02.08.00. Der lange Winter des Niedergangs. 1884 bis 1886 / Chronik 1885

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Überblick

Zentren der radicalen Arbeiterbewegung waren 1885 die Steiermark, Kärnten, wo enge Beziehungen zu den steirischen Radicalen unterhalten wurden, und Oberösterreich, wo Linz an der Donau zum Brennpunkt wurde. Vor allem von aus Wien ausgewiesenen Radicalen getragen, entstanden in Linz an der Donau, Steyr (Oberösterreich) und Wels (Oberösterreich) eine deutschsprachige und eine tschechoslawische radicale Arbeiterbewegung. In den außerhalb Österreichs liegenden Teilen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie blieben Böhmen, wo es in diesem Jahr zu besonders massiven behördlichen Verfolgungen kam, und Mähren, wo sich Radicale und Gemäßigte langsam einander annäherten, weiterhin die Zentren der radicalen Arbeiterbewegung. Das wichtigste Ereignis dieses Jahrs war zweifelsohne die geheime Konferenz deutschsprachiger radicaler Vertrauensmänner nahe Leoben (Steiermark) am 28. Juni 1885, auf welcher das Fünfer-Gruppensystem als neue Organisationsform beschlossen wurde. Auf dieser Konferenz wurden auch die Weichen für eine anarchistische Bewegung in Österreich gestellt. Auffällig ist die große Zahl von Vereinen und Gewerkschaften der Radicalen, die behödlich aufgelöst wurden oder sich »freiwillig« selbst auflösten. Dazu kommen Aktionen der Sozialrevolutionäre wie etwa die so genannte Reich-Affäre vom 18. Juni 1885, die so genannte Protivinsky-Affäre vom 25. Juni 1885, die so genannte Tyll-Affäre vom 3. August 1885 und der Anschlag auf Josef Schwan am 29. September 1885.

Die Flugschriftenpropaganda war praktisch zum Erliegen gekommen. Ähnlich verhielt es sich zunächst auch mit der Herausgabe radicaler Zeitungen, doch konnten steirische Radicale im August 1885 die Zeitung »Die Arbeit« (Marburg / Graz) gründen, welche zum führenden Organ der österreichischen radicalen Arbeiterbewegung wurde, wenngleich dabei zahlreiche Rückschläge hingenommen werden mussten. Nach eineinhalb Jahren völligen Darniederliegens der Bewegung, sieht man von den vereinzelten sozialrevolutionären Aktionen des Jahres 1884 ab, hatten die Radicalen wieder ein öffentliches Sprachrohr, behielten aber die geheime Organisation bei. Diese Ansätze können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Arbeiterbewegung in Österreich auch 1885 ganz allgemein erlahmt war.

Das Jahr 1885 war neuerlich durch die massive behördliche Verfolgung der radicalen Arbeiterbewegung gekennzeichnet. Es gibt zwar keine zuverlässigen Daten darüber, doch wurden nach einem Artikel in der Nummer 2 (21. Jänner 1886) der Zeitung »Die Arbeit« (Graz) für das Jahr 1885 Haftstrafen im Ausmaß von 108 Jahren, 19 Tagen und 48 Stunden gegen Arbeiterinnen und Arbeiter verhängt.

Von besonderem Interesse für die Entwicklung des Anarchismus in Österreich ist die Situation unter den deutschen und österreichischen Sozialrevolutionären und Anarchisten in London (England). Hier zeichnete sich spätestens seit Mai 1885 (siehe 16. Mai 1885) eine Spaltung der Bewegung ab, der so genannte Bruderkrieg.1 Während eine Gruppe weiterhin zum Journalisten Johann Most (1846–1906) und dessen Zeitung »Freiheit« (New York) steht, begann sich eine zunächst kleine Gruppe um dem Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) und die Zeitung »Der Rebell« (London) zu scharen, aus welcher sich im Mai 1885 die anarchistische »Gruppe ›Autonomie‹« formierte, die seit 1886 eine bemerkenswerte Anhängerschaft in Österreich finden wird.

 

Chronik

  • 6. Jänner 1885 (Dienstag)
    Graz (Steiermark): Am 6. Jänner 1885 finden in Graz gleichsam als Nachspiel zum großen Sozialistenprozess vom ►11. bis 25. Juni 1884 die Appellationsverfahren gegen den Dienstmann Johann Hitti, den Tischlergehilfen Franz Lederer (?–1886) und den Maschinenschlosser Franz Rößler statt. Beim Prozess 1884 war man unter anderem davon ausgegangen, dass die Radicalen Michael Kappauf (1843–1890), Buchhalter, und Josef Schneider, Kettenschmied, beide Beamte der »Allgemeinen Arbeiter-Kranken- und Invaliden-Kasse«, die Krankenkasse für die Radicalen übernehmen wollten. Dies sei aber durch den Obmann, den ehemaligen Schienenarbeiter und nunmehrigen Gastwirt Josef Braun, verhindert worden. Noch während des Prozesses waren am Freitag dem 13. Juni 1884 aus der Kasse der »Allgemeinen Arbeiter-Kranken- und Invaliden-Kasse« 143 Gulden und 15 Kreuzer gestohlen worden. Die Gemäßigten äußerten den Verdacht, dass die Radicalen das Geld entwendet hätten, um damit die Kosten für den Verteidiger im großen Sozialistenprozess zu bestreiten, wobei als Dieb konkret Franz Rößler genannt worden war. Die von den Gemäßigten angestrengten polizeilichen Erhebungen waren diesbezüglich aber im Sand verlaufen. In der Generalversammlung der »Allgemeinen Arbeiter-Kranken- und Invaliden-Kasse« am Sonntag dem 21. September 1884 beschuldigten nun Franz Lederer und Franz Rößler den Vereinsobmann Josef Braun, seinerseits das Geld entwendet zu haben, um die Radicalen dadurch in Verruf zu bringen. Josef Braun klagte und Franz Lederer sowie Franz Rößler wurden vom Bezirksgericht Graz wegen Ehrenbeleidigung zu je einem Monat Arrest verurteilt. Nunmehr erkennt der Appellationssenat die beiden Verurteilten für unschuldig. Gleichzeitig hatte sich damals Josef Braun gegen den Vorwurf Johann Hittis verwehren müssen, er habe einen an den Ausschuss der Krankenkasse gerichteten Brief Michael Kappaufs entwendet. Josef Braun konnte aber belegen, dass der Brief an ihn als Obmann gerichtet war, weshalb Johann Hitti vom Bezirksgericht Graz zu acht Tagen Arrest verurteilt worden war. Dieses Urteil wird nunmehr vom Appellationssenat bestätigt.

  • 19. Jänner 1885 (Montag)
    Linz an der Donau (Oberösterreich): Am 19. Jänner 1885 beginnt eine zweite Verhaftungswelle unter oberösterreichischen Radicalen (►14. Dezember 1884, ►17. Dezember 1884 und ►26. Dezember 1884). Nunmehr befinden sich elf Radicale, mehr oder minder die tonangebende Gruppe der oberösterreichischen Radicalen, im Landesgericht Linz in Untersuchungshaft: der Kesselschmiedgehilfe Wenzel Blaschek (1858–?), der Tischlergehilfe Franz Doležal (1846–?), Hafnergehilfe Franz Fellinger (1842–1890) und seine Ehefrau, die Hausfrau Therese Fellinger, der Hafnergehilfe Anton Fuchs (1847–?), der aus Hessen-Kassel gebürtige Schlossergehilfe Friedrich Kraft (1863–?), der Schmiedgehilfe Franz Kropfmüller (1845–1893), der Schneider Arnold Mrňa (1860–?), der Maschinenschlosser Ferdinand Perlornigg (1854–1901), der Sattlergehilfe Anton Schenk (1842–1927) sowie der Schneidergehilfe und jetzige Schreiber Ludwig Philipp Schrödl (1851–1888). Wohl am folgenreichsten ist die Untersuchungshaft für Ludwig Philipp Schrödl: Er wird während seiner Haftzeit als Polizeispitzel gewonnen werden (►Mai 1885). (►12. März 1885)

  • 19. Jänner 1885 (Montag)
    Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Am 19. Jänner 1885 findet vor dem Landes- als Strafgericht Prag der Prozess gegen die führenden Köpfe der Zeitung »Der Radikale« (Reichenberg) statt. Nach der Verhaftung des Radakteurs und Tuchmachergehilfen Anton Behr (1854–1931) am Freitag dem 3. Oktober 1884 hatte der Tuchmachergehilfe Franz König (1849–?) die Redaktion der Zeitung übernommen. Doch am Donnerstag dem 20. November 1884 war auch König verhaftet worden. Wegen Verbrechens der Geheimbündelei werden Anton Behr als Redakteur, Franz König als Administrator sowie der Webereiarbeiter und Schriftsteller Josef Schiller (1846–1897) als Expeditor zu je acht Monaten strengem Arrest verurteilt. Anton Behr wird nach Verbüßung der Strafe aus Prag abgeschafft und aus Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]) ausgewiesen, Franz König aus Prag abgeschafft werden. Damit wird der Niedergang des nunmehr wichtigsten deutschsprachigen Organs der Radicalen eingeleitet. (►11. April 1885) Gleichzeitig wird in diesem Prozess der Schuhmacher Franz Rösler wegen Vergehens der Geheimbündelei zu vierzehn Tagen strengem Arrest verurteilt. (►25. Juni 1885)

  • 20. Jänner 1885 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Am 20. Jänner 1885 legt die Regierung unter Ministerpräsidenten Eduard Graf Taaffe (1833–1895) dem Reichsrat in Wien zwei Entwürfe eines dem deutschen »Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie« vom 22. Oktober 1878 nachgebildeten Sozialistengesetzes vor: »Der Gesetzentwurf, womit Bestimmungen gegen gemeingefährliche sozialistische Bestrebungen getroffen werden« und »Das Gesetz, betreffend Anordnungen gegen den gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen und die gemeingefährliche Gebahrung mit denselben«. Kernstück des ersten Gesetzentwurfs ist die Ausweitung des Ausnahmezustands auf alle im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder (also auf die österreichische Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie). In den Zeitungen wird diesbezüglich bereits von »Anarchisten-Gesetzen« gesprochen. Die erste Lesung wird am Freitag dem 23. Jänner 1885 stattfinden, wobei die Zuweisung zum Vierundzwanziger-Ausschuss beschlossen werden wird. Wegen der Schließung der Session des Reichsrats kann der Entwurf erst in der nächsten Legislaturperiode zur Sprache kommen. (►1. Februar 1885, ►24. Februar 1886 und ►5. bis 10. Juni 1886)

  • 28. Jänner 1885 (Mittwoch)
    Wien und Vororte: Am 28. Jänner 1885 findet vor dem Ausnahmsgericht Wien unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Prozess gegen den seit ►26. April 1884 steckbrieflich gesuchten und am ►4. November 1884 auf seiner Flucht in Böhmen verhafteten Webergehilfen Josef Thielmann (1855–?) wegen Verbrechens des Hochverrats statt. Er war von einem Genossen, dem Eisendreher Karl Řehák (1852–?), und anonym von seiner Ehefrau Caroline Maria Thielmann (1857–?) denunziert worden. Bei seiner Festnahme waren bei ihm zwei Kapseln, ein Stück Zündschnur, ein falscher Bart und ein Schlagring gefunden worden. Außerdem hat er zunächst einen falschen Namen angegeben. Josef Thielmann, Vater dreier Kinder, wird beschuldigt, im Februar 1884 die Gründung einer geheimen Verbindung angestrebt zu haben, um das Kommissariatsgebäude in Wien 10. und den Pfarrhof der Pfarrkirche St. Johann Evangelist in Wien 10., Keplerplatz 6, in die Luft zu sprengen, aus Rache für die Verurteilung von Teilnehmern (►17. Jänner 1884) am so genannten Kirchenexzess vom ►30. Dezember 1883. Josef Thielmann hatte anlässlich seiner Ausweisung aus Niederösterreich am Donnerstag dem 28. Februar 1884 dem Ehepaar Katharina Lapáček und Wenzel Lapáček Gerätschaften übergeben, welche diese im Keller des Hauses in Simmering (Niederösterreich [zu Wien 11.]), Geiselberg 25 [Geiselbergstraße], verstauten. Bei der am Freitag dem 29. Februar 1884 vorgenommenen Hausdurchsuchung waren Instrumente und Ingredienzien zur Erzeugung von Nitroglyzerin und Dynamit, ein eisernes Hohlgeschoss, ein Gasballon und eine von Josef Thielmann geschriebene Anweisung zur Herstellung von Nitroglyzerin gefunden worden. Josef Thielmann wird wegen Bildung einer auf Gewaltakte abzielenden Gruppe wegen Verbrechens des Hochverrats angeklagt und zu sechs Jahren schwerem Kerker verurteilt.

  • 31. Jänner 1885 (Samstag)
    Graz (Steiermark): Seit 31. Jänner 1885 wird der vom Kreisgericht Leoben (Steiermark) wegen Verbrechens des Hochverrats durch Einschmuggelung revolutionärer Druckschriften aus der Schweiz gesuchte Werksarbeiter Anton Walchhütter (1867–1885) (►26. September 1884) mittels Kundmachung der Steiermärkischen Statthalterei in Graz steckbrieflich gesucht. Anton Walchhütter gelingt die Flucht in die USA, wo er sich in New York City (New York, USA) niederlassen wird. Da er keine Arbeit finden kann, wird er noch 1885, gerade achtzehn Jahre alt, den Freitod wählen. (►1. Februar 1885)

  • 1. Februar 1885 (Sonntag)
    Donawitz [zu Leoben] (Steiermark): Die so genannte Rachenfels-Affäre (►26. September 1884) – ein von den Behörden abgefangener Brief, in dem der Werksarbeiter Anton Walchhütter (1867–1885) verbotene Druckschriften aus der Schweiz anforderte – dient den Behörden als Vorwand, den »Arbeiter-Lese-Verein Donawitz«, ein bekanntes Sammelbecken Radicaler, mit 1. Februar 1885 behördlich aufzulösen. (►31. Jänner 1885)

  • 1. Februar 1885 (Sonntag)
    Linz an der Donau (Oberösterreich): Am 1. Februar 1885 beschließen die Mitglieder des »Allgemeinen Arbeitervereins Linz«, in welchem sich während der letzten Jahre verstärkt Radicale sammelten, seine »freiwillige« Selbstauflösung, um einer behördlichen zuvorzukommen und so das Vereinseigentum und die wertvolle Bibliothek (1.236 Bände) zu retten. Der Obmann, Hafnergehilfe Anton Fuchs (1847–?), war erst am ►17. Dezember 1884 verhaftet worden (►14. Dezember 1884 und ►19. Jänner 1885); durch Austritte war seither die Mitgliederzahl auf siebzehn gesunken.

  • 1. Februar 1885 (Sonntag)
    Wien und Vororte / Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]): Eine für den 1. Februar 1885 in Wien geplante Arbeiterversammlung des gemäßigten »Politischen Vereins ›Wahrheit‹« zur Tagesordnung »Die Arbeiter und das Sozialistengesetz« (►20. Jänner 1885) im Gasthaus »zum grünen Jäger« (Franz Weißmayer) in Wien 5., Hundsturmer Straße 13 [Schönbrunner Straße], wird polizeilich verboten, während am selben Tag in Brünn eine Protestversammlung deutschen und tschechischen Arbeiter gegen das geplante Sozialistengesetz durchgeführt werden kann. (►5. bis 10. Juni 1886)

  • 8. Februar 1885 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Angesichts des drohenden Sozialistengesetzes werden radicale wie vor allem gemäßigte Fachvereine (Gewerkschaften) »freiwillig« aufgelöst, um so deren Eigentum dem Zugriff der Behörden zu entziehen. Am 8. Februar 1885 beschließt die 1874 gegründete »Union der Wiener Metallarbeiter« in einer außerordentlichen Generalversammlung im Gasthaus »zum grünen Jäger« (Franz Weißmayer) in Wien 5., Hundsturmer Straße 13 [Schönbrunner Straße], ihre Auflösung. Als Grund wird ausdrücklich die Vorlage des Sozialistengesetzes (►20. Jänner 1885) genannt. Die Auflösung wird mit nur zwei Gegenstimmen beschlossen. Die Bibliothek und das Vereinsinventar werden einem älteren Mitglied geschenkt. Aus gleichem Grund beschließen ebenfalls am 8. Februar 1885 die Mitglieder der »Gewerkschaft der Seifensieder« ihre »freiwillige« Selbstauflösung. (►15. Februar 1885, ►22. Februar 1885, ►23. Februar 1885, ►9. März 1885 und ►15. März 1885)

  • 9. Februar1885 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 9. Februar 1885 wird im Sprechzimmer der Gefangenenanstalt des Landesgerichts Wien der Nachlass des am 8. August 1884 gehenkten Schuhmachergesellen Hermann Stellmacher (1853–1884) versteigert. Dabei ersteigert sein Verteidiger, der Hof- und Gerichtsadvokat Sigismund Wolf-Eppinger (1850–1912), dem Wunsch seiner Klientin gemäß um vier Gulden eine Kappe, einen Rock und eine Uhr für Stellmachers Witwe Julie Stellmacher. Der Gesamterlös der Versteigerung von neun Gulden wird zur Deckung der Hinrichtungs- und Begräbniskosten verwendet, ein etwaiger Überschuss soll an die Witwe des am 10. Jänner 1884 ermordeten Wechselstubenbesitzers Heinrich Eisert sen. (~1838–1884), Bertha Eisert sen. (~1851–?), Inhaberin eines Parfümeriewarengeschäfts, gehen.

