen. Nikolaus Trojar wird mit seiner Familie 1883 in die USA ins Exil gehen.

  • 5. April 1882 (Mittwoch)
    Leoben (Steiermark): Am 5. April 1882 wird in Leoben, genauer in Mühltal [zu Leoben], nach einer Hausdurchsuchung der Uhrmachermeister Anton Seemann (1845–1915) unter dem Verdacht der Verbreitung verbotener Druckschriften verhaftet. Er soll am 1. Mai 1881 einem Offiziersstellvertreter eines steiermärkischen Landwehrbataillons in Leoben ein Exemplar der Zeitung »Freiheit« (London) mit der Aufschrift »An unsere Brueder in der Kaserne«51 zugesendet und denselben zur Verweigerung des Gehorsams und Verletzung der Disziplin aufgefordert haben. Das Kreisgericht Leoben, das gegen Seemann wegen Verbrechens der Verleitung eines Soldaten zum Treuebruch ermittelt, tritt wegen der Wichtigkeit des Falls die Zuständigkeit an das Landesgericht Graz ab.. (►25. Oktober 1882)

  • 9. April 1882 (Sonntag) und 10. April 1882 (Montag)
    Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]): Am 9. und 10. April 1882 findet in Brünn ein von den Gemäßigten initiierter, vom gemäßigten Kohlenhändler und Redakteur Eduard Zacharias (?–1910) einberufener mährisch-schlesischer Arbeitertag (Parteitag) statt. Er ist als eine auf geladene Gäste beschränkte Versammlung angemeldet. In Anwesenheit eines Behördenvertreters nehmen etwa zweihundert Delegierte an dem Arbeitertag teil. Es ist dies der erste, aber wenig erfolgreiche Versuch, die gespaltene Arbeiterbewegung Mährens zu einen, wird doch in der verabschiedeten Resolution das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht gefordert. Die Wiener Radicalen sind nur durch den Webergehilfen Josef Hybeš (1850–1921) und – als Vertreter der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) – durch den Magazinaufseher Josef Gröger (1851–?) vertreten.

  • 11. April 1882 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Am 1. April 1882 (Samstag) übergab der Schuhmachergehilfe und Redakteur der Zeitung »Schuhmacher-Fachblatt« (Wien) Johann Richter (1852–nach 1932) dem Druckereibesitzer Josef Trostler (1852–1917) in Wien 6., Gumpendorfer Straße 95, einen fertigen, aus der Schweiz eingeschmuggelten Letternsatz für die Flugschrift »Lebenszeichen«4 zum Drucken von 20.000 bis 50.000 Exemplaren. Aufgrund einer Anzeige des Druckereibesitzers, der nur einen Bürstenabzug machte, wird Johann Richter am 11. April 1882 verhaftet. Johann Richter wird sich am 25. Mai 1882 (Donnerstag) vor dem Landes- als Schwurgericht Wien verantworten müssen.

  • 11. April 1882 (Dienstag) bis 17. April 1882 (Montag)
    Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Vom 11. bis 17. April 1882 findet vor dem Landes- als Strafgericht Prag vor einem Vierrichterkollegium in geheimer Verhandlung der zweite große Prozess (►23. Jänner bis 24. Februar 1882, ►3. bis 8. Juli 1882 und ►4. bis 22. Dezember 1882) gegen die im Vorjahr (►18. Dezember 1881) verhafteten dreiundzwanzig tschechischen Radicalen statt. Von den Angeklagten wohnen in Prag der Tischlergehilfe Adalbert Bažant (1861–?), die Schneidergehilfen Josef Boháček (~1855–?), Philipp Bošek (~1857–?) und Karl Hofmann (~1855–?), der Tischlergehilfe Anton Houba (1858–?), die Schneidergehilfen Wenzel Huňáček (~1851–?) und Franz Koubek (~1845–?), der Tischlergehilfe Franz Lehovec (~1855–?), der Bandagenerzeuger Josef Liebel (~1849–?), der Schneider und Redakteur der gemäßigten Zeitung »Budoucnost« (Praha [Prag]; Die Zukunft) Adolf Macner (1856–?), der Maurergehilfe Johann Pelc (~1834–?) und der Buchbindergehilfe Josef Schallinger (1857–1883), in Bubna (Böhmen [Bubny, zu Prag ‹Praha›, Tschechien]) der Mechaniker Johann Kotrba (~1853–?), in Smichow (Böhmen [Smíchov, zu Prag ‹Praha›, Tschechien]) der Tischlergehilfe Johann Holzhauser (~1856–?), der aus Dresden (Sachsen) gebürtige Schuhmachergeselle Adolf Kommernitzky (~1861–?) und der aus Volkmarsdorf [zu Leipzig] (Sachsen) gebürtige Lithograf August Mehnert (~1862–?), in Königliche Weinberge (Böhmen [Vinohrady, zu Prag ‹Praha›, Tschechien]) der Spenglergehilfe Johann Šlechta (1855–?) und in Wischehrad (Böhmen [Vyšehrad, zu Prag ‹Praha›, Tschechien]) der Tischlergehilfe Johann Friede (~1858–?). Sie alle werden des Vergehens gegen die öffentliche Ordnung und Ruhe angeklagt, begangen durch die Teilnahme an der Veranstaltung vom 18. Dezember 1881. Zusätzlich werden Johann Friede, Wenzel Huňáček, Johann Kotrba, Josef Liebel, Adolf Macner, Josef Schallinger und Johann Šlechta des Vergehens gegen die öffentliche Ordnung und Ruhe durch Mitgliedschaft in einer Geheimgesellschaft beschuldigt. Zu dieser kommt noch eine zweite Gruppe mit fünf angeklagten Radicalen. Von diesen Angeklagten wohnen in Prag der Posamentierergehilfe und Administrator der gemäßigten Zeitung »Budoucnost« (Praha [Prag]; Die Zukunft) Franz Wendelin Kácha (~1862–?) und der Tischlergehilfe und Redakteur der gemäßigten Zeitung »Budoucnost« (Praha [Prag]; Die Zukunft) Josef Štěpánek (~1852–?) sowie in Zizkow (Böhmen [Žižkov, zu Prag ‹Praha›, Tschechien]) der Tischlergehilfe Anton Joukl (1853–?), der Webergehilfe Karl Kederle (~1857–?) und Tischlergehilfe Anton Zeman (~1862–?). Sie werden des Vergehens gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung durch Teilnahme an einem Geheimbund angeklagt, Karl Kederle außerdem noch wegen Vergehens gegen das Pressegesetz durch Weiterverbreitung konfiszierter Druckschriften sowie Franz Wendelin Kácha und Josef Štěpánek wegen Übertretung des Pressegesetzes durch unbefugte Kolportage. In Untersuchungshaft befinden sich zum Zeitpunkt des Prozesses noch Johann Friede, Franz Wendelin Kácha, Karl Kederle, Adolf Kommernitzky, Adolf Macner, August Mehnert, Josef Schallinger und Josef Štěpánek. Verurteilt werden wegen Vergehens der Geheimbündelei Anton Zeman zu sechs Wochen, Wenzel Huňáček, Franz Wendelin Kácha, Karl Kederle, Josef Liebel, Adolf Macner und Josef Štěpánek zu je einem Monat Arrest, wegen Gutheißung von durch Gesetze verbotenen Handlungen Adolf Kommernitzky zu sechs Wochen, Karl Hofmann und Johann Šlechta zu je einem Monat, Adalbert Bažant und Josef Schallinger zu je vierzehn Tagen Arrest. Adalbert Bažant werden im September 1882 und Josef Schallinger nach Verbüßung der Haftstrafe aus Prag abgeschafft werden (►15. November 1882). Außerdem werden Karl Kederle wegen Vergehens gegen das Pressegesetz zu 50 Gulden sowie Franz Wendelin Kácha und Josef Štěpánek wegen Übertretung des Pressegesetzes zu je 10 Gulden Geldstrafe verurteilt. Adolf Kommernitzky wird nach verbüßter Strafe nach Sachsen abgeschoben werden. Freigesprochen werden Josef Boháček, Philipp Bošek, Johann Friede, Johann Holzhauser, Anton Houba, Anton Joukl, Johann Kotrba, Franz Koubek, Franz Lehovec, August Mehnert und Johann Pelc. (►3. bis 8. Juli 1882)

  • 13. April 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Am 13. April 1882 findet vor dem Bezirksgericht Sechshaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]) der Prozess anlässlich der Vorfälle bei der Feier für die so genannten Märzgefallenen (►12. März 1882) gegen die Tischlergehilfen Franz Hansl, Karl Slonek (1855–1927) und Franz Tichy (1852–1895) statt. Wegen Einmengens in eine Amtshandlung werden Franz Hansl und Karl Slonek zu je vierundzwanzig sowie Franz Tichy zu zwölf Stunden Arrest verurteilt. Der Tischlergehilfe Josef Kreps (1859–1945) wird am selben Tag in einem gesonderten Verfahren wegen Übertretung zu vier Tagen Arrest verurteilt.

  • 16. April 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Am 16. April 1882 findet im Gasthaus »zu den drei Engeln« (Josef Renz) in Wien 4., Große Neugasse 36, eine Volksversammlung zur Tagesordnung »Die Stellung der Arbeiter zur Antisemiten-Bewegung« (►25. März 1882) statt, an der über zweitausend Arbeiter teilnehmen. Der Einberufer, der Kartenmaler Andreas Voglgruber (1832–?), betont, man solle »zeigen, daß wir Arbeiter uns nicht als Juden, nicht als Christen, sondern als gleichgestellte Mitglieder der menschlichen Gesellschaft betrachten. […] Wir wollen keine Infanteristen sein gegen die Juden, sondern Infanteristen für die Rechte des Volkes.«5 Der Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?) spricht sich für gleiche Rechte christlicher wie jüdischer Arbeiter aus und wendet sich in scharfen Worten gegen die Führer der christlichen Arbeiterbewegung: »Ist es nicht eine Schande, daß Oesterreich solche Reichsvertreter hat, welche mit erbärmlichen Judenhetzen sich befassen?«6 Nun kommt es zu einem Tumult, und Wenzel Führer wird das Wort entzogen. Schließlich wird die Resolution des Schriftsetzers Ferdinand Barth (1862–1913) bei etwa hundert Gegenstimmen angenommen, dass das Programm der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« »mit der jetzt in Wien existirenden Anti-Semiten-Bewegung nichts gemein« habe: »Die Versammlung ist sich bewußt, daß die Arbeiter nur Einen Gegner haben, und dieser ist das Capital, und da dieses confessionslos und international ist, so müssen es auch die Arbeiter sein.«7

  • 21. April 1882 (Freitag)
    Budapest (Ungarn): Mit der Nummer vom 21. April 1882 wird die seit ►27. November 1881 erscheinende Zeitung »Volks-Zeitung« (Budapest), ein Organ mit radicalen Tendenzen, nach zweiundzwanzig Nummern eingestellt. Gleichsam als Fortsetzung wird am ►2. Juli 1882 die Zeitung »Volkswille« (Budapest) erscheinen.

  • 23. April 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Am 23. April 1882 findet in »Dreher’s Etablissement« (Anton Dreher) in Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 97, eine Arbeiterversammlung der Gemäßigten zur Tagesordnung »Die Forderungen des vierten Standes« statt, an der rund tausendzweihundert Arbeiter teilnehmen. Die Versammlung nimmt die Forderung nach dem allgemeinen Wahlrecht an, wenngleich zwei Redner der Radicalen, der Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?) und der Magazinaufseher Josef Gröger (1851–?), dagegen Stellung nehmen. Es kommt beinahe zum Eklat, als die Arbeiter den Namen des Tischlergehilfen Heinrich Hotze (1851–1891) rufen, der eben erst aus der Haft entlassen worden war (►6. März 1882), und der nun ein paar Worte sagen solle. Bemerkenswert ist die Aussage von Wenzel Führer: »Ich […] glaube, daß wir nicht mehr den Reichsrath anbetteln sollen, welcher alle unsere Petitionen ja doch nur in den Papierkorb wirft.«8 Ein anderer Radicaler, der Metallarbeiter Stefan Pauler (1840–?) wird später für die beinah gleichlautende Formulierung abgestraft werden (►29. Jänner 1883).

  • 24. April 1882 (Montag)
    Liezen (Steiermark): Am 24. April 1882 stirbt in Liezen (Steiermark) der so genannte Bauernagitator Johann Kalss (1856–1882) an Tuberkulose, ein wichtiger Agitator der radicalen Arbeiterbewegung in der Obersteiermark, der sich vereinzelt auch als Lyriker betätigt hatte.

  • 28. April 1882 (Freitag)
    Wien und Vororte: Am 28. April 1882 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess anlässlich der so genannten Affäre »zum grünen Thor« (►4. Dezember 1881) gegen den Tischlergehilfen Josef Schenk (1858–1893) wegen Vergehens des Auflaufs statt. Josef Schenk, der erst am 21. März 1882 (Dienstag) als jener Arbeiter identifiziert und verhaftet worden war, der schrie, »Lasst keine Opfer fallen, Genossen!«, wird im Sinne der Anklage zu vier Monaten strengen Arrest verurteilt.

  • Mai 1882
    Budapest (Ungarn): Mit der Nummer vom Mai 1882 wird die seit ►1. Jänner 1882 erscheinende radicale Zeitung »Der Sozialist« (Budapest) nach fünf Nummern eingestellt.

  • Mai 1882
    Lindau am Bodensee [Lindau (Bodensee)] (Bayern): Im Mai 1882 wird Rudolf Hofmann (1855–1924) in Lindau am Bodensee verhaftet. Er befindet sich gerade auf dem Weg in die Schweiz, um für die Polizei-Direktion Wien Adressen, Schmuggelwege und die für den Vertrieb der verbotenen Druckschriften Verantwortlichen zu erkunden. Dabei sollte es wohl auch um den Schneidergehilfen Ignaz Formanek (1854–nach 1905) gehen, der am ►12. März 1882 nach Zürich / Zurich / Zurigo (Kanton Zürich) gereist war, um dort den Vertrieb sozialrevolutionärer Schriften für Österreich zu übernehmen. Unter den bei der Festnahme von Rudolf Hofmann in Lindau am Bodensee sichergestellten Papieren befindet sich auch eine Notiz des berüchtigten Polizeikommissärs Bernhard Frankl (1846–1907) mit Anweisungen zur Aufdeckung des Schmuggels verbotener Druckschriften aus der Schweiz nach Österreich. (►24. Juni 1881) Aber erst in der ersten Nummer vom 1. März 1883 (Donnerstag) der Zeitung »Radikal« (Budapest) werden die Genossinnen und Genossen vor dem Polizeispitzel Rudolf Hofmann gewarnt werden.

  • Mai 1882
    Wien und Vororte: Im Mai 1882 wird in dem vom Tischlergehilfen Heinrich Hotze (1851–1891) im Auftrag des radicalen Exekutivkomitees verfassten und in Wiener Werkstätten verbreiteten Aufruf »Werthe Genossen« zur Sammlung für die Anschaffung einer geheimen Druckerpresse aufgefordert. Im Zusammenhang mit dieser Aktion steht ein weit folgenreicheres Ereignis. Ebenfalls im Mai findet eine Sitzung des geheimen »Clubs Nr. II« statt. Heinrich Hotze spricht sich – nach Aussage des Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?) – für die Beschaffung von Geld für Agitationszwecke um jeden Preis aus, selbst mittels Anwendung von Gewalt. Dagegen sind angeblich der Buchbindergehilfe Ernst Schmid (1853–1919) und der Tischlergehilfe Johann Wetz (1841–?), dafür der Schriftsetzer Anton Christoph (1857–1882), der schon genannte Josef Engel sowie die Tischlergehilfen Ludwig Sommer (~1851–?) und Andreas Spahl (1852–?). Diese Sitzung wird zur Geburtsstunde der so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882). Danach beginnen die Vorbereitungen für den geplanten Überfall. Josef Engel kundschaftet in einem Gasthaus in Wien 7., Kaiserstraße, den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) aus. Der Tischlermeister Wilhelm Bernt (1841–?), der zur Beteiligung am Überfall angeworben wird, lehnt ab. Ernst Schmid bietet sich an, das Betäubungsmittel zu beschaffen, stellt dieses dann aber nicht her. Danach wird ein separater geheimer Club gegründet, dem die Tischlergehilfen Franz Domes (1854–?), Josef Engel, Heinrich Hotze und Franz Pfleger (1831–1884) angehören. Franz Domes beschafft Geld, damit Franz Pfleger bei Josef Merstallinger etwas kaufen könne. Josef Engel, der das von Heinrich Hotze beigebrachte Chloroform als unbrauchbar ablehnt, stellt daraufhin selbst Chloroform her, wobei er dafür das Buch »Die Wunder der Physik und Chemie« von Ferdinand Siegmund (1829–1902)9 benutzt, welches Eigentum von Ludwig Sommer ist. Im Juni 1882 erprobt Engel das Chloroform an sich selbst. (►24. Juni 1882, ►1. Juli 1882 und ►4. Juli 1882)

  • 9. Mai 1882 (Dienstag)
    Waidhofen an der Ybbs (Niederösterreich): Am 9. Mai 1882 wird in Waidhofen an der Ybbs beim Schneidermeister Anton Stacherl (1848–1935) eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Aufgrund der vorgefundenen Zeitung wurde er unter dem Verdacht der Verbreitung verbotener Druckschriften in das Landesgericht St. Pölten (Niederösterreich) eingeliefert. Er wird sich dafür am ►19. Mai 1882 (Freitag) vor dem Kreis- als Pressgericht St. Pölten verantworten müssen.

  • 10. Mai 1882 (Mittwoch)
    Korneuburg (Niederösterreich): Am 10. Mai 1882 findet vor dem Kreisgericht Korneuburg in geheimer Verhandlung der Prozess gegen den im März 1882 verhafteten und in Untersuchungshaft genommenen Johann Schenk wegen Verbrechens der Majestätsbeleidigung statt. Johann Schenk wird im Sinne der Anklage zu acht Monaten strengem Arrest verurteilt. Er wird seine Strafe im Gefängnis des Bezirksgerichts Ober-Hollabrunn in Hollabrunn (Niederösterreich) absitzen.

  • 14. Mai 1882 (Sonntag)
    Wiener Neustadt (Niederösterreich): Die Radicalen beginnen auch in der Provinz gegen das Wahlrecht zu agitieren. Beispielsweise findet am 14. Mai 1882 im Bräuhaus in Wiener Neustadt, Bräuhausgasse 7–9, eine Volksversammlung von etwa achthundert Arbeitern unter dem Vorsitz des Ofenbauers und Schriftstellers Franz Johann Leitner (1849–1922) statt, mit dem Tischlergehilfen Michael Kumić (1853–?) als Schriftführer. Tagesordnungspunkte sind »1. Die Forderungen des vierten Stands vor dem Forum des Parlaments; 2. Die Presse«. Es sprechen der liberale Reichsratsabgeordnete Ferdinand Kronawetter (1838–1913), der Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?), der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) und der Webergehilfe Franz Schustaczek (1850–1908) aus Wien sowie der Schneidergehilfe und spätere Polizeispitzel Ludwig Philipp Schrödl (1851–1888) aus Gloggnitz (Niederösterreich), also fast nur Leute aus Wien, mit einem deutlichen Übergewicht der Radicalen.

  • 15. Mai 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 15. Mai 1882 findet im Gemeinde-Gasthaus in Großjedlersdorf 21 (Niederösterreich [zu Wien 21.]) eine Volksversammlung zur Tagesordnung »Die Forderungen des vierten Standes gegenüber dem Forum des Parlaments« statt, an der rund dreihundert Arbeiter teilnehmen. Neben dem Magazinaufseher Josef Gröger (1851–?), dem Webergehilfen Josef Hybeš (1850–1921) und dem Maschinenschlossergehilfen und Metallarbeiter, Stefan Pauler (1840–?) spricht hier auch ein späterer Attentäter (►24. August 1882 und ►28. März 1883), der Buchbindergehilfe und nunmehrige Eisenbahnarbeiter Anton Kammerer (1862–1884). Am Ende der Veranstaltung verweist Josef Gröger auf die Worte des liberalen Reichsratsabgeordneten Ferdinand Kronawetter (1838–1913): »Die Arbeiter werden ihr Wahlrecht nicht verlangen, nein, sie werden es bekommen.«10

  • Mitte Mai 1882
    Budapest (Ungarn): Mit der Nummer vom Mai 1882 wird die seit ►11. März 1882 erscheinende radicale Zeitung »Der Kommunist« (Budapest) nach drei Nummern eingestellt.

  • 16. Mai 1882 (Dienstag)
    Klein-Holleschowitz (Böhmen [Malé Holešovice, zu Prag ‹Praha›, Tschechien]): Am 16. Mai 1882 findet die von der Parteileitung der Wiener tschechoslawischen Sozialdemokraten einberufene geheime Delegiertenkonferenz der »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku« (Tschechoslawische sozial-demokratische Arbeiterpartei in Österreich) in Klein-Holleschowitz statt, auf der die Spaltung unter den tschechoslawischen Sozialdemokraten offen zutage tritt. Vertreten sind Delegierte aus Wien und aus den böhmischen Orten Aussig [Ústí nad Labem, Tschechien], Böhmisch-Brod [Český Brod, Tschechien], Nürschan [Nýřany, Tschechien], Pilsen [Plzeň, Tschechien], Prag [Praha, Tschechien] und Turn [Trnovany, zu Teplice, Tschechien] sowie aus dem mährischen Brünn [Brno]. Nach heftiger Kritik an der radicalen Zeitung »Dělnické Listy« (Vídeň [Wien]; Arbeiterblätter) wird die gemäßigte Zeitung »Spravedlnost. Orgán sociálně-demokratické strany českoslovanské v Rakousku« (Brno; Gerechtigkeit. Organ der tschechoslawischen sozial-demokratischen Arbeiterpartei in Österreich) als neues tschechoslawisches Parteiorgan bestimmt. Die Parteileitung verbleibt allerdings in Wien, und die Mehrheit der Delegierten stimmt für die Streichung des Wahlrechts aus dem Parteiprogramm.

  • 19. Mai 1882 (Freitag)
    St. Pölten (Niederösterreich): Am 19. Mai 1882 findet vor Kreis- als Pressgericht St. Pölten (Niederösterreich) der Prozess gegen den Schneidermeister Anton Stacherl (1848–1935) wegen Übertretung des Pressgesetzes statt. Aufgrund der bei ihm während der Hausdurchsuchung am ►9. Mai 1882 (Dienstag) vorgefundenen Druckschriften wird er im Sinne der Anklage verurteilt.

