Anton Kammerer (1862–1884)

Persönliche Daten
Namensvarianten
Pseudonym: A. Marmerek
Deckname: Josef Blum
Deckname: Mathias Haller
Deckname: Arnold Otter
Deckname: Konrad Wilkens
Geburtsdatum
5. April 1862
Sterbedatum
20. September 1884
Sterbeort
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch, dann konfessionslos
Adressen

Vater: Franz Xaver Kammerer (Alservorstadt, Niederösterreich [zu Wien 9.] 1. Mai 1824 – Floridsdorf, Niederösterreich [zu Wien 21.] 23. Oktober 1893), unehelicher Sohn einer Wäscherin: Weichenwächter bei der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn; Heirat in Jedlesee (Niederösterreich [zu Wien 21.]) am 31. August 1852 mit:
Mutter: Franziska Kammerer, geborene Francisca Überreiter (Tulln, Niederösterreich 3. November 1825 – Floridsdorf, Niederösterreich [zu Wien 21.] 26. Jänner 1900), Tochter einer Inwohnerin und eines Inwohners: Hausfrau
BruderFranz Kammerer; d. i. Franz Xaver Kammerer (Jedlesee, Niederösterreich [zu Wien 21.] 12. Jänner 1854 – ?): Oberpartieführer bei der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn, dann Fabrikarbeiter; seit 21. April 1897 konfessionslos; Heirat in Deutsch-Wagram (Niederösterreich) am 21. Oktober 1879 mit Maria Kießling (Deutsch-Wagram, Niederösterreich 16. März 1849 – ?), außereheliche Tochter: Hausfrau
Schwester: Totgeburt (Floridsdorf, Niederösterreich [zu Wien 21.] 1. Jänner 1856)
Bruder: Michael Kammerer (Floridsdorf, Niederösterreich [zu Wien 21.] 17. Jänner 1857 – ?): Bahnaufseher bei der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn; Heirat in Priwoz (Mähren [Přívoz, zu Ostrava, Tschechien]) am 2. März 1886 mit Rosa Auf (Priwoz, Mähren [Přívoz, zu Ostrava, Tschechien] 20. August 1860 – ?), Tochter einer Hausfrau und eines Magazinoberaufsehers: Hausfrau
Bruder: Johann Kammerer (Stiebnig, Österreichisch-Schlesien [Jistebník, Tschechien] 31. August 1859 – Floridsdorf, Niederösterreich [zu Wien 21.] 18. April 1893): Taglöhner, Fabrikarbeiter. Er wurde im Februar 1848 in seiner zuständigen Heimatgemeinde Jedlesee (Niederösterreich [zu Wien 21.]) vorübergehend konfiniert. Erste Heirat in Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) am 24. Mai 1885 mit Maria Johann Brandstätter (Hernals 25. Februar 1860 – ?), Tochter einer Hausfrau und eines Taglöhners; Trauzeuge war sein Bruder Michale Kammerer; zweite Heirat in Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) am 31. Oktober 1886 mit Anna Durst (Jedlesee, Niederösterreich [zu Wien 21.] 17. Mai 1862 – ?, Tochter einer Hausfrau und eines Schiffmanns); die Witwe Anna Kammerer heiratete in Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) am 5. November 1893 den Kanzleidiener bei der Kaiser-Ferdinands-NordbahnKarl Mortinger (Altbrünn, Mähren 21. Oktober 1852 – ?)
Schwester: Therese Kammerer

Biographie

Anton Kammerer in Wien

Anton Kammerer, zuständig nach Jedlesee (Niederösterreich [zu Wien 21.]), absolvierte die Volksschule mit sehr gutem Erfolg und wollte Lehrer werden. Obwohl er sein Gesuch um ein Stipendium rechtzeitig eingereicht hatte, wurde es 1876 mit der Begründung einer zu späten Einreichung abgewiesen. Kammerer machte daraufhin eine Buchbinderlehre, welche er 1879 abschloss. In dieser Zeit wurde er Mitglied des »Arbeiter-Bildungsvereins in Floridsdorf« in Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]), in dem er bald in den Ausschuss gewählt wurde, und schloss sich der radicalen Arbeiterbewegung an. 1880 fand Kammerer bei der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn als Verschieber Arbeit und wurde 1881 provisorischer Weichenwärter. Am 15. Mai 1882 fand im Gemeinde-Gasthaus in Großjedlersdorf 21 (Niederösterreich [zu Wien 21.]) eine Volksversammlung zur Tagesordnung »Die Forderungen des vierten Standes gegenüber dem Forum des Parlaments« statt, an der rund dreihundert Arbeiter teilnahmen. Neben dem Fabrikarbeiter und nunmehrigen Magazinaufseher Josef Gröger (1851–?), dem Webergehilfen Josef Hybeš (1850–1921) und dem Maschinenschlossergehilfen und Metallarbeiter, Stefan Pauler (1840–?) sprach hier auch Anton Kammerer. Am Ende der Veranstaltung verwies Josef Gröger auf die Worte des liberalen Reichsratsabgeordneten Ferdinand Kronawetter (1838–1913): »Die Arbeiter werden ihr Wahlrecht nicht verlangen, nein, sie werden es bekommen.«1 Für Kammerer wichtig wurde jener Prozess, der vom 9. bis 12. Juni 1882 vor dem Kreis- als Schwurgericht Korneuburg (Niederösterreich), teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit, stattfand. Angeklagt wurden wegen Schmuggels der Zeitung »Freiheit« (London) der auf Ersuchen der Polizeidirektion Wien am 5. Dezember 1881 in Bregenz (Vorarlberg) verhaftete Tischlergehilfe Hermann Hinterstoißer (1854–1905) und wegen Verbreitung verbotener Druckschriften der am 13. Jänner 1882 in Floridsdorf verhaftete Kupferschmiedgehilfe Karl Urbanek (1848–?) sowie dessen Ehefrau, die Hausfrau Rosa Urbanek (1846–?), und die am 27. Dezember 1881 in Floridsdorf verhafteten Wilhelm Till (1851–?), Webergehilfe, und Otto Schellenträger (1860–?), Tischlergeselle. Wegen Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, Vergehens gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung sowie gegen das Pressegesetz wurden Hermann Hinterstoißer zu zwei Jahren schwerem Kerker, Wilhelm Till und Karl Urbanek zu je einem Jahr verschärftem Kerker sowie Otto Schellenträger zu vierzehn Tagen strengem Arrest verurteilt. Rosa Urbanek wurde freigesprochen, Otto Schellenträger als Ausländer am 26. Juni 1882 nach Sachsen-Weimar-Thüringen abgeschafft. Die Leumundsnoten der Angeklagten hatte der Polizeikonzipist Franz Hlubek (1854–1883) verfasst, der auch als Zeuge auftrat und die Angeklagten mit seiner Aussage belastete. Vertrauensmann der Angeklagten war Anton Kammerer, der am 15. Dezember 1883 Franz Hlubek erschießen wird. Die Verurteilung von Wilhelm Till und Karl Urbanek, beide Ausschussmitglieder des »Arbeiter-Bildungsvereins in Floridsdorf«, war ein gewichtiges Argument für die behördliche Auflösung des 1871 gegründeten wichtigen Arbeitervereins mit Bescheid vom 19. Juli 1882. Noch folgenreicher als dieser Prozess war ein anderes Ereignis für das Leben Anton Kammerers: Er wurde am 16. April 1882 als Infanterist für das k. k. Infanterie-Regiment Nr. 4 »Hoch- und Deutschmeister« für tauglich befunden und mit 31. Dezember 1882 zum neu errichteten Infanterie-Regiment Nr. 84 »Freiherr von Bauer« transferiert, jedoch bis zur Einberufung beurlaubt.