  • 12. Februar 1885 (Donnerstag)
    Lubokey (Böhmen [Hluboká, zu Liberec, Tschechien]): Nach einer Denunziation heben am 12. Februar 1885 um 4 Uhr morgens vier Polizisten eine geheime Druckerei der Radicalen in Lubokey aus, auf der die am ►16. Oktober 1884 erschienene erste und einzige Nummer der tschechischen Untergrundzeitung »Svoboda« (New York [recte Lubokey]; Die Freiheit) hergestellt worden war. Diese Druckerei befand sich ursprünglich in Ober-Rosenthal (Böhmen [Horní Růžodol, zu Liberec, Tschechien]), wo im ►Februar 1884 die tschechische Untergrundzeitung »Pomsta« ([Horní Růžodol]; Die Rache) gedruckt worden war. Zunächst werden nur zwei Personen verhaftet: der Handlungsgehilfe Christof Černý (1860–1899) und der Maurergehilfe Josef Pačes (1856–1909), beide erst im Vorjahr aus Wien ausgewiesen. Die Verhafteten tragen Revolver bei sich. Im Keller des Hauses werden eine Druckerpresse, Druckschriften, ein Totschläger, Schwefel, eine große Flasche Petroleum, Dynamit und Zündkapseln gefunden. Noch am selben Tag wird der Webergehilfe Johann Rampas (1854–1897) in Johannesthal bei Reichenberg (Böhmen [Janův Důl, zu Liberec, Tschechien]) verhaftet. Die Aushebung dieser Druckerei bedeutet auch für die tschechoslawische Bewegung in Wien und Oberösterreich einen herben Rückschlag. Anfang Juni 1887 wird man übrigens auf dem Fußweg zwischen Maffersdorf (Böhmen [Vratislavice nad Nisou, zu Liberec, Tschechien]) und Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]) fünfzehn Kilo Bleilettern finden, welche auf dem Transport der Geheimpresse verloren gegangen oder absichtlich verstreut worden waren, und mit denen die Untergrundzeitung »Svoboda« gesetzt worden war. (►19. bis 22. November 1885)

  • 15. Februar 1885 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Am 15. Februar 1885 findet im Gasthaus »zum grünen Jäger« (Franz Weißmayer) in Wien 5., Hundsturmer Straße 13 [Schönbrunner Straße], eine außerordentliche Generalversammlung der »Freien Genossenschaft der Buchbinder, Futteral- und Galanteriearbeiter« statt. Angesichts des drohenden Sozialistengesetzes (►20. Jänner 1885) beschließen die Mitglieder einstimmig dessen »freiwillige« Selbstauflösung. (►8. Februar 1885, ►22. Februar 1885, ►23. Februar 1885, ►9. März 1885 und ►15. März 1885)

  • 16. Februar 1885 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 16. Februar 1885 findet im Gasthaus »zum grünen Jäger« (Franz Weißmayer) in Wien 5., Hundsturmer Straße 13 [Schönbrunner Straße], eine Versammlung des »Vereins der Buchbinder, Rastrierer, Ledergalanterie-, Kartonnage- und Schmucketuiarbeiter Nieder-Österreichs« statt. Angesichts des drohenden Sozialistengesetzes (►20. Jänner 1885) beschließen die Mitglieder einstimmig dessen »freiwillige« Selbstauflösung. Das Mobiliar soll versteigert, der dadurch erzielte Gewinn sowie das Vereinsvermögen sollen auf einem Sparbuch für einen zukünftig zu gründenden ähnlichen Verein deponiert werden. Die Bibliothek im Wert von 700 Gulden wird dem langjährigen Obmann des Vereins, dem Futteralmacher Johann Wittasek (1850–1912), geschenkt. Die formelle Auflösung wird gemäß den Beschlüssen in den außerordentlichen Generalversammlungen vom Montag dem 2. und Sonntag dem 8. März 1885 mit der Veröffentlichung in der »Wiener Zeitung« (Wien) am Dienstag dem 10. März 1885 erfolgen. (►8. Februar 1885, ►15. Februar 1885, ►22. Februar 1885, ►9. März 1885 und ►15. März 1885)

  • 18. Februar 1885 (Mittwoch)
    New York City (New York, USA): Am 18. Februar 1885 findet in New York City, eine Gedenkfeier für den am Samstag dem 7. Februar 1885 in Halle an der Saale (Preußen [Halle (Saale), Sachsen-Anhalt]) hingerichteten Schriftsetzer und Attentäter August Reinsdorf (1849–1885) statt, wobei zwei aus Österreich geflüchtete Sozialrevolutionäre, der Tischlergehilfe Heinrich Hotze (1851–1891) und der Schriftsteller Leo Kochmann (1847–1919), am Bürotisch der Veranstaltung Platz nehmen.

  • 20. Februar 1885 (Freitag)
    Wien und Vororte: Am 20. Februar 1885 muss auch die Zeitung »Wahrheit« (Wien), das Organ der Gemäßigten, eingestellt werden.

  • 22. Februar 1885 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Am 22. Februar 1885 findet im Gasthaus »zum Adlerhof« (Leopold Weismayer) in in Wien 7., Burggase 51, die außerordentliche Generalversammlung des »Gewerkschaftsvereins der Sattler, Riemer und Taschner« statt. Über Antrag des Sattlergehilfen Heinrich Gehrke (1835–1917), ein Gemäßigter, beschließen die Mitglieder unter ausdrücklichem Hinweis auf das drohende Sozialistengesetz (►20. Jänner 1885) einstimmig dessen »freiwillige« Selbstauflösung. Die Bibliothek und das Mobiliar erhält Heinrich Gehrke als ältestes Mitglied. Mit dem Vereinsvermögen werden die Mitglieder in die »Allgemeine Kranken- und Invalidenkasse« – ohne Rücksicht auf deren Alter und Gesundheitszustand – eingekauft. Das verbleibende Vermögen sowie jenes der Fortbildungskasse wird für einen zukünftigen Fachverein auf einem Sparbuch deponiert. (►8. Februar 1885, ►15. Februar 1885, ►23. Februar 1885, ►9. März 1885 und ►15. März 1885)

  • 23. Februar 1885 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 23. Februar 1885 wird angesichts des drohenden Sozialistengesetzes (►20. Jänner 1885) auf einer Versammlung in »Puchtl’s Bierhalle« (Franz Puchtl) in Wien 6., Mariahilfer Straße 1a, die Sistierung der Krankenkasse des »Gewerkschaftsvereins der Maurer und Steinmetze« auf unbestimmte Zeit beschlossen. Der Antrag auf vollständige Auflösung wird bei nur vier Pro-Stimmen abgelehnt. Die Mitglieder werden auf Kosten der sistierten Krankenkasse in die »Allgemeine Kranken- und Invalidenkasse« eingekauft. (►8. Februar 1885, ►15. Februar 1885, ►22. Februar 1885, ►9. März 1885 und ►15. März 1885)

  • 26. Februar 1885 (Donnerstag)
    Bern / Berne / Berna (Kanton Bern, Schweiz): Auf Ersuchen der österreichischen Behörden und nach Intervention der österreichischen diplomatischen Vertretungen werden am 26. Februar 1885 mehrere Sozialrevolutionäre und Anarchisten auf Beschluss des Schweizerischen Bundesrats aus der Schweiz ausgewiesen: gebürtig aus Böhmen sind der Schlosser Franz Fitzeck (1855–?), der Schneidergehilfe Franz Jonata (1852–1917) (►5. September 1886), der Seilergehilfe Josef Klinger (1856–?) und der Drechslergehilfe Josef Koubský (1855–?), aus Galizien und Lodomerien der Schuhmachergehilfe Adolf Brylicki (1852–?), aus Mähren der Zimmermaler Jakob Novotný (1859–1929) und der Möbelschreiner Franz Zahradníček (1857–?), aus Niederösterreich der Maschinenschlosser Johann Durst (1854–?) sowie aus Ungarn der Schuhmacher Károly Halbedl (1847–1914) und der Schreiner István Nikitscher (1856–?). Es handelt sich dabei um die größte derartige Aktion der schweizerischen Behörden gegen Angehörige der österreichischen radicalen Arbeiterbewegung. In diesem Zusammenhang werden weitere Radicale und Sozialrevolutionäre aus der Schweiz ausgewiesen: gebürtig aus Bayern der Drechslergeselle Theodor Daschner (1840–?), der Buchbinder Ludwig Heilmann (1858–?) und Jakob Wolkenreuter (1844–?), aus Elsaß-Lothringen Jakob Brenner (1851–?), aus Lauenburg der Schuhmacher Heinrich Friedrich Julius Petersen alias Peters (1856–?), aus Preußen der Buchbinder Paul Schultze (1852–1892), aus Schwerin August Leonhard (1859–?), aus Württemberg Kaspar Bodenmüller (1855–?) und Julius Remlinger (1844–?) sowie aus Frankreich der Schuhmacher und nunmehrige Redakteur Jean Grave (1854 –1939).

  • März 1885
    New York City (New York, USA): Im März 1885 erscheint in New York City die auch für die radicale Arbeiterbewegung in Österreich wichtige Schrift »August Reinsdorf und die Propaganda der That«2 des Journalisten Johann Most (1846–1906). 

  • 9. März 1885 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 9. März 1885 1885 wird angesichts des drohenden Sozialistengesetzes (►20. Jänner 1885) die »freiwillige« Selbstauflösung des radicalen »Gewerbevereins der Schneider« beschlossen. (►8. Februar 1885, ►15. Februar 1885, ►22. Februar 1885, ►23. Februar 1885 und ►15. März 1885)

  • 10. März 1885 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Wer alles als »Anarchist« gehandelt wird, zeigt der Fall des Drechslergehilfen Anton Anderle (1852–?), der wegen anarchistischer Umtriebe aus Niederösterreich abgeschafft worden war. Er hatte am Samstag dem 21. Juni 1884 in auffallend unbeholfener Weise versucht, Geld aus der Kasse eines Fleischselchers in Wien 2. zu rauben. Anfang März im Wiener Prater festgenommen, wird ihm am 10. März 1885 im Bezirksgericht Leopoldstadt (Wien 2.) der Prozess wegen verbotener Rückkehr gemacht. Der Richter zieht den Polizei-Bezirksarzt bei. Auf dessen Frage, warum er so merkwürdige Antworten gebe, meint Anton Anderle: »Ich rede mit dem Geiste Gottes und verkehre mit demselben per Telephon.« Und auf dessen weitere Frage antwortete Anderle, er sei »von dem Kaiser Franz Joseph im Namen der Genauigkeit des Geistes Gottes ausgewählt worden.«3 Anton Anderle wird daraufhin freigesprochen und in die Psychiatrische Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses eingeliefert.

  • 11. März 1885 (Mittwoch) und 12. März 1885 (Donnerstag)
    Linz an der Donau (Oberösterreich): Am 11. und 12. März 1885 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Linz an der Donau unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Prozess gegen die größtenteils seit ►19. Jänner 1885 in Untersuchungshaft befindlichen Radicalen statt: der Kesselschmiedgehilfe Wenzel Blaschek (1858–?), der am ►17. Dezember 1884 verhaftete Hafnergehilfe Anton Fuchs (1847–?) und dessen Ehefrau Barbara Fuchs (1850–1885), der aus Hessen-Kassel gebürtige Schlossergehilfe Friedrich Kraft (1863–?) und der am ►26. Dezember 1884 verhaftete Maschinenschlosser Ferdinand Perlornigg (1854–1901). Alle Angeklagten werden vom Verbrechen freigesprochen. Anton Fuchs wird wegen Vergehens der öffentlichen Herabwürdigung der Ehe, Familie und des Eigentums zu vier Monaten strengem Arrest, verschärft durch einen Fasttag alle vierzehn Tage, verurteilt und nach Verbüßung der Strafe aus Oberösterreich ausgewiesen. Ferdinand Perlornigg wird wegen Haltens einer Winkelpresse zu einer Geldstrafe von 25 Gulden, eventuell fünf Tage Arrest, verurteilt und kehrt anschließend nach Kärnten zurück, wo er in der Metallwarenfabrik in Seebach /Jezernica [zu Eberndorf / Dobrla vas] (Kärnten) bis 1890 arbeiten wird. Wenzel Blaschek, Barbara Fuchs (►13. September 1885) und Friedrich Kraft werden freigesprochen. Tragische Folgen wird die Ausweisung von Anton Fuchs haben (►13. September 1885). (►Mai 1885)

  • 13. März 1885 (Freitag)
    Wien und Vororte: Bei der alljährlichen Demonstration am Grab der so genannten Märzgefallenen (►14. März 1880) auf dem Schmelzer Friedhof nehmen am 13. März 1885 auch wieder viele Arbeiter teil, doch legen diesmal nur die Gemäßigten einen Kranz nieder, der auf roter Schleife die Inschrift trägt: »Die social-demokratische Arbeiterpartei – Politischer Verein ›Wahrheit‹ Wien«. Die Radicalen veranstalten erst nach den offiziellen Feierlichkeiten ihre Demonstration. Gegen 15 Uhr verlassen etwa dreihundert Arbeiter das »Gasthaus Wimberger« (Karl Wimberger) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 7.]), Neubaugürtel 34. Zu ihnen gesellen sich rund zweihundert Arbeiter aus anderen Gasthäusern der Umgebung. In geschlossener Reihe marschieren sie zum Denkmal der so genannten Märzgefallenen, rufen ein dreifaches »Hoch!« und versammeln sich danach vor der Friedhofsmauer. Nun schreitet die berittene Sicherheitswache ein und löst die Versammlung auf, jedoch ohne dabei Verhaftungen vorzunehmen. Allerdings hatte die Polizei schon am Morgen die Festnahme mehrerer als Rädelsführer verdächtigter Personen vorgenommen.

  • 15. März 1885 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Am 15. März 1885 wird angesichts des drohenden Sozialistengesetzes (►20. Jänner 1885) in einer Generalversammlung die »freiwillige« Selbstauflösung des »Fachvereins der Meerschaum- und Massabildhauer Wiens« beschlossen, was am Dienstag dem 17. März 1885 offiziell in der amtlichen »Wiener Zeitung« (Wien) angezeigt werden wird. (►8. Februar 1885, ►15. Februar 1885, ►22. Februar 1885, ►23. Februar 1885 und ►9. März 1885)

  • 30. März 1885 (Montag)
    Prag, Böhmen (Praha, Tschechien): Der bereits 1884 aus Wien ausgewiesene Webergehilfe und Redakteur Josef Hybeš (1850–1921), wichtiger Aktivist der Radicalen, wird nach Verbüßung seiner sechsmonatigen Arreststrafe (►9. und 10. August 1884) am 30. März 1885 für beständig aus Prag ausgewiesen. Er begibt sich nach Proßnitz (Mähren [Prostějov, Tschechien]), wo er Redakteur der Zeitung »Duch času« (Prostějov; Der Zeitgeist) werden wird (►27. März 1884).

  • 31. März 1885 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Unter dem Datum »Ende März1885« erscheint die von der Polizei-Direktion Wien verfasste und herausgegebene Broschüre »Uebersicht über die allgemeine Lage der socialdemokratischen und anarchistischen Bewegung mit besonderer Bedachtnahme auf die Verhältnisse in Oesterreich-Ungarn. (August 1884 bis April 1885.)«.4 Darin wird erstmals eine Unterscheidung zwischen sozialdemokratischer und anarchistischer Arbeiterbewegung gemacht, ohne allerdings den Begriff »anarchistisch« näher zu erläutern: Im Wesentlichen werden darunter die radicalen und sozialrevolutionären Teile der österreichischen Arbeiterbewegung verstanden.