  • 25. Mai 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Am 25. Mai 1882 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der geheime Prozess gegen den Schuhmachergehilfen und Redakteur der Zeitung »Schuhmacher-Fachblatt« (Wien) Johann Richter (1852–nach 1932) statt. Dieser hatte am 1. April 1882 (Samstag) dem Druckereibesitzer Josef Trostler (1852–1917) in Wien 6., Gumpendorfer Straße 95, einen fertigen, aus der Schweiz eingeschmuggelten Letternsatz für die Flugschrift »Lebenszeichen«11 zum Drucken von 20.000 bis 50.000 Exemplaren übergeben und wurde aufgrund einer Anzeige des Druckereibesitzers, der nur einen Bürstenabzug machte, am ►11. April 1882 verhaftet. Johann Richter, der im Zuge der Verhöre vorübergehend den seit ►12. März 1882 aus Wien flüchtigen Schneidergehilfen Ignaz Formanek (1854–nach 1905) belastet hatte, wird der Verbrechen des Hochverrats, der Majestätsbeleidigung und der Störung der öffentlichen Ruhe sowie des Vergehens gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung angeklagt, von den Geschworenen in allen Punkten einstimmig schuldig gesprochen und zu zwölf Jahren schwerem Kerker verurteilt. Am 6. Juli 1882 (Donnerstag) wird Johann Richter in das Gefängnis Suben (Oberösterreich) eingeliefert werden. Die Wiener Radicalen werden auf dieses extreme Urteil gegen den außerdem schwer lungenkranken Johann Richter für eine Flugschrift, die nicht einmal gedruckt worden, geschweige denn zur Verbreitung gelangt ist, am ►30. Mai 1882 mit der Flugschrift »Justizstrolche« reagieren. Jedenfalls bringt das Urteil gegen Johann Richter das Fass zum Überlaufen, kann zugespitzt als die Geburtsstunde der Sozialrevolutionäre in Österreich gelten. Während die Arbeiter noch vor wenigen Monaten sogar in der bürgerlichen Presse darüber lesen konnten, dass die Stadtversammlung von Besançon (Frankreich) Geld für die Errichtung eines Denkmals für den Anarchisten Pierre-Joseph Proudhon (1809–1865) bereitstellte, wird in Wien, der Haupt- und Residenzstadt des größten mitteleuropäischen Staatengebildes, alles verfolgt, was nach Sozialismus oder Anarchismus riecht. (►2. Februar 1884)

  • 30. Mai 1882 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Am 30. Mai 1882 verbreiten Wiener Radicale erstmals die Flugschrift »Justizstrolche«12 als Reaktion auf das Urteil gegen den Schuhmachergehilfen und Redakteur der Zeitung »Schuhmacher-Fachblatt« (Wien) Johann Richter (1852–nach 1932) vom ►25. Mai 1882.

  • Juni 1882
    Wien und Vororte: Im Juni 1882 wird der in Wien tätige Schuhmachergehilfe Ferenc Resch (1857–?) wegen staatsgefährdender Propaganda aus sämtlichen im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern (also aus der österreichischen Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) ausgewiesen.

  • 3. Juni 1882 (Samstag)
    London (England) / Schaffhausen / Schaffhouse / Sciaffusa (Kanton Schaffhausen, Schweiz): Am 3. Juni 1882 erscheint die letzte in London gedruckte Nummer der Zeitung »Freiheit« (London) des seit ►30. März 1881 inhaftierten Journalisten Johann Most (1846–1906). Da sich wegen der behördlichen Drangsalierungen hier kein Drucker mehr finden lässt, werden Druck und Herausgabe der Zeitung in die Schweiz verlegt. Am 8. Juli 1882 (Samstag) wird die erste in Schaffhausen gedruckte Nummer der Zeitung »Freiheit« erscheinen. (►9. Dezember 1882)

  • 4. Juni 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Am 4. Juni 1882 wird bei seiner Ankunft aus Budapest am Bahnhof Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) der Schuhmachergehilfe Lipót Braun (1849–?), ein bekannter Radicaler Ungarns, von bereits vorinformierten Wiener Polizei-Agenten festgenommen. Bei der Durchsuchung seines Koffers werden einige tausend Exemplare sozialistischer Flugschriften sowie mehrere Exemplare der Zeitung »Freiheit« (London) gefunden. Lipót Braun wird verhaftet und ins Wiener Landesgericht eingeliefert. Da der Ort der Festnahme außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Wiener Staatsanwaltschaft liegt, wird er am 6. Juni 1882 (Dienstag) ins Kreisgericht Korneuburg (Niederösterreich) überstellt werden. (►4. September 1882)

  • 9. Juni 1882 (Freitag) bis 12. Juni 1882 (Montag)
    Korneuburg (Niederösterreich): Vom 9. bis 12. Juni 1882 findet vor dem Kreis- als Schwurgericht Korneuburg, teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit, der Prozess gegen den auf Ersuchen der Polizei-Direktion Wien vom ►5. Dezember 1881 in Bregenz (Vorarlberg) wegen Schmuggels der Zeitung »Freiheit« (London) verhafteten und ins Kreisgericht Feldkirch (Vorarlberg) eingelieferten Tischlergehilfen Hermann Hinterstoißer (1854–1905) statt, weiters gegen den am ►13. Jänner 1882 in Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) wegen Verbreitung verbotener Druckschriften verhafteten Kupferschmiedgehilfen Karl Urbanek (1848–?), dessen Ehefrau, die Hausfrau Rosa Urbanek (1846–?), sowie gegen die wegen desselben Delikts am ►27. Dezember 1881 in Floridsdorf verhafteten Webergehilfen Wilhelm Till (1851–?) und Otto Schellenträger (1860–?) statt. Wegen Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, Vergehens gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung sowie gegen das Pressegesetz werden Hermann Hinterstoißer zu zwei Jahren schwerem Kerker, Wilhelm Till und Karl Urbanek zu je einem Jahr verschärftem Kerker sowie Otto Schellenträger zu vierzehn Tagen strengem Arrest verurteilt. Rosa Urbanek wird freigesprochen. Wilhelm Till und Karl Urbanek werden ihre Strafe im Gefangenenhaus Suben (Oberösterreich) absitzen. Die Zeugin Karoline Müller wird am ►17. Juli 1882 wegen falscher Zeugenaussage verhaftet werden. Wichtig für die späteren Ereignisse (►15. Dezember 1883) in Wien: Die Leumundsnoten der Angeklagten verfasste der Polizeikonzipist Franz Hlubek (1854–1883), der auch als Zeuge auftritt und die Angeklagten mit seiner Aussage belastet. Vertrauensmann der Angeklagten ist der Buchbindergehilfe Anton Kammerer (1862–1884), der am ►15. Dezember 1883 Franz Hlubek erschießen wird. Die Verurteilung von Wilhelm Till und Karl Urbanek, beide Ausschussmitglieder des »Arbeiter-Bildungsvereins in Floridsdorf«, ist ein gewichtiges Argument für die behördliche Auflösung des 1871 gegründeten wichtigen Arbeitervereins mit Bescheid vom 19. Juli 1882 (Mittwoch). (►12. Juni 1883)

  • 9. Juni 1882 (Freitag) bis 1. Juli 1882 (Samstag)
    Wien und Vororte: Am 9. Juni 1882 findet vor dem Bezirksgericht Wieden (Wien 4.) der geheim durchgeführte Prozess gegen den Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?) wegen Beleidigung des Reichsrats statt. Er hatte in eine Schmiedeversammlung im Gasthaus »zur Rose« (Stefan Stanek) in Wien 10., Himberger Straße 41, die Worte des liberalen Reichsratsabgeordneten Ferdinand Kronawetter (1838–1913) wiederholt. Ferdinand Kronawetter hatte bei der allgemeinen freien Volksversammlung in »Zobel’s Bierhalle« (Franz Zobel) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Gasgasse 4–6 / Zwölfergasse 3–15, am ►25. März 1882 unter anderem gesagt, dass das Parlament einem Theater gleich sei. Nach einer Unterbrechung der Verhandlung wegen einer Zeugenladung wird Wenzel Führer am 1. Juli 1882 zu einer Woche Arrest verurteilt.

  • 22. Juni 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: In einem Artikel in der Nummer 66 (22. Juni 1882) der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) stellen Radicale die Frage, ob man in einer bürgerlichen Demokratie nicht schon durch die Beteiligung an politischer Macht an der Unterdrückung des Volks teilnähme.13

  • 24. Juni 1882 (Samstag)
    Wien und Vororte: Der für den 24. Juni 1882 vorgesehene Überfall der Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?) und Franz Pfleger (1831–1884) auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) wird verschoben, weil die Situation als ungünstig bewertet wird. (►Mai 1882, ►1. Juli 1882 und ►4. Juli 1882)

  • 25. Juni 1882 (Sonntag)
    Budapest (Ungarn): Die seit ►1. Oktober 1881 erscheinende Zeitung mit radicalen Tendenzen »Der Schraubstock« (Budapest) wird am 25. Juni 1882 nach neununddreißig Nummern eingestellt.

  • 29. Juni 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Am 29. Juni 1882 wird die für den 2. Juli 1882 (Sonntag) in »Zobel’s Bierhalle« (Franz Zobel) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Gasgasse 4–6 / Zwölfergasse 3–15, vom Miederfabrikanten Franz Gams (1850–1899) einberufene Volksversammlung in deutscher und tschechischer Sprache zur Tagesordnung »Der vierte Stand und das allgemeine Wahlrecht« behördlich untersagt. (►1. Juli 1882)

  • 1. Juli 1882 (Samstag)
    Wien und Vororte: Als erste Fachzeitung (Gewerkschaftszeitung) rückt die »Schneider-Fachzeitung« (Wien) in einem Artikel der Nummer 13 (1. Juli 1882) von der Forderung nach dem allgemeinen Wahlrecht ab. Im August 1882 wird das gewerkschaftliche Organ der Metallarbeiter mit einem Artikel des Privatlehrers und Redakteurs Georg Matzinger (1848–1934), später ein bedeutender Anarchist, in der Nummer 15 (3. August 1882) der Zeitung »Sozialpolitische Fachzeitung der Metallarbeiter Österreichs« (Wien) folgen.14

  • 1. Juli 1882 (Samstag)
    Wien und Vororte: Am 1. Juli 1882 wird die für den 3. Juli 1882 (Montag) in »Zobel’s Bierhalle« (Franz Zobel) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Gasgasse 4–6 / Zwölfergasse 3–15, vom Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?) einberufene Volksversammlung mit der Tagesordnung »Die Arbeiter und das Wahlrecht« behördlich untersagt. (►29. Juni 1882)

  • 1. Juli 1882 (Samstag)
    Wien und Vororte: Nachdem am ►24. Juni 1882 die Gelegenheit für einen Überfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) als ungünstig ausgelassen worden war, fordert der Tischlergehilfe Josef Engel (~1858–?) seinen Berufskollegen Franz Pfleger (1831–1884) am 1. Juli 1882 zur Durchführung des geplanten Unternehmens auf. (►Mai 1882, ►24. Juni 1882 und ►4. Juli 1882)

  • 2. Juli 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Am 2. Juli 1882 findet in Wien eine geheime Vertrauensmännerkonferenz der Wiener Radicalen und Gemäßigten statt, um ihre Differenzen zu klären. Die Gemäßigten werden von den Woll- und Seidenfärbergehilfen Josef Bardorf (1847–1922), den Bildhauer Ludwig Bretschneider (1860–1929), den Bandmachergehilfen Ferdinand Dorsch (1845–1898), den Sattlergehilfen Heinrich Gehrke (1835–1917), den Metalldrucker Anton Hauser, den Schuhmachergehilfen Martin Kauba, den Redakteur Karl Kautsky (1854–1938) und den Schuhmachergehilfen Gustav Schwab vertreten, die Wiener Tschechoslawen durch zwei Radicale, den Schlossermeister Franz Nechvíle (1856–1931) und den Metalldrechsler Adalbert Steska (1858–?). Von den deutschsprachigen Radicalen sind nur der Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?) und der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) namentlich bekannt. Als Schiedsrichter sind vier Genossen aus Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]) anwesend, zwei deutsch- und zwei tschechischsprachige. Die Radicalen beharren auf ihrem Standpunkt in der Wahlrechtsfrage, stimmen aber der Einberufung eines Parteitags zu, sofern dieser geheim abgehalten werde. Die Gemäßigten beharren auf dem Wahlrecht und einem öffentlichen Parteitag. Diese Konferenz besiegelt den Bruch zwischen den Wiener Radicalen und Gemäßigten. »Als man in Zürich merkte, daß ihre Sache in Österreich immer mehr und mehr an Boden verlor, kam Karl Kautsky nach Wien, um das verlorene Terrain wieder zurück zu erobern. In einer Parteikonferenz, an welcher Delegaten von Nieder- und Oberösterreich, Böhmen, Mähren und Schlesiens teilnahmen, suchte Kautsky – der speziell in Wien in gutem Ansehen stand – wissenschaftlich zu beweisen, daß unsere [142] radikale Taktik durchaus verkehrt und verwerflich sei. Er kam aber bei der Diskussion mit mir in solche Enge mit seinen Argumenten, daß er tapfer die Segel strich und unter Hohngelächter allein das Lokal verließ. Die Diskussion wurde trotzdem zu Ende geführt und bei der Abstimmung mit großer Majorität zu unsern Gunsten entschieden. Unter den Delegaten, die als Zweifler oder Gegner gekommen, hatten wir neue Mitglieder gewonnen.«14

  • 2. Juli 1882 (Sonntag)
    Budapest (Ungarn): Am 2. Juli 1882 erscheint gleichsam als Fortsetzung der am ►21. April 1882 eingestellten »Volks-Zeitung« (Budapest) die erste Nummer der radicalen Zeitung »Volkswille« (Budapest), welche mit der Nummer vom ►1. Oktober 1882 nach vierzehn Nummern ihr Erscheinen einstellen wird. Da der Zeitung der Postdebit (Zeitungsvertrieb durch die Post) mit Erkenntnis des Ministeriums des Innern vom 20. August 1882 (Sonntag) für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder (also der österreichischen Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) behördlich entzogen wird, wird sie nach Österreich vor allem eingeschmuggelt werden.

  • 3. Juli 1882 (Montag) bis 8. Juli 1882 (Samstag)
    Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Vom 3. bis 8. Juli 1882 findet vor dem Landes- als Strafgericht Prag in geheimer Verhandlung der dritte große Prozess (►23. Jänner bis 4. Februar 1882, ►11. bis 17. April 1882 und ►4. bis 22. Dezember 1882) gegen fünfzehn tschechische Radicale statt. Von den Angeklagten wohnen in Kladen (Böhmen [Kladno, Tschechien]) die Bergmänner Karl Břenda (~1842–?), Franz Čadek (~1843–?), August Horešovský (~1860–?) und Josef Husák (~1856–?) sowie der Berg- und Zimmermann Josef Janoušek (1853–?), in Kladen beziehungsweise Blisowa (Böhmen [Blížejov, Tschechien]) der Bergmann Emanuel Šikl (1853–?), in Swinarow (Böhmen [Svinařov, Tschechien]) der Schuhmachergehilfe Josef Dvořák (~1851–?), der Maurergehilfe Thomas Kozel (~1849–?), der Schuhmachergehilfe Johann Lhoták (~1853–?) sowie die Bergmänner Johann Rouček (1845–?), Franz Suchopárek (1861–?) und Johann Waigl (~1844–?), in Markscheid (Böhmen [Rozdělov, zu Kladno, Tschechien]) der Bergmann und Gemeinderat Alois Schnabl (~1850–?), in Strebichowitz (Böhmen [Střebichovice, zu Třebichovice, Tschechien]) der Bergmann Johann Chyský (~1863–?) und in Kruschowitz (Böhmen [Krušovice, Tschechien]) der Heizer in einer Brauerei Franz Walenta (~1847–?). Alle werden des Vergehens gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung angeklagt, zusätzlich Johann Waigl der Verbrechen der Majestätsbeleidigung und der Religionsstörung, Josef Dvořák und Johann Lhoták des Verbrechens der Religionsstörung und des Vergehens der Beleidigung einer gesetzlich anerkannten Kirche, Karl Břenda, August Horešovský, Josef Husák, Josef Janoušek und Alois Schnabl der Übertretung des Streikgesetzes, Josef Dvořák auch nochdes Vergehens gegen das Pressegesetz. Verurteilt werden Johann Waigl zu zwei Jahren schwerem Kerker, verschärft durch einen Fasttag vierteljährlich, Josef Dvořák wegen Verbrechens der Religionsstörung und Vergehens der Beleidigung einer gesetzlich anerkannten Kirche und der Geheimbündelei sowie wegen Verbreitung verbotener Druckschriften und Hausierens mit Druckschriften zu achtzehn Monaten schwerem Arrest, verschärft durch einen Fasttag monatlich, sowie zu einer Geldstrafe von 50 Gulden an den Arnmenfonds in Swinarow, Emanuel Šikl Vergehens der Geheimbündelei und Übertretung des Streikgesetzes zu acht Monaten Arrest, verschärft durch einen Fasttag monatlich, Alois Schnabl zu sechs Monaten Arrest, verschärft durch einen Fasttag monatlich in Einzelhaft, Josef Janoušek wegen Vergehens der Geheimbündelei und Übertretung des Streikgesetzes zu vier Monaten Arrest, verschärft durch acht Fasttage in Einzelhaft, August Horešovský wegen Vergehens der Geheimbündelei und Übertretung des Streikgesetzes zu drei Monaten Arrest, Josef Husák wegen Vergehens der Geheimbündelei und Übertretung des Streikgesetzes zu zehn Wochen Arrest, verschärft durch drei Fasttage, Johann Chyský wegen des Vergehens der Geheimbündelei und gegen das Pressegesetz zu zwei Monaten Arrest und 10 Gulden Geldstrafe, Thomas Kozel wegen der Vergehen der Geheimbündelei und gegen das Pressegesetz zu sechs Wochen Arrest, verschärft durch drei Fasttage in Einzelhaft, sowie zu 15 Gulden Geldstrafe, Johann Rouček wegen der Vergehen der Geheimbündelei und gegen das Pressegesetz zu vierzehn Tagen Arrest, verschärft durch zwei Fasttage, und 20 Gulden Geldstrafe, Franz Suchopárek wegen Vergehens der Geheimbündelei zu vierzehn Tagen Arrest, Franz Čadek wegen Vergehens der Geheimbündelei zu zehn Tagen Arrest mit einem Fasttag in Einzelhaft, Karl Břenda wegen Übertretung des Streikgesetzes zu sechs Tagen Arrest mit einem Fasttag. Lediglich Johann Lhoták und Franz Walenta werden freigesprochen. Emanuel Šikl wird im März 1883 aus Prag und dessen Rayon für immer ausgewiesen werden. Dieser Prozess, bei dem fast ausschließlich böhmische Bergarbeiter angeklagt werden, hat keinen unmittelbaren Einfluss auf die Bewegung der Radicalen in Wien. Dies gilt auch für fast alle folgenden Prozesse gegen Radicale in Böhmen, weshalb sie in dieser Chronik nur mehr ausnahmsweise berücksichtigt werden. (►4. bis 22. Dezember 1882)

  • 4. Juli 1882 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Am 4. Juli 1884 findet die so genannte Merstallinger-Affäre statt (►Mai 1882, ►24. Juni 1882 und ►1. Juli 1882). An diesem Tag überfallen um etwa 12 Uhr 15 die Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?) und Franz Pfleger (1831–1884) den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) in Wien 7., Zieglergasse 8, der in seinem 1851 gegründeten Unternehmen zwei Näherinnen im Haus und acht Schuhmacher außer Haus beschäftigt. Eigentlich handelt es sich bei dem überfallenen Geschäftslokal um einen Gassenschuhladen mit angeschlossener Werkstatt. Zunächst fährt Franz Pfleger in einem Einspänner (Fiaker) vor, betritt den Geschäftsraum und gibt sich Josef Merstallinger gegenüber als Fabrikant aus, der eine größere Bestellung machen will. Danach betritt Josef Engel das Geschäft mit einer Handtasche und einem Paket Schriften unter dem Arm, gibt sich als Abgesandter der Polizei aus und erkundigt sich nach einem angeblich bei Merstallinger beschäftigten Arbeiter. Es kommt zu einem Wortwechsel zwischen Josef Engel und Josef Merstallinger, in welchen sich dann auch Franz Pfleger einmischt und damit die Aufmerksamkeit des Geschäftsinhabers auf sich lenkt. Josef Engel tränkt den mitgebrachten Schwamm mit Chloroform. Während Franz Pfleger den zu Boden geworfenen Josef Merstallinger fortwährend, etwa zehn Minuten lang, den Schwamm auf das Gesicht presst, erbricht Josef Engel Läden und Schränke im Geschäftslokal wie auch im anschließenden Wohnzimmer, verstaut das Raubgut in der mitgebrachten Tasche und verlässt gemeinsam mit Franz Pfleger den Tatort. Geraubt werden mindestens 220 Gulden Bargeld (Silber- und Papiergeld) sowie Preziosen im Wert von 728 Gulden. Josef Merstallinger übrigens gibt, selbst zum Missfallen des Gerichts, den Wert des Geraubten ungleich höher an: neben den Preziosen 900 bis 1.000 Gulden Bargeld. Dieser als »Merstallinger-Affäre « bezeichnete Überfall dient zur Beschaffung finanzieller Mittel für die Propaganda der Wiener Radicalen, inbesonders für die Anschaffung einer geheimen Druckpresse.
    Die polizeilichen Erhebungen und gerichtlichen Untersuchungen stellen folgende Vorgänge nach dem vollbrachten Raubüberfall fest. Josef Engel begibt sich noch am 4. Juli 1882 mit der gesamten Beute zur verwitweten Tintenerzeugerin Anna Heitzer (1850–1913) – Lebensgefährtin eines Radicalen, des Sattlergehilfen Anton Schenk (1842–1927) –, der er sie zur Aufbewahrung übergeben wollte. Dies verweigert Heitzer, übernimmt dann aber ein Paket mit 100 Gulden zur Verwahrung. Außerdem erhält sie von Engel einen goldenen Ring mit einem roten Stein im Wert von 28 Gulden und 40 Kreuzer Kupfergeld als Geschenk. Danach begibt sich Engel mit dem Rest der Beute zu Franz Pfleger. Hier wird der Beuterest auf drei Pakete verteilt: ein Paket mit Pretiosen, ein Paket mit 70 Gulden Silbergeld und ein Paket mit 25 Gulden, welche für den Tischlergehilfen Franz Domes (~1854–?) gedacht sind, als Ersatz für das Geld, das er für die Vorbereitung des Raubüberfalls ausgegeben hatte. Für sich selbst behält Pfleger lediglich 1 Gulden und 5 Kreuzer als Ersatz für seine beim Raubüberfall zerbrochene Brille. Engel soll insgesamt zwischen 23 oder höchstens 38 Gulden erhalten haben. Danach begibt sich Engel am Nachmittag mit den drei Paketen zum Tischlergehilfen Heinrich Hotze (1851–1891), der die Beute für die Partei verwenden sollte. Da Hotze aber nicht zuhause ist, übernimmt dessen Ehefrau, die Hausfrau Jakobine Hotze (1850–1931), die drei Pakete. Sie erhält dafür von Engel zwei goldene Manschettenknöpfe im Wert von 6 Gulden und 30 Kreuzer Bargeld als Geschenk. Angeblich soll Heinrich Hotze von diesem Geld 21 oder 22 Gulden für separate Agitationszwecke erhalten haben. Jakobine Hotze versteckt die drei Pakete zunächst im Bett, dann unter einem hölzernen Treppenabsatz. Am 6. Juli 1882 übergibt Jakobine Hotze das für diesen vorgesehene Paket mit 25 Gulden Franz Domes. Ebenfalls am 6. Juli 1882 holt sich Engel von den bei Anna Heitzer verwahrten 100 Gulden 8 Gulden für sich. Die restlichen 92 Gulden bringt Anna Heitzer noch am selben Abend in das Redaktionslokal der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) in Wien 6., Gumpendorfer Straße 78, welches aber schon zugesperrt ist. Daraufhin übergibt sie noch am selben Abend die 92 Gulden Jakobine Hotze. Wenig glaubhaft ist Jakobine Hotzes Aussage, sie habe ihrem Ehemann Heinrich Hotze das Geld erst am 6. Juli 1882 übergeben, und dieser soll ihr erst am 8. Juli 1882 gestanden haben, dass es sich bei den Preziosen und Geldern um Beute aus dem Raubüberfall auf Josef Merstallinger handle. Im Auftrag von Heinrich Hotze überbringt der Miederfabrikant Franz Gams (1850–1899) kurz darauf dem Tischlermeister Wilhelm Bernt (1841–?) in dessen Wohnung in Rudolfsheim (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Goldschlagstraße 40, das Paket mit 70 Gulden Silbergeld, welche Bernt in Gulden österreichischer Währung wechseln lässt. Von diesen behält Bernt für sich 4 Gulden, übergibt Heinrich Hotze 51 Gulden und Josef Engel für die Flucht 15 Gulden. Außerdem erhält Bernt von Hotze das Paket mit den Preziosen, welches er für einige Tage in seinem Kellerlokal in Wien 7., Neubaugasse 44, versteckt. Davon erhält er von Hotze ein Bracelet (Armreif), drei Knöpfe, vier Ringe, eine Damen- und eine Herrenuhr. Die Uhren verkauft Bernt dem Goldarbeitergehilfen Wenzel Sappé (1856–?) um 50 Gulden, wofür ihm Sappé 30 Gulden anzahlt, welche Bernt für sich verwendet. Von all diesen Vermutungen können allerdings später im Prozess nur wenige auch tatsächlich bewiesen werden.
    Interessant ist die Erinnerung von Josef Peukert (1855–1910) an die Merstallinger-Affäre. Der Überfall auf Josef Merstallinger ist zunächst nur für die Tagespresse von Interesse (►6. Juli 1882). (►10. August 1882).