Anton Kammerer in der Schweiz. August 1882 bis Dezember 1883

Anlässlich der drohenden Einberufung, vor allem aber wegen der polizeilichen Razzien anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre, also dem von den Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?) und Franz Pfleger (1831–1884) am 4. Juli 1882 verübten Raubüberfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) zur Geldbeschaffung für die radicale Arbeiterbewegung, flüchtete Anton Kammerer am 24. August 1882 aus Floridsdorf in die Schweiz. Mit der Eisenbahn reiste er bis Innsbruck (Tirol) und setzte dann seinen Weg zu Fuß in die Schweiz fort. Kammerer arbeitete eine Zeit lang in Thun / Thoune / Thuno (Kanton Bern) und Freiburg / Fribourg / Friburgo (Kanton Freiburg). Dann begab er sich nach Bern / Berne / Berna (Kanton Bern), wo er Mitglied des »Arbeitervereins ›Freiheit‹« wurde. Kammerer arbeitete hier seit Jänner 1883 als Buchbinder in einer Schreibbücherfabrik. Er vertrieb die Zeitung »Die Zukunft« (Wien) in Bern und vermittelte vermutlich den Schmuggel verbotener Druckschriften nach Österreich, wobei er mit mehreren hier im Exil lebenden Anarchisten Kontakt hatte, unter anderem mit den Schneidergehilfen Karl Falk (1859–1938) und Mathias Lissa (~1846–?). Am19. Mai 1883 erschien in der Zeitung »Freiheit« (New York) eine »A. Marmerek« gezeichneter Artikel, in welchem mit der Ermordung des eben zum Polizeirat bei der Polizei-Direktion Wien ernannten Alexander Viditz (1824–1907), des Wiener Polizeikonzipisten Franz Hlubek und des Wiener Polizei-Detektivs Ferdinand Blöch (1844–1884) gedroht wurde: »Alle Genossen sollten sich indess die Aufgabe stellen, solche Individuen unschädlich zu machen, wo sich Gelegenheit bietet – einen Strick um ihren Hals und an den nächsten Baum mit ihnen! Darum appellire ich an Euch Genossen Floridsdorfs, beginnt das Rächeramt! Ihr kennt die Schurken Vidiz, Chlubek, Blech und Konsorten, die durch Denunziation brave Männer in den Kerker brachten und sich nicht scheuten, meineidig zu werden. (Prozess Till Ulbaneketz), um uns zu unterdrücken. An alle Arbeiter Oesterreichs aber ergeht unser Ruf, angesichts solcher himmelschreienden Dinge aufzuwachen, ihre Lage zu begreifen und sich im Verein mit den Arbeitern anderer Länder zum letzten Sturm zu organisiren, damit der Ausbeuter-Staat endlich unter den Hammerschlägen der sozialen Revolution in Scherben fliegt.«2 Das Pseudonym des Autors ist ein Anagramm von Anton Kammerer. Kurz danach, am 28. März 1883, affichierte das Kreisgericht Korneuburg Anton Kammerer wegen sozialistischer Umtriebe auf dem Gemeindeamt Jedlesee. Und mit dem Regiments-Stabsbefehl vom 26. beziehungsweise 30. Mai 1883 wurde der zum Militärdienst einberufene Anton Kammerer als Deserteur gemeldet. Im Juni 1883 lernte Kammerer den in Preußen geborenen Schuhmachergesellen Hermann Stellmacher (1853–1884), mit dem er schon seit einiger Zeit korrespondierte, erstmals persönlich kennen. Dazu reiste Anton Kammerer nach Zürich / Zurich / Zurigo (Kanton Zürich), um sich dort vorgeblich die am 1. Mai 1883 eröffnete Landesausstellung anzusehen. In einem Brief an den Webergehilfen Franz Schustaczek (1850–1908) meinte Kammerer damals, dass es vielleicht doch möglich sei, dass die Propaganda der Tat zur Befreiung führe. Im August 1883 fand in St. Gallen / Saint-Gall / San Gallo (Kanton St. Gallen) eine geheime Konferenz in der Schweiz lebender deutschsprachiger Sozialrevolutionäre statt, auf welcher der Beschluss gefasst wurde, mit der Propaganda der Tat in Deutschland und Österreich vorzugehen. Kontaktleute für Österreich waren der am 12 März 1882 aus Wien geflüchtete Schneidergehilfe Ignaz Formanek (1854–nach 1905) in St. Gallen, Anton Kammerer in Bern, der am 22. April 1883 aus Österreich ausgewiesene und am 23. Mai 1883 aus Wien abgereiste Tischlergehilfe Michael Kumić (1853–?) und Hermann Stellmacher, welche schon bisher für den Schmuggel der Zeitung »Freiheit« (London, dann New York) und anderer sozialrevolutionärer Druckschriften aus der Schweiz nach Österreich zuständig waren. Nach Ansicht der Behörden wurde hier auch jene aus Anton Kammerer, Michael Kumić, Hermann Stellmacher und einem Unbekannten bestehende Gruppe gebildet, welche später die Attentate in Straßburg (Elsaß-Lothringen [Strasbourg, Frankreich]) und Stuttgart (Württemberg [Baden-Württemberg]) verübte.

Anton Kammerer war bereits seit mindestens dem 17. Oktober 1882 – nach eigener, allerdings nachweislich fingierter Angabe – durchgängig bis 14. Februar 1884 in der Schweiz als Buchbinder tätig. Er war jedoch nachweislich vom 21. bis 23. Oktober 1883 aus Bern abwesend, und er konnte für diese Zeit auch kein Alibi beibringen. Diese drei Tage wurden zum Wendepunkt für die Sozialrevolutionäre in Österreich, wenngleich der Zusammenhang mit Österreich erst Wochen später aufgedeckt wurde.

Das Attentat in Straßburg. 22. Oktober 1883

Am 22. Oktober 1883 fand das erste, für die radicale Arbeiterbewegung Österreichs bedeutsame Attentat statt, an welchem laut polizeilichen Erhebungen Anton Kammerer, Michael Kumić und Hermann Stellmacher beteiligt waren; dazu kam noch ein unbekannt gebliebener vierter Attentäter. Nach polizeilichen Erhebungen reisten drei später als Täter identifizierte Personen am 21. Oktober 1883 mit dem Zug von Lauterbach (Preußen [zu Völklingen, Saarland]) nach Straßburg (Elsaß-Lothringen [Strasbourg, Frankreich]). Ursprünglich war laut polizeilichen Erhebungen die Ermordung von Andreas Kaltenbach, kaiserlicher Polizeiinspektor in Mülhausen (Elsaß-Lothringen [Mulhouse, Frankreich]) geplant. Diesem hatte sich Hermann Stellmacher schon früher in einem mit »Zürich, 19. Jänner 1883« datierten Brief als Spion angeboten. Dieser Attentatsplan sei jedoch gescheitert. Drei Attentäter mieteten beim Bahnhof Straßburg am 22. Oktober 1883 zwischen 21 und 22 Uhr eine Kutsche, vorgeblich zu einer Spazierfahrt in die Umgebung der Stadt. Unter dem Viadukt beim Tor nach Kronenburg (Elsaß-Lothringen [Cronenbourg, zu Strasbourg, Frankreich]) ließen sie den Kutscher anhalten. Als der Droschkenkutscher Michael Schätzle (~1852–?) abstieg, um zum Fenster der Droschke zu gehen, wurde er laut Polizei von Anton Kammerer von hinten festgehalten und gewürgt, während ihn Hermann Stellmacher mittels eines Schwammes mit Chloroform zu betäuben versuchte. Das Unternehmen scheiterte aber am heftigen Widerstand Schätzles, der außerdem laut um Hilfe schrie. Daraufhin flüchteten die Attentäter und wollten sich laut polizeilichen Erhebungen beim Pulverturm vor dem Spitaltor, Kasematte 21–22 [bei der Rue de la 1ère Armée], maskieren. Dabei wurden sie aber von dem wachestehenden Musketier Johann Adels (?–1883) vom 1. Rheinischen Infanterieregiment Nr. 25, ein gelernter Schreiner, überrascht. Offensichtlich ging Adels mit gefälltem, allerdings ungeladenem Gewehr auf die drei Männer los. Laut Polizei habe sich Anton Kammerer auf den Soldaten gestürzt und ihn von hinten festgehalten, während Hermann Stellmacher dem Soldaten das Gewehr entriss und ihn mit mehreren Kolbenhieben auf den Kopf so schwer verletzte, dass Adels noch in den Morgenstunden des 23. Oktober 1883 seinen Verletzungen erlag. Dieses Attentat erfolgte nachweislich noch vor 23 Uhr 45. Johann Adels wurde allerdings erst im Zuge der Wachablöse um 1 Uhr morgens gefunden, schwer verletzt, mit sechzehn Stichwunden und zertrümmertem Schädel; an seinem Gewehr, dessen Kolben ebenfalls zertrümmert war, klebte Gehirnmasse. Nahe dem Tatort wurden später auch ein Rebmesser, allerdings ohne Blutspuren, und ein falscher Bart gefunden. Danach fuhren laut polizeilicher Erhebung die vier Attentäter zur Apotheke »zum Storch« von Emil Reeb (1843–1928), Lange Straße 2 [Grande Rue]. Hier läuteten sie um etwa 23 Uhr 45 den im Haus wohnenden Apothekergehilfen Franz Lienhardt (~1833–1883) aus dem Bett. Er öffnete die Tür, um ein Rezept einzulösen. Während er das von einem Arzt in Zürich ausgestellte Rezept von Hermann Stellmacher überprüfte, wurde Lienhardt überfallen und – wie die Polizei später meinte – von Anton Kammerer ermordet, wobei Lienhardt, der noch in ein Nebenzimmer flüchten konnte, siebenunddreißig Hiebwunden beigebracht worden sein sollen. Die durch den Lärm und das Klingeln der elektrischen Kasse alarmierte Ehefrau des Apothekenbesitzers Louise Bertha Reeb (1853–1934) weckte ihren Mann, der dann in der Apotheke den ermordeten Lienhardt vorfand: der Kopf gespalten, ein Stich in der Brust, ein Stich im Oberschenkel, beide Pulsadern durchschnitten. Aufgrund der Blutspuren vermuteten die Behörden mehrere Täter und als Tatwaffe ein schweres Metzgermesser. Kammerer und Stellmacher sowie der vor der Türe wachestehende Attentäter ergriffen nun die Flucht, wobei sie die Kassette mit Geld wegwarfen, sodass sie nur den Bestand an Kleinmünzen, rund 50 Mark, rauben konnten. Neben Geld sollen auch Gift und Chemikalien geraubt worden sein. Bevor der Soldat Johann Adels noch am 23. Oktober 1883 nach kaum zwölf Stunden seinen Verletzungen erlag, gab er an, dass ihn vier Männer überfallen hätten. Es wurde nun eine Belohnung für die Beibringung der Mörder in der Höhe von 1.000, eventuell 2.000 Mark ausgesetzt, und allein innerhalb der nächsten zwei Wochen wurden über 300 Verhaftungen vorgenommen. Der Zusammenhang mit Sozialrevolutionären wurde im Zuge der polizeilichen Erhebungen erst später offenkundig, wobei Geldbeschaffung für revolutionäre Zwecke sowie für die Verbreitung sozialistischer Schriften als Hauptmotiv angenommen wurden. Gerichtlich verurteilt wurde für dieses Attentat Anton Kammerer, der seine Beteiligung gestanden haben soll, am 6. September 1884. Für Kammerer besonders belastend war, dass am Tatort eine stählerne Uhrkette gefunden wurde, die nach Aussagen von Kammerers Mitarbeitern jener von Kammerer zumindest »ähnlich« sei.