  • 2. April 1885 (Donnerstag)
    Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]): Mit der Nummer vom 2. April 1885 stellt die seit ►6. September 1883 erscheinende radicale Zeitung »Der Radikale« (Reichenberg) nach neununddreißig Nummern ihr Erscheinen ein. (►11. April 1885)

  • 6. April 1885 (Montag)
    Wien und Vororte: Am Ostermontag dem 6. April 1885 ziehen etwa eintausendachthundert bis zweitausend Arbeiter von Breitensee (Niederösterreich [zu Wien 14,]) über den Steinbruch am Gallitzinberg in Ottakring (Niederösterreich [zu Wien 16.]) zur Sophienwarte [heute Jubiläumswarte] und zur Kreuzeichenwiese in Ottakring. Am Nachmittag versammeln sich etwa dreihundert Arbeiter auf der Ramschwiese in Hütteldorf (Niederösterreich [zu Wien 14.]). Nachdem sie von Gendarmerie aufgefordert werden, sich zu zerstreuen, begeben sich auch diese Arbeiter Richtung Gallitzinberg. Eine kleine Gruppe von etwa dreißig Arbeitern aus Meidling (Niederösterreich [zu Wien 12.]) verbleibt jedoch auf der Ramschwiese. Der Pfeifenschneidergehilfe Thomas Zoppoth (1866–?) breitet eine rote Fahne aus und fordert die Teilnehmer auf, auf diese einen Eid zu leisten, was auch geschieht. Währenddessen feuert der Goldarbeitergehilfe Ruppert Kautzky (1867–?) mehrere Revolverschüsse ab. Es ertönen die Rufe »Hoch die Anarchie!«, »Nieder mit den Tyrannen!«, und man singt auf dem Nachhauseweg das Lied aus der 1848er-Revolution »Der Staat ist in Gefahr«. Am Abend zerstreuen sich die Ausflugteilnehmer auf dem Gallitzinberg ohne größere Zwischenfälle. Allerdings werden später mehrere Mitglieder der Gruppe von der Ramschwiese polizeilich ausgeforscht und wegen Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung am ►8. Juni 1885 angeklagt werden. Dies ist eine der wenigen öffentlichen Manifestationen der Wiener Radicalen in diesem Jahr. (►30. Mai 1886)

  • 11. April 1885 (Samstag)
    Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]): Am 11. April 1885 findet in den Redaktionsräumen der Zeitung »Der Radikale« (Reichenberg) eine Hausdurchsuchung statt. Das letzte wichtige deutschsprachige Organ der Radicalen hatte dadurch mit der Nummer von ►2. April 1885 sein Erscheinen einstellen müssen. Der Herausgeber, der Tuchmacher Julius Gattermann, und der Redakteur, der Tuchmacher Robert Hirt, werden verhaftet und in das Landesgericht Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]) eingeliefert. (►7. Juli 1885)

  • 14. April 1885 (Dienstag)
    Triest (Österreichisches Küstenland [Trieste, Italien]): Am 14. April 1885 wird in Triest nach einer Hausdurchsuchung der Setzer Wilhelm Komer verhaftet. Er ist gerade dabei, eine Nummer der Zeitschrift »Il Popolo. Supplemento de ›L’Alabarda triestina‹« (Trieste; Das Volk. Beilage zu »Die Triester Hellebarde«) zu setzen. Wilhelm Komer war schon in Wien wegen sozialistischer Umtriebe in Untersuchungshaft, wurde als Radicaler ausgewiesen, begab sich danach nach Budapest (Ungarn), wo er ebenfalls abgeschafft wurde, wandte sich schließlich nach Genua ‹Genova› (Italien), von wo er erst vor kurzem nach Triest gezogen war.

  • 16. April 1885 (Donnerstag)
    Wiener Neustadt (Niederösterreich): Am 16. April 1885 findet vor dem Ausnahmsgericht Wiener Neustadt der Prozess gegen die Arbeiter der Stuppacher Papierfabrik Julius Schmieder und Georg Semmer wegen Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung statt. Sie hatten am Samstag dem 1. November 1884 in einem Gasthaus in Stuppach [zu Gloggnitz] (Niederösterreich) das »Heckerlied«, ein bekanntes Lied aus der 1848er-Revolution, gesungen. Die Angeklagten beteuern, nur die beiden ersten Strophen gesungen zu haben, nicht jedoch die dritte mit dem inkriminierenden Text gegen den Kaiser (»Schmiert die Guillotine [/] Mit Tyrannenfett!«). Julius Schmieder und Georg Semmer werden freigesprochen.

  • 27. April 1885 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 27. April 1885 findet abends in »Neßner’s Bierhalle« und Restauration »zum Stadtgut« (Johann Neßner) in Sechshaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Sechshauser Hauptstraße 7. ’s Bierhalle und Restauration »zum Stadtgut« in Sechshaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Sechshauser Hauptstraße 7 [Sechshauser Straße], eine Schuhmacherversammlung anlässlich der bevorstehenden Genossenschaftswahlen statt. Die Radicalen, welche diese Wahlen ablehnen, verursachen einen Tumult, der kurz nach Versammlungseröffnung zur behördlichen Auflösung der Versammlung führt.

  • 30. April 1885 (Donnerstag)
    Zürich / Zurich / Zurigo (Kanton Zürich, Schweiz): In der Nummer 18 (30. April 1885) der sozialdemokratischen Zeitung »Der Sozialdemokrat. Internationales Organ der Sozialdemokratie deutscher Zunge« (Zürich) erscheint anonym der Artikel »Der Anarchist Josef Peukert an der Arbeit«, in welchem der in London (England) im Exil lebende Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) als Polizeispitzel denunziert wird. Damit beginnt die sozialdemokratische Hatz gegen den exponierten Anarchisten, die auch die Entwicklung des deutschsprachigen Anarchismus prägen wird. Josef Peukert will übrigens am Samstag dem 9. Mai 1885 in einer Versammlung im »International Workingmen’s Club« in London gegen diese Anschuldigung Stellung nehmen, doch wird dies durch eine an diesem Abend durchgeführte Polizeirazzia verhindert. Dieser Vorfall fördert das Misstrauen und die Spitzelvorwürfe unter den deutschsprachigen Exilanten, was zu einer weiteren Vertiefung des Konflikts zwischen Josef Peukert und dem Journalisten Johann Most (1846–1906) führt.

  • Ende April 1885
    Bludenz (Vorarlberg): Ende April 1885 taucht in Bludenz erstmals in Österreich das Flugblatt »Arbeiter! Als durch die Verhandlungsberichte über das Niederwald-Attentat […]«5 auf.

  • Mai 1885
    Linz an der Donau (Oberösterreich): Der am ►14. Dezember 1884 verhaftete und bis März 1885 in Linz an der Donau einsitzende Schneidergehilfe und jetzige Schreiber Ludwig Philipp Schrödl (1851–1888) war offensichtlich während seiner Haftzeit als Polizeispitzel gewonnen worden. Als eine zentrale Figur der oberösterreichischen Radicalen verfasst er seit Mai 1885 bis zu seinem Tod im Mai 1888 unter dem Decknamen »Georg Huber« hundertzwanzig Konfidentenbriefe für die Polizei, wodurch diese seither über den Stand der radicalen Arbeiterbewegung in Oberösterreich, teilweise in Österreich überhaupt, gut informiert ist. Die Spitzelrolle von Ludwig Philipp Schrödl ist allerdings nur den Linzer Polizeibehörden bekannt, und so erklärt sich auch die Feststellung der Polizei-Direktion Wien vom Juni 1885: »Von ziemlich verläßlicher Seite sind mir über die Organisation der sozialistischen Partei in Oberösterreich teilweise in Bestätigung bereits bekannter Dinge nachfolgende Notizen zugekommen: In Linz hat sich ein Exekutivkomitee gebildet, welchem Ludwig Schrödl, Anton Kropfmühl und Franz Skopek angehören. Der Tätigste ist wohl Schrödl, aber derselbe erfreut sich wegen seines überheblichen Charakters keiner allgemeinen Beliebtheit.«6

  • 11. Mai 1885 (Montag) und 21. Mai 1885 (Donnerstag)
    Ebensee (Oberösterreich): Am 11. Mai 1885 werden in Ebensee neuerlich (►25. September 1884) bemerkenswert viele sozialrevolutionäre Flugschriften und die Zeitung »Freiheit« (New York) ausgestreut. Dies wiederholt sich am 21. Mai 1885, wobei nunmehr ein aus Südtirol stammender Hausierer vorübergehend verhaftet wird.

  • 11. Mai 1885 (Montag) bis 27. Mai 1885 (Mittwoch)
    Wiener Neustadt (Niederösterreich): Von 11. bis 27. Mai 1885 – auch an den Pfingstfeiertagen wird die Verhandlung fortgesetzt – findet vor dem Ausnahmsgericht Wiener Neustadt unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Prozess gegen die zum Großteil im Dezember 1884 (►9. bis 13. Dezember 1884) verhafteten Radicalen wegen Verbrechens des Hochverrats statt: der Fabrikarbeiter in der Kammgarnfabrik Vöslau (Niederösterreich) Leopold Bronetz (1867–?), der Eisendreher in der Lokomotivfabrik Wiener Neustadt Adolf Hartmann (1854–1886), der Schlosser und Eisendreher in der Lokomotivfabrik Wiener Neustadt Franz Partsch (1860–?), der Bernsteindrechsler in Liesing (Niederösterreich [zu Wien 25.]) Heinrich Schaden (1854–?), der bei einem Färber in Wiener Neustadt beschäftigte Taglöhner Wilhelm Ulz (1865– ?) und der Eisendreher in der Lokomotivfabrik Wiener Neustadt Franz Wögerer (1843–1887). Leopold Bronetz wird beschuldigt, den Drohbrief an den Bürgermeister von Wiener Neustadt Josef Pöck (1826–1886) verfasst zu haben. Adolf Hartmann wird vorgeworfen, die von der Polizei beschlagnahmten eintausendvierhundert Exemplare der Zeitung »Freiheit« (New York) bestellt und aus der Schweiz eingeschmuggelt zu haben. Franz Partsch wird die Herstellung des Sprenggeschosses für den Anschlag auf das Rathaus vom 30. November 1884 in Wiener Neustadt sowie die Herstellung mehrere Sprengbomben und Sprengmittel angelastet. Heinrich Schaden, der nach der Ausweisung aus Wien mit seiner Frau und seinen fünf Kindern in die Schweiz gegangen und angeblich im September 1884 aus Thal (Kanton St. Gallen, Schweiz) nach Wiener Neustadt gezogen war, wird im Gericht als »sozialistischer Wanderapostel« bewertet und wird des Besitzes von Anleitungen zur Herstellung von Dynamit angeklagt. Wilhelm Ulz wird des Diebstahls von Sprengmitteln beim Pulvermagazin des Kaufmanns und Holzhändlers Ferdinand Lasnaňsky (1849–1933) beschuldigt (►27. Oktober, 2. und 12. Dezember 1884). Und Franz Wögerer wird des Besitzes von Dynamit angeklagt. Im Sinne der Anklage werden wegen Verbrechens des Hochverrats Franz Partsch zu zehn Jahren und Heinrich Schaden zu fünf Jahren schwerem Kerker, jeweils verschärft durch einen Fasttag vierteljährig, Adolf Hartmann zu fünf Jahren, Franz Wögerer zu vier Jahren und Leopold Bronetz zu drei Jahren schwerem Kerker, jeweils verschärft durch einen Fasttag, verurteilt. Wilhelm Ulz wird zwar vom Verbrechen des Hochverrats freigesprochen, jedoch wegen Übertretung des Diebstahls, begangen durch den Diebstahl von Sprengmitteln, zu vierzehn Tagen Arrest verurteilt. Der in die USA geflüchtete Eisendreher Thomas Tiefenbacher (1864–?) wird als der Attentäter des Anschlags auf den Pfarrkirchturm verdächtigt (►22. und 23. September 1884, ►30. November 1884, und ►9. bis 13. Dezember 1884). Im Gefängnis Stein [zu Krems an der Donau] (Niederösterreich) werden Adolf Hartmann am 7. April 1886 an Lungentuberkulose und Franz Wögerer am 2. Februar 1887 an Gehirnlähmung in Folge von Alkoholismus versterben.

  • 16. Mai 1885 (Samstag)
    London (England): Am 16. Mai 1885 gründen vierundzwanzig Genossen in London die »Gruppe ›Autonomie‹« (auch »Club ›Autonomie‹« genannt). Als Initiatoren können wohl der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) und der Tischler Gustav Kauerhase (1851–1886) angesehen werden, wobei letzterer seine Wohn- als Korrespondenzadresse zur Verfügung stellt: 72 Newman Street, Oxford Street, London W. Die »Gruppe ›Autonomie‹« wird später eine nicht nur für Österreich wichtige anarchistisch-kommunistische Zeitung wie auch eine entsprechende Schriftenreihe herausgeben (►6. November 1886). Die »Gruppe ›Autonomie‹« wird rasch Anhänger in Paris (Frankreich) gewinnen, wobei hier die aus Böhmen gebürtige Anarchistin Mina Kanewi (1860–1952), Hausfrau, Journalistin und Schriftstellerin, hervorzuheben ist. In der Pariser Gruppe wird im Juni und Juli 1886 (►3. Mai bis 12. Juni 1886) auch der Schneidergehilfe Johann Risman (1864–1936) die Ideen des kommunistischen Anarchismus der »Gruppe ›Autonomie‹« diskutieren. Zwischen Josef Peukert und dem Journalisten Johann Most (1846–1906) tobt längst ein heftiger Kampf, der so genannte Bruderkrieg (►1885, Übersicht).
    Josef Peukert vertritt nunmehr einen eng an die Ideen von Pjotr Alexejewitsch Kropotkin ‹Пётр Алексеевич Кропоткин› (1842–1921) anknüpfenden kommunistischen Anarchismus, der Grundlage einer eigenständigen, autonomen Bewegung innerhalb der Arbeiterbewegung sein soll. Johann Most, der auch von einem kommunistischen Anarchismus spricht, bleibt jedoch anarchistisch-kollektivistischen und sozialrevolutionären Ideen verhaftet und will den Anarchismus als linken Flügel der sozialistischen Arbeiterbewegung verankert sehen. Vor allem aber geht es in diesem vorwiegend mit Verdächtigungen und Verleumdungen geführten Kampf um die Führerrolle im deutschsprachigen Anarchismus. Die Auswirkungen auf die anarchistischen Bewegungen im deutschen Sprachraum sind katastrophal: Im Kleinkrieg beider Lager werden die Diskussionen über die Entwicklungen im internationalen Anarchismus vernachlässigt, was zu einer bemerkenswerten Rückständigkeit des Anarchismus deutscher Sprache führt. Josef Peukert und seine »Gruppe ›Autonomie‹« können sich zwar – besonders in Österreich – durchsetzen, doch zurück bleiben zwei gescheiterte Existenzen: Johann Most, alkoholkrank, stur und uneinsichtig, endet in weitgehender Isolation, und Josef Peukert wird bis zu seinem Tod damit beschäftigt sein, sich vom Vorwurf des Verräters oder zumindest des Leichtsinnigen, welcher der Polizei in die Hände gearbeitet habe, reinzuwaschen.
    Zentrum des politischen deutschen und österreichischen Exils in London ist der »Communistische Arbeiter-Bildungs-Verein« (C. A. B. V.), auch »Communist Working Men’s Club« genannt, eine 1840 gegründete Organisation, die sich erst 1914 auflösen wird. Der »Communistische Arbeiter-Bildungs-Verein« verfügt über drei Sektionen. Die I. Sektion versammelt Anarchisten und Sozialrevolutionäre, nennt sich selbst »Whitfield Club«, hat ihr Club-Haus in Whitfield street 46, ist für die Verbreitung der Zeitung »Freiheit« (London, ab 1882 New York) zuständig und steht im so genannten Bruderkrieg auf der Seite von Johann Most. Die II. Sektion besteht zum überwiegenden Teil aus Sozialdemokraten und hat ihr Club-Haus in der Tottenham Court road 49. Die III. Sektion versammelt Anarchisten und Sozialrevolutionäre, nennt sich selbst »Club Morgenröthe«, hat ihr Club-Haus zunächst in der Cable street 23 und verhält sich im so genannten Bruderkrieg mehr oder minder neutral. Dazu kommen an ausländischen anarchistischen oder Anarchismus nahen Organisationen in London die »Gruppe ›Autonomie‹«, der russisch-polnische Verein, die schwedische sozialistische Sektion, die Gruppe der holländischen Sozialisten, die französische anarchistische Gruppe sowie der 1885 gegründete »Internationale Arbeiter-Bildungs-Club / International Worker’s Club« in der Berner street, eine gemeinsame Organisation von Sozialdemokraten, Sozialrevolutionären und Anarchisten. (►Jänner 1886.)
    Einen Einblick in die Lage österreichischer und deutscher Exilanten in London gibt ein Brief von Johann Christoph Neve alias John Neve (1844–1896) vom Juli 1886: »Zur Zeit als die Herausgabe der Freiheit in London unmöglich wurde, wo ferner während dieser Epoche eine ganze Anzahl österreichischer Genossen durch die Vorkommnisse in Wien ins Exil getrieben worden und viele davon hierherkamen, um sich naturgemäß der hiesigen Bewegung anzuschließen, konnte es nicht fehlen, daß viele von ihnen das Parteileben im Auslande mit ver[333]kehrten Augen ansahen und ihre Ansichten und Handlungen in einer Weise bekundeten, die in ihrer Praxis den hiesigen Verhältnissen nicht angemessen war? Wie konnte es auch anders sein? Aus ihren Wirkungskreisen plötzlich herausgerissen, mit ihrer Agitation auf einen kleinen Zirkel angewiesen, traten ihnen dabei Hindernisse in den Weg, wovon sie früher keine Ahnung gehabt. Dieses Mißlingen ihrer gewiß gutgemeinten Anstrengungen führte bald zu unliebsamen Diskussionen im Verein, man suchte vergebens ein passendes Feld zur Propaganda, wo ein jeder nach seiner Weise und Fähigkeiten sich betätigen konnte, und griff in vielen Fällen zu ganz unnützen und lächerlichen Dingen, nur um sagen zu können, etwas gemacht zu haben.«7

  • 17. Mai 1885 (Sonntag)
    Ischl [Bad Ischl] (Oberösterreich): Am 17. Mai 1885 wird in Ischl der im Februar 1884 aus Wien wegen anarchistischer Umtriebe ausgewiesene vazierende Bäckergehilfe Franz Nemez (1842–?) wegen Besitzes sozialrevolutionärer Druckwerke verhaftet und in das Kreisgericht Wels (Oberösterreich) eingeliefert.