  • 6. Juli 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Am 6. Juli 1882 werden in Wien wegen des Raubattentats auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) drei Männer und zwei Frauen in Verwahrungshaft genommen. Von den Verhafteten wird am 11. Juli 1882 (Dienstag) der vazierende Schuhmachergehilfe Johann Konrad Mucha (1850–?) ins Landesgericht eingeliefert werden. Josef Merstallinger will in Johann Konrad Mucha einen der Täter erkannt haben, doch verwechselt er ihn mit dem Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?). Johann Konrad Mucha war schon am 14. Jänner 1880 (Mittwoch) vom Landesgericht Wien wegen Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit zu drei Monaten schwerem Kerker verurteilt worden. Er wird erst nach sieben Wochen Untersuchungshaft Ende August 1882 als an der Tat vollkommen unschuldig entlassen werden; angeblich versuchte er danach, sich aus Verzweiflung zu erhängen. Auch die anderen vier Verdächtigen bleiben weiterhin in polizeilichem Gewahrsam. Nach ersten Vermutungen Ende Juli 1882 (►25. Juli 1882) setzt der Präsident der Polizei-Direktion Wien Karl Krticzka Freiherr von Jaden (1824-1885) zur Durchführung der Erhebungen ein eigenes Invigilierungs-Komitee ein, und erst nach sieben Wochen, am 23. August 1882 (Mittwoch), wird der politische Hintergrund des Raubüberfalls öffentlich bekannt. (►23. bis 25. August 1882)

  • 6. Juli 1882 (Donnerstag)
    Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]): Am 6. Juli 1882 findet vor dem Kreis- als Pressgericht Reichenberg der Prozess gegen den Tuchmachergehilfen Anton Behr (1854–1931), den Schlossermeister Franz Nechvíle (1856–1931) und den Tuchmachergehilfen Josef Ulbrich (1845–1910) wegen Vergehens gegen das Pressegesetz durch Verbreitung verbotener Druckschriften statt. Alle drei Angeklagten werden freigesprochen.

  • 7. Juli 1882 (Freitag)
    Wien und Vororte: Am 7. Juli 1882 findet in Wien die konstituierende Sitzung des »Politischen Vereins ›Wahrheit‹« statt, der zum Stützpunkt der Gemäßigten wird. Obmann wird der Sattlergehilfe Heinrich Gehrke (1835–1917), Obmann-Stellvertreter werden der Woll- und Seidenfärbergehilfe Josef Bardorf (1847–1922) und der Schuhmachergehilfe Martin Kauba, Schriftführer der Bandmachergehilfe Ferdinand Dorsch (1845–1898) und der Sattlergehilfe Vinzenz Zich (1846–1917) und Kassier wird der Steinmetzgehilfe Raimund Körbler (1846–1931). Ausschussmitglieder sind [?] Lausch, der Holzbildhauer Ferdinand Leißner (1852–1943) und der Futteralmacher Johann Wittasek (1850–1912). Mit der Gründung dieses Vereins nehmen die Spannungen zwischen Gemäßigten und Radicalen weiter zu.

  • 11. Juli 1882 (Dienstag)
    Kritzendorf [zu Klosterneuburg] (Niederösterreich): Der Schneidergehilfe Johann Kubányik (~1859–?), als Slowake der deutschen Sprache kaum mächtig, befindet sich auf dem Weg nach Paris (Frankreich). Am 11. Juli 1882 bietet er im Gasthaus von Johann Grabler (1861–1912) in Kritzendorf, wo sich auch eine Dampfschiffstation befindet, deutschsprachige sozialistische Zeitungen und Schriften zum Verkauf an, ohne allerdings etwas zu verkaufen. Der vom Wirt verständigte Gendarmerie-Wachtmeister wird auf dem Weg zum Gendarmerieposten von Johann Kubányik als »Rauber« beschimpft, worauf er verhaftet und unter dem Verdacht des Verbrechens der Majestätsbeleidigung sowie der Vergehen der Wachebeleidigung, der unbefugten Kolportage und der Verbreitung verbotener Schriften in das Landesgericht Wien eingeliefert wird. Johann Kubányik wird sich am ►5. September 1882 vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien verantworten müssen.

  • 12. Juli 1882 (Mittwoch)
    Budapest (Ungarn): Am 12. Juli 1882 wird der Hutmachergehilfe und Redakteur der radicalen Zeitung »Der Kommunist« (Budapest) Rudolf Hofmann (1855–1924) vom Schwur- als Pressgericht Budapest von der Anklage freigesprochen, mit einigen Artikeln gegen das Pressegesetz verstoßen zu haben. Rudolf Hofmann ist zu diesem Zeitpunkt bereits als Polizeispitzel tätig. (►24. Juni 1881) Aber erst in der ersten Nummer vom (►1. März 1883) der Zeitung »Radikal« (Budapest) werden die Genossinnen und Genossen vor ihm gewarnt werden.

  • 13. Juli 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: In der Nummer 67 (13. Juli 1882) der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) erscheint der »J. P.« gezeichnete, vom Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) verfasste Artikel »Das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht und die Arbeiter«, in welchem er feststellt, »daß der Grundsatz (die Forderung des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechtes) ein falscher und gefährlicher für unsere Sache, der Sache des arbeitenden Volkes ist […]. Wir haben die innerste Überzeugung, daß die ökonomische Emanzipation der politischen vorangehen muß, respektive die letztere nur durch die erstere zu erreichen ist.«16

  • 13. Juli 1882 (Donnerstag)
    Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Dass bisweilen auch Leser sozialdemokratischer Organe gemäßigter Tendenz gefährlich leben, zeigt ein Vorfall in Böhmens Hauptstadt. Am 13. Juli 1882 findet vor dem Landesgericht als Erkenntnissenat Prag der Prozess gegen den Schuhmachergehilfen Karl Loskot (~1853–?) statt, angeklagt des Vergehens der Mitgliedschaft in einem Geheimbund und der Übertretung des Pressegesetzes. Er wird im Sinne der Anklage zu sechs Wochen strengem Arrest verurteilt. Hintergrund des Delikts: Am 5. Juni 1882 (Montag) fuhr Karl Loskot mit dem Zug von Aussig (Böhmen [Ústí nad Labem, Tschechien]) nach Prag, wo er eine Waffenübung machen sollte, und las in der Zeitung »Der Sozialdemokrat« (Zürich). Ein Mitreisender ersuchte ihn um das Blatt, welches Loskot ihm übergab. Am Bahnhof in Prag denunzierte ihn der Mitreisende und Karl Loskot wurde verhaftet. Karl Loskot wird übrigens am 20. November 1891 (Freitag) vom Landesgericht Prag des Verbrechens der Brandlegung angeklagt, aber freigesprochen werden.

  • 17. Juli 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 17. Juli 1882 wird in Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) Karoline Müller verhaftet. Sie soll bei dem vom ►9. bis 12. Juni 1882 beim Kreisgericht Korneuburg stattgefundenen Prozess Falschaussagen gemacht haben. Sie wird zu einem Monat schwerem Kerker verurteilt werden und ihre Strafe im Gefängnis in Klosterneuburg (Niederösterreich) verbüßen.

  • 23. Juli 1882 (Sonntag)
    Eggenberg [zu Graz] (Steiermark): Am 23. Juli 1882 findet eine geheime Vertrauensmännerkonferenz steirischer Sozialdemokraten in einem Wald nahe Eggenberg statt. Der aus Wien angereiste Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) erklärt den dreiundzwanzig anwesenden steirischen Genossen, »man sei in Wien übereingekommen, das allgemeine Stimm- und Wahlrecht von der jetzigen Regierung nicht mehr zu verlangen, da man zur Einsicht gekommen sei, daß es der Partei niemals von einem Nutzen sein wird, es könne höchstens nur als Agitationsmittel verwendet werden, wenn sie es bekämen; es sei Aufgabe der revolutionären Arbeiterpartei mit allen Mitteln dahin zu arbeiten, die jetzige Gesellschaft zu stürzen und wird anbefohlen, die geheime Agitation und die Gründung von Clubs zu organisiren.«17 Die steirischen Vertrauensmänner sind damit einverstanden und nehmen auch die zweite Resolution an, sich gegenüber der gemäßigten Partei »entgegenkommend und erklärend zu benehmen«.18 In dieser Konferenz gewinnen die Radicalen in der Steiermark gegenüber den Gemäßigten endgültig die Oberhand.

  • 24. Juli 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 24. Juli 1882 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess gegen den Spenglergehilfen Josef Obrist (1844–1933) wegen Vergehens der Aufreizung gegen einzelne Klassen der Gesellschaft statt. Auf einer Versammlung der Spenglergehilfen im Gasthaus »zum goldenen Sieb« (Michael Buberl) in Wien 4., Paniglgasse 17, hatte er am dem 27. Februar 1882 (Montag) öffentlich gefragt: »Leben wir denn in einem Staate, wo die Knute herrscht?«19 Außerdem machte er Feststellungen wie: »Der Arbeiter bleibt immer die Melkkuh. […] In unserem Staate ist es ganz gleich, wenn Tausende hungern und sterben. […] Wer ist schuld? Die heutige Gesellschaft, welche nicht helfen will.«20 Die Geschworenen sprechen Josef Obrist einstimmig frei. (►8. Oktober 1882)

  • 25. Juli 1882 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Am 25. Juli 1882 finden im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) mehrere Hausdurchsuchungen statt: beim Tischlermeister Wilhelm Bernt (1841–?) und beim Tischlergehilfen Franz Pfleger (1831–1884) (►23. bis 25. August 1882), weiters beim Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?), beim Schuhmachergehilfe Karl Masur (1850–191?), beim Stahlarbeiter Josef Stiasny (1848–1888) und beim Geschäftsdiener Anton Wordak (1846–?) (►6. September 1882) sowie beim Etuimacher Adolf Zinram (1845–1920).

  • 31. Juli 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 31. Juli 1882 findet in »Zobel’s Bierhalle« (Franz Zobel) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Gasgasse 4–6 / Zwölfergasse 3–15, eine vom radicalen Webergehilfen Franz Schustaczek (1850–1908) einberufene Volksversammlung zur Tagesordnung »Das Programm der neuen Volkspartei und die Stellung der Arbeiter« statt, auf welcher der Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) vor den rund zweitausend versammelten Arbeitern als Hauptreferent auftritt. Das für die Geschichte anarchistischer Bewegungen Interessante daran ist die Teilnahme eines 17-jährigen Gymnasiasten, der später einer der international bekanntesten Anarchisten aus Österreich werden wird: Max Nettlau (1865–1944). Max Nettlau erinnerte sich: »Dies war die erste sozialistische Versammlung, die ich besuchte. Es war eine Massenversammlung, die Redner waren einmütig in der Verwerfung des parlamentarischen Kampfes. Sie konnten nicht weiter gehen, d. h. sie durften die sozialrevolutionäre Alternative, die sie vorzogen, nur durch die Widerlegung aller Palliativmittel erkennen lassen. Peukert war ersichtlich die Hauptperson, einer, dessen eindringliche Rede großen Eindruck machte.«21 Max Nettlau datierte diese Volksversammlung irrtümlich auf Mitte Juli 1882, Josef Peukert verlegte sie in seinen Erinnerungen einfach in den Sommer 1883. Jedenfalls ist Max Nettlau seit dieser Versammlung ein akribischer Beobachter der anarchistischen wie nicht-anarchistischen Arbeiterbewegung in Österreich, ohne allerdings selbst daran aktiv teilzunehmen. Interessant ist auch die Erinnerung von Josef Peukert an diese Versammlung.

  • 3. August 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Am 3. August 1882 wählt der Drechslergehilfe Anton Bělohradský (1857–1882) aus Liebeskummer den Freitod. Der bekannte Radicale, der in Wien 6., Sandwirtgasse 19, wohnt – das ist das Gebäude gegenüber dem Wohnhaus des Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) –, erschießt sich in einem so genannten Passagierzimmer des Hotels »Fuchs & Mayer« in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Schönbrunner Straße 12. Auf dem Tisch findet man neben einem mit »Der zum Unglück geborne Anton Belohradsky«22 unterzeichneten Testament auch ein Exemplar der Zeitung »Die Zukunft« (Wien).

  • 6. August 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Am 6. August 1882 wird in Wien der Metallarbeiter Adalbert Steska (1858–?) nach einer Hausdurchsuchung in das Landesgericht Wien eingeliefert, wird aber später ohne Anklageerhebung aus der Untersuchungshaft entlassen werden.

  • 6. August 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Am 6. August 1882 findet nachmittags in »Zobel’s Bierhalle« (Franz Zobel) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Gasgasse 4–6 / Zwölfergasse 3–15, eine freie Metallarbeiter-Versammlung mit der Tagesordnung »1. Aufstellung und Anhörung der Kandidaten für das Gewerbegericht; 2. Gewerbegerichts-Angelegenheiten; 3. Anträge und Interpellationen« statt. Nachdem die Radicalen den Maschinenschlosser Johann Nepomuk Bauer und die Gemäßigten den Metalldrucker Anton Hauser als Vorsitzenden fordern, kommt es zu einem Tumult, und der Behördenvertreter erklärt die Versammlung für aufgelöst. Es ist dies zugleich die letzte Veranstaltung im so genannten Zobeläum. Dieses für die Wiener Arbeiterbewegung bedeutende Lokal entstand aus der 1839 eröffneten ersten Wiener Bierhalle mit Gastgarten, die 1849 vom Fleischhauer Franz Zobel (1825–1895) übernommen wurde.

  • 9. August 1882 (Mittwoch)
    Wien und Vororte: Ein Beispiel für die Zuspitzung der Spannungen zwischen den Wiener Radicalen und Gemäßigten ist die vom »Politischen Verein ›Wahrheit‹« der Gemäßigten einberufene Plenarversammlung am 9. August 1882 im Gasthaus »zum grünen Jäger« (Franz Weißmayer) in Wien 5., Hundsturmer Straße 13 [Schönbrunner Straße], mit der Tagesordnung »Die Arbeiter und das Wahlrecht«. Etwa dreihundert Radicale fordern Zutritt und werden unter Polizeieinsatz daran gehindert, weil die beiden bei der Tür postierten Sicherheitswachleute nur Arbeiter mit Einladungen einlassen. Daraufhin schlagen Radicale die Fenster ein, um ins Lokal zu gelangen. Kurz danach öffnet sich die Tür, und Gemäßigte stürzen sich auf die davor wartenden Radicalen. Daraufhin wird die Versammlung umgehend vom anwesenden Polizeikommissär aufgelöst. Der »Politische Verein ›Wahrheit‹« beruft nun für den ►14. August 1882 erneut eine Versammlung ein.

  • 9. August 1882 (Mittwoch)
    Wien und Vororte: Seit dem 9. August 1882 ist der gelernte Tischlergehilfe und spätere Aushilfsdiener der Polytechnischen Hochschule in Wien Paul Schlögl (~1841–1882?) abgängig. Er war am ►22. Oktober 1880 wegen Vergehens der Verbreitung verbotener Druckschriften zu drei Wochen einfachem Arrest und einer Geldstrafe verurteilt worden. Paul Schlögl wurde nach seiner Entlassung aus dem Arrest am 25. November 1880 (Donnerstag) aus dem Polizeirayon Wien ausgewiesen. Die Ausweisung wurde jedoch auf einen Rekurs von Paul Schlögl hin im April 1881 aufgehoben. Die Polizei vermutet nun hinter seiner Abgängigkeit einen Suizid von Paul Schlögl.

  • 10. August 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: In der Nacht auf den 10. August 1882 – im Merstallinger-Prozess (►8. bis 21. März 1883) behauptet die Anklage, es wäre die Nacht auf den 9. Juli 1882 (Sonntag) gewesen – flüchtet der Tischlergehilfe Heinrich Hotze (1851–1891) über Antwerpen / Anvers (Belgien) in die USA, da ihm der Boden in Wien zu heiß wird (►23. bis 25. August 1882). Kurz darauf wird ihm der Tischlergehilfe Franz Domes (1854–?) nachfolgen, der sich am 19. August 1882 (Samstag) von Antwerpen / Anvers aus in die USA einschiffen wird.

  • 14. August 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Nach den Ereignissen vom ►9. August 1882 veranstaltet der »Politische Verein ›Wahrheit‹« am 14. August 1882 erneut eine Versammlung, diesmal im Gasthaus »zu den drei Engeln« (Josef Renz) in Wien 4., Große Neugasse 36, mit der Tagesordnung »1. Die ägyptischen Ereignisse. 2. Die Arbeiter und das Wahlrecht«. Da an dieser Versammlung wieder nur Personen mit Einladungen teilnehmen dürfen, fälschen Radicale diese. Rund hundertfünfzig Radicale gelangen so in den Saal und werden dafür am 20. August 1882 (Sonntag) eine Anzeige durch den Vereinsobmann, den Sattlergehilfen Heinrich Gehrke (1835–1917), erhalten. Der Woll- und Seidenfärbergehilfe Josef Bardorf (1847–1922) spricht über das allgemeine Wahlrecht. Da die anwesenden Radicalen keine Erlaubnis erhalten, zu dessen Rede Stellung zu nehmen, wollen sie den Saal verlassen. Dabei kommt es zu einem heftigen Tumult. Die Polizei schreitet ein und nimmt zehn Verhaftungen vor, wobei der Bandmachergehilfe und Manufakturarbeiter Ferdinand Dorsch (1845–1898), ein Gemäßigter, dem anwesenden Polizeikommissär sogar eine Liste mit Namen von Radicalen übergeben haben soll. Die Versammlung selbst wird danach vor den rund 250 Gemäßigten ohne weitere Störungen zu Ende geführt.

    Es ist hier nicht der Ort, näher auf derartige Gemeinheiten und Bitternissen zwischen den beiden Fraktionen einzugehen, auch wenn die sozialdemokratische Parteigeschichtsschreibung diese Gehässigkeiten in geradezu peinlicher und in wissenschaftlich keineswegs zu begründender Weise fast ausschließlich den Radicalen anlastet.

  • 20. August 1882 (Sonntag)
    Korneuburg (Niederösterreich): Wie schwierig es für Radicale ist, insbesondere außerhalb der großen Städte, ein Versammlungslokal zu finden zeigt folgender Vorfall. Am 20. August 1882 wollen die Radicalen eine Volksversammlung in Korneuburg in der »Schwechater Bierhalle«, Schaumannstraße 21, zur Tagesordnung »1. Die deutsche Volkspartei und die Stellung der Arbeiter zu derselben. 2. Die heutige Produktionsweise und ihre Folgen. 3. Die Presse im Allgemeinen und ihre Aufgabe« abhalten, was aber der Inhaber den mehreren hundert bereits anwesenden Arbeitern untersagt. Diese begeben sich daraufhin zum Gasthaus »zur Schießstätte«, Albrechtstraße 14, wo ihnen aber die Inhaberin unter Hinweis auf die letzten, tumultartig verlaufenen Arbeiterversammlungen in Wien ebenfalls die Bereitstellung des Lokals versagt.

  • 20. August 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Am 20. August 1882 findet im Gasthaus »zum rothen Kreuz« (Antonie Jeschek) in Wien 10., Simmeringer Straße 119 [Gudrunstraße], ein Arbeiterfest statt. Der Magazinaufseher Josef Gröger (1851–?) ruft dabei: »Heut’ drah’n m’r auf! Hoch die Commune! Hoch das Petroleum!«23 Anwesende Polizeibeamte sehen darin eine Verherrlichung der Pariser Commune von 1871 und verhaften ihn wegen Vergehens der Ruhestörung durch Gutheißung ungesetzlicher Handlungen. Josef Gröger wird dafür am ►10. November 1882 vor Gericht verantworten müssen.

  • 23. August 1882 (Mittwoch) bis 25. August 1882 (Freitag)
    Wien und Vororte: In der Nacht vom 23. auf den 24. August 1882 (Donnerstag) erfolgen Hausdurchsuchungen und erste Verhaftungen von Radicalen im Rahmen der so genannten Merstallinger-Affäre. Am 24. August 1882 früh morgens wird auch eine Hausdurchsuchung in der Redaktion der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) vorgenommen und das Redaktionslokal behördlich versiegelt. In der Nacht auf den 25. August 1882 erfolgen neuerlich Festnahmen. Bei dieser Aktion werden neben dem ersten Hauptverdächtigen, dem Tischlergehilfen Franz Pfleger (1831–1884), auch der Tischlermeister Wilhelm Bernt (1841–?), der Miederfabrikant Franz Gams (1850–1899), die Tintenerzeugerin Anna Heitzer (1850–1913), die Hausfrau Jakobine Hotze (1850–1931) – sie muss das jüngste ihrer Kinder, Hermine Hotze (1881–?), ins Gefängnis mitnehmen, um es stillen zu können –, der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910), der Goldarbeitergehilfe Wenzel Sappé (1856–?), der Buchbindergehilfe und jetzige Bürodiener Ernst Schmid (1853–1919) sowie der Tischlergehilfe Ludwig Sommer (~1851–?) festgenommen. Zwei weitere Festgenommene, der Tischler [?] Fritsche und Ludwig Sommers Lebensgefährtin, die hochschwangere Handarbeiterin Marie Wedra (1848–?), werden aber am 27. August 1882 (Sonntag) wieder freigelassen, ebenso Wilhelm Bernt. Wenzel Sappé, der auch als Tanzlehrer bei den Radicalen fungiert, wird erst am 5. November 1882 (Sonntag) aus der Untersuchungshaft entlassen werden. In den nächsten Wochen werden weitere Radicale verhaftet und in Untersuchungshaft genommen, allein bei der Razzia vom ►6. September 1882 sechsundzwanzig. Die Verhaftungen im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre werden erst am ►1. Dezember 1882 beendet. (►26. August 1882) Anlässlich der Hausdurchsuchung bei Franz Gams wird der Entwurf von Statuten für einen von den Radicalen zu gründenden »Politischen Verein ›Zukunft‹« gefunden. (►27. Dezember 1882 und ►8. bis 21. März 1883)

    Zweifellos war in den Raubüberfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) vor dessen Ausführung nur eine kleine Gruppe Radicaler eingeweiht. Dies betont auch Josef Peukert (1855–1910), der erst nach der Tat informiert worden sein soll. Verhaftungen waren für die Radicalen zwar offensichtlich absehbar, doch sind sie, wie Josef Peukert berichtet, nun doch überraschend erfolgt: »Es war von der Parteileitung beschlossen worden, ich sollte eine geheime Agitationstour machen, wozu verschiedene Organisationen für die Kosten beisteuerten. Den Abend vor der Abreise war ich noch in einer Versammlung des Arbeiter-Bildungsvereines und nachher in der Wirtschaft von Bleich gewesen, wo ich ebenfalls einen Beitrag zu diesem Zwecke erhielt, und so war es 1 Uhr nachts geworden, als ich zu Bett ging, um noch einige Stunden zu schlafen, da ich frühzeitig abfahren wollte. Aber kaum nach einer Stunde fühlte ich mich von allen Seiten gepackt, unsanft wachgerüttelt und zum Ankleiden gezwungen. Es waren über ein halbes Dutzend Ordnungsbüttel in Zivil und Uniform, mit einem Kommissar an der Spitze in dem kleinen Raume, in welchem noch ein anderer junger Mann sein Bett hatte. Nachdem noch alles durchsucht worden, wurde ich trotz aller Proteste abgeführt, in eine Droschke gepackt und nach dem Polizeigewahrsam gebracht, in mein altes Quartier im [116] Sterngaßl.«24

  • 24. August 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Anlässlich der polizeilichen Razzien wegen der so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) flüchtet am 24. August 1882 der Buchbindergehilfe und nunmehrige Eisenbahnarbeiter Anton Kammerer (1862–1884) aus Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) in die Schweiz. (►15. Mai 1882 und ►28. März 1883)

  • 25. August 1882 (Freitag)
    Wien und Vororte / Budapest (Ungarn): In bewusster Irreführung der Presse und der Bevölkerung deutet die Polizei-Direktion Wien am 25. August 1882 einen Zusammenhang der so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) mit einem anderen Verbrechen an: der am 15. August 1882 (Dienstag) in Budapest verübte Preziosen- und Ordensdiebstahl im Palais des Politikers Gyula gróf Andrássy (1823–1890). Wenige Tage später wird jedoch ein Zusammenhang mit den verhafteten Radicalen von der Polizei dementiert, und am 28. April 1883 (Samstag) werden in Budapest für diesen Einbruchsdiebstahl der Müllergehilfe und Berufsverbrecher Pál Krévész (~1858–?), István Mikóczy und Rudolf Füge sowie der mitangeklagte Hehler Josef Strauß verurteilt werden. Derartige Meldungen sollen offensichtlich den Konflikt zwischen Radicalen und Gemäßigten in der Sozialdemokratie zu Gunsten der Gemäßigten fördern, wie in einem Bericht der Polizei-Direktion Wien an Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) deutlich wird: »Selbstverständlich werden die Gemäßigten die Affäre zu ihren Gunsten verwerten und mit um so größerer Zuversicht die Taktik der Anarchisten an den Pranger stellen.«25

  • 26. August 1882 (Samstag)
    Budapest (Ungarn): Am 26. August 1882, um 5 Uhr morgens, wird im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) in Budapest der zweite Hauptverdächtige durch den Chef des Wiener Detektiv-Instituts festgenommen: der Tischlergehilfe Josef Engel (~1858–?), der dort unter dem falschen Namen »Wenzel Mayer« in der Josephsgasse 26 [József utca] logiert. Er wird am 27. August 1882 (Sonntag) mit dem abendlichen Postzug nach Wien überstellt und ins Polizeigefangenenhaus eingeliefert werden.