Mitte November 1883 verließ Anton Kammerer Bern endgültig: mit unbekanntem Ziel. Angeblich wollte er in die USA auswandern, was auch in einer Notiz in der Zeitung »Freiheit« (New York) vom 8. Dezember 1883 vermerkt wurde. Und seinen Eltern ließ Kammerer einen Brief aus New York City (New York, USA) zukommen.

Das Attentat in Stuttgart. 21. November 1883

Am 21. November 1883 fand das zweite, für die radicale Arbeiterbewegung Österreichs bedeutsame Attentat statt, an welchem laut polizeilichen Erhebungen Anton Kammerer, Michael Kumić und Hermann Stellmacher beteiligt waren; dazu kam noch ein unbekannt gebliebener vierter Attentäter. Bereits am Abend des 20. November 1882 sei Michael Kumić nach eigenen Angaben gemäß einer brieflichen Aufforderung aus St. Gallen kommend in Stuttgart (Württemberg [Baden-Württemberg]) eingetroffen, wo er in der Keinath’schen Gastwirtschaft von einem gewissen Josef Limbacher (~1858–?), Schlossergeselle aus Bayern, empfangen und einem gewissen August Wolf, Schlossergeselle aus Nürnberg (Bayern), vorgestellt worden sei. Ein Vierter, vom Beruf Schneider, sei dann noch hinzugestoßen. Am 21. November 1883 wurden gegen 18 Uhr der Wechselstubenbesitzer Josef Heilbronner (1850–1930), Kronprinzstraße 12, und sein zufällig anwesender Freund, der Kaufmann Louis Oettinger (~1856–?), von drei Männern überfallen, mit Bleihämmern zu Boden gestreckt und beraubt. Wie die Polizei später feststellte, soll Anton Kammerer Josef Heilbronner und Hermann Stellmacher Louis Oettinger niedergeschlagen haben. Eine vierte Person soll zunächst vor dem Geschäft Wache gestanden haben. Nachdem der Inhaber und sein Freund schwer verletzt niedergeschlagen im Geschäftslokal lagen, trat auch der unbekannte Attentäter in das Geschäft ein und beteiligte sich am Raub, der aber wegen der Hilferufe Josef Heilbronners, der sich zur Tür schleppen konnte, nur sehr hastig ausgeführt werden konnte. Angeblich wurden 2.000 Mark und 3.000 Mark in Gold sowie zahlreiche Wertpapiere und Wechsel geraubt: Gesamtwert über 17.000 Mark. Vier Bleihämmer wurden am Tatort zurückgelassen. Josef Heilbronner hatte acht verschiedene Wunden an Kopf, Hand und Arm, darunter ein komplizierter Schädelknochenbruch mit Depression. Louis Oettinger erlitt bei dem Überfall vier Wunden, darunter einen Schädelbruch, von dem er eine lebenslange Schädigung davontrug. Außerdem wurde ihm beim Überfall ein künstliches Bein, das er trug, vom Körper gerissen. Die Täter mussten schließlich flüchten, weil zwei Mädchen im Haus auf den Lärm aufmerksam wurden und den Besitzer eines im Haus untergebrachten Restaurants verständigten, der dann zusammen mit einem Gast Nachschau hielt. Zumindest einer der Attentäter begab sich danach zum Bahnhof, trank dort noch ein Bier und bestieg schließlich den Zug nach Pforzheim (Baden [Baden-Württemberg]). Am Abend des 21. November 1883, gegen 20 Uhr 30, wurde der angebliche Schlossergeselle Ernst Baum aus Chemnitz (Sachsen) im Bahnhof von Pforzheim verhaftet. Beamte durchsuchten gerade den aus Stuttgart angekommenen Zug nach den drei avisierten Attentätern: die angeblichen Schlossergesellen Ernst Baum, Josef Limbacher und August Wolf. Die Beamten wussten, dass es sich um falsche Namen handelte. Einer von ihnen, Ernst Baum, wurde noch im Zug festgenommen. Nach dem Aussteigen brachte er vor dem Telegrafenbüro des Bahnhofs plötzlich ein Sprenggeschoss zur Explosion. Im Zuge des Handgemenges mit den Beamten wurde Ernst Baum zu Boden geworfen. Er brachte ein zweites Sprenggeschoss zur Explosion und verletzte dadurch einen Gendarmerie-Wachtmeister an Arm und Kopf. Auch einige umstehende Beamte erlitten Brandwunden. Ernst Baum, der bei der Festnahme selbst an Brust und Kopf verwundet wurde, hatte einen geladenen Revolver mit sechs Schuss Munition und 946 Mark aus der Beute des Bankraubs bei sich. Als Täter des Überfalls auf Josef Heilbronner wurden zunächst vier Personen gesucht, die in der Nacht vom 20. auf den 21. November 1883 in der Keinath’schen Gastwirtschaft in Stuttgart übernachtet hatten: 1) Karl Slemer, der später als Karl Slamer (~1858–?), Schneidergeselle aus Baden-Baden, und schließlich als Michael Kumić identifiziert wurde; 2) Julius Wagner (~1858–?), Mechaniker aus Freiburg im Breisgau (Baden [Baden-Württemberg]), hinter dem die Polizei zunächst den Schlossergesellen Josef Limbacher (~1858–?) aus Herrieden (Bayern) vermutete; 3) Franz Kreutzer alias Theodor (~1858–?), gelernter Schneidergeselle und nunmehriger Kellner aus Oberursel [Oberursel (Taunus)] (Hessen), hinter dem die Polizei zunächst den Kellner Anton Kreutzer (~1860–?) aus Seckenheim [zu Mannheim] (Baden [Baden-Württemberg]) oder Josef Kreutzer (1857–?), Steinhauer aus Wiesethbruck [zu Bechhofen] (Bayern) vermutete; 4) August Wolf, Schlossergeselle aus Nürnberg, hinter dem die Polizei später Ernst Baum alias Karl Slamer vermutete. Sowohl Josef Limbacher wie auch Anton Kreutzer und Josef Kreutzer waren bereits mehrfach wegen Diebstahls vorbestraft. Steckbrieflich gesucht wurden zunächst der gelernte Schneidergeselle und nunmehrige Kellner Franz Kreutzer aus Oberursel, der Schlossergeselle Josef Limbacher aus Bayern und der Schlossergeselle August Wolf aus Nürnberg. Das königliche württembergische Justizministerium setzte eine Belohnung von 1.500 Mark für sachdienliche Hinweise zur Ergreifung der Täter aus. Aufgeklärt wurde zunächst nur der Fall des im Zug festgenommenen Ernst Baum. Sein Pass stellte sich rasch als falsch heraus, wobei man zunächst hinter dem Festgenommenen den Schneidergesellen Karl Slamer aus Baden-Baden vermutete. Am 23. November 1883 wurde er ins Justizgefängnis Stuttgart eingeliefert. Hier entpuppte sich Ernst Baum beziehungsweise Karl Slamer im Laufe der Verhöre als Michael Kumić. Erst als Kumić am 26. November 1883 seine Identität preisgab, wurde von der Polizei nach den anderen Attentätern in sozialistischen Kreisen gesucht. Allerdings weigerte sich Kumić, die Namen seiner Komplizen zu nennen. Als Mittäter am Überfall auf Josef Heilbronner vermutete die Polizei schließlich Anton Kammerer und Hermann Stellmacher. Michael Kumić, der den Raub in Stuttgart gestand – er war angeblich die Wache stehende vierte Person –, wurde am 30. Juni 1884 verurteilt, Anton Kammerer, der seine Beteiligung ebenfalls gestanden haben soll, am 6. September 1884.