  • 21. Mai 1885 (Donnerstag)
    Chicago (Illinois, USA): In der Nummer 74 (21. Mai 1885) der radicalen tschechischen Zeitung »Budoucnost« (Chicago; Die Zukunft) erscheint ein Aufruf, Geld zu sammeln, damit Genossen aus Österreich die Überfahrt in die USA bezahlt werden könne. Diese sollten dann von den USA aus den Kampf fortsetzen. Einer der ersten, der auf diese Weise in die USA gelangt, wird im August 1885 der Eisendreher und Metallgießer Josef Boleslav Pecka (1849–1897) sein, der im Februar 1884 als Herausgeber der radicalen Zeitung »Dělnické listy« (Vídeň [Wien]; Arbeiterblätter) ausgewiesen worden war.

  • 24. Mai 1885 (Sonntag)
    New York City (New York, USA): Mit der Nummer vom 24. Mai 1885 muss die seit ►25. Mai 1884 erscheinende radicale tschechischen Zeitung »Proletář« (New York; Der Proletarier) nach zweiundfünfzig Nummern ihr Erscheinen einstellen. Nach anderen Quellen soll sie noch bis 1886 erschienen sein.

  • 24. Mai 1885 (Sonntag)
    Wels (Oberösterreich): Am Pfingstsonntag dem 24. Mai 1885 soll anlässlich des Gründungsfests des »Arbeiter-Bildungs-Vereins Wels«, zu welchem Abordnungen aus Gmunden (Oberösterreich), Krems (Niederösterreich), Linz an der Donau (Oberösterreich), Salzburg (Salzburg) und Steyr (Oberösterreich) erscheinen sollen, eine Delegiertenkonferenz der Radicalen stattfinden. Den Behörden gelingt es, durch Schikanen die Anreise von Delegierten diverser Orte zu verhindern, sodass die geplante Delegiertenkonferenz nicht stattfinden kann. (►28. Juni 1885)

  • 24. Mai 1885 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Am 24. Mai 1885 wird im Reichsrat in Wien das so genannte Vagabundengesetz, das »Gesetz, womit strafrechtliche Bestimmungen in Betreff der Zulässigkeit der Anhaltung in Zwangsarbeits- oder Besserungsanstalten getroffen werden«, Reichsgesetzblatt für die im Reichsrath vertretenen Königreiche und Länder, Nummer 89, beschlossen. Das Gericht kann nun bei der Verurteilung wegen Landstreicherei, Bettelei, Arbeitsscheu, Verweigerung einer von der Gemeinde zugewiesenen Arbeit, Übertretung der Prostitutionsvorschriften, Zuhälterei sowie Bruch der Polizeiaufsicht die Überweisung in eine Zwangsarbeitsanstalt bis zur Höchstdauer von drei Jahren aussprechen. Dieses Gesetzt, das vor allem gegen Arbeitslose gerichtet ist, wird wiederholt auch gegen Angehörige der radicalen Arbeiterbewegung in Anwendung gebracht, insbesondere gegen Personen, die gerade aus der Haft entlassen wurden.

  • 26. Mai 1885 (Dienstag) bis 5. Juni 1885 (Freitag)
    Olmütz (Mähren [Olomouc, Tschechien]): Vom 26. Mai bis 5. Juni 1885 findet der Prozess vor dem Kreis- als Erkenntnisgericht Olmütz wegen des Dynamitattentats auf das Amtsgebäude in Sternberg (Mähren [Šternberk, Tschechien]), statt. Angeklagt sind wegen der Verbrechen des Diebstahls, der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie der Verleitung zur öffentlichen Gewalttätigkeit der Schuhmachergehilfe Franz Kraus (1859–?), Johann Matzke sen. (1833–?) und sein Sohn Johann Matzke jun. (1857–?), beide Grundbesitzer in Sperbersdorf (Böhmen [Hrádečná, zu Blatno, Tschechien]), wegen Verbrechens der Verleitung zur öffentlichen Gewalttätigkeit und Vergehens gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung die Webergehilfen Franz Karger (1852–?) und Florian Pavlík (1864–?), der Tischlergehilfe Rudolf Warbinek (1864–?) aus Wien und der Webergehilfe Christian Josef Kraus (1849–?), wegen Vergehens gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung die Hausfrau Marie Karger (1851–?), Ehefrau des Angeklagten Franz Karger, und der Schuhmachergehilfe Karl Woiß (1860–?). Zum Hintergrund: In der Nacht auf Montag den 10. November 1884 waren dem Schieferbruchbesitzer Josef Brückner in Klein-Stohl (Mähren [Malá Štáhle, Tschechien]), 15 Kilo Dynamit gestohlen worden, was Johann Matzke sen. und Johann Matzke jun. angelastet wird. Die beiden sollen es am Sonntag dem 7. Dezember 1884 in einem Gasthaus in Sperbersdorf Franz Karger und Florian Pavlík übergeben haben, wobei Letztgenannter das Dynamit nach Sternberg transportiert haben soll. Am Sonntag dem 16. November 1884, um 10 Uhr vormittags, war dann ein Dynamitattentat auf jenes Gebäude in Sternberg verübt worden, in welchem sich die Bezirkshauptmannschaft, das Bezirksgericht und das Steueramt befinden, wodurch erheblicher Sachschaden entstanden war. Über die Korrespondenz erfuhr die Polizei, dass Franz Karger Dynamit stehlen wollte, um es den Genossen in Wien zu schicken. Und Franz Kraus soll es gewesen sein, der die geheime Organisation der »Anarchisten« in der Gegend aufgebaut habe. Christian Josef Kraus soll einen mit Mittwoch dem 10. Dezember 1884 datierten Drohbrief an den Postenkommandanten in Bärn (Mähren [Moravský Beroun, Tschechien]) und am Samstag dem 13. Dezember 1884 einen Drohbrief an das Bezirksgericht in Sternberg sowie am Donnerstag dem 25. Dezember 1884 je einen Drohbrief, darin eingelegt Dynamit und eine Zündschnur, an den Polizeikommissär in Bärn, an den Bürgermeister von Bärn und an einen Baumwollwarenerzeuger in Bärn geschickt haben. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Aussage des Webwarenfabrikanten Moritz Hansel (1828–1902), Bürgermeister von Bärn, am Freitag dem 29. Mai 1885 über den dortigen »Arbeiter-Bildungsverein«: »Er verfolgte immer nur auf gesetzlicher Basis seine Bestrebungen, wenn er auch auf Lassalle’schen Prinzipien beruhte. Erst als die aus Wien Ausgewiesenen nach Bärn kamen, nahm dieser Verein ganz andere Tendenzen an und ging viel extremer vor.«8 Franz Kraus und Christian Josef Kraus sollen beide in Wien mit dem Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) verkehrt haben und waren am Freitag dem 1. Februar 1884 wegen sozialistischer Umtriebe aus Wien abgeschafft worden. Am Samstag dem ►6. Dezember 1884 war um 21 Uhr auf dem Wiener Nordbahnhof Rudolf Warbinek verhaftet worden, der zur Übernahme des in Klein-Stohl gestohlenen Dynamits nach Sternberg reisen wollte. Franz Karger war am Sonntag dem 7. Dezember 1884 in Sternberg mit fünfundfünfzig großen und dreißig kleinen Dynamitpatronen, Franz Kraus am Freitag dem 19. Dezember 1884 in Freudenthal (Österreichisch-Schlesien [Bruntál, Tschechien]) mit sozialistischen Druckschriften und einem mit sechs Patronen geladenen Revolver verhaftet worden. Verurteilt werden Franz Kraus zu zwei Jahren, Christian Josef Kraus zu fünfzehn, Rudolf Warbinek zu dreizehn und Franz Karger zu acht Monaten schwerem Kerker. Marie Karger, Johann Matzke sen. und jun., Florian Pavlík und Karl Woiß werden freigesprochen. (►20. Juli 1887)

  • 6. Juni 1885 (Samstag)
    St. Pölten (Niederösterreich): Am 6. Juni 1885 wird in St. Pölten der Schuhmachergehilfe Johann Wögerer (1865–?), der erst vor kurzem vom Bezirksgericht St. Pölten wegen Verbreitung verbotener Druckschriften abgestraft und am 25. März 1885 aufgrund der der Ausnahmsverordnungen vom ►30. Jänner 1884 aus dem Geltungsbereich derselben ausgewiesen worden war, wegen Verbreitung anarchistischer Bücher und Flugschriften neuerlich verhaftet und in das Kreisgericht St. Pölten eingeliefert. Johann Wögerer wird im Juli 1885 aus dem Geltungsbereich abgeschafft werden.

  • 7. Juni 1885 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Am 7. Juni 1885 werden am frühen Morgen in Wien 8. mehrere Flugblätter mit dem Stempelaufdruck »Nieder mit Staat, Kirche und Capital!«9 gefunden. Sie werden in den kommenden Wochen immer wieder verstreut werden, in Wien wie auch in der Umgebung, etwa am Dienstag dem 16. Juni 1885 in Neulerchenfeld (Niederösterreich [zu Wien 19.]), insbesondere in den Sommerfrischeorten der Wiener. Auch das in Plakatform gedruckte Flugblatt »An die Arbeiter der ganzen Erde!«,10 gezeichnet »Die anarchistischen Gruppen in London: ›Franzosen, Italiener, Spanier, Russen, Polen, Oesterreicher, Engländer, Schweden, Dänen und Deutsche «, gelangt zur Verteilung, betreffend den Schriftsetzer August Reinsdorf (1849–1885), der wegen des gescheiterten Attentats anlässlich der Einweihung des Niederwalddenkmals in Rüdesheim am Rhein (Preußen [Hessen]) am Freitag dem 28. September 1883 am Montag dem 22. Dezember 1884 zum Tod verurteilt worden war. Als Hersteller der Stampiglie wird am ►28. Dezember 1886 der Bronzearbeitergehilfe Julius Ehinger (1868–?) verurteilt werden.

  • 8. Juni 1885 (Montag)
    Wien und Vororte: Wegen des Vorfalls auf der Ramschwiese zwischen Gallitzinberg und Hütteldorf [heute zu Wien] vom ►6. April 1885 findet am 8. Juni 1885 vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess gegen sieben Radicale statt, angeklagt wegen Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung der Goldarbeitergehilfe Ruppert Kautzky (1867–?) und der Schuhmachervorarbeiter Johann Till, wegen Vergehens der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung der Geschäftsdiener Johann Batsch (1859–?), der Buchbindergehilfe Leopold Kautzky (1863–?), Bruder von Ruppert Kautzky, die Handarbeiterin Bertha Müller (1848–?), die Handarbeiterin Anna Traxler (1867–1888) sowie der Pfeifenschneidergehilfe Thomas Zoppoth (1866–?). Johann Till wird als Organisator der Demonstration beschuldigt, Ruppert Kautzky als Initiator der verräterischen Parolen, welche von den anderen nachgeschrien worden waren und Anna Traxler der Mitnahme der roten Fahne nach Hause. Bei der Verhandlung wird auch ein Geheimbund angesprochen, weil die Angeklagten dem geheimen Verein »Die Sackumdreher« angehören sollen. Thomas Zoppoth, Johann Batsch und Bertha Müller geben die Existenz des Vereins, in dem man sich nicht mit Namen, sondern mit Nummern anspricht, zu, stellen ihn aber als Juxverein dar. Im Sinne der Anklage werden Johann Till zu zehn und Ruppert Kautzky zu vier Monaten schwerem Kerker verurteilt. Johann Batsch, Leopold Kautzky, Bertha Müller, Annas Traxler und Thomas Zoppoth werden freigesprochen, weil sich der politische Charakter des Vereins nicht nachweisen lässt. (►14. November 1885, ►11. Februar 1886 und ►15. März 1886)

  • 12. Juni 1885 (Freitag)
    Klagenfurt / Celovec [Klagenfurt am Wörthersee / Celovec ob Vrbskem jezeru] (Kärnten): Am 12. Juni 1885 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Klagenfurt der Prozess gegen den Hafnermeister Johann Goritschnig aus Villach / Beljak (Kärnten) wegen der Verbrechen des Hochverrats, der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie der Geheimbündelei und wegen Übertretung des Pressgesetzes statt, begangen durch Verbreitung verbotener Flugschriften. Johann Goritschnig wird nach fünf Monaten Untersuchungshaft freigesprochen. (►28. Juni 1885)

  • 18. Juni 1885 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Die vom Bäckergehilfen Anton Mayer für 18. Juni 1885 einberufene freier Bäckerversammlung im Gasthaus »zum chinesischen Salon« (Max Grasser) in Hernals (Niederösterreich [zu Wien 17.]), Hauptstraße 2 [Hernalser Hauptstraße], wird behördlich untersagt. Die Bäckermeister und Bäckergehilfen sind innerhalb der Fachvereine nach wie vor eine Hochburg der Radicalen in Wien und seinen Vororten.

  • 18. Juni 1885 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Am 18. Juni 1885 erscheinen um 23 Uhr mit entsprechenden Uniformen und Abzeichen der Webergehilfe Franz Schustaczek (1850–1908) als »Polizei-Kommissär« sowie der Schuhmachermeister Karl Schwehla (1851–?), übrigens Mitglied des »Fachvereins der Schuhmacher«, und der Schneidergehilfe Albert Friedmann (1867–?) als »Polizei-Detektive« beim Haus des Hausbesitzers Moses Reich (~1800–1895) in Hietzing (Niederösterreich [zu Wien 13.]). Die beiden »Polizei-Detektive« Schwehla und Friemann sind mit Dolchen, Albert Friedmann zusätzlich mit einem Revolver bewaffnet. An dieser Aktion ist auch der Schuhmachergehilfe Johann Hospodský (1864–?) in der Rolle des Aufpassers beteiligt. Die Radicalen geben sich als Polizei-Kommission aus, haben einen gefälschten, mit »Polizei-Direction« gezeichneten Revisionsbefehl bei sich und fordern im Namen des Gesetzes Eintritt. Sie geben vor, nach Falschgeld zu suchen. Der Hausbesitzer ist aber abwesend, und die beiden anwesenden Frauen, Josefine Abeles und Illa Fischer, geben vor, keinen Schlüssel zu haben, und öffnen nicht. Die Beute, die den Radicalen bei diesem gescheiterten Coup, der so genannten Reich-Affäre, entgangen ist, hätte 300 Gulden betragen. (►3. August 1885, ►März 1886, ►3. und 4. Oktober 1886 und ►21. bis 28. März 1887) Franz Schustaczek wird später vor Gericht angeben, er habe an dieser Aktion vor allem deshalb teilgenommen, weil er sich vom Verdacht befreien wollte, im Polizeidienst zu stehen. Die Parteigenossen hatten diesen Verdacht gehegt, weil er als Mitglied des »Fachvereins der Manufakturarbeiter« bei der so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) nicht verhaftet worden war.

  • 25. Juni 1885 (Donnerstag)
    Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]): Am 25. Juni 1885 erscheint ein bemerkenswertes Flugblatt: »Aufruf! An die Arbeiter und Arbeiterinnen!«.11 Es ist von Marie Behr, Pauline König und Katharina Schiller (1848–?) unterzeichnet, Ehefrauen der drei am ►19. Jänner 1885 verurteilten Radicalen: des Tuchmachergehilfen Anton Behr (1854–1931), des Tuchmachergehilfen Franz König (1849–?) sowie des Webereiarbeiters und Schriftstellers Josef Schiller (1846–1897).