  • 28. August 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 28. August 1882 tritt die Polizei anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) mit einem offiziellen Kommuniqué an die Öffentlichkeit und teilt unter anderem die Namen der bislang Verhafteten mit. In den folgenden Wochen werden Presse und Bevölkerung durch die Verlautbarungen der Polizei-Direktion Wien regelmäßig hinters Licht geführt werden. So wird von umfangreichen Geständnissen, welche die Verhafteten abgelegt hätten, gesprochen.

  • 29. August 1882 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Am Abend des 29. August 1882 findet im Gasthaus »zu den drei Engeln« (Josef Renz) in Wien 4., Große Neugasse 36, eine Versammlung des »Politischen Vereins ›Wahrheit‹«, Sammelbecken der Wiener Gemäßigten, zur Tagesordnung »Stellungnahme der Arbeiter zur Merstallinger-Affaire« (►4. Juli 1882) statt, zu der auch Radicale eingeladen werden. Die etwa tausendsechshundert Anwesenden fordern, dass nicht der Vereinsobmann, der Sattlergehilfe Heinrich Gehrke (1835–1917), sondern der Webergehilfe Franz Schustaczek (1850–1908), ein bekannter Radicaler, den Vorsitz übernehmen soll. Heinrich Gehrke weist darauf hin, dass in dieser Versammlung nur Mitgliedern und geladenen Gästen das Wort erteilt werden dürfe, worauf ein bekannter Gemäßigter, der Woll- und Seidenfärbergehilfe Josef Bardorf (1847–1922), das Wort ergreifen will, was ihm jedoch nicht gelingt. Der Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?) fordert daraufhin seine radicalen Genossen auf, das Lokal zu verlassen, doch dauert der Tumult an. Schließlich erklärt Heinrich Gehrke nach Einschreiten des Behördenvertreters die Versammlung nach kaum einer Stunde für geschlossen. Die von den Gemäßigten vorbereitete Resolution kommt nicht zur Abstimmung: »Die Versammlung erklärt das an Merstallinger verübte Raubattentat als ein gemeines und feiges Verbrechen und weist entrüstet jeden Versuch zurück, die an demselben betheiligten Personen der Socialdemokratie Wiens an die Rockschösse zu hängen.«26 Die von den Radicalen zur Abstimmung vorbereitete Resolution lautet: »Die heute am 29. August in den ›Drei-Engel-Sälen‹ tagende Volksversammlung erklärt in Anbetracht des vorgefallenen Raubattentates, welches man der radicalen Arbeiterpartei in die Schuhe schieben will, nicht früher Stellung nehmen zu wollen, bis nicht die Entscheidung des Gerichtes vorliegt.«27 Unter Absingen von Arbeiterliedern verlassen die Teilnehmer den Ort des Geschehens, wobei rund hundert Sicherheitswachleute spalierstehen. (►31, August 1882) Auch Max Nettlau (1865–1944) erinnerte sich an diese Versammlung: »Es lag eine solche Nichtswürdigkeit in der sozialdemokratischen denunziatorischen Hetze gegen die ersten paar Monate wirklich sozialistischer Freude und Hoffnungen, die den österreichischen Arbeitern nach all den Wahlrechtsgaukeleien seit 1867 beschieden waren, daß es kein Wunder war, wenn ihre Führer, die Bardorf, Gehrke, Dorsch, Kaler-Reinthal u. a. damals wie räudige Hunde mit Abscheu und Ekel betrachtet wurden und es war eine Freude, als ich einmal sah, wie einem dieser Gaukler in einer Versammlung in den Drei Engelsälen fast einstimmig das Mostsche Proletarierlied entgegendröhnte, worauf dann die Versammlung aufgelöst wurde, das Singen aber noch lange in den engen Gassen wiederhallte. Zu lange waren die Arbeiter genarrt worden […].«28

  • 31. August 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Am 31. August 1882 findet erneut (►29. August 1882) im Gasthaus »zu den drei Engeln« (Josef Renz) in Wien 4., Große Neugasse 36, eine vom »Politischen Verein ›Wahrheit‹« einberufene Versammlung zur Tagesordnung »Stellungnahme der Arbeiter zur Merstallinger-Affaire« (►4. Juli 1882) statt, an der aber – und dies unter Schutz von Wiener Sicherheitswachleuten – nur mehr Gemäßigte teilnehmen können. Im Saal sind etwa fünfhundert Arbeiter anwesend, auf den Straßen davor mindestens gleich viele, die vergeblich Einlass fordern. Der Woll- und Seidenfärbergehilfe Josef Bardorf (1847–1922) spricht im Eröffnungsreferat darüber, dass es in Österreich keine »Anarchisten« gebe, sondern nur »Pseudo-Anarchisten«. »Die Socialdemokratie will eine Moral, eine Ordnung schaffen; Socialisten sind Producte der Verhältnisse und haben sich noch niemals als Verbrecher erwiesen. […] Wir, die seit einem Jahrzehnte in der Bewegung stehen und dabei ehrlich geblieben sind, wir dürfen einen solchen Schmutzfleck nicht auf uns lassen. (Beifall.) Die Fahne Oesterreichs haben wir stets in Ehren gehalten und wir wollen ihr auch künftig folgen. (Stürmischer Beifall.) Die österreichischen Socialisten sind nicht Verschwörer und selbst die Anarchisten sind zum größten Theile nicht Anarchisten.«29 Und er schließt seine Rede mit den Worten: »Wir würden uns auf das Niveau eines Zuchthäuslers stellen.«30 Dies ist natürlich eine Provokation der Radicalen, aber auch des Rechtssystems, denn zu diesem Zeitpunkt ist über die Verhafteten noch kein gerichtlicher Schuldspruch gefällt, sondern es laufen lediglich Voruntersuchungen. Die Unhaltbarkeit dieser zur Losung der Gemäßigten gewordenen Aussage zeigt auch der Prozessausgang. (►8. bis 21. März 1883) Nach den kurzen Reden vom Buchdruckergehilfen Karl Höger (1847–1913), vom Schriftsetzer Ferdinand Barth (1862–1913) und vom Bandmachergehilfen und Manufakturarbeiter Ferdinand Dorsch (1845–1898) wird mit drei Gegenstimmen eine Resolution angenommen, gleichsam die offizielle Stellungnahme der Gemäßigten (►24. September 1882): »In Erwägung dessen, daß die Sozialdemokratie einen gesellschaftlichen Zustand anstrebt, in dem Sittlichkeit und Gerechtigkeit zur Wahrheit wird, in Erwägung dessen, daß die Zwecke, die man verfolgt, durch unsittliche Mittel nicht gefördert werden können, in Erwägung endlich dessen, daß die Sozialdemokratie sich auf die Massen des Volkes stützen muß und demnach keine ihrer Handlungen dem Rechtsbewußtsein des Volkes widersprechen darf, erklärt die heutige Versammlung: 1. daß die Theorien, welche den Klassenkampf mit allen Mitteln, sittlichen wie unsittlichen, predigen, mit dem Sozialismus nicht nur nichts gemein haben, sondern denselben geradezu widersprechen; 2. daß die Theorie des Kampfes mit allen Mitteln der Sache des arbeitenden Volkes im höchsten Grade verderblich ist, indem sie das Rechtsbewußtsein des Volkes gegen den Sozialismus lenkt, und die Arbeiterpartei auf das Niveau einer Räuberbande herabdrängt; 3. daß demnach alle diejenigen, welche der erwähnten Taktik noch weiter huldigen, Feinde und Verräter der Sache des arbeitenden Volkes sind. Endlich erklärt die Versammlung das an Merstallinger verübte Attentat als ein gemeines und feiges Verbrechen und weist entrüstet jeden Versuch zurück, die an demselben beteiligten Personen, wer immer sie sein mögen, der Sozialdemokratie Wiens an die Rockschöße zu hängen.«31 Bemerkenswert ist die Stellungnahme von Ferdinand Barth, später ein wichtiger Anarchist. Er gehöre zwar nicht den Radicalen an, fühle sich aber dennoch bemüßigt, Entschuldigungsgründe für das Attentat anzuführen, und er schließt: »Wenn man uns ganz außerhalb des Rahmens des Gesetzes stellt, so werden wir auch nicht innerhalb des Rahmens desselben verbleiben.«32 Wie gering die Zahl der etwa fünfhundert bei dieser Versammlung anwesenden Gemäßigten ist, zeigt der Vergleich mit der kurz darauf, am ►2. September 1882 von Radicalen veranstalteten Versammlung, an der über zweitausend Arbeiter teilnehmen werden.

  • 1. September 1882 (Freitag)
    Wien und Vororte: Am 1. September 1882 findet in Wien eine Vertrauensmännerkonferenz der Wiener Radicalen statt, in der sie ihre Haltung zur so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) beraten. Ergebnis ist eine vom Tischlergehilfen Josef Kreps (1859–1945), vom Blumenmacher Josef Müller (1839–1891), vom Webergehilfen Franz Schustaczek (1850–1908) sowie vom Gold- und Silberplatinierer und nunmehrigen Geschäftsdiener Anton Wordak (1846–?) unterzeichnete »Erklärung«, die am 14. September 1882 in der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) veröffentlicht wird.33 Sie warnen vor den Verallgemeinerungen sowie den Vorverurteilungen der Gemäßigten und setzen sich gegen die allgemeine Pressehatz gegen Radicale zur Wehr. Diese Erklärung der Radicalen wird am 3. September 1882 (Sonntag) auch in einigen bürgerlichen Zeitungen abgedruckt, teilweise sogar im führenden katholischen Organ »Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie« (Wien), 23. Jahrgang, Nummer 243 (3. September 1992), Seite 6.

  • 4. September 1882 (Montag)
    Korneuburg (Niederösterreich): Am 4. September 1882 findet vor dem Kreisgericht Korneuburg der Prozess gegen den am ►4. Juni 1882 festgenommenen Schuhmachergehilfen Lipót Braun (1849–?) wegen Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe statt. Lipót Braun wird im Sinne der Anklage zu vier Monaten schwerem Kerker verurteilt. Er wird seine Strafe im Gefängnis Suben (Oberösterreich) verbüßen.

  • 4. September 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 4. September 1882 findet in »Dreher’s Etablissement« (Anton Dreher) in Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 97, eine vom Webergehilfen Franz Schustaczek (1850–1908) einberufene, von rund dreitausend Arbeitern besuchte Volksversammlung zur Tagesordnung »Die Lebensmittelfrage« statt. Nach dem Fabrikarbeiter Ferdinand Schaffhauser (1836–190?) sowie dem Ofenbauer und Schriftsteller Franz Johann Leitner (1840–1922) aus Wiener Neustadt (Niederösterreich) referiert der Kartenmaler Andreas Voglgruber (1832–?) und schließt: »Auch diesmal, Genossen, kommt das Licht aus Osten!«34 Der Behördenvertreter, der darin eine Anspielung auf die russischen Nihilisten sieht, löst die Versammlung daraufhin behördlich auf. Den dadurch ausgelösten Tumult im Saal kann Franz Schustaczek zwar bändigen, doch anschließend ziehen etwa zweitausend Arbeiter lautstark johlend und singend in Kolonnen im 3. Bezirk über die Ungargasse und Beatrixgasse, zunächst von der Polizei abgedrängt, in die Rochusgasse, wo ihnen aber neuerlich eine Polizeikette den Weitermarsch versperrt. Dann ziehen sie zurück zur Beatrixgasse und weiter über den Heumarkt zum Schwarzenbergplatz. Die nur vierzig Mann Sicherheitswache werden der Lage erst Herr, als die dienstfreie Mannschaft aus der Kaserne der Sicherheitswache an der Landstraßer Hauptstraße, rund sechzig Mann, anrückt und am Schwarzenbergplatz weitere hundert Mann Sicherheitswache Stellung beziehen.

  • 4. September 1882 (Montag)
    Graz (Steiermark): Am 4. September 1882 soll in Graz anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) in der »Puntigamer Bierhalle«, Jakobigasse 6 [Orpheumgasse 8], eine Volksversammlung stattfinden, zu der auch Delegierte aus Donawitz [zu Leoben] (Steiermark), Kindberg (Steiermark) und Marburg an der Drau (Steiermark [Maribor, Slowenien]) erwartet werden. Geplante Tagesordnung ist die »Diskussion über das Verhältnis der Anarchisten zu den Sozialisten in Österreich und Beratung und Beschlussfassung über eine Resolution betreffend der Stellung der Sozialisten zu dem Raubattentate Merstallinger in Wien«. Die Versammlung wird jedoch durch die Behörden verboten.

  • 5. September 1882 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Am 5. September 1882 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess in geheimer Verhandlung gegen den Schneidergehilfen Johann Kubányik (~1859–?) statt, angeklagt des Verbrechens der Majestätsbeleidigung sowie der Vergehen der Wachebeleidigung, der unbefugten Kolportage und der Verbreitung verbotener Schriften. Er hat auf dem Weg nach Paris (Frankreich) am 11. Juli 1882 (Dienstag) im Gasthaus von Johann Grabler (1861–1912) in Kritzendorf [zu Klosterneuburg] (Niederösterreich), wo sich auch eine Dampfschiffstation befindet, deutschsprachige sozialistische Zeitungen und Schriften zum Verkauf angeboten, ohne allerdings etwas zu verkaufen. Vor Gericht erklärt der des Deutschen kaum mächtige Slowake Johann Kubányik, Sozialdemokrat zu sein, was er mit seiner Mitgliedschaft beim »Katholischen Gesellenverein« unterstreichen will, gibt aber zu, nicht zu wissen, was »Sozialdemokratie« bedeute. Im Sinne der Anklage wird Johann Kubányik zu sechs Monaten schwerem Kerker sowie wegen des Kolportagedelikts zu 70 Gulden Geldstrafe verurteilt, wobei beim Strafmaß der »schwache Geisteszustand« als mildernd berücksichtigt wird.

  • 6. September 1882 (Mittwoch)
    Wien und Vororte: Am 6. September 1882, ab zwei Uhr morgens, führen über dreißig Polizisten die zweite große Verhaftungswelle durch (►24. August 1882), angeblich wegen der jüngsten radicalen Flugschrift »Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk«,35 wobei sechsundzwanzig Wiener Radicale – wohl eher im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) – verhaftet werden: der Buchbinder Franz Binder, der Tischlergehilfe Karl Franz, der Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?), der Schneidergehilfe und nunmehrige Kellner Franz Gröbner (1856–?), der Tischlergehilfe Johann Kompoß (1842–192?), der Futteralmacher August Koditek (1855–?), der Tischlergehilfe Josef Kreps (1859–1945), der Webergehilfe und nunmehrige Geschäftsdiener Robert Krondorfer (1853–?), der Schuhmachergehilfe Karl Masur (1850–191?), der Privatlehrer Georg Matzinger (1848–1934), der Maschinenschlosser und Maschinist Franz Motz (1850–~1921), der Schuhmachergehilfe Josef Prokurat, der Fabrikarbeiter Ferdinand Schaffhauser (1836–190?) und dessen Ehefrau, die Hausfrau Barbara Schaffhauser (1834–1901?), der Sattlergehilfe Anton Schenk (1842–1927), der Musiker, Inhaber einer Klavierschule und Vorstand des »Wiener Musikerbundes« Josef Scheu (1841–1904), der Tischlergehilfe Friedrich Schott, der Tischlergehilfe Johann Slezák (1851–1907), der Tischlergehilfe Adolf Sloup (1850–?), der Handschuhmachergehilfe Berthold Spiegel (~1854–?), der Stahlarbeiter Josef Stiasny (1848–1888), der Tischlergehilfe Theodor Wagner (1858–?), der Maler- und Anstreichergehilfe Franz Weich (1855–1925), der vorübergehend freigelassen und dann wieder inhaftiert wird, der Metallgießer Josef Winter (1840–?), der Geschäftsdiener Anton Wordak (1846–?), der Anstreichergeselle Jakob Würges (1842–1895) und dessen unehelicher Sohn, der Buchbindergehilfe Karl Lenk (1865–1926). Ein Teil der Inhaftierten wird im alten Polizeigefangenenhaus in Wien 1., Sterngasse, untergebracht ein Teil – noch vor der offiziellen Eröffnung am 12. Oktober 1881 (Donnerstag) – im neuen in Wien 6., Theobaldgasse 2. Ohne Anklageerhebung werden am 13. Oktober 1883 (Freitag) Georg Matzinger und Josef Scheu – er ist der Bruder des in London (England) im Exil lebenden Vergolders, Journalisten und Schriftstellers Andreas Scheu (1844–1929) –, Anfang November 1882 Franz Binder, Karl Franz und Josef Prokurat, am 17. November 1882 (Freitag) beziehungsweise 18. November 1882 (Samstag) Barbara und Ferdinand Schaffhauser, Friedrich Schott, Johann Slezák, Adolf Sloup und Karl Lenk aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Mit den beiden Verhaftungswellen ist die Führung der Wiener Radicalen für fast ein halbes Jahr ausgeschaltet und muss im Gefängnis den Prozessbeginn abwarten (►27. Dezember 1882 und ►8. bis 21. März 1883). Der ebenfalls verhaftete Schriftsetzer Wilhelm Kummer (~1857–1933) wird Ende Dezember 1882 direkt aus der Untersuchungshaft heraus und ohne Anklageerhebung wegen werktätiger Teilnahme an der staatsgefährlichen Propaganda der sozialistischen Arbeiterpartei aus sämtlichen im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern (also aus der österreichischen Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) ausgewiesen und an die ungarische Landesgrenze gebracht werden. Weitere Verhaftungen wird es im ►November 1882 geben.

  • 9. September 1882 (Samstag)
    Wien und Vororte: Am Abend des 9. September 1882 werden wegen der Flugschrift »Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk« (►6. September 1882) polizeiliche Streifungen durchgeführt. Dabei wird der Maurergehilfe Leopold Samsinger (1861–1924) festgenommen, als er eben die beanstandete Flugschrift auf der Straße ausstreuen will. Er wird jedoch kurz darauf wieder auf freien Fuß gesetzt.

  • 9. September 1882 (Samstag)
    Wien und Vororte: Am 9. September 1882 findet eine geheime Versammlung im Lesezimmer des Wiener »Arbeiter-Bildungsvereins« im Gasthaus »zur Wolfsgrube« (Adalbert Augustin) in Wien 2., Taborstraße 65, statt. Dabei halten der Schlossergehilfe Emil Pelikan (1852–?) sowie der Maurergehilfe Christoph Ernst (1848–1918) vor etwa zwanzig Arbeitern revolutionäre Reden. Pelikan ruft zum Sturz der Regierung und zur Herbeiführung einer Revolution auf. Ernst fordert dazu auf, die Regierung über den Haufen zu werfen, und jenen Polizisten, die Arbeiter verhaften, die Köpfe einzuschlagen. Zwei Teilnehmer des Treffens, ein Tischlergehilfe und ein Steindrucker, melden die Reden der beiden Referenten anschließend dem Polizeikommissariat. Sie werden später vor Gericht verdächtigt werden, Polizeispitzel zu sein. Am 10. September 1882 (Sonntag) werden bei Christoph Ernst und Emil Pelikan Hausdurchsuchungen durchgeführt. Dabei wird bei ihnen die verbotene Druckschrift »Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk« (►6. September 1882) und bei Emil Pelikan außerdem die Abhandlung »Ueber die Explosion von Chemikalien«, eine Anleitung zur Herstellung von Dynamit, Schießbaumwolle und Jodstickstoff, gefunden. Christoph Ernst und Emil Pelikan sowie dessen Ehefrau, die Hausfrau Katharina Pelikan (1855–?), werden verhaftet. Katharina Pelikan wird bald wieder freigelassen, Christoph Ernst und Emil Pelikan werden ins Landesgericht Wien zur Untersuchungshaft eingeliefert. (►25. und 30. Oktober 1882)

  • 11. September 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Am Abend des 11. September 1882 verteilt der 16-jährige Schuhmacherlehrling Ambros Hruschka (1866–1944) an der Gürtelstraße zwischen Neulerchenfeld (Niederösterreich [zu Wien 16.]) und Hernals (Niederösterreich [zu Wien 17.]) die Flugschrift »Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk« (►6. September 1882) an Passanten in einem verschlossenen Briefumschlag. Ambros Hruschka wird verhaftet und wird sich am ►26. Oktober 1882 vor Gericht verantworten müssen.

  • 14. September 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: In der Beilage zur Nummer 71 (14. September 1882) der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) geht der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) auf das Scheitern der »Internationalen Arbeiter-Association« (Erste Internationale) und auf die Geschichte des Anarchismus ein.36 Es ist dies die erste Behandlung dieser Themen aus anarchistischer Sicht in Österreich.

  • 15. September 1882 (Freitag)
    Pottendorf (Niederösterreich): Am 15. September 1882 wird in Pottendorf nach einer Hausdurchsuchung der Fabrikarbeiter Stefan Heger (18521894) verhaftet, in den Gemeindearrest nach Wampersdorf [zu Pottendorf] (Niederösterreich) gebracht und nach zwei Tagen in das Bezirksgericht Ebreichsdorf (Niederösterreich) eingeliefert. Dort befinden sich bereits zwei kurz zuvor in Weigelsdorf [zu Ebreichsdorf] (Niederösterreich) verhaftete Radicale: der Fabrikarbeiter [?] Czapek und der Nagelschmiedgehilfe Stefan Sündermann (1835–?). Alle drei werden am 18. September 1882 (Montag) in das Kreisgericht Wiener Neustadt (Niederösterreich) überstellt werden. Ohne Anklageerhebung werden Czapek nach zwei, Stefan Heger und Stefan Sündermann (►10. August 1883) erst nach vier Wochen aus der Untersuchungshaft entlassen werden.