Anton Kammerer wieder in Wien. Dezember 1883

In der Nummer 49 (8. Dezember 1883) der Zeitung »Freiheit« (New York) wurde – allerdings fingiert – die Ankunft von Anton Kammerer in New York City (New York, USA) mitgeteilt: »Die Genossen KAMMERER und DANGELMEIER, früher in Bern, sind in New-York eingetroffen. Sie rufen hiermit ihren zurückgebliebenen Kameraden ein herzliches Lebewohl zu und versprechen getreuliche Fortsetzung des Kampfes gegen jede Tyrannei.«3 Sicher ist, dass Anton Kammerer Anfang Dezember 1883 nach Wien zurückkehrte. Hier quartierte er sich zwischen dem 7. und 15. Dezember 1883 als »Arnold Otter« bei der Kleidermacherin Antonia Swoboda in Wien 7., Neustiftgasse 21, ein, wo er sein Zimmer mit zwei anderen teilen musste. Kammerer benutzte dabei die Ausweispapiere des im Dezember 1882 in Bern verstorbenen Schweizer Anarchisten Arnold Otter (?–1882), Bruder des Anarchisten und Schneiders Viktor Otter, bei dem Kammerer in Bern eine Zeitlang gewohnt hatte. Der Schneider Viktor Otter wurde im März 1884 von der Polizei in Freiburg / Fribourg / Friburgo (Kanton Freiburg) verhaftet, nach Klärung des Dokumentendiebstahls durch Anton Kammerer jedoch wieder freigelassen. Als schweizerischer Staatsbürger hätte Otter ohnedies nicht ausgewiesen werden können. Viktor Otter wurde im März 1885 wegen seiner Verbindungen zu Anton Kammerer neuerlich verhaftet. Zurück zu Anton Kammerer. Er schrieb in einem Brief an einen Genossen kurz vor seiner Abreise nach Wien: »Seit vier Tagen befinde ich mich in …. Ich bin krank, meine Glieder sind ermattet und versagen den Dienst. Aber mein Geist ist der alte; ich werde nicht unterliegen. Wir dürfen nicht ruhen, bis der letzte morsche Stein der kapitalistischen Gesellschaft von den Hammerschlägen der sozialen Revolution zermalmt ist. Sendet mir sobald als möglich .... etwas Geld; es wird das letzte sein, welches ich brauche. Ich gehe, mein Leben zu opfern, dazu bedarf ich der Unterstützung. Eilet! Ich muß am …. in …. sein.«4

Die Ermordung des Polizeikonzipisten Franz Hlubek. 15. Dezember 1883

Am 15. Dezember 1883 erreichten die sozialrevolutionären Attentate Wien. Am Abend dieses Tags, seit 20 Uhr, hielt der Brotführer Ferdinand Schaffhauser (1836–190?) in einer von den Webergehilfen Johann Till (1863–?) und Alois Siegel einberufenen Versammlung des »Gewerbevereins sämtlicher Stuhlarbeiter und Stuhlarbeiterinnen für Wien« vor etwa vierzig Zuhörern im Gasthaus Franz Aschenbrenner in Großjedlersdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]), Brünner Straße 203, einen Vortrag über »Antikes und modernes Proletariat«, und zwar im Lesezimmer des dort erst seit etwa drei Wochen untergebrachten »Bildungsvereins der Eisen- und Metalldreher«. Unter den Anwesenden befand sich auch der radicale Bäckergehilfe Franz Poppenwimmer (1863–1918), der später im Prozess auch als Zeuge aussagen musste. Nach dem Ende der Veranstaltung unterhielt sich der Polizeikonzipist Franz Hlubek (1855–1883) am Tresen noch eine Weile mit Ferdinand Schaffhauser und Johann Till und verließ um etwa 21 Uhr das Lokal, um zu seinem am anderen Ende der Straße gelegenen Wohnhaus in Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]), Hauptstraße 46 [Floridsorfer Hauptstraße], zu gehen. Dabei begleitete ihn der Vortragende Ferdinand Schaffhauser bis zum Friedhof an der Ortsgrenze von Großjedlersdorf, trennte sich aber dort von ihm, um kurz nach 21 Uhr im »Beránek’schen Gasthaus« (Roman Beránek und Julie Beránek) in Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]), Hauptstraße 58 [Floridsdorfer Hauptstraße], noch eine Vorlesung des Arbeiters Ignaz Dörrich zu besuchen. Der in der radicalen Arbeiterschaft verhasste Franz Hlubek wurde kurz nach 21 Uhr, kaum dreihundert Schritte von Franz Aschenbrenners Gasthaus entfernt, erschossen. Aus etwa fünf Schritte Entfernung, von rückwärts in den Kopf geschossen, verstarb er an Gehirnlähmung infolge einer Schusswunde. Durch den Schuss alarmiert, eilten der Tischler Franz Fleischhacker (1861–1914) und der Kesselschmied Robert Hanke (~1853–?) zum Tatort, konnten nur einen regungslos am Boden liegenden Mann erkennen, wobei sie einen Freitod annahmen. Sie begaben sich sofort zur nahegelegenen Sicherheitswache. Der amtierende Wachmann trug gemeinsam mit dem Floridsdorfer Totengräber die Leiche in die Totenkammer des dem Tatort gegenüberliegenden Friedhofs, wo der Wachmann erst seinen Kollegen erkannte. Geld, die Uhr samt silberner Uhrkette und auch das Notizbuch mit den Eintragungen zum Vortrag dieses Abends waren noch vorhanden. Kurz darauf durchstreiften berittene Sicherheitsleute die Gegend, konnten aber den flüchtigen Täter nicht fassen. Noch in der Nacht des 15. Dezember 1883 wurde mit dem Verhör Verdächtiger begonnen, wobei sieben Teilnehmer von Ferdinand Schaffhausers Vortrag vorübergehend festgenommen wurden. Schließlich wurden Ferdinand Schaffhauser als Hauptverdächtiger sowie Johann Till verhaftet. Sie wurden am 16. Dezember 1883 zusammen mit zwei mittlerweile ebenfalls Verhafteten, dem Lackierer in einer Lokomotivfabrik Johann Ondra (1856–?) und dem Webergehilfen Josef Till (1855–?), unter dem Verdacht des Meuchelmords in das Kreisgericht Korneuburg (Niederösterreich) eingeliefert. Schon am 16. Dezember 1883 setzte die Polizei eine Belohnung von 1.000 Gulden zur Ergreifung des Täters aus. Anton Kammerer soll das Attentat auf Franz Hlubek später gestanden haben, die einzige der ihm angelasteten Taten, die er nachweislich begangen hatte. Interessanterweise vertrat der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) in seinen Erinnerungen eine deutlich abweichende Version der Ereignisse. Er habe Anton Kammerer »nicht ganz eine Woche nach dem Schusse in Floridsdorf« getroffen.5 Tatsächlich muss dieses Treffen einen Tag nach dem Attentat, also am 16. Dezember 1883, stattgefunden haben, also an jenem Tag, an welchem Anton Kammerer Wien Richtung Mähren verließ, um erst am 7. Jänner 1884 nach Wien zurückzukehren. Josef Peukerts Version der Ereignisse lässt sich anhand der vorhandenen Quellen nur teilweise belegen, und man muss bedenken, dass er diese Erinnerungen nach seinen heftigen Auseinandersetzungen mit Johann Most (1846–1906) niederschrieb. Auch wenn der von Josef Peukert als Täter verdächtigte Hermann Stellmacher zum Zeitpunkt der Attentate längst im Widerstreit mit Johann Most stand, blieb er für Peukert doch ein Parteigänger Mosts. Auf die Ermordung von Franz Hlubek reagierten die Radicalen in Wien am 26. Dezember 1883 mit der Flugschrift »Zur Richtschnur!«6