  • 25. Juni 1885 (Donnerstag) und 26. Juni 1885 (Freitag)
    Wien und Vororte: In der Nacht vom 25. auf den 26. Juni 1885 wird in Baumgarten (Niederösterreich [zu Wien 14.]), Hauptstraße 4, im Dachbodenraum ein Feuer gelegt. Der Inhaber dieses Hauses, der Milchmaier Anton Protivinsky, hatte einen Sozialrevolutionär, den Drechslergehilfen Josef Stieber (1860–?), angezeigt, weil er auf die Hausmauer »Hoch die Republik!« – nach anderen Quellen »Es lebe die rote Republik!« – geschrieben habe. Josef Stieber war daraufhin am ►10. September 1883 verhaftet und nach neuntägiger Untersuchungshaft im Landesgericht Wien freigelassen worden. Nunmehr wird angenommen, dass das Feuer aus Rache für die damalige Anzeige gelegt worden sei. Eine Ausbreitung des Brandes wird durch das Eingreifen des Nachtwächters und der von ihm alarmierten Hausbewohner verhindert. Als angebliche Brandleger dieser so genannten Protivinsky-Affäre werden erst im Herbst 1887 vier Sozialrevolutionäre ermittelt: der Metallschleifer Franz Czermak (1864–?), der Drechslergehilfe Heinrich Höfermeier (1862–?), der Bronzearbeiter Johann Rith (1859–?) und Josef Stieber. (►13. Februar 1888)

  • 26. Juni 1885 (Freitag)
    Dresden (Sachsen): Am 26. Juni 1885 wird der 1876 gegründete »Český klub« (Tschechischer Klub) in Dresden behördlich aufgelöst. Zehn Angehörige der radicalen Arbeiterbewegung werden nach Böhmen abgeschoben. In diesem Zusammenhang werden vierzehn Radicale in Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]) vor Gericht gestellt werden. (►13. Oktober 1885, ►22. Oktober 1885 und ►9. November 1885)

  • 28. Juni 1885 (Sonntag)
    Leoben (Steiermark): Nach dem gescheiterten Versuch vom ►24. Mai 1885 findet am 28. Juni 1885 eine geheime Konferenz deutschsprachiger radicaler Vertrauensmänner nahe Leoben statt (►November 1886), an der unter anderem für Kärnten der Maschinenschlosser Ferdinand Perlornigg (1854–1901) und für die Steiermark der Schneidergehilfe Johann Risman (1864–1936) teilnehmen. Oberösterreich ist nicht vertreten, und der Delegierte aus Wien trifft zu spät ein. Auf dieser Konferenz wird das auf dem International Social Revolutionary Congress (Internationaler sozialrevolutionärer Kongress) (►14. bis 20. Juli 1881) in London (England) empfohlene Fünfer-Gruppensystem als neue Organisationsform beschlossen: 1) die Organisationsgruppe, welche zugleich die Zentrale ist: Sie ist zuständig für die Korrespondenz, für die Bildung geheimer Clubs, für die Anwerbung von Genossinnen und Genossen sowie für die Organisierung von Lokalitäten; 2) die Gruppe für die Druckschriftenpropaganda: Sie organisiert geheime Druckereien sowie die Herstellung und Verteilung illegaler Flugschriften. Dabei einigt man sich, Texte so abzufassen, dass keine hochverräterischen Äußerungen und Majestätsbeleidigungen enthalten sind, da es völlig unnötig sei, dafür bis zu zwölf Jahre Kerker zu riskieren; 3) die Gruppe für Chemie: Sie ist zuständig für die Herstellung von Sprengmitteln und Beschaffung der dazu notwendigen Materialien. Es wird beschlossen, nur solche Attentate durchzuführen, bei denen lediglich die behördlichen Verfolger, keinesfalls aber unbeteiligte Personen zu Schaden kommen; 4) die Gruppe für Finanzen: Ihr obliegt die Beschaffung der Geldmittel, einerseits durch Einführung einer Parteisteuer, andererseits durch »große Fänge« in Klöstern, bei Wucherern und anderen Ausbeutern; 5) die Gruppe für Diplomatie: Sie soll Bespitzelungen verhindern, die Behörden durch falsche Denunziationen in die Irre führen und allgemein Verwirrung im Lager der Behörden stiften. (►27. September 1885) Schließlich wird noch beschlossen, die Auseinandersetzungen mit den Gemäßigten und insbesondere die gegenseitige Beschimpfung einzustellen, um dadurch die Möglichkeit einer Einigung der Arbeiterbewegung in Österreich vorzubereiten. Diese für die radicale Arbeiterbewegung bis zum Einigungsparteitag von Hainfeld (Niederösterreich) zur Jahreswende 1888/1889 beibehaltene Organisationsform weist zweifelsohne noch stark sozialrevolutionäre Tendenzen auf, etwa mit der Gruppe für Chemie, welche übrigens nirgends in Österreich auch tatsächlich gebildet wird. Die im Jänner 1886 in Linz an der Donau (Oberösterreich) in Aussicht genommene Gründung der Chemie-Gruppe scheitert am Tod des damit beauftragten Schlossers Johann Waibel (?–1886) am Dienstag dem 11. Mai 1886. Andererseits werden auf dieser Konferenz auch die Weichen gestellt, aus der bloß geheimen Agitation auszubrechen: Es wird die Herausgabe eines neuen Parteiblatts beschlossen, welches ab ►6. August 1885 unter dem Titel »Die Arbeit« (Marburg) in Marburg an der Drau (Steiermark [Maribor, Slowenien]) erscheinen wird. Vor allem aber gibt es nun in der Programmatik ein zentrales anarchistisches Moment: die dezentrale, durchaus als föderalistisch zu bezeichnende Organisation der Bewegung. Deutlich kommt dies in einem Brief der Radicalen aus Graz (Steiermark) an ihre Genossen in Linz an der Donau (Oberösterreich) über die Konferenzergebnisse zum Ausdruck; darin heißt es unter anderem zur geplanten Organisationsform, »daß nicht nur eine Centrale sondern auch Gruppen bestehen und daß die Massen sich nicht auf eine Centrale verlassen und die Centrale nicht auf die Gruppen, mit einem Wort, daß sich nicht eins aufs andere verläßt und schließlich niemand nichts thut. Drum soll in allen größeren Städten wie hier erwähnt, organisirt werden, in wichtigen öffentlichen Fragen soll gemeinsam besprochen werden, die Thätigkeit jedoch in Gruppen ausgeübt, welche in ihren Arbeiten getheilt sein müssen, somit treibt dann ein Theil den andern und kann kein Stillstand entstehen.«12
    Insgesamt wird diese Konferenz, über die am ausführlichsten ein Polizeibericht informiert,13 für die radicale Arbeiterbewegung Österreichs zum folgenreichsten Ereignis seit Verhängung der Ausnahmsverordnungen vom ►30. Jänner 1884. Die gesamte Bewegung wird neu organisiert. Die lokalen Gruppen erhalten praktisch völlige Autonomie, und es gibt erstmals ernste Bestrebungen, diese autonomen Gruppen mittels eines aufzubauenden Netzwerks auch föderativ zu verbinden. Hatte einst Wien die radicale Arbeiterbewegung in der Provinz dominiert und geleitet, so zwang die Ausschaltung der Reichshaupt- und Residenzstadt durch den Ausnahmezustand zu jenem organisatorischen Föderalismus, den der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) schon vor Jahren, etwa im Merstallinger-Prozess (►8. bis 21. März 1883), angeregt hatte. Andererseits dürfte es auf dieser Konferenz auch eine massive Verurteilung der sozialrevolutionären Attentate vom Winter 1883/1884 gegeben haben, verbunden mit einer heftigen Kritik an Josef Peukert. Jedenfalls setzt sich Josef Peukert in einem Brief über die Konferenzergebnisse heftig zur Wehr: »Es ist aber für die Märtyrer der revolutionären Sache eine ganz infame Beleidigung, sie als blinde Werkzeuge einzelner Personen hinzustellen, da dieselben weder durch mich noch durch Most oder irgend jemand zu ihren Handlungen beeinflußt wurden, sondern aus eigener Initiative, ihren eigenen Impulsen folgend, Thaten verrichteten, deren sittlichen sozialen Werth sie allerdings, nach Ihrem Schreiben zu schließen, zu würdigen unfähig sind; wie es ihre Bezeichnung ›Diebspolitik‹ beweist, stecken sie ja bis über die Ohren in spießbürgerlichen Vorurtheilen.«14 Übrigens stellt auch die Polizei die bemerkenswerten Auswirkungen dieser Konferenz fest: »Seitdem ist an den verschiedensten Punkten eine lebhaftere agitatorische Thätigkeit wahrnehmbar und früher gänzlich unbekannte, meistens jugendliche und unbesonnene Arbeiter sind der neuen Organisation beigetreten. Die von Graz aus hergestellte Verbindung mit Parteigenossen in Wien liess sich schon bei dem am 16. August d. J. stattgehabten Arbeiterausfluge erkennen, bei welchem das neue Parteiorgan in zahlreichen Exemplaren verbreitet wurde.«15 (►27. September 1885, ►30. Juni 1886 und ►November 1886)

  • 28. Juni 1885 (Sonntag)
    Wien und Vororte: Am 28. Juni 1885 wollen abends rund hundertzwanzig Arbeiterinnen und Arbeiter mit Lampions dem in mehreren Sozialistenprozessen als Verteidiger agierenden Advokaten Friedrich Elbogen (1854–1909), der in Weidlingau (Niederösterreich [zu Wien 14.]) auf Sommerfrische weilt, ihren begeisterten Beifall vermitteln. Zuletzt hatte er am ►12. Juni 1885 im Prozess, der vor einem Schwurgericht Klagenfurt / Celovec [Klagenfurt am Wörthersee / Celovec ob Vrbskem jezeru] (Kärnten) stattgefunden hatte, den Freispruch des radicalen Hafnermeisters Johann Goritschnig erreicht. Die Demonstrierenden werden auf ihrem Weg zu Friedrich Elbogen bereits am Bahnhof von der Gendarmerie behindert. Sie werden aufgefordert, nicht in Kolonne zu marschieren und die Lampions auszulöschen. Schließlich werden sogar einige Arbeiter verhaftet, aber nach Aufnahme ihrer Personaldaten wieder auf freien Fuß gesetzt. Friedrich Elbogen wird übrigens am nächsten Tag, am Mittwoch dem 29. Juli 1885, seine Kanzlei als Hof- und Gerichtsadvokat in Wien 1., Rosengasse 5, eröffnen.

  • Juli 1885
    New York City (New York, USA): Im Juli 1885 erscheint in New York City die auch für die radicale Arbeiterbewegung in Österreich wichtige Schrift »Revolutionäre Kriegswissenschaft«16 des Journalisten Johann Most (1846–1906). Bis Dezember 1885 werden drei Auflagen erscheinen.

  • Anfang Juli 1885
    Linz an der Donau (Oberösterreich): Anfang Juli 1885 konstituiert sich in Linz an der Donau eine neue Parteileitung der Linzer radicalen Arbeiterbewegung, welche sich »Exekutiv-Comité« nennt. Mitglieder sind der Schuhmachergehilfe Franz Forst, der Schuhmachergehilfe Karl Hubmayer (1856–?), der Schneidergehilfe und Polizeispitzel Ludwig Philipp Schrödl (1851–1888) und der Kleidermachergehilfe Franz Škopek (1861–1926). Als Hauptaufgaben werden die Einhebung der Parteisteuer (fünf Kreuzer wöchentlich) sowie die Verbindung nach auswärts festgelegt, das heißt konkret, die Kontakte mit den oberösterreichischen Ortsgruppen von Gmunden, Ried, Steyr und Wels sowie von Amstetten (Niederösterreich) und Salzburg (Salzburg) zu festigen. (►17. August 1885 und ►27. September 1885)

  • 4. Juli 1885 (Samstag)
    New York City (New York, USA): Seit der Nummer 27 (4. Juli 1885) erscheint die Zeitung »Freiheit« (New York) in zwei Ausgaben. Eine ist nur für den Verkauf in den USA bestimmt, eine für Europa. Die neue europäische Verlagsstelle wird in London (England) eingerichtet und wird vom Journalisten Victor Dave (1845–1922), vom Agitator Johann Christoph Neve alias John Neve (1844–1896) und vom Tischler Johann Sebastian Trunk (1850–1933) betreut. Von den dort ausgelieferten achthundert Exemplaren gehen jeweils fünfzig nach Deutschland und Österreich. Dazu kommen noch rund hundert Stück, die als Kreuzbandsendungen in diese Länder gehen.

  • 7. Juli 1885 (Dienstag)
    Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Am 7. Juli 1885 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Prag der Prozess gegen den Tuchmacher Julius Gattermann, Herausgeber der Zeitung »Der Radikale« (Reichenberg) (►2. April 1885), und den Tuchmacher Robert Hirt, Redakteur derselben sowie Obmann des »Arbeiterbundes Reichenberg« in Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]), wegen Vergehens der Geheimbündelei statt. (►11. April 1885) Robert Hirt wird zu vier Monaten strengem Arrest, verschärft mit einem Fasttag in Einzelhaft monatlich, und Julius Gattermann zu einem Monat strengem Arrest verurteilt.

  • 20. Juli 1885 (Montag)
    Graz (Steiermark): Die für den 20. Juli 1885 vom radicalen Kürschnergehilfen Vinzenz Kaman (1859–?) in die »Puntigamer Bierhalle«, Jakobigasse 6 [Orpheumgasse 8], einberufene allgemeine Volksversammlung zur Tagesordnung »Die Lage des Volkes und die Sozial-Reform-Bestrebungen« wird von der Polizei-Direktion Graz untersagt.

  • 28. Juli 1885 (Dienstag)
    Linz an der Donau (Oberösterreich): Die sich eben erst organisierenden tschechoslawischen Radicalen in Linz an der Donau erleiden durch den Verlust eines Wortführers einen mächtigen Rückschlag: Am 28. Juli 1885 verlässt der im Februar 1884 aus Wien ausgewiesene Tischlergehilfe Wenzel Štefek (1850–?) Linz an der Donau, um in die USA zu reisen, wird aber am Sonntag dem 16. August 1885 in Pilsen (Böhmen [Plzeň, Tschechien]) verhaftet werden. (►Ende Oktober 1885)

  • 2. August 1885 (Sonntag)
    Chicago (Illinois, USA): Am 2. August 1885 erscheint die erste Nummer der tschechischen radicalen Wochenzeitung »Lampička« (Chicago; Das Laternchen), welche allerdings in Österreich kaum Verbreitung findet und am ►31. Juli 1887 ihr Erscheinen einstellen muss.

  • 3. August 1885 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 3. August 1885 findet in Obermeidling (Niederösterreich [zu Wien 12.]) die so genannte Tyll-Affäre statt, an der vier Radicale beteiligt sind. Nach einem gescheiterten Versuch, der so genannten Reich-Affäre, vom ►18. Juni 1885 bilden vier Radicale neuerlich eine »Polizei-Kommission« und nehmen gegen 20 Uhr 45 bei der reichen, Majorswitwe Franziska Tyll (1804–1892) in Obermeidling, Schönbrunner Hauptstraße 150, Inhaberin einer Putzwarenhandlung, eine »Visitation« vor. Der Schuhmachergehilfe Johann Hospodský (1864–?) in der Uniform eines Polizeikommissärs wird von drei »Polizei-Detektiven« in schwarzer Kleidung mit schwarz-gelben Kokarden begleitet: vom Metallschleifer Franz Czermak (1864–?), vom Drechslergehilfen Heinrich Höfermeier (1862–?) und vom Webergehilfen Franz Schustaczek (1850–1908). Bis auf Johann Hospodský sind alle mit Revolvern und Dolchen bewaffnet: Sie tragen diese versteckt bei sich, setzen sie aber nicht ein. Vor der Tür stehen der Schneidergehilfe Albert Friedmann (1867–?) und der Schuhmachermeister Karl Schwehla (1851–?) Schmiere. Johann Hospodský weist einen »polizeilich besiegelten« Befehl vor, der ihn befuge, die Kasse Franziska Tylls wegen im Umlauf befindlichen Falschgelds einer Revision zu unterziehen und das »Falschgeld« zu konfiszieren. Die Hausbesitzerin lässt dem »Polizeikommissär« Johann Hospodský bereits das Geld in ihrer Kasse, 470 Gulden in Banknoten, überprüfen. Als die »Kommission« gerade das Geld, gegen den Willen Franziska Tylls, konfiszieren will, treten die Ziehtochter der Hausbesitzerin, die Postbeamtenehefrau Johanna Reibl, und die Köchin Anna Schrimpf ein, weil sie den Vorgang von einem Nebenzimmer aus beobachtet hatten. Den beiden war nämlich aufgefallen, dass einer der »Polizei-Detektive«, nämlich Franz Czermak, einen falschen Bart trägt. Franziska Tyll und Johanna Reibl verweigern daraufhin die Herausgabe des Geldes. Es kommt zu einem kleinen Handgemenge, und die Frauen drohen, einen Sicherheitswachmann zu rufen. Mit dem Hinweis, »Morgen werden Sie eine Zustellung bekommen«, entfernen sich daraufhin die Mitglieder der »Polizei-Kommission« rasch. Auch die vor der Tür stehenden Aufpasser Albert Friedmann, der die Uniform samt Amtskappe und Degen organisiert hatte, sowie Karl Schwehla flüchten. Kurzfristig wird von der Polizei auch eine sozialrevolutionäre Aktion in Betracht gezogen. Schließlich geht sie aber von einem Verbrechen kurioser Natur aus. Diese Vermutung der Behörden wird in den nächsten Wochen durch ähnliche Vorfälle verstärkt:
    Am Donnerstag dem 20. August 1885 visitiert um 22 Uhr 30 ein »Detektiv« die Wohnung des Schuhmachers Rudolf Kosteletzky in Wien 10., Gellertgasse 36. Als er 5 Gulden wegen eines Meldezettels für die bei Rudolf Kosteletzky wohnende Dienstmagd Marie Czetora einfordert, kommt das dem Schuhmacher verdächtig vor. Er holt die Polizei und diese nimmt den »Detektiv« fest, der sich als Schmiedgehilfe Albert Zahajský aus der Gellertgasse 38 herausstellt. Zahajský wird am Samstag dem 5. September 1885 vom Bezirksgericht Wieden (Wien 4.) zu acht Tagen Arrest verurteilt. Am Freitag dem 28. August 1884 erscheinen am Abend beim Friseur Saretta Pinderowitz in Wien 4., Heugasse 62, zwei Männer, die sich als Pfändungs-Kommission ausgeben, um vorgeblich im Auftrag des Gasthausknechts Jakob Suchý 10 Gulden zu kassieren, die der Friseur tatsächlich schuldet. Sie begnügen sich mit einer Teilpfändung von 4 Gulden auf die Gesamtschuld von 10 Gulden und verlassen dann das Haus. Als Saretta Pinderowitz erfährt, dass sein Gläubiger keine Pfändung durchführen ließ, erstattet er am Dienstag dem 1. September 1885 Anzeige. Diese Täter, die Winkelschreiber Franz Müller und Johann König, werden rasch gefasst und am Montag dem 5. Oktober 1885 vom Bezirksgericht Wieden (Wien 4.) wegen Anmaßung eines Amtstitels zu je vierundzwanzig Stunden Arrest verurteilt. Das Verkleidungsspiel wird also Mode. Die beiden hier erwähnten Fälle haben übrigens nichts mit den Radicalen und Sozialrevolutionären zu tun. Es wird lange dauern, bis die Polizei den Tätern der so genannten Tyll-Affäre auf die Spur kommt, und die Strafen werden weit höher ausfallen. (►März 1886, ►23. Mai 1886, ►3. und 4. Oktober 1886 und ►21. bis 28. März 1887)