  • 18. September 1882 (Montag)
    Graz (Steiermark): Wie weit die Angst der Behörden vor der radicalen Arbeiterbewegung geht, zeigt ein eher als kurios zu bezeichnender Vorfall in Graz. Am 18. September 1882 werden in Graz acht Zöglinge der Lehrer- und Lehrerinnen-Bildungsanstalt unter dem Verdacht der Geheimbündelei festgenommen, sechs von ihnen in das Landesgericht Graz eingeliefert. Der ehemalige Schlossergehilfe Franz Namer, seit 1881 Lehramtszögling, initiierte unter Mitwirkung der Lehramtszöglinge Emil Cerlé und Johann Herlitschka einen geheimen »Verein der Unzufriedenen« gegründet, »welcher folgende Zwecke sich zur Aufgabe stellte: Herabminderung der Steuern. Herab­minderung der Dienstpflicht, Besoldung der Advocaten, Modificirung der Gewerbefreiheit, Ab­schaffung der hohen Pensionen, Verminderung der Gehalte der höheren Staatsbeamten etc. etc. Zu diesem Zwecke hat Lahmer mehrere andere Zöglinge der Lehrer-Bildungsanstalt in Graz ange­worben, Statuten entworfen, worin die Zerstö­rung des Zeughauses in Graz und die Bezwin­gung der Stadt vom Schloßberge aus als Vereins­zweck festgestellt war. Bis zur Möglichkeit der Erreichung dieses Zweckes sollten Waffen ange­schafft und in einer großen Grube verborgen ge­halten werden.«.51 Eine Grube wurde zwar gegraben, Waffen wurden aber keine beschafft. Am 29. September 1882 (Freitag) werden fünf verdächtigte Zöglinge aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Lediglich der als Rädelsführer verdächtigte Franz Namer, seit 1881 Zögling dieser Anstalt, bleibt in Haft. Im Dezember 1882 wird Franz Namer von Gerichtsärzten auf seinen Geisteszustand untersucht werden., worauf die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung seiner Person zurücktrat. Gegen sechs andere Beteiligte, die Lehramtszöglinge Emil Cerlé, Paul Herberth, Johann Herlitschka, später Lehrer in Fürstenfeld (Steiermark), und Benjamin Vogl (1866–1920), später Lehrer in Prätis [zu Pöllau] (Steiermark), sowie die Schriftsetzerlehrlinge Julius Ertl (1864–1919) und Josef Kovalsky (1861–1936), wird am ►31. März 1883 Anklage erhoben werden.

  • 24. September 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Nach den Gemäßigten (►29. August 1882) wollen auch die Radicalen eine Volksversammlung zur so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) abhalten. Die für den 24. September 1882 vom Webergehilfen Franz Schustaczek (1850–1908) einberufene Veranstaltung in »Dreher’s Etablissement« (Anton Dreher) in Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 97, hat als Tagesordnung »Die Merstallinger-Affaire und die Presse«. Zu dieser Veranstaltung sollen auch Delegierte aus der Provinz kommen, doch wird die Versammlung von der Polizei verboten. Als Reaktion auf dieses Verbot schicken Arbeitervereine aus ganz Österreich Loyalitätserklärungen an die Zeitung »Die Zukunft« (Wien): Aussig (Böhmen [Ústí nad Labem, Tschechien]), Bensen (Böhmen [Benešov nad Ploučnicí, Tschechien]), Bregenz (Vorarlberg), Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]), Donawitz [zu Leoben] (Steiermark), Franzensthal (Böhmen [Františkov, zu Rokytnice nad Jizerou, Tschechien]), Innsbruck (Tirol), Kindberg (Steiermark), Klagenfurt / Celovec (Kärnten), Klein-Schokau (Böhmen [Malý Šachov, zu Starý Šachov, Tschechien]), Knittelfeld (Steiermark), Laibach (Krain [Ljubljana, Slowenien]), Leoben (Steiermark), Marburg an der Drau (Steiermark [Maribor, Slowenien]), Neunkirchen (Niederösterreich), Neustadt (Böhmen [Nové Město pod Smrkem, Tschechien]), Ober-Rochlitz (Böhmen [Horní Rokytnice, zu Rokytnice nad Jizerou, Tschechien]), Proßnitz (Mähren [Prostějov, Tschechien]), Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]), Schönberg (Mähren [Šumperk, Tschechien]), Sternberg (Mähren [Šternberk, Tschechien]), Ternitz (Niederösterreich), Warnsdorf (Böhmen [Varnsdorf, Tschechien]) und Wiener Neustadt (Niederösterreich). Der Versuch der Wiener Radicalen, sich zur so genannten Merstallinger-Affäre zu äußern, wird also zunächst von den Gemäßigten und dann von der Polizei unterbunden. Auch während der nächsten Monate werden die Radicalen kaum Gelegenheit haben, ihre Einstellungen öffentlich darzulegen, während die Gemäßigten in zahlreichen Versammlungen sowie in ihrer Presse durch Stimmungsmache gegen die Radicalen versuchen, verlorenes Terrain zurückzuerobern.

  • 24. September 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Im Wochenblatt »Die Bombe« (Wien) erscheint in der Rubrik »Modernisirte Sprüche« der Spruch: »Thue Unrecht und scheue die Polizei. [/] Die verhafteten Merstallinger-Attentäter.«37

  • 1. Oktober 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Unter dem Datum »1. October 1882« erscheint die von der Polizei-Direktion Wien verfasste und herausgegebene Broschüre »Skizzirte Darstellung der socialdemokratischen Bewegung in Oesterreich-Ungarn«.38 Dieser zusammenfassende Bericht über die sozialistische Bewegung in Österreich-Ungarn, betreffend den Zeitraum vom September 1880 bis Oktober 1882, ist der erste von insgesamt achtunddreißig Berichten, deren Titel im Laufe der Jahre mehrfach leicht abgewandelt werden. Diese Berichte, die mit der 1920 erschienenen Publikation »Sozialdemokratische und anarchistische Bewegung im Jahre 1918« enden, werden nur für den internen Gebrauch gedruckt und kommen nicht in den Buchhandel. Sie stellen aber – auch wegen ihrer Übersichten über sozialistische und anarchistische Bewegungen im Ausland – eine interessante und vor allem seit dem Ende der 1880er-Jahre weitgehend zuverlässige Quelle dar.

  • 1. Oktober 1882 (Sonntag)
    Budapest (Ungarn): Mit der Nummer vom 1. Oktober 1882 wird die seit ►2. Juli 1882 erscheinende radicale Zeitung »Volkswille« (Budapest) nach vierzehn Nummern eingestellt.

  • 8. Oktober 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: In der Zeitung »Wahrheit« (Wien), Organ der Gemäßigten, erscheint am 8. Oktober 1882 das dem Journalisten Emil Kaler-Reinthal (1850–1897) gewidmete Gedicht »Das neueste Opfer des Pseudo-Anarchismus«, in dem es unter anderem heißt »Auf der Lippe den Trotz, und zuckenden Hohn [/] So bin ich in Ehren erlegen.« Diese Zeilen beziehen sich auf den von Emil Kaler-Reinthal schon mehrmals angekündigten Freitod. Es handelt sich dabei um das geringfügig geänderte Gedicht »Abschiedswort der Neuen Rheinischen Zeitung (19. Mai 1849)« von Ferdinand Freiligrath (1810–1876).

  • 7. Oktober 1882 (Samstag)
    Wien und Vororte: Am 7. Oktober 1882 wird in Wien nach einer am 5. Oktober 1882 (Donnerstag) durchgeführten Hausdurchsuchung der Schuhmacher Károly Halbedl (1847–1914) unter Anschuldigung des Verbrechens des Hochverrats verhaftet und ins Landesgericht Wien eingeliefert. Vorübergehend wird auch Károly Halbedls Quartiergeberin, die Weißnäherin Marie Meier, festgenommen. Nachdem die Untersuchung eingestellt wird, wird er von der Polizei-Direktion Wien wegen werktätiger Teilnahme an der staatsgefährlichen sozialistischen Propaganda schon am 8. November 1882 (Mittwoch) wegen werktätiger Teilnahme an der staatsgefährdenden sozialistischen Propaganda aus sämtlichen im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern (also aus der österreichischen Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) ausgewiesen werden.

  • 8. Oktober 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Der erst am ►24. Juli 1882 freigesprochene Spenglergehilfe Josef Obrist (1844–1933), der bei der Mechaniker-Firma »Mayer & Wolf« arbeitet, wird am 8. Oktober 1882 bei den Wahlen zum Gewerbegericht für die Maschinen- und Metallwarenindustrie als Kandidat der »Gewerkschaft der Eisen- und Metallarbeiter für Wien und Niederösterreich« für drei Jahre zum Mitglied gewählt. Ein anderes Mitglied dieser Gewerkschaft ist der ebenfalls gewählte Maschinenschlosser Franz Kutil (1842–?), Dreher bei der protokollierten Firma »M. Schimmelbusch, Civil-Ingenieur und Maschinenfabrik«. Beide gehören dem Lager der Radicalen an.

  • 12. Oktober 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte / Bern / Berne / Berna (Kanton Bern, Schweiz): Am 12. Oktober 1882 gibt die Zeitung »Die Zukunft« (Wien) bekannt, dass sie in der Schweiz, nämlich in Bern, Speichergasse 29, »beim Herrn Filipp v. Kennel«, eine Filiale eröffnet hat. Gemeint ist der aus Rheinbayern stammende Anhänger des Journalisten Johann Most (1846–1906), der Spengler Friedrich Philipp Kennel (1852–1920) vom »Deutschen Arbeiterverein« in Bern.

  • 15. Oktober 1882 (Sonntag) und 16. Oktober 1882 (Montag)
    Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]): Am 15. und 16. Oktober 1882 findet der von Gemäßigten initiierte, vom Weber Eduard Zacharias (?–1910) einberufene Allgemeine Österreichische Arbeitertag (Parteitag) der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« in Brünn statt, obwohl dieser von den Radicalen abgelehnt und als österreichischer Arbeitertag nicht anerkannt wird. Die Wiener Radicalen schicken statt der vorgesehenen sechs Delegierten je Fachzeitung nur drei: den Metallarbeiter Franz Nechvíle (1856–1931) als Sprecher der Wiener tschechoslawischen Partei und Vertreter der Zeitung »Dělnické listy« (Vídeň [Wien]; Arbeiterblätter), den Eisendreher Julius Břestian (1852–1915/1912) als Sprecher der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) und den Metallarbeiter und Maschinenschlossergehilfen Stefan Pauler (1840–?) als Vertreter des Gewerkschaftsorgans »Sozialpolitische Fachzeitung der Metallarbeiter Österreichs« (Wien). Julius Břestian erklärt im Namen der Wiener und Grazer Radicalen, »daß wir die hier zu fassenden Beschlüsse ignorieren, den Arbeitertag aber im Großen und Ganzen als einen einseitig einberufenen erklären«. Er weist darauf hin, »daß noch von sämmtlichen Punkten bei den jeweiligen ähnlichen Arbeitertagen aufgestellten Programme kein einziger seitens der Regierung einer Beachtung gewürdigt wurde, viel weniger, daß sich eine, selbst die geringste Forderung einer Erledigung erfreut hätte. Ja, es ist zu wiederholten Malen vorgekommen, daß solche Programme, selbst unschuldigster Natur als staatsgefährlich erklärt und die Verfechter derselben gemaßregelt, verfolgt und in den Kerker geworfen. Wenn der Arbeitertag ferner den Zweck haben sollte, eine Vereinigung unserer Frakzion mit den Gemäßigten zu ermöglichen, so konstatire ich, daß mit diesen Männern, die heute an der Spitze der sogenannten ›Gemäßigten Partei‹ stehen, niemals eine Vereinigung möglich ist, weil wir mit diesen Führern nichts gemein haben wollen. Ueberhaupt ist uns solch’ öffentliches Geflunker verpönt.«39 Ähnlich bestimmt ist auch die Stellungnahme von Stefan Pauler: »Ich erkläre, daß wir den Arbeitertag niemals als solchen anerkennen werden, da noch bis jetzt jedes, selbst das bettelhafteste Programm als staatsgefährlich erklärt und in keiner Weise mit dessen Inhalt etwas erzielt wurde. Wenn wir vom Eisenacher bis zum Neudörfler Programm heruntergehen, so finden wir, daß jedes geschwächt und verkleinert wurde und mit dieser Programmlerei überhaupt die Bewegung nur in jeder Weise verflacht wurde. Was läßt sich überhaupt in der Öffentlichkeit für ein Programm aufstellen? Wenn der Wunsch der Provinzgenossen wirklich die Absicht hatte, etwas Zweckmäßiges, Festes, Neues zu schaffen, so hätte er andere Wege beim Suchen zu finden gewußt, als solche öffentliche Komödie. Wenn sie weiters glauben, daß es möglich ist, den Prinzipienstreit heute beizulegen, so ist dies ein Irrtum, denn von uns wird sich niemand mit einem Dorsch und Bardorf in Konnässanzen einlassen, weil wir es unter unserer Würde finden, mit solchen Leuten zu paktieren, ja, weil wir froh sind, sich diese Leute vom Halse geschafft zu haben.«40 Er hebt noch hervor, dass von Parteiprogramm zu Parteiprogramm eine Schwächung und Verkleinerung der Ziele stattgefunden habe. Mit seiner Ablehnung der »Programmlerei«, welche die Arbeiterbewegung nur verflacht habe, setzt er klare Akzente in Richtung Sozialrevolutionäre. Als ein gemäßigter Delegierter den Antrag stellt, den drei Radicalen das Wort zu entziehen, verzichten diese auf eine weitere Teilnahme an der Debatte und verlassen den Arbeitertag. Zurück bleiben nur Delegierte, welche dem Lager der Gemäßigten zuzurechnen sind, sieht man vom Delegierten aus Haida (Böhmen [Nový Bor, Tschechien]) ab, dem Webereiarbeiter und Schriftsteller Josef Schiller (1846–1897), der sich gerade auf dem Weg vom Gemäßigten zum Radicalen befindet. Der Rumpfparteitag verabschiedet eine Resolution, welche für den Einigungsparteitag von Hainfeld zur Jahreswende 1888/1889 richtungweisend sein wird und die Kluft zwischen den beiden Lagern in der österreichischen Arbeiterbewegung offenbart. Es wird beschlossen, die Zeitung »Die Zukunft« (Wien) sei, wie es in der Diskussion heißt, als »Organ des Pseudo-Anarchismus, als ein der Sozialdemokratie feindliches Blatt anzusehen«41 und nicht länger als Parteiorgan anzuerkennen. Des Weiteren wird empfohlen, keine radicalen Fachzeitungen mehr zu beziehen. Es werden das Wahlrecht, die direkte Gesetzgebung durch das Volk, das volle Vereins-, Presse- und Koalitionsrecht, die Trennung von Kirche und Staat sowie Schule und Kirche und anderes mehr gefordert. Außerdem wird eine nur aus Gemäßigten bestehende Zentralleitung gewählt. Der Parteitag bleibt weitgehend erfolglos, weil die Radicalen die Städte Graz (Steiermark) und Wien sowie die tschechoslawische Arbeiterbewegung weiterhin dominieren. In dem Artikel »Der Brünner Arbeitertag und unsere Stellung zu demselben«,42 der in Nummer 73 (12. Oktober 1882) der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) erscheint, lehnen die Radicalen die Beschlüsse des Brünner Rumpfparteitags öffentlich ab.

  • 19. Oktober 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Am 19. Oktober 1882 stirbt in Wien der rührige radicale Schriftsetzer Anton Christoph (1857–1882), der nach seiner Freilassung aus dem Arrest (►9. Dezember 1881) schwer erkrankt und seit Juni 1882 bettlägerig war, erst fünfundzwanzigjährig an Lungentuberkulose.

  • 20. Oktober 1882 (Freitag)
    Wien und Vororte: Ab 20. Oktober 1882 wechselt die seit ►4. Juli 1881 bis 20. Februar 1885 (Freitag) erscheinende Zeitung »Wahrheit. Sozialdemokratisches Organ« (Wien) ihren Untertitel: »Wahrheit. Organ der Sozialdemokratischen Partei Österreichs«. Diese Zeitung ist das Gegenstück der Gemäßigten zur Zeitung »Die Zukunft« (Wien) der Radicalen.

  • 22. Oktober 1882 (Sonntag)
    New York City (New York, USA): Am 22. Oktober 1882 findet in der Concordia Hall, 28–30 Avenue, eine Versammlung der »Socialist Labour Party« (Sozialistische Arbeiterpartei) zum Thema »Die politischen Verhältnisse in Österreich und die Tätigkeit der Sozialdemokratie« ab. Der Sozialdemokrat Philipp Van Patten (1852–1918) weist in seiner Eröffnungsansprache darauf hin, dass das Hilfskomitee für die inhaftierten Sozialisten in Österreich 42 Dollar gesammelt hat, von denen 39 Dollar und 85 Pence nach Österreich geschickt worden waren. Dieses Hilfskomitee besteht aus vier 1882 in die USA geflüchteten Österreichern: der Kellner Josef Grando (1857–?), der spätere Landwirt Anton Neuwirth (1864–1942), der Arbeiter Adolf Schwarz (1866–?) und der Kupferschmied Emanuel Skala (1852–?). Danach sprechen noch Anton Neuwirth und der Schriftsteller Leo Kochmann (1847–1919), der anschließend in das Hilfskomitee aufgenommen wird. Leo Kochmann war erst vor kurzem im ersten großen Radicalen-Prozess in Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]) zu einem Jahr schwerem Kerker verurteilt worden (►23. Jänner bis 4. Februar 1882), aber kurz vor Haftantritt in die USA geflüchtet, wo er am 18. Juni 1882 in New York angekommen war. Schließlich wird in der Versammlung die vom russischen Revolutionär und Zeitungsherausgeber Serge von Schewitsch (1848–1911) verlesene Resolution verabschiedet: »Wir erklären uns mit unseren Brüdern in Oesterreich solidarisch und sichern ihnen unsere volle Simpatie, unseren Beistand mit Rat und Tat zu. Wir fordern alle Sozialisten Amerikas, alle denkenden Arbeiter, alle freisinnigen und fortschrittlichen Organisazionen dieses Landes auf, das Los der Familien unserer Genossen zu erleichtern, ihnen Beistand zu leisten.«43

  • 25. Oktober 1882 (Mittwoch)
    Graz (Steiermark): Am 25. Oktober 1882 findet vor dem Landesgericht Graz in geheimer Verhandlung der Prozess gegen den am ►5. April 1882 verhafteten Uhrmachermeister Anton Seemann (1845–1915) statt. Er wirde wegen Verbrechens der Verleitung eines Soldaten zum Treuebruch zu vier Monaten schwerem Kerker verurteilt. Seemann legt Nichtigkeitsbeschwerde ein und das Oberlandesgericht Graz wird am 20. Juli 1883 das Urteil einkassieren und eine neuerliche Voruntersuchung veranlassen. Da nun die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung zurücktritt, wird das Verfahren am 1. September 1883 eingestellt und Seemann straffrei gestellt werden. 

  • 25. Oktober 1882 (Mittwoch) und 30. Oktober 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 25. Oktober 1882 soll vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess gegen zwei am ►9. September 1882 verhaftete Radicale stattfinden. Der Schlossergehilfe Emil Pelikan (1852–?) und der Maurergehilfe Christoph Ernst (1848–1918) werden des Verbrechens des Hochverrats angeklagt. Da sich der Gerichtspräsident und der Verteidiger über den beabsichtigten Ausschluss der Öffentlichkeit nicht einigen können, wird die Verhandlung auf unbestimmte Zeit vertagt. Der Verteidiger, der Hof- und Gerichtsadvokat Sigismund Wolf-Eppinger (1850–1912), legt mit Einverständnis seines Mandanten sein Mandat aus Protest nieder, weil ihm der Gerichtshof verbietet, selbst Vertrauensmänner für seine Klienten zu benennen. Am 30. Oktober 1882 wird schließlich der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgesetzt. Emil Pelikan wird von der Anklage des Verbrechens freigesprochen, jedoch wegen Vergehens der Ruhestörung durch Anpreisung ungesetzlicher Handlungen zu vier Monaten Arrest verurteilt. Christoph Ernst wird vollständig freigesprochen.

  • 26. Oktober 1882 (Donnerstag)
    London (England): Am 26. Oktober 1882 wird der am ►30. März 1881 verhaftete und am ►26. Juni 1881 wegen Aufreizung zum Mord verurteilte Journalist Johann Most (1846–1906) aus dem House of Correction (Gefängnis) Clerkenwell in London entlassen. (►2. Dezember 1882)

  • 26. Oktober 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Am 26. Oktober 1882 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess gegen den am ►11. September 1882 verhafteten 16-jährigen Schuhmacherlehrling Ambros Hruschka (1866–1944) wegen Vergehens der Gutheißung ungesetzlicher Handlungen und der Verbreitung verbotener Druckschriften statt, begangen durch die Verbreitung der seit 9. Oktober 1882 (Montag) in Österreich verbotenen Druckschrift »Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk« (►6. September 1882). Vom Vorwurf des Vergehens wird er mit sechs gegen sechs Stimmen zwar freigesprochen, aber wegen Übertretung des Pressgesetzes durch verbotene Kolportage zu vierzehn Tagen einfachem Arrest verurteilt.