Anton Kammerer in Mähren. Dezember 1883 bis Jänner 1884

Am 16. Dezember 1883 traf Anton Kammerer aus Wien kommend in Priwoz (Mähren [Přívoz, zu Ostrava, Tschechien]) ein, wo er seinen Bruder, den Bahnaufseher bei der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn Michael Kammerer (1857–?), besuchte. Dann begab er sich weiter nach Mährisch-Ostrau (Mähren [Ostrava, Tschechien]), wo er als »Arnold Otter« am 17. Dezember 1883 beim Buchbindermeister Ernst Helbling in dessen Buch- und Steindruckerei in Arbeit trat. Helbling stellte Kammerer ein gutes Zeugnis aus: Kammerer sei ruhig, sehr ordentlich und pünktlich, sei ein sehr tüchtiger Fachmann, jedoch verschlossen und jeden Verkehr meidend. Abends soll er stets gelesen haben, sei niemals betrunken gewesen, habe auch nie Unterhaltungen besucht. Dieser Hinweis ist wichtig, weil der bekannte marxistische Historiker Herbert Steiner (1923–2001) Kammerer als verkommenes Individuum beschrieb, das der Polizei seine Verdienste angeboten habe. Steiners Beweis für seine Einschätzung sind Zitate aus Briefen »Anton Kammerers«, Briefe, die allerdings nicht von Anton Kammerer verfasst wurden, sondern von dessen Bruder, dem Oberpartieführer bei der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn Franz Kammerer (1854–?), stammen.7 Es war beispielsweise nicht Anton Kammerer, der sich dem Vorstand des Sicherheits-Bureaus Karl Anton Breitenfeld (1830–1900) anbiederte und dessen Protektion suchte, sondern Franz Kammerer, der damals von der Eisenbahn weg wollte und einen neuen Arbeitsplatz suchte. Vom 17. Dezember 1883 bis 7. Jänner 1884 quartierte sich Anton Kammerer unter dem Namen »Arnold Otter« bei der Hausfrau Anna Ostričil ein, und bei seiner fluchtartigen Abreise hinterließ er ihr eine Schuld von 3 Gulden und 50 Kreuzern.

Anton Kammerer wieder in Wien. Jänner 1884

Am 7. Jänner 1884 kehrte Anton Kammerer aus Mährisch-Ostrau nach Wien zurück, wo er sich unter dem Namen »Mathias Haller« bis 11. Jänner 1884 bei der Näherin Rosa Bettelheim einmietete.

Der Raubmord in der Eisert’schen Wechselstube in Wien. 10. Jänner 1884

Am 10. Jänner 1884 wurde zwischen 17 Uhr 15 und 17 Uhr 30 die Eisert’sche Wechselstube in Wien 6., Mariahilfer Straße 55, von zwei oder drei Männern überfallen. Zwei Männer betraten die Wechselstube, gaben vor, russische Rubelscheine wechseln zu wollen, und streuten plötzlich dem dort anwesenden Besitzer Heinrich Eisert sen. (~1838–1884) Sand ins Gesicht. Heinrich Eisert sen. erhielt einige Schläge auf den Kopf – laut Gericht von Anton Kammerer –, konnte trotzdem, um Hilfe rufend, die Flucht ergreifen, wurde jedoch von einem Attentäter am Haustor eingeholt und mit einem Beil oder einer beilähnlichen Waffe niedergeschlagen. Danach kehrte der Täter in das Geschäftslokal zurück, um den Raub durchzuführen. Zweifelhaft ist, ob nun einer der beiden, oder ob ein dritter Täter, der bis dahin vor dem Geschäft Wache gestanden haben soll, in das bloß durch eine Glaswand getrennte Nebenzimmer ging, wo sich zwei Kinder Eiserts aufhielten. Diese wurden als Zeugen des Vorfalls ebenfalls mit einem Beil oder einem beilähnlichen Gegenstand niedergeschlagen: der neunjährige Rudolf Eisert (~1875–1884) starb noch an Ort und Stelle, sein elfjähriger Bruder Heinrich Eisert jun. (~1873–1884) erlag am 26. Jänner 1884 seinen schweren Verletzungen im Allgemeinen Krankenhaus. Heinrich Eisert sen. erlangte zwar im Spital sein Bewusstsein wieder, erlag aber am 22. Jänner 1884 ebenfalls im Allgemeinen Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Als Mörder der Kinder benannte das Gericht später Hermann Stellmacher. Nur die beim Überfall gerade anwesende Französischlehrerin der Kinder, Karoline Berger (~1819–?), die ebenfalls – laut Polizei von Hermann Stellmacher – niedergeschlagen wurde, überlebte schwer verletzt das Attentat. Die beiden anderen Kinder von Heinrich Eisert sen., Bertha Eisert jun. (~1880–?) und Paul Eisert (~1882–1909), waren zum Zeitpunkt des Überfalls gemeinsam mit ihrer Mutter Bertha Eisert sen. (~1851–?) außer Haus in dem von ihr betriebenen Parfümeriewarengeschäft in Wien 6., Mariahilfer Straße 33. Nach diesen Gewalttaten wurden die Rollläden heruntergelassen, und der eigentliche Raub wurde ausgeführt. Geraubt wurden 3.755 Gulden Bargeld und Wertpapiere im Wert von etwa 4.000 Gulden.

In den beiden Tagen nach dem Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube wurden als Täter der Gärtner Josef Pongratz (~1852–?) und der Bronzearbeitergehilfe Johann Dürschner (1856–1886) verhaftet. Beide wurden von Zeugen agnosziert oder zumindest als den Tätern ähnlich sehend bezeichnet, etwa von Heinrich Eisert jun., der im Spital vor seinem Tod noch verhört werden konnte und dem die beiden Verhafteten vorgeführt wurden. Später wurden wegen dieses Raubmords Anton Kammerer, der angeblich gestanden hatte, und Hermann Stellmacher, der seine Tatbeteiligung nicht bekannte, verurteilt. Josef Peukert, der von einer Täterschaft von Anton Kammerer und Hermann Stellmacher ausging, schrieb später über diese tragische Zeit: »So war ich einige Tage beruhigt, bis mir ein Genosse Andeutungen machte, die meine erste Befürchtung nur bestätigten. Ich war völlig konsterniert! – die Tat war unter den gegebenen Verhältnissen geradezu wahnsinnig! und der moralische Eindruck mußte, sobald die Täter als Genossen ermittelt wurden, naturgemäß ganz vernichend [!] auf die Bewegung wirken. Wie im Traume sah ich bereits alle Erfolge unserer mühevollen, opferreichen Tätigkeit unter den ehernen Tritten der Reaktion verschwinden. Man konnte es auch bereits aus den Artikeln der Tagespresse herausfühlen: es wurde für einen großen Hauptschlag gegen uns Stimmung gemacht. Meine Stellung war hierbei eine furchtbar peinliche. Eine Tat verteidigen, die ich selbst verdammte, da sie gewissermaßen mit einem Schlage vernichten konnte, was ich mit dem Aufgebote meines ganzen Fühlens und Denkens, mit meiner ganzen Energie und Aufopferung mühsam aufgebaut! Und doch war ich überzeugt, daß auch die Verüber dieser Tat mit dem Einsatze ihres Lebens derselben guten Sache zu dienen vermeinten. Wie ich über diese Situation schließlich noch mit ruhigem Blute hinübergekommen, begreife ich selbst heute noch nicht.«8