  • 6. August 1885 (Donnerstag)
    Marburg an der Drau (Steiermark [Maribor, Slowenien]): Am 6. August 1885 erscheint die erste Nummer der radicalen Zeitung »Die Arbeit« (Marburg). Mit der Nummer 9 vom ►8. Dezember 1885 wird der Verlagsort nach Graz verlegt werden. »Da das Blatt eine frische revolutionäre Sprache führte, so fand es überall lebhaften Anklang. In Wien und Umgebung bildeten sich ›literarische Clubs‹, welche die ›Arbeit‹ meistens als ›Leinwandballen‹ einschmuggelten und rege Thätigkeit in der Verbreitung derselben entwickelten. Die ›Arbeit‹ errang sich trotz Confiscationen und sonstigen Chicanen die Lebensfähigkeit.«17

  • 7. August 1885 (Freitag)
    Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Am 7. August 1885 findet vor dem Landes- als Strafgericht Prag der Prozess gegen den Schuhmachermeister Anton Kňourek (1848–?) statt, angeklagt des Vergehens der Geheimbündelei. Kňourek wird vom Erkenntnissenat freigesprochen. Zur Vorgeschichte: Anton Kňourek, der einige Zeit auch in einer Spinnerei in Oberösterreich tätig war, war nach einem Arbeitsunfall, bei dem er ein Auge verloren hatte, in seine böhmische Heimat zurückgekehrt, wo er dann in Lusche (Böhmen [Luže, Tschechien]) eine eigene Werkstätte eröffnet hatte. Als im Frühjahr 1885 in Prelauc (Böhmen [Přelouč, Tschechien]) Schriften über den am ►30. September 1884 in Wien hingerichteten Buchbindergehilfen Anton Kammerer (1862–1884) und den am ►8. August 1884 ebenfalls in Wien hingerichteten Schuhmachergesellen Hermann Stellmacher (1853–1884) verbreitet worden waren, war bei Anton Kňourek, der eigentlich dem Lager der Gemäßigten zugezählt wird, eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden. Da bei ihm mehrere sozialistische Zeitschriften gefunden worden waren, war er sofort verhaftet worden.

  • 17. August 1885 (Montag)
    Linz an der Donau (Oberösterreich): Eine vom sozialdemokratischen Landesausschuss, der von Radicalen dominiert wird (►Anfang Juli 1885), einberufene Konferenz oberösterreichischer Vertrauensmänner wird im August 1885 behördlich verboten. Es hätten Delegierte aus den oberösterreichischen Orten Gmunden, Ried, Steyr und Wels sowie aus Amstetten (Niederösterreich) kommen sollen. (►27. September 1885) Der Schneidergehilfe Ludwig Philipp Schrödl (1851–1888) reist daraufhin im Auftrag des Linzer Exekutivkomitees nach Amstetten, wo es ihm gelingt, am 17. August 1885 mit den zum Anarchismus tendierenden Radicalen Kontakt aufzunehmen. Wohl aufgrund der Denunziation des nunmehrigen Polizeispitzels Ludwig Philipp Schrödl wird noch im August die Amstettener Gruppe um Vinzenz Wiener von der Polizei aufgedeckt und verhaftet.

  • 20. August 1885 (Donnerstag)
    Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]): Am 20. August 1885 erscheint die erste Nummer des ersten gemeinsamen Organs von tschechoslawischen Gemäßigten und Radicalen, die tschechische Zeitung »Rovnost« (Brno; Die Gleichheit). Die Zeitung, die bis Montag dem 30. Dezember 1928 erscheinen wird, verliert aber für die radicale Bewegung rasch an Bedeutung und wird bereits seit etwa 1886 ein führendes Organ der Gemäßigten werden.

  • 28. August 1885 (Freitag)
    Wien und Vororte: Am 28. August 1885 findet im Bezirksgericht Ottakring (Niederösterreich [zu Wien 16.]) ein eher kurioser Prozess statt. Der Sicherheitswachmann Karl Karner patrouillierte im August 1885 durch die Burggasse in Neulerchenfeld (Niederösterreich [zu Wien 16.]), wo er nach der Sperrstunde im »Café Saltiel« (Heinrich Saltiel), Burggasse 2, noch Licht bemerkte. Zur Rede gestellt, behauptet der Cafetier nicht zusperren zu können, weil er einen Amtsdiener der Polizeidirektion im Lokale habe. Dort trifft der Sicherheitswachmann jedoch nur auf den ihm bekannten, am ►12. März 1883 wegen Majestätsbeleidigung abgeurteilten Schuhmacher Josef Maschek, der sich dem Cafetier gegenüber als Amtsdiener der Polizei-Direktion Wien ausgegeben hatte. Josef Maschek begrüßt Karl Karner mit einem vertraulichen »Servus«, gibt sich ihm gegenüber als der Entdecker der geheimen Druckerpresse in Neulerchenfeld (Niederösterreich [zu Wien 16.]), Kirchstetterngasse 41 (►3. September 1884), aus und gibt vor, sich schleunigst auf eine sensationelle Entdeckungsreise nach Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]) begeben zu müssen. Als Josef Maschek kurz darauf eine ähnliche Geschichte in einem anderen, nahegelegenen Café erzählt, nimmt ihn Karl Karner um 3 Uhr morgens fest. Josef Maschek wird wegen Übertretung des § 333 Strafgesetzbuch zu drei Tagen Arrest verurteilt.

  • 4. September 1885 (Freitag)
    Bruck an der Mur (Steiermark): Der am ►11. November 1884 verurteilte Sensenwerkarbeiter Adolf Schwarzelmüller (1862–?) wird nach Verbüßung seiner Haft in der Strafanstalt Karlau [zu Graz] (Steiermark) am 4. September 1885 nach Bruck an der Mur gebracht, wo er noch bis Donnerstag dem 10. September 1885 inhaftiert bleibt. Danach wird er für immer aus dem Kronland Steiermark ausgewiesen.

  • 8. September 1885 (Dienstag)
    Bern / Berne / Berna (Kanton Bern, Schweiz): Am 8. September 1885 werden auf Beschluss des Schweizerischen Bundesrats der Schneider Martin Glaser (1853–?) aus Böhmen, der Schuhmachergehilfe und ehemalige Redakteur der Zeitung »Schuhmacher-Fachblatt« (Wien) Max Mayer (1839–?) aus Simmering (Niederösterreich [zu Wien 11.]), der Schneider Arnold Mrňa (1860–?) aus Mähren, der Schneider Franz Nuska (1854–?) aus Böhmen sowie der in Bayern gebürtige Schneider Martin Grasser (1857–?) aus der Schweiz ausgewiesen.

  • 13. September 1885 (Sonntag)
    Linz an der Donau (Oberösterreich): Der im Zuge des Prozesses vom ►11. und 12. März 1885 im Juli 1885 aus Oberösterreich ausgewiesene Hafnergehilfe Anton Fuchs (1847–?) hatte in Rosenau am Sonntagsberg [zu Sonntagsberg] (Niederösterreich) Arbeit gefunden. Als er seiner Ehefrau Barbara Fuchs (1850–1885), die im gleichen Prozess freigesprochen worden war, die Nachricht zukommen lässt, dass er heimlich zu ihr auf Besuch nach Linz an der Donau kommen werde, trifft Barbara Fuchs am 13. September 1885 vor Freude der Schlag und verstirbt. Anton Fuchs wird später nach Budapest (Ungarn) ziehen. (►29. August 1886)

  • 14. September 1885 (Montag)
    Bruck an der Mur (Steiermark): Am 14. September 1885 werden in Bruck an der Mur der Schneidergehilfe Josef Großl (1864–?), J. Witschar und Johann Zatschek, der erst am Sonntag dem 6. September 1885 zum Obmann-Stellvertreter des »Arbeiter-Bildungsvereins ›Vorwärts‹« gewählt worden war, verhaftet. J. Witschar und Johann Zatschek werden erst nach fünf Wochen Untersuchungshaft ohne Anklageerhebung freigelassen werden, Josef Großl wird sich am ►24. und 25. November 1885 vor Gericht wegen Hochverrats verantworten müssen.

  • 14. September 1885 (Montag)
    London (England): Am 14. September 1885 wird in London das neue Clubhaus des »Communistischen Arbeiter-Bildungs-Vereins«, Sammelbecken deutscher und österreichischer Sozialrevolutionäre, Anarchisten und Sozialdemokraten, eröffnet. (►17.5.1886) Unter den Rednern ist auch der 1884 aus Niederösterreich ausgewiesene Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?), der betont, dass die Köpfe des Buchbindergehilfen Anton Kammerer (1862–1884) und des Schuhmachergesellen Hermann Stellmacher (1853–1884) nicht umsonst gefallen sein dürfen.

  • 27. September 1885 (Sonntag)
    Linz an der Donau (Oberösterreich): Am 27. September 1885 findet eine Konferenz oberösterreichischer Vertrauensmänner im Gasthaus »Auf der Haide« in Linz an der Donau statt, auf welcher die Organisation nach dem Fünfer-Gruppensystem gemäß der Konferenz deutschsprachiger radicaler Vertrauensmänner am ►28. Juni 1885 nahe Leoben (Steiermark) erörtert wird. Zugleich wird als Leitung die Organisationsgruppe gegründet, welcher die Schuhmachergehilfen Franz Forst und Karl Hubmayer (1856–?), der Tischlergehilfe Johann Jantisek, der Schmiedgehilfe Franz Kropfmüller (1845–1893), der Sattlergehilfe Anton Schenk (1842–1927), der Schneidergehilfe und Polizeispitzel Ludwig Philipp Schrödl (1851–1888) und der Schlosser Anton Winklař angehören (►Ende Oktober 1885), fast alle zum Anarchismus tendierende Radicale. (►24. Jänner 1886)

  • 29. September 1885 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Am 29. September 1885 gibt in Neubau (Wien 7.) um 18 Uhr 45 ein etwa 12-jähriger Knabe im Geschäftslokal der Maschinen- und Werkzeugfabrik Karoline Pacher (1830–1907), Spittelberggasse 6, ein Zigarrenkistchen ab, welches er dem dort arbeitenden Zeugschmiedgehilfen Josef Schwan übergeben soll. Nachdem der Junge das Geschäft verlassen hatte, öffnet Josef Schwan das an ihn korrekt adressierte Kistchen, welches zwei Kilo Gewehrpulver, fünfzig Kieselsteine und eine brennende, auf fünf Minuten Brenndauer berechnete Zündschnur enthält. Josef Schwan schleudert das Kistchen auf die Straße und übergießt dieses mit Wasser. Danach wird das Sprengkistchen von den Behörden sichergestellt. Zunächst geht man von einem bösen Bubenstreich aus, doch rasch vermuten die Behörden dahinter eine Racheaktion der Wiener Radicalen: Josef Schwan hatte vor rund zwei Monaten ein Paket mit radicalen Flugschriften zur Verteilung erhalten, dies aber wegen des Inhalts der Schriften nicht ausgeführt. Der Knabe wird später angeben, das Kistchen von einem unbekannten, 25- bis 30-jährigen Mann mit schwarzem Filzhut erhalten zu haben, der dann auch von anderen Personen an der Ecke Spittelberggasse / Siebensterngasse gesehen worden sein soll. Hätte die brennende Lunte gezündet, wären wohl viele der etwa dreißig Schmiedegesellen in dem anschließenden Werkraum und vermutlich auch der überbringende Knabe verletzt worden. (►8. Oktober 1885)

  • Oktober 1885
    Linz an der Donau (Oberösterreich): Die sich eben erst organisierenden tschechoslawischen Radicalen in Linz an der Donau erleiden durch den Verlust eines Wortführers einen weiteren Rückschlag. Im Oktober 1885 übersiedelt der Kleidermachergehilfe Franz Škopek (1861–1926) von Linz an der Donau nach Graz (Steiermark). Franz Škopek wird allerdings im November 1885 nach Linz an der Donau zurückkehren, wo die tschechoslawischen Radicalen mittlerweile einen geheimen Club gegründet haben und dann zur treibenden Kraft der radicalen Arbeiterbewegung in Oberösterreich werden. (►28. Juli 1885)

  • 8. Oktober 1885 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Der Vorfall vom ►29. September 1885 in Wien 7., Spittelberggasse 6, veranlasst die Sicherheitsbehörde, sämtliche Wachorgane über die Behandlung aufgefundener Explosivgeschosse unterrichten zu lassen. Die Schulung findet am 8. Oktober 1885 in der Sicherheitswach-Kaserne Wieden in Wien 6., Igelgasse 18 [Johann-Strauß-Gasse], durch einen Techniker statt.

  • 13. Oktober 1885 (Dienstag)
    Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Im Zusammenhang mit der am ►26. Juni 1885 erfolgten Auflösung des »Český klub« (Tschechischer Klub) in Dresden (Sachsen) findet am 13. Oktober 1885 vor dem Landes- als Strafgericht Prag der Prozess gegen fünf Radicale aus Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]) und Ruppersdorf (Böhmen [Ruprechtice, zu Liberec, Tschechien]) statt, die unter anderem zu Mitgliedern des »Český klub« Kontakte unterhalten haben sollen und die nun der Geheimbündelei angeklagt werden. Der Tischlergehilfe Vinzenz Fajta wird zu fünf Monaten, der Schlossergehilfe Eduard Mlejnek zu vier Monaten, der Kürschnergehilfe Josef Střecha zu drei Monaten, der Tischlergehilfe Josef Hauft zu sechs Wochen und der Tischlergehilfe Josef Budínský zu vier Wochen strengem Arrest verurteilt.

  • 17. Oktober 1885 (Samstag)
    New York City (New York, USA): Am 17. Oktober 1885 erscheint die erste Nummer der Zeitung »Diblík« (New York; Der Kobold), ein radicales tschechisches Organ mit dem Untertitelmotto »Tyranie, tmářství, porušenost a úplatnost musí zmizet!« (Tyrannei, Dunkelmännertum, Zerstörung und Korruption müssen weg!). Die Zeitung, die am Samstag dem 19. Oktober 1889 eingestellt werden wird, findet in Österreich nur geringe Verbreitung.

  • 19. Oktober 1885 (Montag)
    Wien und Vororte: Am 19. Oktober 1885 wird gegen Mittag 12 Uhr die Polizeibehörde alarmiert, dass es am Salzgries 15 (Wien 1.) vor dem Innungshaus der Schuhmachergehilfen zu einem Exzess gekommen sei. Als eine Abteilung der Sicherheitswache dort eintrifft, stellt sich diese Meldung als übertrieben heraus. Unter den mehreren hundert Schuhmachergehilfen war es lediglich zu einem kleinen Streit gekommen, den ein Sicherheitsorgan schlichten wollte. Als er einschritt, ertönte der Ruf »Nieder mit der Polizei!«, und auch die am Streit nicht beteiligten Gehilfen verfielen in ein Johlen und Geschrei. Als bekannt wird, dass die Polizei alarmiert ist, ergreifen die Schuhmachergehilfen allerdings rasch die Flucht, und die Sicherheitswache findet bei ihrem Eintreffen nur mehr einige hundert Schaulustige vor. Allerdings werden drei Schuhmachergehilfen verhaftet: einer wegen Wachebeleidigung, einer wegen Nichtbefolgung behördlicher Anweisungen und einer wegen Aufreizung gegen ein Wachorgan.

  • 22. Oktober 1885 (Donnerstag)
    Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Im Zusammenhang mit der am ►26. Juni 1885 erfolgten Auflösung des »Český klub« (Tschechischer Klub) in Dresden (Sachsen) findet am 22. Oktober 1885 vor dem Landes- als Strafgericht Prag der Prozess gegen den Kassier des »Český klub«, den Schuhmachergehilfen Josef Lomič, sowie gegen den Schuhmachergehilfen Anton Prškavec, der Beziehungen zu in den USA im Exil lebenden Anarchisten unterhalten haben soll, statt. Die wegen ihrer in Böhmen fortgesetzten sozialistischen Propaganda verhafteten und am Samstag dem 25. Juli 1885 in das Landesgericht Prag eingelieferten Sozialisten werden des Verbrechens der Geheimbündelei angeklagt. Josef Lomič hatte die Vereinskasse des »Český klub« nach Österreich bringen wollen, doch war ihm diese bereits beim Grenzübertritt von den Behörden abgenommen worden. Josef Lomič und Anton Prškavec werden zu je zwei Monaten strengem Arrest verurteilt.