  • 30. Oktober 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Am Morgen des 30. Oktober 1882 wird die Bibliothek der radicalen »Schuhmacher-Gewerkschaft zu Wien« in Wien 7., Kaiserstraße 94, von einem Polizeikommissär und zwei Detektiven nach sozialrevolutionären Druckschriften durchsucht, wobei eine Reihe von Druckschriften beschlagnahmt wird. Am Abend, unmittelbar vor dem Beginn eines Vortrags, erklärt ein Polizeikommissär die Bibliothek für geschlossen. Außerdem muss die Tätigkeit des Vereins bis zur Entscheidung über die Auflösung eingestellt werden. Schließlich wird die Schumacher-Gewerkschaft mit Bestätigung der Statthalterei vom 4. November 1882 (Samstag) endgültig aufgelöst werden. Begleitet wird diese Aktion von den so genannten Schusterkrawallen. (►1. bis 10. November 1882)

  • 1. November 1882 (Mittwoch) bis 10. November 1882 (Freitag)
    Wien und Vororte: Am 1. November 1882 beginnen die so genannten Schusterkrawalle, auch Schuster-Rummel genannt, die bis 10. November andauern, ausgelöst durch die Hausdurchsuchung vom ►30. Oktober 1882. Es beginnt damit, dass sich am Nachmittag des 1. November 1882 etwa fünfhundert Schuhmacher vor dem Vereinslokal der nunmehr behördlich sistierten »Schuhmacher-Gewerkschaft zu Wien«, dem Gasthaus Karl Wimberger in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Neubaugürtel 21, versammeln. Von hier ziehen sie zum nahen Schmelzer Friedhof, zum Monument der Märzgefallenen (►14. März 1880), danach wieder zurück zum Gasthaus Karl Wimberger und von dort in zwei Trupps zum Gewerkschaftslokal im Gasthaus Anton Kock in Wien 7., Kaiserstraße 96, wo sie lautstark die Wiedereröffnung des Lokals der »Gewerkschaft der Schuhmacher« fordern. Während ein Trupp Arbeiter im Lokal verschwindet, versammelt sich der zweite davor. Nachdem die Sicherheitswache vergebens die Auflösung der Versammlung einfordert, stürmt sie das Lokal und räumt es innerhalb kürzester Zeit. Die angeforderte Militärassistenz kommt zu spät und zieht sich unverrichteter Dinge wieder in die Kaserne zurück. An diesem Tag gibt es nur einen Verletzten: Ein von einem Sicherheitswachmann niedergestoßener Schuhmacher schlägt mit dem Kopf auf das Pflaster. Dreizehn Personen werden vorübergehend festgenommen.
    Bei den Demonstrationen am 2. November 1882 (Donnerstag) werden bereits 15 Schuhmacher verhaftet.
    Am 4. November 1882 (Samstag) wird eine Versammlung der Schuhmacher von der Sicherheitswache weitgehend verhindert.
    Am 5. November 1882 (Sonntag) wird die vom Schuhmachergehilfen Anton Nemetschek für den 6. November 1882 (Montag) in die »Hernalser Brauhaus-Saallokalitäten« (Johann Karpf) in Hernals (Niederösterreich [zu Wien 17.]), Frauengasse 27, einberufene Schuhmacherversammlung über »Die letzten Ereignisse der Schuhmacher« behördlich untersagt.
    Die zunächst nur von den Schuhmachern durchgeführten Aktionen werden nun rasch von Arbeiterinnen und Arbeitern anderer Berufszweige unterstützt und letztlich zu einer machtvollen Demonstration der Wiener Arbeiterschaft gegen die Provokationen und Schikanen der Behörden. Sechs Personen werden vorübergehend festgenommen. Am Abend des 6. November 1882 (Montag) kommt es neuerlich zu Zusammenstößen zwischen vier- bis fünfhundert Demonstranten und der Polizei, welche 17 Verhaftungen vornimmt.
    Am 7. November 1882 (Dienstag) zieht berittene Sicherheitswache in Wien 7., Kaiserstraße, auf, reitet mit gezücktem Säbel um sich schlagend, in die Menge der Demonstrierenden. Da die Wachleute von allen Seiten losstürmen, können die Menschen nicht ausweichen, weshalb es eine große Zahl Verwundeter gibt. Andererseits stürmen von der Polizei in die Schottenfeldgasse in Wien 7. abgedrängte Demonstranten die dortige Sicherheitswachstube. Später ziehen auch noch Infanterieeinheiten von zwei Seiten auf die Demonstrierenden los.
    Am 8. November 1882 (Mittwoch) gestalten sich die Demonstrationen noch gewaltiger und das Vorgehen der Polizei sowie des Militärs noch brutaler. Bemerkenswert ist ein exekutiver Unfall in Ottakring (Niederösterreich [zu Wien 16.]): Der in Arbeiterkreisen berüchtigte Polizeikommissär Franz Kadlec (1841–1898) befindet sich in Zivil unter den Demonstranten, wird im Zuge einer Ulanen-Attacke fortgerissen und erhält von einem Ulanen einen Lanzenstich in die Seite. Insgesamt werden an diesem Tag siebenundachtzig Personen verhaftet: dreiundzwanzig in Ottakring, siebenundzwanzig in Wien 7. (Neubau), vierundzwanzig in Wien 6. (Mariahilf), acht in Sechshaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]) und fünf in Wien 8. (Josefstadt). Zwei der Verhafteten sind so schwer verletzt, dass sie ins Spital gebracht werden müssen. Ein Jugendlicher, der erst dreizehn Jahre alt ist, wird nach Feststellung seiner Personalien der »häuslichen Züchtigung« zugeführt. Am Abend erhält die Exekutive bemerkenswerte Unterstützung: Die Feuerwehr von Neulerchenfeld übernimmt freiwillig nächtliche Patrouillengänge.
    Am ►9. November 1882 beschäftigt sich sogar der Ministerrat mit den so genannten Schusterkrawallen und diskutiert erstmals die Anordnung von Ausnahmsverordnungen. An diesem Tag begibt sich auch der Bürgermeister von Wien Eduard Uhl (1813–1892) persönlich zum Wiener Polizeipräsidenten Karl Krticzka Freiherr von Jaden (1824–1885). Ein mit 9. November 1882 (Donnerstag) datiertes Plakat der Bürgermeister der niederösterreichischen Gemeinden Fünfhaus [zu Wien 15.], Rudolfsheim [zu Wien 14.], Sechshaus [zu Wien 15.], Obermeidling [zu Wien 12.], Untermeidling [zu Wien 12.] und Gaudenzdorf [zu Wien 12. und 15.] ruft die Bevölkerung zur Besonnenheit auf, ein anderes Plakat, nämlich von der Polizei-Direktion Wien, droht strikte strafrechtliche Verfolgung bei einer Teilnahme an den Krawallen an. An diesem Tag bleibt es weitgehend ruhig, weil mittlerweile das Militär bereits vor Ort stationiert ist. Es werden allerdings fünfunddreißig Personen verhaftet. Darunter befindet sich auch der Schuhmacherlehrling Andreas André (~1863–?), der beim Herunterreißen des Plakats der Polizei-Direktion Wien ertappt wird. Er wird am 11. November 1882 (Samstag) vom Bezirksgericht Währing nach § 315 Strafgesetzbuch zu achtundvierzig Stunden strengem Arrest, ausschließlich der bereits im Gewahrsam verbrachten Zeit, verurteilt, wobei der Richter die gegenwärtige tumultuarische Situation als erschwerend befindet.
    Erst am 10. November 1882 (Freitag) beruhigt sich die Lage. »Der Zeitpunkt war für die ›Propaganda der Tat‹ sehr günstig«, berichtet der Journalist Karl Kautsky (1854–1938), ein Gemäßigter, am 11. November 1882 (Samstag) über diese turbulenten Tage, »die Anarchisten hätten, wenn sie gewollt hätten, einen sehr ernsthaften Straßenkampf provozieren können. Die Bevölkerung war furchtbar erregt über das schamlose und brutale Vorgehen der Sicherheitswache und des Militärs, welches geradezu darauf berechnet war, einen Exzeß zu provozieren. Die Zahl der Verwundeten beträgt viele Hunderte, eine große Anzahl derselben blieb auf der Straße liegen, oft bis Tagesanbruch. Das Empörendste war, daß man von Zeit zu Zeit ein wahres Kesseltreiben veranstaltete, eine dicht besetzte Straße umzingelte und darauf das Publikum von allen Seiten lostrieb, wobei niemand entkommen konnte, um so weniger, als die Haustore gesperrt waren. Daß die verzweifelte Masse dann zu Steinen griff, ist nicht zu verwundern. Bei einem solchen Kesseltreiben gab es regelmäßig 50 bis 100 Verwundete. Die Verwundeten blieben liegen, der Rest wurde ›gefangen‹, die Weiber und Kinder entlassen, die Männer eskortiert. Ich sah einmal einen ganzen Trupp Gefangene, mehr als 30 Mann eskortiert, 20 Polizisten zu Fuß, 4 zu Pferd und 8 Ulanen«.44 Wie breit diese Demonstrationswelle angelegt ist, zeigen die Berufe der insgesamt fünfundachtzig im Dezember 1882 Angeklagten. (►5. Dezember 1882, ►7. Dezember 1882, ►9. Dezember 1882, ►11. Dezember 1882, ►11. Dezember 1882, ►12. Dezember 1882, ►14. Dezember 1882 und ►20. Dezember 1882)

  • 8. November 1882 (Mittwoch)
    Wien und Vororte: Der mit der Sozialdemokratie sympathisierende liberale Reichsratsabgeordnete Ferdinand Kronawetter (1838–1913) legt am 8. November 1882 nach seiner Wahlniederlage sein Mandat als Abgeordneter zum Reichsrat nieder.

  • 9. November 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Am 9. November 1882 beschäftigt sich Eduard Graf Taaffe (1833–1895) im Ministerrat mit den so genannten Schusterkrawallen und erwägt erstmals die Anordnung von Ausnahmsverordnungen. »Der Ministerpräsident (Graf Taaffe) bringt zur Sprache die in den letzten Tagen hier am Neubau und in der Kaiserstraße stattgehabten Ausschreitungen. Den äußeren Anlaß zu den Zusammenrottungen gab ab die wegen Haltens verbotener Bücher und Zeitschriften erfolgte Schließung der Schuhmachergewerkschaft am Neubau. Doch schien die Sache organisiert zu sein, da sich mitten in den Haufen anständig gekleidete Persönlichkeiten befanden und Damen, welche in Einspännern angefahren kamen, Zigarren verteilt worden sein sollen, auch bemerkte man eine solche Gruppierung der Ansammlung, daß sich am Rande der Haufen gegenüber den einschreitenden Wachen ganz junge Leute und Frauenzimmer befanden. In den ersten drei Tagen der sich wiederholenden abendlichen Ansammlungen sei man möglichst vorsichtig und schonend behufs der Zerstreuung vorgegangen. [/] Am ersten Tage operierte nur die Sicherheitswache, am zweiten Tage kam auch Militärassistenz dazu, am dritten Abend blieben Wachen und Militär möglichst lange im Hintergrund, wartend, ob die Leute sich nicht selbst zerstreuen werden, und schritten erst spät ein. [/] Schon gestern wurden seitens der Polizei Warnungsplakate veröffentlicht. Heute sollen noch schärfere Proklamationen erlassen werden und wurden zugleich die Behörden der Vororte zu entsprechendem Eingreifen behufs Warnung und Abhaltung aufgefordert. Denn es sei notwendig, endlich mit aller Energie Stellung zu nehmen. Basiert darauf, daß die Leute gewarnt und auf die Folgen aufmerksam gemacht wurden, soll unter einem für heute auch eine größere Militärmacht konsigniert werden. Von dem Erfolge der so für heute getroffenen Vorkehrungen soll das weitere Vorgehen abhängen. Träte noch nicht Ordnung ein, dann würde von morgen an jede Zusammenrottung mit dem verboten werden, daß die Aufrechterhaltung des Verbotes dem Militärkommandanten anheimgegeben werde, was dann das Einschreiten mit scharfen Waffen zur Folge hätte. [/] Damit wäre man beim letzten Mittel der Ordnungsgewalt der Verwaltung angelangt. [/] Nach Erschöpfung desselben träte an die Regierung die Aufgabe der Anordnung von Ausnahmeverfügungen heran. [/] Der Ministerpräsident glaubt übrigens nicht, daß es bis zum Äußersten kommen, sondern daß die heutigen Maßnahmen bei einem energischen Zusammenwirken aller Organe ausreichen dürften, um der Sache ein Ende zu machen. Offenbar beabsichtigen die agitatorischen Elemente mit den Zusammenrottungen Beunruhigung und Angst in der Bevölkerung zu erregen und dürfte die Sache wohl auch im Konnex mit der Wahlagitation gegen Dr. Kronawetter, den man von seiten seiner Gegner als Sozialisten hinstellte, gewesen sein. [/] Der Ministerpräsident habe heute einer Beratung unter Beiziehung des Statthalters, des Bürgermeisters und einiger Polizeiorgane beigewohnt, wo über die nächsten Maßnahmen beratschlagt wurde. [/] Jetzt greife die Sache noch nicht über die Aktion der Verwaltung hinaus. [/] Von den nächsten Vorgängen werde es aber abhängen, ob zu weiteren politischen Maßnahmen der Regierung geschritten werden müsse oder nicht. [/] Der Ministerpräsident habe jedoch geglaubt, die Lage vorläufig schon dem Ministerrate zur Kenntnis bringen zu sollen.«45 (►13. September 1883 und ►30. Jänner 1884)

  • 10. November 1882 (Freitag)
    Wien und Vororte: Am 10. November 1882 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess gegen den Magazinaufseher Josef Gröger (1851–?) statt, angeklagt des Vergehens der Ruhestörung durch Gutheißung ungesetzlicher Handlungen. Diese habe er nach den Zeugenaussagen zweier Polizeibeamter bei dem Arbeiterfest begangen, welches am ►20. August 1882 im Gasthaus »zum rothen Kreuz« (Antonie Jeschek) in Wien 10., Simmeringer Straße 119 [Gudrunstraße], stattgefunden hatte. In Grögers Ruf »Heut’ drah’n m’r auf! Hoch die Commune! Hoch das Petroleum!«46 sieht die Staatsanwaltschaft eine Verherrlichung der Pariser Commune von 1871 und somit eine Anpreisung verbotener Handlungen. Im Sinne der Anklage wird Josef Gröger zu einem Monat strengem Arrest, verschärft durch zwei Fasttage, verurteilt.

  • 11. November 1882 (Samstag)
    Wien und Vororte: Am 11. November 1882 wird wegen der so genannten Schusterkrawalle (►1. bis 10. November 1882) die vom Schneidergehilfen Josef Moudrý für den 12. November 1882 (Sonntag) einberufene Versammlung der Damenkleidermacher und -Zuschneider zur Besprechung gewerblicher Angelegenheiten im Gasthaus »zur blauen Weintraube« (Leopold Weismayer) in Wien 7., Burggase 51, behördlich untersagt, ebenso die vom Färbergehilfen Karl Drucker für diesen Tag in »Neßner’s Bierhalle« und Restauration »zum Stadtgut« (Johann Neßner) in Sechshaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Sechshauser Hauptstraße 7 [Sechshauser Straße], einberufene freie Versammlung der Färber zur Tagesordnung »Der Brünner Arbeitertag und die Presse«.

  • 12. November 1882 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Im September 1882 wollte der Tischlergehilfe Josef Jakl (1860–?), der bereits am ►29. August 1880 aus sämtlichen im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern (also aus der österreichischen Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) ausgewiesen worden war, nach Linz an der Donau (Oberösterreich) reisen, um dort sozialistische Zeitungen zu verteilen. Weil er unterwegs zufällig den Koffer vertauschte, musste er unverrichteter Dinge nach Budapest (Ungarn) zurückreisen. Dieser Koffer fiel jedoch der Polizei in die Hände, welche feststellte, dass er vollgepackt war mit Exemplaren der Zeitungen »Volkswille« (Budapest) und »Arbeiterfreund. Sozia-politische Zeitschrift für das arbeitende Volk« (Reichenberg), ein Organ der Gemäßigten. Es wurde sofort eine intensive Fahndung nach dem Täter wurde eingeleitet. Als Josef Jakl seine Reise wiederholt, wird er am 12. November 1882 am Staatsbahnhof [Hauptbahnhof] in Wien von zwei Detektiven verhaftet. In seinem nunmehr neuen Koffer werden 671 Exemplare der Zeitung »Volkswille« (Budapest) und 711 Stück einer Extraausgabe dieses Organs gefunden. (►22. Jänner 1883)

  • 15. November 1882 (Mittwoch)
    Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]): Am 15. November 1882 wird wegen eines so genannten Brandbriefes, »Warnung für die Fabrikanten Brünns«, unterschrieben »Die Dynamit-Brüder«, der Buchbindergehilfe Josef Schallinger (1857–1883) verhaftet. Er war erst kurz zuvor von Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]), wo er auch inhaftiert war (►11. bis 17. April 1882), nach Brünn gekommen. Josef Schallinger soll diesen Brief an die Fabrikanten Max Kohn und Albert Samek sowie an die Brünner Kammgarnspinnerei gesandt haben. Darin wird mit Gewaltmaßregeln gedroht, sollte der Lohn für die Arbeiter nicht erhöht und deren Arbeitszeit verkürzt werden. Außerdem sollen darin antisemitische Bemerkungen gemacht worden sein. (►6. Dezember 1882 und ►26. Jänner 1883)

  • 20. November 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 20. November 1882 werden im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) in Wien und seinen Vororten der Bronzearbeitergehilfe Stefan Buelacher (1858–?), der Tischlergehilfe Andreas Spahl (1852–?) und der Tischlergehilfe Johann Wetz (1841–?) festgenommen. (►1. Dezember 1882 und ►8. bis 21. März 1883)

  • 20. November 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 20. November 1882 findet in der »Jaroschauer Bierhalle« (Josef Strobl) in Neulerchenfeld (Niederösterreich [zu Wien 16.]), Gürtelstraße 3 [Lerchenfelder Gürtel 6–8], die konstituierende Versammlung des »Fachvereins der Schuhmacher« statt. Es handelt sich dabei um eine Reaktivierung des am 1. Juli 1878 (Montag) sistierten »Fachvereins der Schuhmacher«. Gewählt werden der Schuhmachergehilfe Julius Popp (1849–1902) zum Obmann sowie die Schuhmachergehilfen Max Mayer (1839–?) und Karl Neweřil zu Obmann-Stellvertretern. Das Vereinslokal befindet sich im Gasthauses »zum Auerhahn« (Anton Kock) in Wien 7., Kaiserstraße 96. (►20. August 1883)

  • 22. November 1882 (Mittwoch)
    Wien und Vororte: Am 22. November 1882 wird das Druckwerk »Osterreichischer Arbeiter-Kalender für das Jahr 1883. Herausgegeben von Franz Schustaczek« unmittelbar vor seinem Erscheinen beschlagnahmt.47 (►18. Dezember 1882) Dessen Herausgeber, der Webergehilfe Franz Schustaczek (1850–1908), wird sich deswegen am ►28. Dezember 1882 vor Gericht verantworten müssen.

  • 1. Dezember 1882 (Freitag)
    Wien und Vororte: Die am 24. August 1882 begonnene Verhaftungswelle (►23. bis 25. August 1882) gegen Radicale anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) findet mit der am 1. Dezember 1882 in einem Wiener Massenquartier erfolgten Festnahme des Tischlergehilfen Alois Treibenreif (1836–1903), der am 30. November 1882 (Donnerstag) aus der Schweiz nach Wien zurückgekehrt war, ihr Ende. (►8. bis 21. März 1883)

  • 2. Dezember 1882 (Samstag)
    Liverpool (England): Am 2. Dezember 1882 verlässt der am ►26. Oktober 1882 aus dem Gefängnis in London (England) entlassene Journalist Johann Most (1846–1906) Liverpool auf dem Dampfer »Wisconsin« England Richtung USA, wo er am 18. Dezember 1882 (Montag) in New York City (New York, USA) eintreffen wird. (►9. Dezember 1882)

  • 4. Dezember 1882 (Montag) bis 22. Dezember 1882 (Freitag)
    Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Vom 4. bis 22. Dezember 1882 findet vor dem Landes- als Strafgericht Prag in geheimer Verhandlung der vierte große Prozess (►23. Jänner bis 4. Februar 1882, ►11. bis 17. April 1882 und ►3. bis 8. Juli 1882) gegen einundfünfzig Radicale statt. Von den Angeklagten wohnen in Alt-Habendorf (Böhmen [Stráž nad Nisou, Tschechien]) der Bäckermeister Ferdinand Schwarz (1852–1906) und der Maurer Vinzenz Walter (~1855–?), in Aussig (Böhmen [Ústí nad Labem, Tschechien]) die Fabrikarbeiter Gustav Feix (~1856–?), Josef Hortik (~1855–?) und Anton Nase (1839–?) sowie der Schuhmacher Wenzel Vaic (1853–?), in Böhmisch-Brod (Böhmen [Český Brod, Tschechien]) der Kellner Karl Vysušil (~1858–?), in Böhmisch Leipa (Böhmen [Česká Lípa, Tschechien]) der Schlosser, Mechaniker und Nähmaschinenerzeuger Carl Schmidt (~1842–?), in Bohutin (Böhmen [Bohutín (okres Šumperk), Tschechien]) der Bergmann und nunmehrige Agent mit Ölfarbendruckbildern Franz Choura (1852–1921), in Buschtiehrad (Böhmen [Buštěhrad, Tschechien]) der Bergmann und Höckler (kleiner Warenhändler) Anton Musil (~1850–?) sowie der Bergmann Josef Šip (~1849–?), in Dessendorf (Böhmen [Desná, Tschechien]) der Krämer Anton Schwödler (~1846–?), in Dux (Böhmen [Duchcov, Tschechien]) die Bergmänner Karl Eger (~1860–?), Franz Hocke (~1842–?), Franz Jahoda (~1851–?), Josef Nohejl (~1855–?), Franz Procházka (1847–?) und Wenzel Trimmel (1858–?), in Gablonz an der Neiße (Böhmen [Jablonec nad Nisou, Tschechien]) der Schnittwarenhändler Wilhelm Böhmer (~1842–?) und der Lederhändler Daniel Förster (1854–?), in Hradek (Böhmen [Hrádek u Rokycan, Tschechien]) der Seidenweber Franz Neumann (1845–?), in Karolinenthal (Böhmen [Karlín, zu Prag ‹Praha›, Tschechien]) der Eisendrehergehilfe Ignaz Wondřich (~1856–?), in Kehlen (Böhmen [Hrdlořezy, zu Prag ‹Praha›, Tschechien]) der erst am 6. November 1882 (Dienstag) verhaftete und daher in einer eigenen Anklageschrift angeklagte Malergehilfe Josef Pokorný (~1862–?), in Kosten (Böhmen [Košťany, Tschechien]) der Töpfergehilfe Johann Minařik (1838–?), in Ladowitz (Böhmen [Ledvice, Tschechien]) der Bergmann Anton Jirschik (~1851–?) sowie der Schlosser und Bergmann Franz Procházka (1848–?), in Leitmeritz (Böhmen [Litoměřice, Tschechien]) der Korbmachergehilfe Eduard Celler (~1858–?), in Neudorf (Böhmen [Nová Ves, Tschechien]) der Bergmann Josef Geißler (~1854–?), in Oberleutensdorf (Böhmen [Horní Litvínov, zu Litvínov, Tschechien]) der Fabrikarbeiter Karl Glaser (~1849–?), der Bergmann und Schriftsteller Anton Wilhelm Teuchert (~1862–1916?), der Schneidergehilfe Viktor Winter (1839–?) und der Buchbindergeselle Josef Reinhold Wolfram (1860–?), in Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]) die Tuchmachergehilfen Anton Behr (1854–1931), Wilhelm Kiesewetter (1853–1925), Franz König (1849–?), Wenzel Nezdara (~1854–?) und Franz Roscher (1854–?), der Tuchmachergehilfe und Redakteur Josef Hannich (1843–1934), der Tuchmachergehilfe und Schriftsteller Josef Schiller (1846–1897), der Tuchmachergehilfe Emanuel Schornböck (1839–1902), der Fabrikarbeiter Rudolf Sommer (~1860–?) sowie die Tuchmachergehilfen Josef Ulbrich (1845–1910) und Wilhelm Weichenhan (~1854–?), in Rentsch (Böhmen [Řevničov, Tschechien]) der Bergmann Franz Hlaváček (1853–1937), in Rochlitz an der Iser (Böhmen [Rokytnice nad Jizerou, Tschechien]) der Tuchmachergehilfe Josef Krejči (~1852–?), in Rosenthal (Böhmen; [Růžodol, zu Liberec, Tschechien]) der Gasthauspächter Franz Pick (~1855–1906), in Straka (Böhmen [Straky, zu Zabrušany, Tschechien]) der Taglöhner Johann Reich (~1854–?), in Teplitz (Böhmen [Teplice, Tschechien]) der Schneidergehilfe Gottlieb Kabrna (~1861–?), der Bergarbeiter Josef Michel (~1850–?) und der Bergmann Wenzel Skála (1859–?), schließlich in Wien der Metalldrechsler Adalbert Steska (1858–?). Wenzel Vaic wird wegen Verbrechens der versuchten Verleitung zur öffentlichen Gewalttätigkeit und Vergehens der Geheimbündelei zu zwei Jahren schwerem Kerker, verschärft durch vierteljähriges Fasten in Einzelhaft verurteilt. Wegen Vergehens der Geheimbündelei werden Franz Choura zu sechs Monaten, Eduard Celler, Josef Hortik und Wilhelm Weichenhan zu je fünf Monaten, Karl Glaser, Johann Minařik, Franz Pick, Josef Schiller, Emanuel Schornböck, Rudolf Sommer, Adalbert Steska, Vinzenz Walter, Viktor Winter und Ignaz Wondřich zu je vier Monaten, Gustav Feix, Josef Geißler, Josef Hannich und Franz Hlaváček zu je drei Monaten, Anton Behr, Wilhelm Kiesewetter, Franz König, Wenzel Nezdara, Carl Schmidt und Josef Ulbrich zu je zehn Wochen, Johann Reich zu zwei Monaten, Karl Eger, Josef Nohejl und Karl Vysušil zu je sechs Wochen, Franz Jahoda, Gottlieb Kabrna, Josef Pokorný, Franz Procházka aus Ladowitz und Franz Roscher zu je einem Monat, Anton Nase und Wenzel Trimmel zu je drei Wochen, Daniel Förster, Franz Hocke und der nicht zum Prozess erschienene Anton Musil zu je zwei Wochen strengem Arrest verurteilt. Wegen Vergehens der Geheimbündelei und Übertretung des Pressegesetzes werden Josef Michel zu vier Monaten strengem Arrest und 20 Gulden Geldstrafe, Ferdinand Schwarz zu vier Monaten strengem Arrest und 10 Gulden Geldstrafe, Anton Wilhelm Teuchert zu drei Monaten strengem Arrest und 10 Gulden Geldstrafe, eventuell zwei Tage Arrest, Josef Šip zu zehn Wochen strengem Arrest und 5 Gulden Geldstrafe sowie Franz Neumann zu einem Monat strengem Arrest und 50 Gulden Geldstrafe. Freigesprochen werden Wilhelm Böhmer, Anton Jirschik, Josef Krejči, Franz Procházka aus Dux, Anton Schwödler und Josef Reinhold Wolfram. Wenzel Skála wird nicht abgeurteilt, weil ihm die Vorladung nicht zeitgerecht zugestellt wurde. Angesichts der in Wien unmittelbar bevorstehenden Prozesse (►5. Dezember 1882, ►7. Dezember 1882, ►9. Dezember 1882, ►11. Dezember 1882, ►11. Dezember 1882, ►12. Dezember 1882, ►14. Dezember 1882 und ►20. Dezember 1882) anlässlich der so genannten Schusterkrawalle (►1. bis 10. November 1882) und des mit Spannung erwarteten Prozesses (►8. bis 21. März 1883) anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) erregt dieser Prozess in Prag zweifelsohne die große Aufmerksamkeit der Wiener Radicalen. Hingewiesen sei noch auf die im Zuge einer Hausdurchsuchung bei Anton Wilhelm Teuchert im Juli 1882 gefundene Sammlung »Gedichte für das geknechtete, nach Freiheit ringende Proletariat, gesammelt von W. Teuchert«, die erst später veröffentlicht werden wird.48

  • 4. Dezember 1882(Montag)
    Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]) / Wien und Vororte: Am 4. Dezember 1882 wird der Silberarbeiter Norbert Zoula (1854–1886) nach Verbüßung seiner zehnmonatigen Haftstrafe (►23. Jänner bis 4. Februar 1882) aus der Haft entlassen und aus Prag für immer ausgewiesen. In seine zuständige Heimatgemeinde Elschtin (Böhmen [Lštění, Tschechien]) abgeschoben, kehrt Norbert Zoula noch am 4. Dezember 1882 nach Wien zurück. Er wird im Frühjahr 1883 zunächst in die Schweiz, dann in die USA ins Exil gehen, wo er ein wichtiger Vertreter des Anarchismus sein wird.