Anton Kammerer in Zürich und Budapest. Jänner bis Februar 1884

Am 11. Jänner 1884, also einen Tag nach dem Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube, kaufte Anton Kammerer bei dem mit seinen Eltern befreundeten Trödler Eduard Kugler (1833–1901) in Wien 2., Große Sperlgasse 25, einen Überzieher und andere Kleidungsstücke um 20 Gulden. Nach Ansicht der Behörden sei Kammerer noch am 11. Jänner 1884 von Wien nach Budapest (Ungarn) gefahren, dann Mitte Jänner 1884 nach Zürich / Zurch / Zurigo (Kanton Zürich) gereist, wo er sich bis 3. Februar 1884 aufgehalten habe. Vor seiner Abreise aus Wien soll Anton Kammerer laut Polizei beziehungsweise Militärauditor Hermann Stellmacher zum Mord am Polizei-Detektiv Ferdinand Blöch bestimmt haben. Allerdings soll nach Angaben der Budapester Polizei Anton Kammerer vom 3. bis 4. Februar 1884 Gast des Futteralmachers August Koditek (1855–?) in Budapest gewesen sein. Allerdings kehrte gemäß gerichtlichen Untersuchungen Kammerer aus Zürich kommend erst am 4. Februar 1884 nach Budapest zurück, reiste am nächsten Tag wieder ab, um wenige Tage später erneut nach Budapest zurückzukehren, wo er nach Vermutungen der Polizei beim Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube geraubte Wertpapiere Genossen übergeben und den Schneidergehilfen und nunmehrigen Fabrikarbeiter Ármin Práger (1851–1905) mehrfach getroffen und diesem 15 Gulden übergeben haben soll. Einen Teil der geraubten Wertpapiere, nämlich vierundzwanzig Stück Liesinger Brauerei-Aktien, soll Anton Kammerer unter dem Decknamen »Konrad Wilkens« am 8. Februar 1884 in der Wechselstube der Escompte- und Wechslerbank in Budapest selbst deponiert haben. Weitere Wertpapiere habe der Hausknecht Salomon Blau am nächsten Tag dieser Bank verkauft. Diese Papiere wurden allerdings erst am 20. März 1884 von der Polizei ausfindig gemacht. Dies führte später zu einer von der Polizei festgestellten Involvierung ungarischer Radicaler in den Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube und zu einer Verhaftungswelle. Außerdem soll Anton Kammerer am 10. Februar 1884 dem Bankbuchhalter Jónás Gyula Fried (1864–1929) 25 Gulden vom Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube übergeben haben. Sicher ist lediglich, dass der Inhaftiertenfonds der Radicalen seit Verhängung der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 über Wien in Budapest verwaltet und dass hier vor allem im Monat Februar sehr viel Geld für Inhaftierte und auch Ausgewiesene gesammelt wurde. Gesichert ist auch, dass in Budapest beim Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube geraubte Wertpapiere auftauchten und von den Behörden sichergestellt wurden, und schließlich, dass Anton Kammerer seit dem 18. Februar 1884 erneut in Budapest war und am 20. Februar 1884 von hier nach Wien abreiste.

Anton Kammerer wieder in Wien. Februar 1884

Am 20. Februar 1884 kehrte Anton Kammerer aus Budapest nach Wien zurück, wo er unter dem Namen »Josef Blum« bei der Genossin, der Weißwarenerzeugerin Marie Franta, Ehefrau des kurz zuvor aus Wien als Radicaler ausgewiesenen Tischlergehilfen Mathias Franta (1851–?), in Wien 5., Gartengasse 4, wohnte. Bereits seit seiner Ankunft in Wien wurde Kammerer von der Polizei überwacht. Das wusste Kammerer allerdings, denn am 26. Februar 1884 hinterließ ihm der Kesselheizer Mathias Dokupil (1851–?) in Kammerers Zimmer in Wien 5., Laurenzgasse 12, das Kammerer nun gemeinsam mit dem Tapezierergehilfen Johann Heindl bewohnte, eine Warnung: Kammerer sei beim Kauf des Überziehers beim Trödler Eduard Kugler erkannt worden. Angeblich hätten die Mutter von Anton Kammerer, Franziska Kammerer (1825–1900), und ihre Freundin, die Handarbeiterin Aloisia Till (1852–?), Dokupil darum gebeten. Am 26. Februar 1884 mietete sich Anton Kammerer – wieder als »Arnold Otter« – in der Josefstadt (Wien 8.) ein.

Anton Kammerers Verhaftung. 28. Februar 1884

Am 28. Februar 1884 sollte Anton Kammerer aufgrund vertraulicher Hinweise aus Zürich beim Verlassen des Kaffeehauses Gustav Fischer in Wien 8., Blindengasse 28, von vier Polizeidetektiven festgenommen werden. Kammerer kam um 14 Uhr 30 in das Kaffeehaus. Hier befand er sich in Begleitung von Rudolf Oppel (1855–1922) und Johann Heindl, der später fälschlich verdächtigt wurde, Anton Kammerer verraten zu haben. Ebenfalls anwesend war im Lokal bereits seit 13 Uhr 30 ein Polizeidetektiv, während ein zweiter Polizeidetektiv vor dem Kaffeehaus Aufstellung nahm. Zwei weitere Polizeidetektive standen im Flur eines benachbarten Hauses bereit. Als Kammerer gegen 16 Uhr das Kaffeehaus verließ, fasste ihn einer der beiden links und rechts des Eingangs lauernden Polizeidetektive von hinten. Kammerer hatte seinen Revolver bereits schussbereit in der Hand und verletzte einen Polizeidetektiv durch einen Streifschuss an der rechten Hand. Dem hinzukommenden Sicherheitswachmann Georg Bayer (~1853–1885) setzte Kammerer den Revolver an die Brust, wurde dabei aber niedergestoßen. Rudolf Oppel versetzte nun dem Polizeidetektiv, der Kammerer festhielt, einen Schlag und brüllte: »Schieß! Schieß!« Anton Kammerer konnte sich nun aus der Umklammerung lösen und floh mit vorgehaltenem Revolver Richtung Josefstädter Straße (Wien 8.), bog in die Stolzenthalergasse (Wien 8.) ein, überquerte die Lerchenfelder Straße (Wien 7.), lief nunmehr von mehreren Detektiven, Wachleuten in Zivil und Sicherheitswachmännern verfolgt durch die Schottenfeldgasse (Wien 7.) in die Bernardgasse (Wien 7.). Als Sicherheitswachmänner den Säbel zogen, blieb Kammerer stehen, zielte und verletzte einen Sicherheitswachmann durch einen Streifschuss an der Stirn, welcher daraufhin bewusstlos zusammenbrach. Kammerer erhielt vor dem Haus Bernardgasse 2 einen Säbelhieb auf den Rücken, strauchelte und schoss noch zwei Mal im Fallen auf einen Sicherheitswachmann, der auf ihn losstürzte, und verwundete ihn durch einen Schuss am rechten Oberschenkel. Die im Zuge der Festnahme von Anton Kammerer verletzten Beamten waren der Polizeiagent Johann Fasold (~1841–1898), der Sicherheitswachmann Johann Werner und der Sicherheitswachmann Ludwig Schröder, der schwer verletzt wurde. Vier Wachleute schleppten nach der erfolgreichen Festnahme den gefesselten Anton Kammerer, dem von der inzwischen zusammengelaufenen Menschenansammlung Lynchjustiz angedroht wurde, auf die Wachstube in der Schottenfeldgasse (Wien 7.), wo ein Amtsarzt bei Kammerer – neben zahlreichen Flohstichen – mehrere ein bis zwei Zentimeter lange und bis einen Zentimeter breite Hautabschürfungen an Gesicht und Stirn sowie ein Blutgerinnsel am hinteren Rachenrand feststellte. Bei Kammerer wurden ein sechsläufiger British Bull Dog-Revolver, eine zugespitzte Feile und ein Fläschchen mit farbloser Flüssigkeit gefunden. In seiner Wohnung wurde weiters eine zwei Kilo schwere Dynamitsprengbüchse entdeckt. Schließlich wurde Anton Kammerer mit einem Fiaker ins Polizeigefangenenhaus in der Theobaldgasse (Wien 6.) eingeliefert. Die Polizei gab erst zwei Tage später, am 1. März 1884, die Verhaftung Anton Kammers bekannt.