  • Ende Oktober 1885
    Linz an der Donau (Oberösterreich): Ende Oktober 1885 wird in Linz an der Donau von zum Anarchismus tendierenden Radicalen eine Aktionsgruppe gegründet. Initiator ist der aus der Organisationsgruppe (►27. September 1885) ausgetretene Schmiedgehilfe Franz Kropfmüller (1845–1893), dem sich Thomas Prileßnigg und der Maschinenschlosser Franz Kutil (1842–?) anschließen. Dieser geheime Club namens »Grün-Ober« (im Skat die dritthöchste Karte) trifft sich im Gasthaus »zur Stadt Linz«, Hauptplatz 4. Kurz darauf gründen auch der Schuhmachergehilfe Alois Cillich (1862–?) und die Linzer tschechoslawischen Radicalen geheime Clubs. (►24. Jänner 1886) Franz Kutil war übrigens am Montag dem 4. Februar 1884 aus Niederösterreich und am Dienstag dem 16. Juni 1885 aus Budapest (Ungarn) ausgewiesen worden.

  • 5. November 1885 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Am 5. November 1885 wird neben vier weiteren Personen auch der Schuhmachergehilfe Johann Siegl (1850–?) aus Wien ausgewiesen. Angeblich sollte er sich in der Schweiz niederlassen, um von dort den Schmuggel revolutionärer Schriften aus London (England) nach Österreich zu organisieren. Er war jedoch am Wiener Westbahnhof unmittelbar vor seine Abreise festgenommen worden.

  • 6. November 1885 (Freitag)
    Wien und Vororte: Am 6. Novembers 1885 kommt es vormittags zu einem Zwischenfall im Prater (Wien 2.). Der dort beim Lagerhaus der Unionsbank angestellte Lagerhausarbeiter Karl Bosenik (1846–?) soll auf das Polizeikommissariat eskortiert werden, weil er die Arbeiter des Lagerhauses zum Streik aufgefordert habe. Als der Sicherheitswachmann mit Karl Bosenik das auf dem Landungsplatz befindliche »Burian’sche Gasthaus« (Salomon Burian) in Wien 2., Donau-Regulierungs-Gebäude, passiert, stürmen etwa dreißig Arbeiter aus dem Lokal, umringen die beiden und wollen Karl Bosenik befreien. Zufällig kommen zwei Wachmänner vorbei, eilen dem Sicherheitswachmann zu Hilfe, und gemeinsam können sie vier weitere Männer verhaften: die Sackträger Wenzel Czerwenka, der einem Wachebeamten in den Finger beißt, Anton Pokorný, Josef Redlich und Alois Sieber. Die vier und der ursprünglich Verhaftete werden wegen Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit ins Landesgericht Wien eingeliefert.

  • 7. November 1885 (Samstag)
    Wien und Vororte: Am 7. November 1885 wird der nach Verhängung der Ausnahmsverodnungen vom 30. Jänner 1884 stillgelegte »Arbeiter-Bildungsverein Wien« (►4. Februar 1884) wieder aktiviert.

  • 9. November 1885 (Montag)
    Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Im Zusammenhang mit der am ►26. Juni 1885 erfolgten Auflösung des »Český klub« (Tschechischer Klub) in Dresden (Sachsen) findet am 9. November 1885 vor dem Landes- als Strafgericht Prag der Prozess gegen den Geschäftsführer des »Český klub« Josef Černík und dessen Obmann, den Schneidergehilfen Josef Hejl, sowie gegen vier weiter Radicale statt, angeklagt des Verbrechens der Geheimbündelei. Josef Černík wird zu sechs Wochen, Josef Hejl zu fünf Wochen, die vier anderen zu je vier Wochen strengem Arrest verurteilt.

  • 14. November 1885 (Samstag)
    Wien und Vororte: In Breitensee (Niederösterreich [zu Wien 14,]) trifft am 14. November 1885 der Orts-Polizeikommissär Adam Gottwald in Begleitung des Beamten im Versatzamt Josef Fischer um etwa 1 Uhr Früh auf eine Gruppe junger Leute, von denen einer einen Alleebaum ausreißen will. Gottwald will zwar den Burschen festnehmen und auf das Bürgermeisteramt Breitensee bringen, sieht aber angesichts der drohenden Haltung der anderen davon ab und verlässt den Ort des Vorfalls. Die jungen Leute verfolgen jedoch Adam Gottwald, holen ihn in der Nähe des Parks von Breitensee ein, umringen ihn und verwunden ihn durch drei Stiche mit einem Taschenmesser. Danach flüchten die jungen Leute. Die vom Polizei-Agenten-Institut eingeleiteten Untersuchungen werden erst nach zwei Monaten Ergebnisse bringen: Am Freitag dem 15. Jänner 1886 werden als Beteiligte an diesem Vorfall vier amtsbekannte Personen (►8. Juni 1885 und ►25. Juni 1885) in das Landesgericht Wien eingeliefert werden: der Geschäftsdiener Johann Batsch (1859–?), der Metallschleifer Franz Czermak (1864–?), der zugibt, die Messerstiche verübt zu haben, der Buchbindergehilfe Leopold Kautzky (1863–?) und sein Bruder, der Goldarbeitergehilfe Ruppert Kautzky (1867–?). Inwieweit dieser Vorfall etwas mit der radicalen Arbeiterbewegung zu tun hat, bleibt ungeklärt.

  • 15. November 1885 (Sonntag)
    Leoben (Steiermark): Am 15. November 1885 findet vor dem Kreisgericht Leoben der Prozess gegen den am Donnerstag dem 10. September 1885 verhafteten Schuhmachergehilfen Mathias Bergwein und den am Mittwoch dem 16. September 1885 verhafteten Friseur Franz Korwin statt. Die beiden in Bruck an der Mur (Steiermark) Verhafteten sollen Anhänger der Gemäßigten überfallen und misshandelt haben. Wegen Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit werden Mathias Bergwein zu drei und Franz Korwin zu zwei Monaten schwerem, verschärften Kerker verurteilt.

  • 16. November 1885 (Montag)
    Salzburg (Salzburg): Am 16. November 1885 morgens unternimmt der 1884 aus Wien und 1885 aus Budapest (Ungarn) ausgewiesene und von der Salzburger Polizei als Radicaler massiv drangsalierte Schneidergehilfe Anton Fröhlich (1854–1886) einen Mordanschlag auf seinen einstigen Freund, den Schneidergehilfen Peter Borošai (1845–?), Zuschneider eines Modewarengeschäfts in der Getreidegasse 27, unmittelbar vor dem Geschäftslokal, angeblich, weil er einen Verrat durch diesen befürchtet. Er verletzt Peter Borošai durch einen Messerstich in den Hals, so dass dieser schwer verletzt in das St. Johanns-Spital eingeliefert wird. Die Meldung, Peter Borošai sei seinen Verletzungen wenige Stunden nach dem Anschlag erlegen, stellt sich bald als falsch heraus. Nach dem Attentat ergreift Anton Fröhlich die Flucht und wählt den Freitod. Seine teils bereits skelettiert Leiche wird am Montag dem 19. April 1886 am Gossenleier, einer Erhebung des Untersberg in der Gemeinde Grödig (Salzburg), gefunden werden. Er hatte sich vermutlich zunächst erhängen wollen und, nachdem der Riemen gerissen war, sich dann mit einer Zuschneiderschere erstochen.

  • 17. November 1885 (Dienstag)
    Graz (Steiermark): Am 17. November 1885 morgens werden in Graz fünf Arbeiter wegen anarchistischer Umtriebe verhaftet und ins Landesgericht Graz eingeliefert: der Frisör Alois Georg, der Bandagist und Orthopäde Friedrich Jurschitzka, der Schneidermeister Franz Skreiner, Josef Stehlik und der Schneidergehilfe Franz Tlapák. Es wird ein Verfahren wegen Geheimbündelei eingeleitet, doch werden alle Verhafteten am Sonntag dem 22. November 1885 freigelassen werden. (►17. November 1885 und ►17. und 18. November 1885)

  • 17. November 1885 (Dienstag)
    Marburg an der Drau (Steiermark) [Maribor, Slowenien]): Am 11. November 1885 finden in Marburg an der Drau in dessen Abwesenheit beim Schneidergehilfen und Herausgeber der Zeitung »Die Arbeit« (Marburg) Johann Risman (1864–1936) sowie bei deren verantwortlichen Schriftleiter, dem Krankenkassenangestellten Michael Schuster, wegen der Zeitung Hausdurchsuchungen statt. (►17. und 18. November 1885)

  • 17. November 1885 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Am 17. November 1885 stirbt in Wien der von Radicalen gehasste Polizeipräsident Karl Krticzka Freiherr von Jaden (1824–1885) an den Pocken. Amtsnachfolger wird am Mittwoch dem 25. November 1885 Franz Freiherr von Krauß (1837–1919) werden, zunächst nur mit der Leitung betraut, mit Samstag dem 10. Juli 1886 zum Präsidenten der Wiener Polizei-Direktion ernannt.

  • 17. November 1885 (Dienstag) und 18. November 1885 (Mittwoch)
    Cilli (Steiermark) [Celje, Slowenien]) / Graz (Steiermark): Während der in seiner Abwesenheit in Marburg an der Drau (Steiermark [Maribor, Slowenien]) durchgeführten Hausdurchsuchung (►17. November 1885) reist am 17. November 1885 der Schneidergehilfe und Herausgeber der Zeitung »Die Arbeit« (Marburg) Johann Risman (1864–1936) von Marburg an der Drau (Steiermark [Maribor, Slowenien]) nach Cilli, wo am Kreis- als Pressgericht Cilli die Einspruchsverhandlung wegen der Konfiskation der Zeitung »Die Arbeit« stattfindet. Johann Risman wird dort noch am selben Tag auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Graz (Steiermark) verhaftet und am 18. November 1885 ins Landesgericht Graz eingeliefert. Zusammen mit fünf in Graz verhafteten Genossen (►17. November 1885), gegen die ebenfalls eine Untersuchung wegen Geheimbündelei eingeleitet wurde, wird er am Sonntag dem 22. November 1885 freigelassen werden. Johann Risman beschließt nun, von Marburg an der Drau nach Graz zu übersiedeln.

  • 19. November 1885 (Donnerstag) bis 22. November 1885 (Sonntag)
    Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Vom 19. bis 22. November 1885 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Prag unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Hochverratsprozess anlässlich der Herstellung der tschechischen Untergrundzeitung »Svoboda« (New York [recte Lubokey]; Die Freiheit) vom ►16. Oktober 1884 und Betreiben einer geheimen Druckerei in Lubokey (Böhmen [Hluboká, zu Liberec. Tschechien]) statt. (►12. Februar 1885) Wegen der Verbrechen des Hochverrats, der Majestätsbeleidigung, der Aufreizung zum Hass und zur Verachtung gegen die Gerichte und Behörden, der Aufreizung zu Feindseligkeiten gegen einzelne Klassen der Gesellschaft sowie wegen Übertretung des Pressegesetzes und des Waffenpatents werden der Maurergehilfe und Redakteur Josef Pačes (1856–1909) zu sechzehn, der Handlungsgehilfe Christof Černý (1860–1899) zu fünfzehn und der Webergehilfe Johann Rampas (1854–1897) zu zehn Jahren schwerem Kerker verurteilt. Der in dieser Angelegenheit gesuchte vierte Komplize, der Schneidergehilfe Franz Jonata (1852–1917), der bereits im großen Prager Radicalen-Prozess zu vierzehn Monaten schwerem Kerker verurteilt worden war (►23. Jänner bis 4. Februar 1882), hatte sich am Freitag dem 20. Februar 1885 durch Flucht in die Schweiz der gerichtlichen Verfolgung entzogen. Anlässlich des gegenwärtigen Prozesses war Franz Jonata in Zürich / Zurich / Zurigo (Kanton Zürich, Schweiz) verhaftet und in Untersuchungshaft genommen, am ►26. Februar 1885 aus der Schweiz ausgewiesen worden.

  • 24. November 1885 (Dienstag) und 25. November 1885 (Mittwoch)
    Leoben (Steiermark): Am 24. und 25. November 1885 findet vor dem Kreis- als Schwurgericht Leoben der Prozess gegen den Schneidergehilfen Josef Großl (1864–?) statt. Dieser war am Montag dem 14. September 1885 in Bruck an der Mur (Steiermark) verhaftet worden, weil er am Montag dem 7. September 1885 als Leiter einer Versammlung des dortigen »Arbeiter-Bildungsvereins ›Vorwärts‹« im »Topf’schen Gasthaus« revolutionäre Reden zugelassen habe und er im Freundeskreis revolutionäre Lieder, unter anderem das Lied »Der Proletarier« von Johann Most (1846–1906), gesungen habe. Außerdem habe er die Gehilfen des Schneidermeisters Leopold Niederhuber (1831–1901) gedroht habe: »Wer sich von Euch erfrecht, von dem was im Topf’schen Gasthause vorgefallen ist, etwas auszusagen, wird keine sichere Stunde mehr haben.«18 Josef Großl wird wegen Verbrechens des Hochverrats, der Störung der öffentlichen Ruhe und der gefährlichen Drohung zu fünf Jahren schwerem Kerker verurteilt. Er wird nach vier Jahren als so genannter Geisteskranker aus dem Gefängnis entlassen werden.

  • 1. Dezember 1885 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Am 1. Dezember 1885 meldet die Wiener Polizei, dass vor einigen Tagen in einem Briefkasten in Währing (Niederösterreich [zu Wien 18.]) ein offenes, mit »Von der anarchistischen Direction« unterzeichnetes Schreiben gefunden wurde, in welchem gedroht wird, dass das Postamt von Hernals (Niederösterreich [zu Wien 17.]) in wenigen Tagen in Flammen stehen werde. Das mit der Untersuchung beauftragte Polizeikommissariat Ottakring (Niederösterreich [zu Wien 16.]) geht jedoch von einem schlechten Scherz aus.

  • Anfang Dezember 1885
    Wien und Vororte: Anfang Dezember 1885 verhindert angeblich die Polizei in Wien die Aufstellung einer geheimen Druckerpresse der Radicalen.

  • 3. Dezember 1885 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Am 3. Dezember 1885 findet vor dem Ausnahmsgericht Wien in geheimer Verhandlung der Prozess gegen den Kunsttischler Franz Hollmann (1857–?) statt, angeklagt des Hochverrats. Zum Hintergrund: Als Stipendiat der Wiener Kunstgewerbeschule erhielt Franz Hollmann von der Wiener Handels- und Gewerbekammer 250 Gulden, um eine Ausstellung in Antwerpen / Anvers (Belgien) zu besuchen. Im Zuge dieser Reise besuchte er auch London (England), wo er einen Wiener Bekannten namens Pawlíczek getroffen habe, einen Mitarbeiter der Zeitung »Der Rebell« (Nirgendsheim [d. i. London]). Durch diesen habe er auch andere Anarchisten kennen gelernt, welche ihn baten, eine Rolle verbotener Druckschriften nach Wien mitzunehmen. Franz Hollmann wurde aufgrund der Denunziation eines Polizeispitzels sofort bei seiner Ankunft in Wien Ende September 1885 verhaftet. Die bei ihm vorgefundenen Flugblätter »Arbeiter! Als durch die Verhandlungsberichte über das Niederwald-Attentat […]«, endend mit »die Anarchie!« (►Ende April 1885) und »Genossen! Schweizer Bürger!«,19 gezeichnet »Eine geheime Gruppe schweizerischer Anarchisten«, sowie mehrere Exemplare der Zeitung »Der Rebell« wurden beschlagnahmt. Franz Hollmann wird, nachdem seine Kenntnis des Inhalts der Druckschriften vom Gericht als bewiesen angenommen wird, unter Berücksichtigung der von seinem Verteidiger Friedrich Elbogen (1854–1909) vorgebrachten Milderungsgründe zu geringstmöglichen Strafe, nämlich zu drei Jahren schwerem Kerker, verurteilt.##

  • 8. Dezember 1885 (Dienstag)
    Graz (Steiermark): Seit der Nummer 9 (8. Dezember 1885) erscheint die bisher in Marburg an der Drau (Steiermark [Maribor, Slowenien]) verlegte radicale Zeitung »Die Arbeit« in Graz. (►6. August 1885) in Graz. Mit der Nummer vom ►16. April 1886 wird die Zeitung ihr Erscheinen einstellen müssen.

  • 15. Dezember 1885 (Dienstag)
    Wien und Vororte: Am 15. Dezember 1885, am zweiten Todestags des vom Buchbindergehilfen Anton Kammerer (1862–1884) erschossenen Polizeikonzipisten Franz Hlubek (1854–1883), erhält Polizeioberkommissär Camillo Altenburger (1830–1911), Leiter des Polizei-Bezirkskommissariats Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]), einen Drohbrief, gezeichnet »Executivcomité des Anarchistenbundes«, in dem er aufgefordert wird, sein Testament zu machen. (►15. Dezember 1883)

  • 31. Dezember 1885 (Donnerstag)
    Wien und Vororte: Unter dem Datum »31. December 1885« erscheint die von der Polizei-Direktion Wien verfasste und herausgegebene Broschüre »Uebersicht über die socialdemokratische und anarchistische Bewegung in der Zeit vom April bis Ende December 1885 mit besonderer Bedachtnahme auf die Verhältnisse in Oesterreich-Ungarn und die Vorkommnisse im Wiener Polizei-Rayon«.20


 

Weitere Bücher und Broschüren im Kontext anarchistischer Bewegungen in Österreich
Auswahl für das Jahr 1885

  • [Anonym]: Uebersicht über die allgemeine Lage der socialdemokratischen und anarchistischen Bewegung mit besonderer Bedachtnahme auf die Verhältnisse in Oesterreich-Ungarn. (August 1884 bis April 1885.) [Wien]: Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staatsdruckerei [1885], 13 S. Veröffentlichung der Polizei-Direktion Wien.