  • 5. Dezember 1882 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Vom 5. bis 20. Dezember 1882 (Mittwoch) finden in zehn Prozessen vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien die Verfahren gegen fünfundachtzig anlässlich der so genannten Schusterkrawalle (►1. bis 10. November 1882) festgenommene Arbeiter statt: Die Berufe der Angeklagten zeigen, wie beruflich breit diese Demonstrationen die Arbeiterbewegung erfassten, und ebenso alle Altersgruppen: Der jüngste Angeklagte ist vierzehn, der älteste sechsundachtzig Jahre alt. Im ersten Prozess vom 5. Dezember 1882 werden jene elf Radicalen angeklagt, denen Verbrechen beziehungsweise Vergehen der öffentlichen Gewalttätigkeit am 1. November 1882 (Mittwoch) vorgeworfen werden. Angeklagt werden wegen gewalttätigen Auftretens bei der eigenen sowie der Festnahme Dritter durch die Wache der Tischlergehilfe Franz Huber (~1850–?), der sich mit einem Wachmann gebalgt sowie einen anderen an der Brust gepackt und an die Mauer gedrückt haben soll, und der Schmiedgehilfe bei der Staatsbahn-Gesellschaft Rafael Szabó (1845–?), der einen Sicherheitswachmann, der gerade einen Festgenommenen zur Wache eskortierte, mit erhobenem Stock gedroht haben soll »Auslassen, oder…!«, beide wegen Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit; die Schuhmachergehilfen Alois Cillich (1862–?), Wenzel Schulz (~1863–?) und Anton Wiedersheim (~1862–?), weil die drei der Aufforderung, sich zu entfernen, keine Folge geleistet hätten, Alois Cillich »Hurra, nieder mit der Polizei!« gerufen, Wenzel Schulz sich mit dem Ruf »Genossen! Genossen!« an die Menge gewandt und Anton Wiedersheim mit einem »Hurra!« geantwortet haben soll; der Schuhmachergehilfe Felix Wolf (~1850–?), der einem eine Verhaftung vornehmenden Wachmann »Auslassen!« und der umstehenden Menge »Kommt zu Hilfe!« zugerufen haben soll; der Korbmachergehilfe Franz Geidel (~1861–?), die Schuhmachergehilfen Johann Pohlner (~1860–?), Josef Schleider (~1847–?) und Anton Sedlák (~1860–?) sowie der Drechslergehilfe Josef Straschar (1862–?), weil sie der Aufforderung der Wache, auseinander zu gehen, nicht Folge geleistet hätten. Verurteilt werden Franz Huber und Rafael Szabó zu je zwei Monaten schwerem Kerker, Alois Cillich zu einem Monat strengem Arrest, Anton Wiedersheim und Felix Wolf zu je drei Wochen sowie Josef Schleider, Wenzel Schulz und Anton Sedlák zu je zwei Wochen strengem Arrest. Freigesprochen werden Franz Geidel, Johann Pohlner und Josef Straschar. Das Urteil gegen Rafael Szabó wird am 7. Februar 1883 aufgrund der Zweifel an den Aussagen des Sicherheitswachmannes aufgehoben werden.

  • 6. Dezember 1882 (Mittwoch)
    Brünn (Mähren [Brno, Tschechien)]: Am 6. Dezember 1882 werden in Brünn der Maschinenschlosser Anton Roza (1854–?) und der Eisendreher Julius Břestian (1852–1915/1920) im Zusammenhang mit der so genannten Drohbrief-Affäre des bereits am ►15. November 1882 festgenommenen Buchbindergehilfen Josef Schallinger (1857–1883) verhaftet. (►26. Jänner 1883)

  • 7. Dezember 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Am 7. Dezember 1882 findet der zweite Prozess vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien gegen elf anlässlich der so genannten Schusterkrawalle (►1. bis 10. November 1882) am 5. November 1882 (Sonntag) festgenommene Radicale statt. Hauptangeklagter ist der Kürschnergehilfe Wenzel Holubarz. Ein Wachinspektor wollte ein angeblich besonders exzessives Individuum festnehmen, doch wurde ihm Paprika ins Gesicht gestreut, so dass er genötigt war, den Festgenommenen loszulassen; noch mit geschlossenen Augen ergriff er einen vor sich stehenden Mann, nämlich Wenzel Holubarz, und übergab ihn einem Wachmann. Wenzel Holubarz wird deswegen des Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit angeklagt, aber vom Gericht freigesprochen. Die übrigen zehn Angeklagten zerfallen in zwei Gruppen, alle verschiedener Vergehen beschuldigt. Die erste Gruppe, bestehend aus dem schwerhörigen Zimmerputzer Johann Ertel (~1863–?), dem erst 14-jährigen Taglöhner Friedrich Gramese (~1868–?), dem 16-jährigen Schuhmacherlehrling Wenzel Havránek (~1866–?), dem Metalldrucker Alois Hoizag (~1863–?) und dem Schuhmachergehilfen Ludwig Zweck (~1852–?). Diese werden bezichtigt, Militär und Wache durch unterschiedliche Rufe verhöhnt und zur Widersetzlichkeit gegen dieselben aufgefordert zu haben. Verurteilt werden Johann Ertel zu drei Wochen strengem Arrest, Ludwig Zweck zu zwei Wochen einfachem Arrest, Friedrich Gramese, der übrigens nicht zur Verhandlung erscheint, zu acht Tagen einfachem Arrest und Alois Hoizag zu acht Tagen einfachem Arrest. Von der Anklage gegen Wenzel Havránek tritt der Staatsanwalt noch während der Verhandlung zurück. Die zweite Gruppe, welcher der Schuhmachergehilfe Anton Bitzinger (~1856–?), der Hufschmied Johann Böhm (~1847–?), der Büchsenmachergehilfe Josef Dobíhal (~1854–?), der Vergolder Ludwig Kilian (~1848–?) und der erst 16-jährige Ledergalanterielehrling Josef Zorn (~1866–?) angehören, wird bezichtigt, sich demonstrativ den Anordnungen der Wache widersetzt und sich teils mit derselben in Zank und Wortstreit eingelassen zu haben. Verurteilt werden Josef Dobíhal und Ludwig Kilian zu je zwei Wochen sowie Johann Böhm zu zehn Tagen strengem Arrest sowie Josef Zorn zu drei Tagen einfachem Arrest. Von der Anklage gegen Anton Bitzinger tritt der Staatsanwalt noch während der Verhandlung zurück.

  • 9. Dezember 1882 (Samstag)
    Wien und Vororte: Am 9. Dezember 1882 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der dritte Prozess gegen dreizehn anlässlich der so genannten Schusterkrawalle (►1. bis 10. November 1882) am 6. November 1882 (Montag) festgenommene Radicale statt. Des Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit wird der Schuhmachergehilfe Johann Weiß (~1864–?) angeklagt, weil er beim Aufheben von zwei Steinen erwischt wurde; er wird im Sinne der Anklage zu drei Monaten schwerem Kerker verurteilt. Alle anderen werden des Vergehens des Auflaufs beschuldigt, nämlich wegen zur Widersetzlichkeit aufreizenden Ausrufen der Posamentierergehilfe Josef Harbich (~1863–?) sowie die erst 15-jährigen Schuhmacherlehrlinge Cyrill Martan (~1867–?) und Josef Pacák (~1867–?), wegen bloßen Vergehens des Auflaufs der Galanterietischlergehilfe Josef Ausobský (~1864–?), der Tischlergehilfe Johann Hladík (~1863–?), der Kommis Gustav Koblitz (~1864–?), der erst 17-jährige Schneiderlehrling Leopold Kotrbelec (~1865–?), der Metalldruckergehilfe Josef Kuneš (~1852–?), der Kontorist Johann Pospischil (~1854–?), der Goldschlägergehilfe Emanuel Protzi (~1858–?), der absolvierte Techniker und Baupraktikant bei der niederösterreichischen Statthalterei Sebastian Schmitzer (1854–1916) sowie der Damenschneidergehilfe Johann Zamrzla (~1858–?). Verurteilt werden Josef Harbich zu drei Wochen strengem Arrest, Johann Pospischil, Sebastian Schmitzer und Johann Zamrzla zu je zehn Tagen, Gustav Koblitz und Josef Kuneš zu je acht Tagen, Leopold Kotrbelec zu sechs Tagen, Emanuel Protzi zu drei Tagen und Josef Ausobský zu zwei Tagen strengem Arrest. Freigesprochen werden Johann Hladík, Cyrill Martan und Josef Pacák.

  • 9. Dezember 1882 (Samstag)
    New York City (New York, USA): Ab Nummer 41 (9. Dezember 1882) erscheint die ursprünglich bis ►3. Juni 1882 in London und ab Nummer 23 (8. Juli 1882) in Schaffhausen / Schaffhouse / Sciaffusa (Kanton Schaffhausen, Schweiz) und danach an anderen Orten veröffentlichte, vom Journalisten Johann Most (1846–1906) herausgegebene Zeitung »Freiheit« in New York. (►2. Dezember 1882)

  • 11. Dezember 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 11. Dezember 1882 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der vierte Prozess gegen zwei anlässlich der so genannten Schusterkrawalle (►1. bis 10. November 1882) am 7. November 1882 (Dienstag) festgenommene Radicale statt. Sicherheitswache und Militär hatten an diesem Tag massive Einsätze in Wien und den Vororten, wobei es am Lerchenfelder Gürtel (Wien 7. und 8.) zu besonders harten Auseinandersetzungen kam. Wegen Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit wird nun der 17-jährige Steindruckerlehrling Johann Großschopf (~1865–?) angeklagt, weil er die Festnahme eines Steinewerfers verhindert, selbst einen Wachmann mit Steinen beworfen und in die Menge »Haut’s hin!« geschrien haben soll. Neben Johann Großschopf stand der Schuhmachergehilfe Alois Trnka (~1862–?), der zwei Steine fallengelassen haben soll, die er kurz zuvor aufgehoben habe, und dieser wird deswegen des Vergehens des Auflaufs angeklagt. Johann Großschopf wird im Sinne der Anklage zu vier Monaten schwerem Kerker verurteilt. Alois Trnka wird freigesprochen, wogegen aber der Staatsanwalt Nichtigkeitsbeschwerde anmeldet.

  • 11. Dezember 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Ebenfalls am 11. Dezember 1882 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der fünfte Prozess gegen sechs anlässlich der so genannten Schusterkrawalle (►1. bis 10. November 1882) am 7. November 1882 (Dienstag) verhaftete Radicale statt. Wegen Verbrechen der öffentlichen Gewalttätigkeit wird der Tischlergehilfe Josef Billig (~1863–?) angeklagt, weil er einen Ulanen mit Steinen beworfen haben soll, ebenso der Anstreicher Alexander Grünwald (~1852–?), der einen Wachmann zu Boden gestoßen haben soll, um die Festnahme eines Steinewerfers zu verhindern, und weil er sich dann gemeinsam mit dem Feilenhauergehilfen Karl Knotek (~1864–?) am Steinbombardement gegen die Schottenfelder Wachstube beteiligt haben soll. Des Vergehens des Auflaufs werden beschuldigt der Friseurgehilfe Karl Basič (~1859–?), der Hausmeister im Hernalser Linienamtsgebäude Anton Klopf (~1838–?) und der erst 14-jährige Handlungslehrling Johann Soini (~1868–?), weil sie in der Blindengasse (Wien 8.) die Wache beschimpft und Johann Soini mit erhobenem Stock die Umstehenden gegen die Wache mit den Worten »Ihr Feiglinge! Traut’s euch denn nicht gegen sie?« aufgereizt haben soll. Verurteilt werden bei teils durch den Staatsanwalt abgeminderter Anklage Alexander Grünwald zu fünf Monaten und Karl Knotek zu drei Monaten schwerem Kerker, Karl Basič zu drei Wochen strengem Arrest und Johann Soini zu zwei Tagen einfachem Arrest. Der Staatsanwalt zieht im Verlaufe des Prozesses seine Anklage gegen Anton Klopf zurück, und Josef Billig wird freigesprochen.

  • 12. Dezember 1882 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Der Anarchist Johann Christian Neve alias John Neve (1844–1896) kommt am 12. Dezember 1882 unter dem Namen »Ernest Stevens« nach Wien, um hier den Vertrieb der vom Journalisten Johann Most (1846–1906) herausgegeben Zeitung »Freiheit« (New York) zu organisieren und um im Konflikt zwischen Radicalen und Gemäßigten zu vermitteln. John Neve wohnt zunächst in einem Massenquartier in Wien 5. (Margareten), dann beim Lackierergehilfen bei der Eisenbahn Johann Ondra (1856–?), schließlich beim Mechaniker Jakob Wellina (1848–?), der John Neve am 17. Dezember 1882 (Sonntag) als »Ernest Stevens« polizeilich anmeldet. Die Polizei-Direktion Wien ist schon seit September 1882 im Besitz der Abschrift eines Briefs von John Neve, in welchem er sich über die Spaltungserscheinungen in der österreichischen Arbeiterbewegung besorgt zeigt und sich bereit erklärt, nach Österreich zu kommen. Am 23. Dezember 1882 (Samstag) wird nach einer Hausdurchsuchung Stevens-Neve in Wien verhaftet und kurz darauf ins Landesgericht Wien eingeliefert werden (►20. Juni 1883), wobei die Behörden zunächst von einem englischen Staatsbürger ausgehen. Vorübergehend wird auch sein Quartiergeber Johann Ondra inhaftiert, dann aber ohne Anklageerhebung freigelassen werden.

  • 13. Dezember 1882 (Mittwoch)
    Wien und Vororte: Am 13. Dezember 1882 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der sechste Prozess gegen neunzehn anlässlich der Schusterkrawalle (►1. bis 10. November 1882) am 8. November 1882 (Mittwoch) festgenommene Radicale statt. Angeklagt sind der Schlossergehilfe Alexander Hochner (~1863–?), weil er sich seiner Festnahme, bei der er durch einen Säbelhieb auf den Kopf verwundet worden war, durch Ausholen mit seinem Stock widersetzt haben soll, und der Hutmachergehilfe Sigmund Helleport (~1863–?), weil er einem ihn zurückdrängenden Wachmann einen Stein gegen die Brust geworfen haben soll, beide wegen Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit; der Kammmachergehilfe Georg Brichta (~1838–?), der Straßenkehrer Konrad Schabka (~1823–?) und der Kammmachergehilfe Johann Tillifay (~1851–?) wegen Vergehens des Auflaufs durch Aufreizung zur Widersetzlichkeit, weil sie aufrührerische Rufe ausgestoßen haben sollen; der Taglöhner Johann Binder (~1830–?), der Kellner Josef Bock (1853–?), der Drechslergehilfe Wenzel Brabetz (~1861–?), der Goldarbeiter Paul Eickenjäger (~1863–?) aus Berlin (Preußen [Berlin]), der Holzinstrumentenmachergeselle Johann Engelkraut (~1862–?) aus Roßbach [zu Braunsbedra] (Sachsen [Sachsen-Anhalt]), der Handlanger Franz Hudler (~1862–?), der Rasierer Johann Jonas (~1827–?), der Hutmachergehilfe Wenzel Král (~1859–?), der Schlossergehilfe Josef Landa (~1854–?), der Hausknecht Adolf Pilovsky (~1865–?), der Drechslergehilfe Josef Pravda (~1847–?), der Lederarbeiter Josef Ruon (~1840–?), der Schlossergehilfe Johann Swoboda (~1863–?) und der Holzinstrumentenmachergeselle Anton Weidlich (~1861–?) aus Neukirchen (Sachsen) wegen Vergehens des Auflaufs durch Widersetzlichkeit oder durch Zank und Wortstreit wider die in Ausübung ihres Amtes begriffenen Wachen, begangen dadurch, dass sie den Aufforderungen der Wache keine Folge geleistet haben sollen, zum Teil unter angeblich widersetzlichen Äußerungen. Verurteilt werden Sigmund Helleport zu vier Monaten schwerem Kerker, Josef Bock, Johann Engelkraut, Josef Pravda und Konrad Schabka zu je zwei Wochen sowie Johann Swoboda zu acht Tagen strengem Arrest, Wenzel Brabetz, Wenzel Král und Anton Weidlich – bei abgeminderter Anklage durch den Staatsanwalt – zu je sechs Tagen, Johann Binder und Josef Ruon zu je fünf Tagen sowie Franz Hudler zu drei Tagen einfachem Arrest. Im Laufe des Prozesses zieht der Staatsanwalt seine Anklage gegen Josef Landa zurück, und freigesprochen werden Georg Brichta, Paul Eickenjäger, Alexander Hochner, Johann Jonas, Adolf Pilovsky und Johann Tillifay. Sigmund Helleport erreicht jedoch, da er sich als Angehöriger der Gemäßigten beweisen kann, die Wiederaufnahme des Verfahrens, das schließlich auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 12. März 1883 (Dienstag) überhaupt eingestellt wird (►9. Jänner 1883).

  • 13. Dezember 1882 (Mittwoch)
    Wien und Vororte: Am 13. Dezember 1882 erhebt in der so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) die Wiener Staatsanwaltschaft offiziell Anklage gegen neunundzwanzig Personen Anklage: gegen den Tischlermeister Wilhelm Bernt (1841–?), den Bronzearbeitergehilfen Stefan Buelacher (1858–?), den Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?), den Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?), den Miederfabrikanten Franz Gams (1850–1899), den Schneidergehilfen und nunmehrigen Kellner Franz Gröbner (1856–?), die Tintenerzeugerin Anna Heitzer (1850–1913), die Hausfrau Jakobine Hotze (1850–1931), den Tischlergehilfen Johann Kompoß (1842–192?), den Futteralmacher August Koditek (1855–?), den Tischlergehilfen Josef Kreps (1859–1945), den Webergehilfen und nunmehrigen Geschäftsdiener Robert Krondorfer (1853–?), den Schuhmachergehilfen Karl Masur (1850–191?), den Maschinenschlosser und Maschinisten Franz Motz (1850–~1921), den Tischlergehilfen Franz Pfleger (1831–1884), den Maler- und Anstreichergehilfen und Redakteur Josef Peukert (1855–1910), den Sattlergehilfen Anton Schenk (1842–1927), den Buchbindergehilfen Ernst Schmid (1853–1919), den Tischlergehilfen Ludwig Sommer (~1851–?), den Tischlergehilfen Andreas Spahl (1852–?), den Handschuhmachergehilfen Berthold Spiegel (~1854–?), den Stahlarbeiter Josef Stiasny (1848–1888), den Tischlergehilfen Alois Treibenreif (1836–1903), den Tischlergehilfen Theodor Wagner (1858–?), den Maler- und Anstreichergehilfen Franz Weich (1855–1925), den Metallgießer Josef Winter (1840–?), den Tischlergehilfen Johann Wetz (1841–?), den Geschäftsdiener Anton Wordak (1846–?) und den Anstreichergesellen Jakob Würges (1842–1895). (►8. bis 21. März 1883)

  • 14. Dezember 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Am 14. Dezember 1882 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der siebente Prozess anlässlich der so genannten Schusterkrawalle (►1. bis 10. November 1882) gegen zwanzig am 8. November 1882 (Mittwoch) und 9. November 1882 (Donnerstag) verhaftete Radicale statt. Wegen Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit werden angeklagt der Kellner Franz Liebold (~1860–?), weil er eine Gruppe Straßenjungen zum Steinwurf förmlich kommandiert haben soll, sowie der Schlossergehilfe Anton Dirdík (~1863–?), der Seilergehilfe und Hausknecht Karl Krögler (~1860–?), der erst 17-jährige Pflasterergehilfe Karl Rummel (~1865–1915) und der Drechslergehilfe Klemens Zorn (~1862–?), weil die vier Wache und Militär mit Steinen beworfen haben sollen. Die anderen Beschuldigten werden des Vergehens des Auflaufs angeklagt, begangen teils durch Aufreizung zur Widersetzlichkeit und teils durch aufrührerischer Zurufe und Widerrede: der erst 16-jährige Graveurlehrling Rudolf Bösenböck (~1866–?), der Sattlergehilfe Gottfried Frauenberger (~1850–?), der Tischlergehilfe und Bilderspanner Hugo Hradecký (~1859–?), der erst 17-jährige Bäckergehilfe Anton Karas (~1865–?), der wegen Diebstahls, Betrugs und Übertretung des Vereinsgesetzes vorbestrafte Kammmachergehilfe Leopold Korschan (~1845–?), der Schneidergehilfe Friedrich Kriegler (~1862–?), der vom Kreisgericht Budweis (Böhmen [České Budějovice, Tschechien]) wegen Diebstahls verfolgte Taglöhner Stefan Pícha alias Johann Grausam (~1859–?), der Schlossergehilfe Johann Nipl (~1858–?), der Stahlschleifer Karl Schmidt (~1859–?), der Schuhmachergehilfe Theodor Sesula (~1859–?), der Kommis Franz Stastny (~1859–?), der Färbergehilfe Josef Tandler (~1864–?), der erst 16-jährige Zuckerfrüchteverkäufer Clemente Fortunato Tomeo (~1866–?), der ebenfalls 16-jährige Schirmmachergehilfe Rudolf Weiß (~1866–?) und der Bäckergehilfe August Zuber (~1856–?). Anton Karas wird außerdem beschuldigt, erzählt zu haben, dass er mit der Trompete das Signal zum Losgehen gegeben und selbst die Wache mit Steinen beworfen habe. Zusätzlich werden Stefan Pícha wegen Falschmeldung und des vom Kreisgericht Budweis an das Landes- als Erkenntnisgericht Wien delegierten Diebstahldelikts sowie Johann Nipl wegen Wachebeleidigung angeklagt. Stefan Picha hatte in der Nacht zum 21. August 1882 (Montag) bei einem Pächter in Schönborndorf (Böhmen [Nová Ves, zu Číměř, Tschechien]) gemeinsam mit anderen einen Einbruchsdiebstahl begangen und wurde am 3. Dezember 1882 (Sonntag) bei Wien aufgegriffen, wo er unter dem Namen »Johann Grausam« in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Talgasse 4, wohnte. Verurteilt werden Karl Krögler zu sechs Monaten, Anton Dirdík und Klemens Zorn zu je drei Monaten sowie Stefan Pícha zu zwei Monaten schwerem Kerker, Johann Nipl zu sechs Wochen, Leopold Korschan zu zwei Wochen und Rudolf Weiß zu acht Tagen strengem Arrest, Friedrich Kriegler zu zehn, August Zuber zu acht, Karl Schmidt zu sechs, Anton Karas und Franz Stastny zu je drei Tagen einfachem Arrest. Im Laufe des Prozesses zieht der Staatsanwalt seine Anklage gegen Rudolf Bösenböck, Theodor Sesula, Josef Tandler und Clemente Fortunato Tomeo zurück, und freigesprochen werden Gottfried Frauenberger, Hugo Hradecký und Karl Rummel. Die Verhandlung gegen Franz Liebold muss vertagt werden, weil die Zeugen nicht erscheinen; er wird sich erst am ►9. Jänner 1883 vor Gericht verantworten müssen.