Die Folgen der Wiener Attentate für die radicale Arbeiterbewegung in Ungarn

Der Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube Wechselstube hatte bald auch in Budapest weitreichende Folgen für die radicale Arbeiterbewegung. Nach der schon am 1. März 1884 vorgenommenen Festnahme des Schneidergehilfen und nunmehrigen Fabrikarbeiters Ármin Práger erfolgte am 13. März 1884 in Budapest eine Verhaftungswelle gegen Radicale wegen angeblicher Mitschuld am Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube, in deren Verlauf bis in die frühen Morgenstunden des 14. März 1884 sechsunddreißig Personen festgenommen wurden: der Schriftsetzer Mátyás Rusz (1860–?), Redakteur der radicalen Zeitung »Die Zukunft« (Budapest), András Szalay (1857–1884), Redakteur der radicalen Zeitung »Népakarat« (Budapest; Volkswille), sowie der Schuhmachergehilfe Rezső Balog, der Schuhmachergehilfe Lipót Braun (1855–?), der Schuhmachergehilfe Lajos Budai, der Tischlergehilfe Róbert Czigelbrier (~1852–?), Gyula Dekner, Pál Földesy, der Bankbuchhalter Jónás Gyula Fried, István Grabasek, der Schuhmachergehilfe István Heckmann (1850–1937), der zuvor aus Wien ausgewiesene Schuhmachergehilfe Lajos Hlavacsek (~1850–?), József Hotoványi, István Kökény, der zuvor aus Wien ausgewiesene Schuhmachergehilfe Ferenc Korwasz (~1853–?), Károly Kunszt, der Schuhmachergehilfe Pál László, der Schuhmachergehilfe András Lenkovics (~1857–?), der Schuhmachergehilfe József Maruska, Bálint Mihalovics, Károly Mondok, der Schuhmachergehilfe Ágoston Nagy (1849–?), Antal Nanovics, Martón Neuwirth, der Zimmermaler Jakob Novotný (1859–1929), der Metallarbeiter und Redakteur Stefan Pauler (1840–?) und seine aus Graz (Steiermark) gebürtige Anna Pauler (1837–?), die zuvor aus Wien ausgewiesene Näherin Marie Protz (1851–?), der Schuhmachergehilfe Támas Pudleiner (1854–1929), der Schuhmachergehilfe Ferencz Resch (~1857–?), Lőrinc Schneider, der Schuhmachergehilfe Ignácz Schwarcz, der Schuhmachergehilfe István Seregi, Ferdinánd Stein, der Tischlergehilfe Árpád Tamási (1859–?) und der Maschinenschlosser Miksa Zeh. Neunzehn von ihnen wurden nach ersten Vernehmungen freigelassen und teilweise abgeschafft beziehungsweise ausgewiesen, siebzehn am 25. März 1884 in das Strafgericht Budapest eingeliefert: Lipót Braun, Róbert Czigelbrier, Jónás Gyula Fried, István Heckmann, Lajos Hlavacsek, Ferenc Korwasz, Ágoston Nagy, Jakob Novotný, Stefan Pauler und seine Frau Anna Pauler, Marie Protz, Támas Pudleiner, Mátyás Rusz, der erst am 25. März 1884 verhaftete Schriftsetzer Albin Scheffler (~1848–?), András Szalay und Árpád Tamási. Bei den mit den Verhaftungen verbundenen Hausdurchsuchungen wurden drei Kisten Korrespondenz und Druckwerke beschlagnahmt. Am 11. April 1884 wurde Támas Pudleiner ohne Anklageerhebung aus der Untersuchungshaft entlassen. Aus Budapest für beständig ausgewiesen und in ihre Heimatgemeinden abgeschoben wurden Lipót Braun, Róbert Czigelbrier, István Heckmann, Lajos Hlavacsek, Ferenc Korwasz, András Lenkovics, Ágoston Nagy, Anna und Stefan Pauler, Marie Protz, Ferencz Resch und Árpád Tamási sowie nach seiner Entlassung aus dem Spital Jakob Novotný. Auch András Szalay sollte abgeschafft werden, doch verstarb er zuvor am 2. Mai 1884 im Spital. Am 15. Mai 1884 fand der große Presseprozess gegen die Budapester Radicalen statt, allerdings nicht wegen des Überfalls auf die Eisert’sche Wechselstube, sondern wegen Herausgabe der Zeitung »Die Zukunft« (Budapest). Der Hintergrund für diese große Verhaftungswelle gegen Radicale in Budapest: Ármin Práger erhielt vom Futteralmacher August Koditek (1855–?) per Post Wertpapiere aus Wien und gab diese an den Bankbuchhalter Jónás Gyula Fried weiter, angeblich ohne zu wissen, dass diese aus dem Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube stammten. Vermutlich wurden diese Wertpapiere Anfang Februar 1884 von Anton Kammerer an August Koditek gesandt. Koditek und Práger beschlossen dann, dieses Geld zum größeren Teil für die Unterstützung der Familien politischer Gefangener und zum kleineren Teil für den Druck der Nummer 12 der Zeitung »Radikal« (Budapest) zu verwenden. Anders gestaltete sich die Sichtweise des Hauptmanns der Budapester Polizeiwache Elek Thaisz (1820–1892), aber auch die mit dieser übereinstimmenden Sichtweise der breiten Öffentlichkeit, welche eine journalistische Darstellung aus dieser Zeit wiedergibt.9

Die Folgen der Wiener Attentate für die Radicalen im schweizerischen Exil

Auch in der Schweiz zeitigte der Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube einschneidende Folgen. Am 22. März 1884 begannen die vom eidgenössischen Bundesrat verfügten Ausweisungen mehrerer hier im Exil lebender Sozialrevolutionäre und Anarchisten aus der Schweiz: aus Freiburg / Fribourg / Friburgo der Schneidergehilfe Karl Falk (1859–1938) aus der Steiermark, dessen Auslieferung als intimer Freund des Buchbindergehilfen Anton Kammerer die Wiener Polizei vergeblich angestrengt hatte, aus Bern / Berne / Berna der am 3. März 1884 verhaftete, aus Rheinbayern [Rheinland-Pfalz] gebürtige Spengler Friedrich Philipp Kennel (1852–1920), der aus Böhmen gebürtige Schneidergehilfe Mathias Lissa (~1846–?) und der aus Preußen gebürtige Schriftsetzer Moritz Schultze (1860–?). Der Ausweisungsbeschluss des Bundesrats erfolgte »in Betracht, daß die öffentliche Sicherheit in den letzten Monaten in Deutschland und Oesterreich durch mehrere kurz aufeinanderfolgende Verbrechen gefährdet worden ist; daß gegenwärtig zwei Individuen, Hermann Stellmacher und Anton Kammerer, welche während der letzten Jahre zeitweilig in der Schweiz sich aufgehalten hatten, in Wien unter der Anklage, jene Verbrechen sämmtlich oder zum Theil, verübt zu haben, in Untersuchungshaft sich befinden; daß die in der Schweiz aufhältlichen Ausländer v. Kennel, Schultze, Falk und Lissa mit Stellmacher und Kammerer sehr genaue persönliche Beziehungen unterhalten haben und mit denselben durch Gemeinschaft der Bestrebungen enge verbunden waren, ja daß zu ihren Lasten sogar eine Reihe von Thatumständen festgestellt ist, welche, wenn sie auch nicht eine eigentliche strafrechtlich zu verfolgende Theilnahme an jenen verbrecherischen Handlungen darthun, doch einer solchen nahe kommen, und daß sie den Nachforschungen der Behörden zur Entdeckung der Urheber der Verbrechen nicht nur keinen Beistand geleistet, sondern vielmehr gesucht haben, die Behörden in Irrthum zu führen«.10 Zu diesem Zeitpunkt ging der Bundesrat von etwa vierhundert in der Schweiz lebenden, deutschsprachigen ausländischen Anarchistinnen und Anarchisten aus.