  • [Anonym]: Uebersicht über die socialdemokratische und anarchistische Bewegung in der Zeit vom April bis Ende December 1885 mit besonderer Bedachtnahme auf die Verhältnisse in Oesterreich-Ungarn und die Vorkommnisse im Wiener Polizei-Rayon. Wien: Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei 1885, 19 S. Veröffentlichung der Polizei-Direktion Wien.

  • Hertzka, Theodor (1845–1924): Das Personen-Porto. Ein Vorschlag zur Durchführung eines billigen Einheitstarifes im Personen-Verkehr der Eisenbahnen und die Discussion darüber im Club österreichischer Eisenbahn-Beamten von Dr. Theodor Hertzka. Wien: Spielhagen & Schurich Verlagsbuchhandlung 1885, II, 178 S.

  • Kaler, Emil (1850–1897): Die Ethik des Utilitarismus. Inaugural-Dissertation, eingereicht bei der Universität Basel von Emil Kaler. Hamburg – Leipzig: Verlag von Leopold Voss 1885, 2 Bl., 78 S. Zugleich Philosophische Dissertation an der Universität Basel 1885.

  • Kaler-Reinthal, Emil; siehe: Kaler, Emil

  • Krasser, Friedrich (1818–1893): Anti-Syllabus von Friedrich Krasser, med. Dr. in Siebenbürgen. [USA]: [ohne Verlagsangabe] [1885], 4 S.

  • Krasser, Hermann [d. i. Friedrich Krasser] (1818–1893): Anti-Syllabus. Von Dr. Hermann Krasser. Preis per Exemplar 5 Centimes. Zürich: Buchhandlung des Schweiz. Grütlivereins [1885], 8 S.

  • Krasser, Friedrich (1818–1893): Ceterum censeo von Dr. Friedrich Krasser. (Verfasser des »Anti-Syllabus.«). [Zürich]: [Buchhandlung des Schweiz. Grütlivereins] [1885], 7 S.

  • Krasser, Hermann; siehe: Krasser, Friedrich

  • Kropotkin, Petr; siehe: Kropotkin, Pjotr Alexejewitsch Fürst

  • Kropotkin, Petr [d. i. Pjotr Alexejewitsch Kropotkin ‹Пётр Алексеевич Кропоткин›] (1842–1921): Mládeži. Přeložil ***. V Chicagu [Chicago]: Nákladem časopisu »Budoucnost« [1885] (= Epištoly revoluce, roc 1885. 1.), 40 S. Original: Aux jeunes gens, in: Le Révolté (Genève), 26. Juni bis 21. August 1880, als Broschüre Genève 1881. Tschechisch: Unserer Jugend. Übersetzt von ***.

  • Meißner, Alfred (1821–1885): Geschichte meines Lebens. Von Alfred Meißner. Billige Ausgabe. Wien – Teschen: Verlag der k. k. Hofbuchhandlung Karl Prohaska 1885, 2 Bände:
    1) Geschichte meines Lebens. Von Alfred Meißner. I. Band. Billige Ausgabe. Wien – Teschen: Verlag der k. k. Hofbuchhandlung Karl Prohaska 1885, VIII, 291 S.
    2) Geschichte meines Lebens. Von Alfred Meißner. II. Band. Billige Ausgabe. Wien – Teschen: Verlag der k. k. Hofbuchhandlung Karl Prohaska 1885, VIII, 351 S.
    Zuerst Wien – Teschen 1884.

  • Most, Johann (1846–1906): August Reinsdorf und die Propaganda der That. Von Johann Most, 50 Erste Straße, New York. [New York]: Im Selbstverlage des Verfassers [März] 1885, 80 S. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landesgerichts Graz vom 16. Februar 1886 in Österreich verboten.

  • Most, Johann (1846–1906): Revolutionäre Kriegswissenschaft. Ein Handbüchlein zur Anleitung betreffend Gebrauches und Herstellung von Nitro-Glycerin, Dynamit, Schießbaumwolle, Knallquecksilber, Bomben, Brandsätzen, Giften u. s. w., u. s. w. Von Johann Most. New York: Druck und Verlag des Internationalen Zeitungs-Vereins [Juli 1885], 71 S. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landesgerichts Graz vom 16. Februar 1886 in Österreich verboten.

  • Most, Johann (1846–1906): Revolutionäre Kriegswissenschaft. Ein Handbüchlein zur Anleitung betreffend Gebrauches und Herstellung von Nitro-Glycerin, Dynamit, Schießbaumwolle, Knallquecksilber, Bomben, Brandsätzen, Giften u. s. w., u. s. w. Von Johann Most. [2. Auflage.] New York: Druck und Verlag des Internationalen Zeitungs-Vereins [1885], 71 S.

  • Most, Johann (1846–1906): Revolutionäre Kriegswissenschaft. Ein Handbüchlein zur Anleitung betreffend Gebrauches und Herstellung von Nitro-Glycerin, Dynamit, Schießbaumwolle, Knallquecksilber, Bomben, Brandsätzen, Giften u. s. w., u. s. w. Von Johann Most. [3. Auflage.] New York: Druck und Verlag des Internationalen Zeitungs-Vereins [1885], 74 S.

  • Most, Johann (1846–1906): Die Gottes-Pest und die Religions-Seuche. Von Johann Most. Sechste Auflage. New York: Internationale Druckerei der »Freiheit« [1886], 16 S.

  • Most, Johann (1846–1906): Die Gottes-Pest und die Religions-Seuche. Von Johann Most. Siebente Auflage. New York: Internationale Druckerei der »Freiheit« [1886], 16 S.

  • Most, Johann (1846–1906): Die Gottes-Pest und die Religions-Seuche. Von Johann Most. Achte Auflage. New York: Internationale Druckerei der »Freiheit« [1886], 16 S.

  • Palda, Lev Jan [d. i. Leopold Palda] (1847–1913): Komuna pařížská. Stručné vypsání událostí sběhnuvších se v pamětihodném hnutí lidu pařížského r. 1871, a i těch, které je bezprostředně předcházely. Na základě různých pramenů, zvláště dle díla Lissagarayova, líčí L. J. Palda. New York: nákladem spisovatelovým 1885, 112 S. Nach Prosper-Olivier Lissagaray (1838–1901). Tschechisch: Die Pariser Kommune. Kurze Auflistung der erfolgten Ereignisse, die sich in der denkwürdigen Bewegung in Paris im Jahr 1871 ereignet haben, und derjenigen, die ihr unmittelbar vorausgingen. Auf Grundlage verschiedener Quellen, insbesondere der Arbeit von Lissagaray, geschildert von L. J. Palda.

  • Popengisel, Julian Apostata (Pseudonym): Himmel, Herrgott, Sakrament, oder: Fort mit den Gespenstern! von Julian Apostata Popengisel, Pfarrer. [Ohne Ort]: Im Selbstverlage des Verfassers [1885], 26 S. In anarchistischen Bewegungen stark rezipierte Broschüre.

  • Schiller, Josef (1846–1897): Ausgewählte Gedichte von Josef Schiller. Reichenberg: Im Selbstverlage des Verfassers [1885], 4 Bände:
    1) Ausgewählte Gedichte von Josef Schiller. I. Heft. Reichenberg: Im Selbstverlage des Verfassers [1885], 16 S.
    2) Ausgewählte Gedichte von Josef Schiller. II. Heft. Reichenberg: Im Selbstverlage des Verfassers [1885], 16 S.
    3) Ausgewählte Gedichte von Josef Schiller. III. Heft. Reichenberg: Im Selbstverlage des Verfassers [1885], 16 S.
    4) Ausgewählte Gedichte von Josef Schiller. IV. Heft. Reichenberg: Im Selbstverlage des Verfassers [1885], 16 S.
    Erweiterte Ausgabe von: Gedichte. Reichenberg 1880.

  • Schiller, Josef (1846–1897): Gedichte. Herausgegeben von Josef Schiller. [Reichenberg]: Im Selbstverlage des Verfassers [1885], ? S. Diese Publikation wird bisweilen als nicht ausgewiesener Band der »Ausgewählten Gedichte« von 1885 geführt. Sie enthält im Gefängnis verfasse Gedichte.

  • Schiller, Seff [d. i. Josef Schiller] (1846–1897): Lustige Gedichte von Seff Schiller. Reichenberg: Im Selbstverlage des Verfassers [1885], ? S.

  • Schiller, Seff [d. i. Josef Schiller] (1846–1897): Der Mensch im Thierreiche. Humoristische Vorlesung von Seff Schiller. Reichenberg: Im Selbstverlage des Verfassers 1885, 15 S.

  • Schiller, Seff; siehe: Schiller, Josef

  • Tambour, Rudolf [d. i. Juda Gergel] (1858–1924): Die literarische Hyksosherrschaft unserer Zeit. Von Rudolf Tambour, 2. Buch. Blätter zur Hebung des Geschmacks auf dem Gebiete der neuesten deutschen Literatur. (III. Lesestück) Die sogenannte öffentliche Meinung. Eine Fastenpredigt. Wien: Buchdruckerei »Helios« 1885 (= Die literarische Hyksosherrschaft unserer Zeit. 2.), IV, 94 S.

  • Zielczak, Józef; siehe: Zieliński, Józef

  • Zielczak, Józef [d. i. Józef Zieliński] (1861–1927): Co robić, gdy kto zachoruje, napisał Józef Zielczak. Z 2-ma obrazkamy. Warszawa: Nakładem autora 1885, 32 S. Druck: Bracia Jeżyńscy, Warszawa. Polnisch: Was tun, wenn jemand krank wird, von Józef Zielczak. Mit 2 Bildern.

 

Verbotene Flugblätter
Auswahl aus dem Jahr 1885

  • [Anonym]: Nieder mit Staat, Kirche und Capital! [Wien]: [Julius Ehinger] [1885], Flugblatt.

  • [Anonym]: Arbeiter! Als durch die Verhandlungsberichte über das Niederwald-Attentat […]. [London]: [Druckerei der Zeitung »Der Rebell«] [1885], Flugblatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 6. Oktober 1885 in Österreich verboten.

  • [Anonym]: An die Arbeiter der ganzen Erde! London: [Druckerei der Zeitung »Der Rebell«] [1885], Flugblatt.

  • [Anonym]: Genossen! Schweizer Bürger! [London]: [ohne Druckerangabe] [1885], Flugblatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 6. Oktober 1885 in Österreich verboten.

  • Pauline König / Katharina Schiller (1848–?) / Marie Behr: Aufruf! An die Arbeiter und Arbeiterinnen! [Gezeichnet] Pauline König, Katharina Schiller und Marie Behr. Reichenberg: Gedruckt bei Karl Ther 22. Juni 1885, Flugblatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Kreisgerichts Reichenberg vom 27. Juni 1885 in Österreich verboten.

 

Für die radicale Arbeiterbewegung in Österreich wichtige Zeitungen und Zeitschriften
Auswahl für das Jahr 1885


Autor: Reinhard Müller
Version: November 2024
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
Copyleft

Daten
bis
31. Dezember 1885
von
1. Januar 1885
  • 1

    Vgl. Andrew R[aymond] Carlson (1934–2010): Anarchism in Germany. Vol. I: The Early Movement. Metuchen, N. J.: The Scarecrow Press, Inc. 1972, S. 321–342.

  • 2

    Vgl. Johann Most (1846–1906): August Reinsdorf und die Propaganda der That. Von Johann Most, 50 Erste Straße, New York. [New York]: Im Selbstverlage des Verfassers [März] 1885, 80 S. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landesgerichts Graz vom 16. Februar 1886 in Österreich verboten.

  • 3

    Zitiert nach [anonym]: Gerichtssaal. [/] Wien, 10. März, in: Wiener Allgemeine Zeitung [/] Morgenblatt (Wien), [6]. Jg., Nr. 1806 (11. März 1885), S. 7.

  • 4

    Vgl. Uebersicht über die allgemeine Lage der socialdemokratischen und anarchistischen Bewegung mit besonderer Bedachtnahme auf die Verhältnisse in Oesterreich-Ungarn. (August 1884 bis April 1885.) [Wien]: Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staatsdruckerei [1885], 13 S.

  • 5

    Vgl. [anonym]: Arbeiter! Als durch die Verhandlungsberichte über das Niederwald-Attentat […]. [London]: [Druckerei der Zeitung »Der Rebell«] [1885], Flugblatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 6. Oktober 1885 in Österreich verboten.

  • 6

    Polizei-Direktion Wien: Brief an das Präsidium der Statthalterei in Linz an der Donau. Wien, am 23. Juni 1885, zitiert nach Helmut Konrad (geb. 1848): Das Entstehen der Arbeiterklasse in Oberösterreich. Wien – München – Zürich: Europaverlag 1981 (= Veröffentlichung des Ludwig Boltzmann Instituts für Geschichte der Arbeiterbewegung.), S. 231. – »Anton Kropfmühl« ist der Schmiedgehilfe Franz Kropfmüller (1845–1893), »Skopek« der Kleidermacher Franz Škopek (1861–1926).

  • 7

    John Neve (1844–1896): Brief an Victor Dave (1845–1922). Juli 1886, zitiert in Max Nettlau (1865–1944): Anarchisten und Sozialrevolutionäre. Die historische Entwicklung des Anarchismus in den Jahren 1880–1886. Berlin: Gilde freiheitlicher Bücherfreunde [1931] (= Beiträge zur Geschichte des Sozialismus, Syndikalismus, Anarchismus. 5. / Gildenbücher. 6.), S. 332–333.

  • 8

    Zitiert nach [anonym]: Aus dem Gerichtssaale. [/] Olmütz, 29. Mai, in: Neue Freie Presse (Wien), [22]. Jg., Nr. 7453 (30. Mai 1885), S. 3.

  • 9

    Vgl. [anonym]: Nieder mit Staat, Kirche und Capital! [Wien]: [Julius Ehinger] [1885], gestempeltes Flugblatt.

  • 10

    Vgl. [anonym]: An die Arbeiter der ganzen Erde! London: [Druckerei der Zeitung »Der Rebell«] [1885], Flugblatt.

  • 11

    Vgl. Pauline König / Katharina Schiller (1848–?) / Marie Behr: Aufruf! An die Arbeiter und Arbeiterinnen! [Gezeichnet] Pauline König, Katharina Schiller und Marie Behr. Reichenberg: Gedruckt bei Karl Ther 22. Juni 1885, 1 Bl. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Kreisgerichts Reichenberg vom 27. Juni 1885 in Österreich verboten.

  • 12

    Radicale in Graz (Steiermark): Brief an die Genossen in Linz an der Donau (Oberösterreich). Graz, im Juli 1885, zitiert nach der Abschrift in: Steiermärkisches Landesarchiv, Graz, Statthalterei-Präsidiale 18 präs. res. / 1885.

  • 13

    Vgl. Übersicht über die socialdemokratische und anarchistische Bewegung in der Zeit vom April bis Ende December 1885 mit besonderer Bedachtnahme auf die Verhältnisse in Österreich-Ungarn und die Vorkommnisse im Wiener Polizei-Rayon. [Wien]: Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei [1886], S. 2–3.

  • 14

    Josef Peukert (1855–1910): Brief an die Radicalen in Graz (Steiermark). London (Ebgland), im November 1885, zitiert nach der Abschrift in: Steiermärkisches Landesarchiv, Graz, 9/811 allein /833/9/3875 / 1885.

  • 15

    Übersicht über die socialdemokratische und anarchistische Bewegung in der Zeit vom April bis Ende December 1885 mit besonderer Bedachtnahme auf die Verhältnisse in Österreich-Ungarn und die Vorkommnisse im Wiener Polizei-Rayon. [Wien]: Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei [1886], S. 3.

  • 16

    Vgl. Johann Most (1846–1906): Revolutionäre Kriegswissenschaft. Ein Handbüchlein zur Anleitung betreffend Gebrauches und Herstellung von Nitro-Glycerin, Dynamit, Schießbaumwolle, Knallquecksilber, Bomben, Brandsätzen, Giften u. s. w., u. s. w. Von Johann Most. New York: Druck und Verlag des Internationalen Zeitungs-Vereins [Juli 1885], 71 S. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landesgerichts Graz vom 16. Februar 1886 in Österreich verboten.

  • 17

    August Krčal (1860–1894): Zur Geschichte der Arbeiter-Bewegung Österreichs. 1867–1892. Eine kritische Darlegung. Graz: Selbstverlag des Verfassers 1893, S. 28.

  • 18

    Zitiert nach [anonym]: Schwurgerichts-Verhandlungen in Leoben. (Originalbericht). [/] Hochverrath, in: Steirische Alpen-Post. (Aussee), 1. Jg., Nr. 36 (6. Dezember 1885), S. 339.

  • 19

    Vgl. [anonym]: Genossen! Schweizer Bürger! [London]: [ohne Druckerangabe] [1885], Flugblatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 6. Oktober 1885 in Österreich verboten.

  • 20

    Vgl. Uebersicht über die socialdemokratische und anarchistische Bewegung in der Zeit vom April bis Ende December 1885 mit besonderer Bedachtnahme auf die Verhältnisse in Oesterreich-Ungarn und die Vorkommnisse im Wiener Polizei-Rayon. Wien: Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei 1885, 19 S.