  • 18. Dezember 1882 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 18. Dezember 1882 finden in den Redaktionsräumen der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) und bei einem Buchbinder Hausdurchsuchungen statt, weshalb die Neuauflage des am ►22. November 1882 konfiszierten Druckwerks »Österreichischer Arbeiter-Kalender für das Jahr 1883. Herausgegeben von Franz Schustaczek« verspätet erscheinen wird.49 (►28. Dezember 1882)

  • 20. Dezember 1882 (Mittwoch)
    Wien und Vororte: Am 20. Dezember 1882 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der achte Prozess gegen einen anlässlich der so genannten Schusterkrawalle (►1. bis 10. November 1882) festgenommenen Radicalen statt. Der Schuhmachergehilfe Josef Freßl wird des Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit beschuldigt. Er stand an der Spitze jener Gruppe, die sich am Abend des 8. November 1882 (Mittwoch) in Neulerchenfeld (Niederösterreich [zu Wien 16.]) an der Kreuzung Neulerchenfelder Hauptstraße und Gürtel zusammenrottete und welche die Wachleute wie Ulanen mit einem Steinhagel eindeckte. Ein Wachmann streckte den eben zum Wurfe ausholenden Josef Freßl mit einem Säbelhieb über das Gesicht zu Boden, wodurch der Schwerverletzte als einziger aus dieser Gruppe festgenommen werden konnte. Josef Freßl wird im Sinne der Anklage zu vier Wochen einfachem Kerker verurteilt.

  • 20. Dezember 1882 (Mittwoch)
    Wien und Vororte: Ebenfalls am 20. Dezember 1882 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der neunte Prozess gegen einen anlässlich der so genannten Schusterkrawalle (►1. bis 10. November 1882) festgenommenen Radicalen statt. Der Schneidergehilfe Leopold Hammerl wird des Vergehens des Auflaufs beschuldigt. Er nahm am 6. November 1882 (Montag) auf der Kaiserstraße (Wien 7.) gegen die einschreitende Wache Stellung und soll geäußert haben: »Jetzt werden einmal wir’s fassen.« Leopold Hammerl wird im Sinne der Anklage zu drei Tagen strengem Arrest verurteilt.

  • 20. Dezember 1882 (Mittwoch)
    Wien und Vororte: Ebenfalls am 20. Dezember 1882 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der zehnte und letzte Prozess gegen einen anlässlich der so genannten Schusterkrawalle (►1. bis 10. November 1882) festgenommenen Radicalen statt. Der Schuhmachergehilfe Franz Domeš (1849–?), Mitglied der mittlerweile aufgelösten »Gewerkschaft der Schuhmacher«, wird des Vergehens des Auflaufs beschuldigt. Er soll am 5. November 1882 (Sonntag) der Aufforderung eines Wachmanns, sich zu entfernen, entgegnet haben: »Ich kann gehen, wo und wann ich will, das Fortschaffen ist eine Infamie.« Im Sinne der Anklage wird Franz Domeš zu einer Woche strengem Arrest verurteilt.
    Ein vierter Prozess an diesem Tag, der bisweilen irrtümlicher Weise den so genannten Schusterkrawallen zugerechnet wird, betrifft den Hausknecht Anton Kreuzinger, der sich aber wegen eines so genannten Wirtshaus-Exzesses verantworten muss. Er soll sich am 20. November 1882 (Montag) seiner Festnahme in Wien 6., Wallgasse, widersetzt und geschrien haben, so dass sich bald eine große Menschenmenge ansammelte, der er zugerufen haben soll: »Leute, helft’s mir, lasst mich nicht arretieren, ich bin geschlagen worden!« Anton Kreuzinger wird wegen Vergehens des Auflaufs zu vierzehn Tagen strengem Arrest, verschärft mit zweimaligem hartem Lager, verurteilt.

  • 28. Dezember 1882 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Der Herausgeber des am ►22. November 1882 beschlagnahmten Druckwerks »Osterreichischer Arbeiter-Kalender für das Jahr 1883. Herausgegeben von Franz Schustaczek« (►18. Dezember 1882), der Webergehilfe Franz Schustaczek (1850–1908), wird vom Landes- als Pressegericht Wien am 28. Dezember 1882 wegen Übertretung des Pressgesetzes zu 50 Gulden Geldstrafe, eventuell zehn Tagen Arrest verurteilt. Franz Schustaczek wird seine Haftstrafe erst am 15. März 1883 (Donnerstag) antreten. Die Untersuchung gegen Franz Schustaczek wegen weiterer Vergehen im Zusammenhang mit diesem Druckwerk werden erst im März 1883 eingestellt werden.

  • 29. Dezember 1882 (Freitag)
    Wien und Vororte: Am 29. Dezember 1882 wird in Wien fast die gesamte Auflage der tschechischen Flugschrift »Náš program« (Unser Programm) beschlagnahmt.50 (►25. März 1883)

 

Bücher und Broschüren der radicalen Arbeiterbewegung 1882

  • [Anonym]: Oesterreichischer Arbeiter-Kalender für das Jahr 1883. Herausgegeben von Franz Schustaczek. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers [1882], 83 S. Herausgeber: Franz Schustaczek (1850–1908). Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 26. November 1882 in Österreich verboten.

  • [Anonym]: Oesterreichischer Arbeiter-Kalender für das Jahr 1883. Herausgegeben von Franz Schustaczek. Nach der Beschlagnahme zweite Auflage. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers [1882], 83 S. Herausgeber: Franz Schustaczek (1850–1908).

  • [Anonym]: Kalendář dělnictva česko-slovanského na rok 1883. Ve Vídňi [Wien]: Náklad J. Petržílka [1882], ? S. Tschechisch: Tschecho-slawischer Arbeiterkalender für das Jahr 1883. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 3. Dezember 1882 in Österreich verboten.

 

Weitere Bücher und Broschüren im Kontext anarchistischer Bewegungen in Österreich
Auswahl für das Jahr 1882

  • ***; siehe: Geißler, Ludwig A.

  • [Anonym]: Johann Most. Preis pro Heft: 25 Cts. = 20 Pfennig = 2½ Pence. Zürich: Verlags-Magazin J. Schabelitz 1882 (= Sozialpolitische Silhouetten. I.), 15 S. Nicht-anarchistische Publikation.

  • [Anonym]: Skizzirte Darstellung der socialdemokratischen Bewegung in Oesterreich-Ungarn. (September 1880 bis Oktober 1882). Wien: Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staatsdruckerei 1882, 11 S. Veröffentlichung der Polizei-Direktion Wien

  • Geissler, Ludwig A. (1835–1912): Die Nihilisten: Festspiel in vier Aufzügen. Nach historischen Quellen für die Bühne bearbeitet von ***. Für die Kommune-Feier in der Nordseite Turnhalle, Chicago, am 18. März 1882 verfaßt und bei dieser Gelegenheit zum ersten Male aufgeführt. Chicago, Ill.: Herausgegeben von der Soc. Publishing Society, 87. 5 Ave [1882], 19 S.

  • Körber, Vilém (1854–1899): O svépomoci. [/] Vilém Körber. V Praze [Praha]: Vilém Körber 1882 (= Volvé listy. 1.), 16 S. Tschechisch: Über Selbsthilfe.

 

Verbotene Flugblätter
Auswahl aus dem Jahr 1882

  • [Anonym]: Revanche! [London]: [Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit«] [1882], Flugblatt; Sonderdruck aus der Zeitung »Freiheit« (London), 4. Jg., Nr. 11 (18. März 1882). Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 17. März 1882 in Österreich verboten.

  • [Anonym]: Lebenszeichen. [Wien]: [ohne Verlag] [1882]; nur als Bürstenabzug eines Flugblattes vorhanden, am 11. April 1882 vollständig beschlagnahmt.

  • [Anonym]: Justizstrolche. [Wien]: [ohne Verlag] [1882]; Flugblatt.

  • [Anonym]: Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk. [London]: [Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit«] [1882], Flugblatt; später abgedruckt in der Zeitung »Freiheit« (London), 4. Jg., Nr. 31 (23. September 1882) unter dem Titel »Manifest der socialrevolutionären Arbeiterpartei Oesterreichs an das arbeitende Volk«. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 9. September 1882 in Österreich verboten.

  • [Anonym]: Náš program. Budapest: Buchdruckerei A. Ihrlinger und Genossen [1882], Flugblatt; Tschechisch: Unser Programm.

 

Für die radicale Arbeiterbewegung in Österreich wichtige Zeitungen und Zeitschriften
Auswahl für das Jahr 1882

 

Autor: Reinhard Müller
Version: November 2024
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
Copyleft

Daten
bis
31. Dezember 1882
von
1. Januar 1882
  • 1

    Vgl. Franz Rauch (1851–?): Am 6. März d. J. […], in [anonym]: Ein Gefängnisbild, in: Die Zukunft (Wien), [4]. Jg., Nr. 68 (27. Juli 1882), S. [3].

  • 2

    Zitiert nach [anonym]: Aus der Gerichtssaale. [/] Wien, 16. Januar. [Orig.-Ber.] (Redner in der Volksversammlung.), in: Neue Freie Presse [/] Morgenblatt (Wien), [19]. Jg., Nr. 6247 (17. Januar 1882), S. 6.

  • 3

    Josef Peukert (1855–1910): Erinnerungen eines Proletariers aus der revolutionären Arbeiterbewegung. Berlin: Verlag des Sozialistischen Bundes 1913, S. 181.

  • 51

    Vgl. [anonym]: An unsere Brueder in der Kaserne. [Rückseite:] Wie man Kriege anzettelt. [London]: [Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit«] [1880], Sonderdruck aus der Zeitung »Freiheit. Socialdemokratisches Organ« (London), 2. Jg., Nr. 27 (3. Juli 1880). Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 22. Oktober 1880 in Österreich verboten.

  • 51

    Zitiert nach [anonym]: (Ein Irrsinniger als Stifter eines Gheimbundes.), in: Grazer Volksblatt (Graz), 16. Jg., Nr. 236 (16. Oktober 1882), S. [2].

  • 4

    Vgl. [anonym]: Lebenszeichen. [Wien]: [ohne Verlag] [1882]; nur als Bürstenabzug einer Flugschrift vorhanden, am 11. April 1882 beschlagnahmt.

  • 5

    Zitiert nach [anonym]: Die Arbeiter und der Anti-Semitismus, in: Die Presse (Wien), 35. Jg., Nr. 105 (17. April 1882), S. 2.

  • 6

    Zitiert nach [anonym]: Die Arbeiter und der Anti-Semitismus, in: Die Presse (Wien), 35. Jg., Nr. 105 (17. April 1882), S. 2.

  • 7

    Zitiert nach [anonym]: Die Arbeiter und der Anti-Semitismus, in: Die Presse (Wien), 35. Jg., Nr. 105 (17. April 1882), S. 2.

  • 8

    Zitiert nach [anonym]: Die Forderungen des vierten Standes, in: Die Presse (Wien), 35. Jg., Nr. 112 (24. April 1882), S. 2–3, hier S. 2.

  • 9

    Vgl. Ferdinand Siegmund (1829–1902): Die Wunder der Physik und Chemie. Für Leser aller Stände gemeinfaßlich bearbeitet von Ferdinand Siegmund. Mit 100 Illustrationen« (Wien – Pest [Budapest] – Leipzig: A. Hartleben’s Verlag 1880, VIII, 960 S.

  • 10

    Zitiert nach [anonym]: Die Forderungen des Arbeiterstandes gegenüber dem Forum des Parlaments, in: Wiener Allgemeine Zeitung [/] Morgenblatt (Wien), [3]. Jg., Nr. 794 (15. Mai 1772), S. [1]–2.

  • 11

    Vgl. [anonym]: Lebenszeichen. [Wien]: [ohne Verlag] [1882]; nur als Bürstenabzug einer Flugschrift vorhanden, am 11. April 1882 beschlagnahmt.

  • 12

    Vgl. [anonym]: Justizstrolche. [Wien]: [ohne Verlag] [1882]; Flugschrift.

  • 13

    Vgl. [anonym]: Der Sozialismus und die Arbeiter, in: Die Zukunft (Wien), [4]. Jg., Nr. 66 (22. Juni 1882), S. [1–2].

  • 14

    Vgl. [Georg Matzinger (1848–1934)]: Das allgemeine, gleiche und directe Wahlrecht, in: Sozialpolitische Fachzeitung der Metallarbeiter Österreichs (Wien), 7. Jg., Nr. 15 (3. August 1882), 1–2.

  • 14

    Josef Peukert (1855–1910): Erinnerungen eines Proletariers aus der revolutionären Arbeiterbewegung. Berlin: Verlag des Sozialistischen Bundes 1913, S. 141–142.

  • 16

    J[osef] P[eukert]: Das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht und die Arbeiter, in: Die Zukunft (Wien), [4]. Jg., Nr. 67 (13. Juli 1882), S. [1]; vgl. auch [Josef] P[eukert]: Das verletzte Programm!, in: ebenda, [4]. Jg., Nr. 68 (27. Juli 1882), S. [1].

  • 17

    Zitiert nach dem Polizeibericht im Steiermärkischen Landesarchiv, Graz, 5 Ver-435/1880, 2465/1882.

  • 18

    Zitiert nach dem Polizeibericht im Steiermärkischen Landesarchiv, Graz, 5 Ver-435/1880, 2465/1882.

  • 19

    Zitiert nach [anonym]: Aus dem Gerichtssaale. [/] Wien, 24. Juli. (Orig.-Ber.) (Prozeß gegen einen Arbeiter.), in. Neue Freie Presse [/] Abendblatt (Wien), [19]. Jg., Nr. 6432 (24. Juli 1882), S. 2.

  • 20

    Zitiert nach [anonym]: Aus dem Gerichtssaale. [/] Wien, 24. Juli. (Orig.-Ber.) (Prozeß gegen einen Arbeiter.), in. Neue Freie Presse [/] Abendblatt (Wien), [19]. Jg., Nr. 6432 (24. Juli 1882), S. 2.

  • 21

    Max Nettlau (1865–1944): Anarchisten und Sozialrevolutionäre. Die historische Entwicklung des Anarchismus in den Jahren 1880–1886. Berlin: Gilde freiheitlicher Bücherfreunde [1931] (= Beiträge zur Geschichte des Sozialismus, Syndikalismus, Anarchismus. 5. / Gildenbücher. 6.), S. 319.

  • 22

    Zitiert nach [anonym]: (Selbstmord eines Social-Demokraten.), in: Die Presse (Wien), 35. Jg., Nr. 214 (5. August 1882), S. 10.

  • 23

    Zitiert nach [anonym]: Aus dem Gerichtssaale. [/] Wien, 10. November (Orig.-Ber.) (Ein übermüthiger Socialist.), in: Neue Freie Presse [/] Abendblatt (Wien), [19]. Jg., Nr. 6541 (10. November 1882), S. 2.

  • 24

    Josef Peukert (1855–1910): Erinnerungen eines Proletariers aus der revolutionären Arbeiterbewegung. Berlin: Verlag des Sozialistischen Bundes 1913, S. 115–116. Das erwähnte Polizeigefangenenhaus befand sich im ehemaligen Siebenbüchnerinnenkloster in Wien 1., Sterngasse, welches 1885 abgerissen wurde (heute Salzgries 1 und Marc-Aurel-Straße 7–9 und 8–12).

  • 25

    Bericht des Direktors der Polizei-Direktion Wien Karl Krticzka Freiherr von Jaden (1824–1885) an Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916), zitiert nach Ludwig Brügel (1866–1942): Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie. Dritter Band: Parteihader. Propaganda der Tat. Einigung. (1878 bis 1889). Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1922, S. 265.

  • 26

    Zitiert nach h.: Zum Raubattentate an Merstallinger, in: Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie (Wien), 23. Jg., Nr. 239 (30. August 1882), S. 5

  • 27

     Zitiert nach [anonym]: Eine aufgelöste Arbeiter-Versammlung, in: Neue Freie Presse [/] Morgenblatt (Wien), [19]. Jg., Nr. 6469 (30. August 1882), S. 6–7, hier S. 7.

  • 28

    Max Nettlau (1865–1944): Anarchisten und Sozialrevolutionäre. Die historische Entwicklung des Anarchismus in den Jahren 1880–1886. Berlin: Gilde freiheitlicher Bücherfreunde [1931] (= Beiträge zur Geschichte des Sozialismus, Syndikalismus, Anarchismus. V. / Gildenbücher. 6.), S. 321–322.

  • 29

    Zitiert nach g.: Kundgebung der socialistischen Arbeiterschaft Wiens, in: Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie (Wien), 23. Jg., Nr. 241 (1. September 1882), S. 6.

  • 30

    Polizeirelation über die Versammlung, zitiert nach Anna Staudacher (geb. 1946): Sozialrevolutionäre und Anarchisten. Die andere Arbeiterbewegung vor Hainfeld. Die Radikale Arbeiter-Partei-Österreichs (1880 – 1884). Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1988 (= Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik. 39.), S. 90.

  • 31

    Zitiert nach Ludwig Brügel (1866–1942): Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie. Dritter Band: Parteihader. Propaganda der Tat. Einigung. (1878 bis 1889). Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1922, S. 268–269.

  • 32

    Zitiert nach [anonym]: Eine Kundgebung der Arbeiter, in: Neue Freie Presse [/] Morgenblatt (Wien), [19]. Jg., Nr. 6471 (1. September 1882), S. 6.

  • 33

    Vgl. Franz Schustaczek (1850–1908), Josef Müller (1839–1891), Anton Wordak (1846–?), Josef Kreps (1859–1945): Erklärung, in: Die Zukunft (Wien), [4]. Jg., Nr. 71 (14. September 1882), S. [1–2].

  • 34

    Zitiert nach [anonym]: Abermals eine aufgelöste Arbeiter-Versammlung, in: Neue Freie Presse [/] Morgenblatt (Wien), [19]. Jg., Nr. 6475 (5. September 1882), S. 5.

  • 35

    Vgl. [anonym]: Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk. [London]: [Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit«] [1882], später abgedruckt in der Zeitung »Freiheit« (London), 4. Jg., Nr. 31 (23. September 1882) unter dem Titel »Manifest der socialrevolutionären Arbeiterpartei Oesterreichs an das arbeitende Volk«. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 9. September 1882 in Österreich verboten.

  • 36

    Vgl. J[osef] P[eukert] (1855–1910) Das »schwarze Peterl« der Arbeiterbewegung, in: Die Zukunft (Wien), [4]. Jg. Nr. 71 (14. September 1882), S. [4].

  • 37

    [Anonym]: Modernisirte Sprüche, in: Die Bombe (Wien), 12. Jg., Nr. 39 (24. September 1882), S. 314.

  • 38

    Vgl. Skizzirte Darstellung der socialdemokratischen Bewegung in Oesterreich-Ungarn (September 1880 bis October 1882). Wien: Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staatsdruckerei 1882, 11 S.

  • 39

    Zitiert nach [anonym]: Allgemeiner »österreichischer« (?) Arbeitertag in Brünn, in: Die Zukunft (Wien), [4]. Jg., Nr. 75 (9. November 1882), S. [3].

  • 40

    Abgedruckt in [anonym]: Allgemeiner »österreichischer« (?) Arbeitertag in Brünn, in: Die Zukunft (Wien), [4]. Jg., Nr. 75 (9. November 1882), S. [3]. und in Ludwig Brügel (1866–1942): Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie. Dritter Band: Parteihader. Propaganda der Tat. Einigung. (1878 bis 1889). Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1922, S. 283–284.

  • 41

    Zitiert nach Ludwig Brügel (1866–1942): Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie. Dritter Band: Parteihader. Propaganda der Tat. Einigung. (1878 bis 1889). Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1922, S. 283–284.

  • 42

    Vgl. [anonym]: Der Brünner Arbeitertag und unsere Stellung zu demselben«, in: Die Zukunft (Wien), [4]. Jg., Nr. 73 (12. Oktober 1882), S. [1–2],

  • 43

    Zitiert nach [anonym]: Aus Parteikreisen. [/] Am 22. Oktober l. J. […], in: Die Zukunft (Wien), [4]. Jg., Nr. 77 (14. Dezember 1882), S. [3].

  • 44

    Karl Kautsky (1854–1938): Brief an Friedrich Engels (1820–1895). Wien, am 11. November 1882, in: Aus der Frühzeit des Marxismus. Engels Briefwechsel mit Kautsky. Herausgegeben und eingeleitet von Karl Kautsky. Prag: Orbis-Verlag A. G. 1935, S. 132.

  • 45

    Zitiert nach Ludwig Brügel (1866–1942): Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie. Dritter Band: Parteihader. Propaganda der Tat. Einigung. (1878 bis 1889). Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1922, S. 285–286.

  • 46

    Zitiert nach [anonym]: Aus dem Gerichtssaale. [/] Wien, 10. November (Orig.-Ber.) (Ein übermüthiger Socialist.), in: Neue Freie Presse [/] Abendblatt (Wien), [19]. Jg., Nr. 6541 (10. November 1882), S. 2.

  • 47

    Vgl. Oesterreichischer Arbeiter-Kalender für das Jahr 1883. Herausgegeben von Franz Schustaczek. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers [1882], 83 S. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 26. November 1882 in Österreich verboten werden.

  • 48

    Vgl. Norbert Englisch (geb. 1950): »... zu Menschenrecht und Menschenglück«. Die Gedichte Anton Wilhelm Teucherts als Spiegelbild der Bergarbeiterbewegung im nordwestböhmischen Braunkohlenrevier. Stuttgart: Seliger-Archiv 1986, 111 S.

  • 49

    Vgl. Oesterreichischer Arbeiter-Kalender für das Jahr 1883. Herausgegeben von Franz Schustaczek. Nach der Beschlagnahme zweite Auflage. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers [1882], 83 S.

  • 50

    Vgl. [anonym]: Náš program. Budapest: Buchdruckerei A. Ihrlinger und Genossen [1882], Flugblatt.