Aton Kammerer in der Untersuchungshaft. März bis September 1884

Zurück nach Wien. Am 15. März 1884 wurde Anton Kammerer vom Polizeigefangenenhaus in der Theobaldgasse (Wien 6.) in einem Zellenwagen in Begleitung dreier Detektive in das Landesgericht Wien überstellt, wo er wegen einer Disziplinarstrafe zeitweise auch in Eisen geschlagen, also angekettet wurde. Kammerer wurde des Verbrechens des mehrfachen, teils vollbrachten, teils versuchten meuchlerischen Raubmords, der Mitschuld am Verbrechen des gemeinen Mordes, des Verbrechens des Raubs und des Verbrechens der Desertion in Friedenszeiten, weiters des Vergehens gegen die Sicherheit des Eigentums durch Betrug, des Vergehens gegen öffentliche Anstalten und Vorkehrungen, welche zur gemeinschaftlichen Sicherheit gehören, begangen durch Falschmeldung, schließlich der Übertretung des Waffenpatents angeklagt. Wie schon im Polizeigefängnis verweigerte Kammerer auch im Landesgericht jede Aussage. Der Untersuchungsrichter beurteilte ihn als einen verschlossenen Fanatiker von großer Willenskraft, der bei den verschiedenen mit ihm vorgenommenen Vernehmungen mit Konsequenz jede Antwort verweigert habe. Nach heftigen Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Landes- und dem Militärgericht wurde Kammerer am 19. Mai 1884 vom Landesgericht Wien als Deserteur dem Garnisonsgericht Wien in der Alser Kaserne in Wien 9., Alser Straße 2, übergeben. Hier wurde er mit einer Hand und einem Bein an die Wand des Kerkers gekettet. Und hier soll Kammerer am 7. Juni 1884 und am 11. Juli 1884 sensationelle Geständnisse gemacht haben. Er habe nicht nur den Mord an Franz Hlubek gestanden, sondern auch seine Beteiligung an den Überfällen in Straßburg und Stuttgart. Von diesen angeblichen Geständnissen gibt es allerdings nur eine zusammenfassende Darstellung, von der aber – wie sonst üblich – keine einzige Seite von Kammerer unterschrieben ist. Wie schon Anna Staudacher (geb. 1946) in ihren akribischen Recherchen zur radicalen Arbeiterbewegung feststellte: »Von allen anderen Prozessen, deren Akten nicht vernichtet wurden, gibt es Vernehmungsprotokolle, die Bogen für Bogen vom Vernommenen unterzeichnet wurden und im Falle einer Weigerung wurde dies auch vermerkt. Nur von Anton Kammerer, der so sensationelle Geständnisse gemacht haben soll, gibt es kein einziges von ihm unterzeichnetes Protokoll.«11 Auch im anarchistischen Lager wurde Anton Kammerers Beteiligung an den ihm angelasteten Verbrechen unterschiedlich wahrgenommen. Nach Josef Peukert habe Kammerer ihn nach dem Attentat auf Franz Hlubek besucht, habe ihm diesen Mord gestanden und ihm von seiner Mitwirkung an den Überfällen in Straßburg und Stuttgart erzählt.12 Nach Rudolf Rocker (1873–1958) habe Kammerer offen bekannt, dass Hlubek durch seine Hand gefallen sei, habe jedoch jede Beteiligung an den Attentaten von Straßburg und Stuttgart sowie an der Ermordung Heinrich Eiserts und dessen Kindern in Abrede gestellt. Außerdem habe man Kammerer im Militärgefängnis gefoltert, und seit seiner Gefangennahme habe ihn niemand mehr sprechen können, nicht einmal seine Mutter.13 Beweise für ersteres gibt es nicht, Indizien für letzteres sehr wohl.

Während Anton Kammerers Haft in der Alser Kaserne tat sich einiges im Zusammenhang mit den Kammerer angelasteten Verbrechen. Am 22. März 1884 formierte sich das Ausnahmsgericht Wien zu einem aus vier Richtern bestehenden Erkenntnissenat und verhandelte den Prozess gegen Mathias Dokupil wegen Verbrechens der Vorschubleistung und der Begünstigung eines Deserteurs. Dokupil gestand, dem fahnenflüchtigen Anton Kammerer am 20. Februar 1884 eine Warnung hinterlassen zu haben, dass er erkannt worden sei. Außerdem gestand Dokupil, Kammerer durch den Bäckergehilfen Franz Poppenwimmer (1863–1918), ein Schulfreund Kammerers, Wäschestücke überlassen zu haben, welche dem Schmuggel verbotener Schriften dienen sollten. Nachdem der Staatsanwalt die Anklage auf ein niedrigeres Strafmaß restringierte, wurde Mathias Dokupil im Sinne der Anklage zu vier Monaten schwerem Kerker, verschärft durch einen Fasttag im Monat, verurteilt.

Als Untersuchungshäftling trat Anton Kammerer im Prozess, der am 27. und 28. Mai 1884 vor dem Ausnahmsgericht Wien gegen Johann Ondra und Ferdinand Schaffhauser stattfand, auf. Die beiden wurden des Verbrechens der Mitschuld an der Ermordung des Polizeikonzipisten Franz Hlubek angeklagt, obwohl Kammerer als mutmaßlicher Attentäter bereits verhaftet war. Kammerer sagte aus, dass Ferdinand Schaffhauser unschuldig sei und dass er Johann Ondra erschossen hätte, wäre er dazwischengetreten. Schaffhauser wurde außerdem des Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit durch gefährliche Drohung angeklagt, weil er das im Oktober 1883 erschienene Flugblatt »Ein Mahnruf an das Volk!«14 im Dezember 1883 in Floridsdorf mit beigelegten Drohbriefen verschickt habe. Ferdinand Schaffhauser wurde zwar von der Mitschuld am Meuchelmord freigesprochen, doch wegen boshafter Unterlassung der Verhinderung des Mordes zu zwei Jahren schwerem Kerker, verschärft durch zwei Fasttage im Monat, verurteilt. Johann Ondra, der am Tatort nachweislich nicht anwesend war, wurde zwar freigesprochen, jedoch aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 schon am 30. Mai 1884 aus Wien ausgewiesen und in seine Heimat abgeschoben.

Einflussreiche Ereignisse in Budapest und Stuttgart auf das Verfahren gegen Anton Kammerer

Am 3. Juni 1884 beschrieb der in Budapest inhaftierte Jónás Gyula Fried jene dritte Person, die beim Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube als Aufpasser beteiligt war. Außerdem belastete er angeblich Anton Kammerer und Hermann Stellmacher als ausführende Täter.

Am 30. Juni 1884 fand vor dem Land- als Schwurgericht Stuttgart der Prozess gegen Michael Kumić statt. Wegen seiner Beteiligung am Raubmord am Apothekergehilfen Franz Lienhardt in Straßburg am 22. Oktober 1883, die er allerdings bestritt, und am Raub am Wechselstubenbesitzer Josef Heilbronner in Stuttgart am 21. November 1883, den er gestand, wurde Kumić zweier Verbrechen des versuchten Mordes und eines in derselben Handlung damit begangenen Raubs angeklagt. Seine Beziehungen zu den mutmaßlichen Mittätern Anton Kammerer und Hermann Stellmacher konnten im Prozess nicht geklärt werden, die nachweislich zumindest beim Heilbronner Attentat beteiligte vierte Person wurde nicht eruiert. Michael Kumić wurde wegen versuchten Mords und schweren Raubs zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Das Verfahren gegen Michael Kumić wegen Widerstands und versuchter Tötung anlässlich seiner Festnahme wurde von den Behörden ebenso eingestellt wie die Verfahren gegen dessen unbekannten Mittäter. Die Behörden in Wien gingen jedoch von einer Beteiligung Anton Kammerers und Hermann Stellmachers aus. Für deren Teilnahme zumindest am Attentat auf Franz Lienhardt spräche ein in dessen Apotheke zurückgelassenes, für Hermann Stellmacher in Zürich ausgestelltes Rezept sowie eine Uhrkette, die beim Überfall einem der Attentäter abgerissen wurde und welche als Eigentum Anton Kammerers identifiziert worden sei. Nach sechzehn Jahren Kerkerhaft wurde Michael Kumić, der sich wieder dem Katholizismus zugewandt habe, im Juli 1901 wegen guter Führung begnadigt, freigelassen und aus Stuttgart ausgewiesen. Er begab sich nach Budapest (Ungarn), wo er aber sofort aus der Stadt und seinem Polizeirayon ausgewiesen wurde.

Der Prozess gegen Anton Kammerer. 5. und 6. September 1884

Am 5. und 6. September 1884 fand vor dem Kriegsgericht Wien, bestehend aus acht Personen mit verschiedenen militärischen Chargen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Prozess gegen Anton Kammerer statt. Das Kriegsgericht verurteilte Kammerer anlässlich der Attentate in Straßburg, Stuttgart, Floridsdorf und Wien wegen der Verbrechen des Raubs, des gemeinen Mords und des teils versuchten, teils vollbrachten mehrfachen meuchlerischen Raubmords, der Mitschuld am Mord, der Desertion unter erschwerenden Umständen, des Vergehens des Betrugs und der Übertretungen der Falschmeldung und des Waffenpatents zur Ausstoßung aus der Armee und zum Tod durch den Strang. Nach der Verlesung des Todesurteils soll Kammerer gemäß den amtlichen Unterlagen gesagt haben, er fühle keine Reue und er werde als Mann zu sterben verstehen. Am 15. September 1884 wurde das vom Kriegsgericht Wien gegen Kammerer verhängte Todesurteil vom 2. Korpskommando bestätigt und am 18. September 1884 öffentlich kundgemacht. Kammerer hatte nach der Veröffentlichung des Todesurteils jede Vergünstigung, etwa besseres Essen, abgelehnt.

Die Hinrichtung Anton Kammerers. 20. September 1884

Am 20. September 1884 wurde um fünf Uhr dreißig morgens im so genannten Bandahof der Alser Kaserne in Wien 9., Alser Straße 2, Anton Kammerer, der jeden geistlichen Beistand abgelehnt hatte, durch den Scharfrichter Heinrich Willenbacher (1865–1886) gehängt. Der Tod trat erst nach acht Minuten ein. Kammerers Leiche, die etwa eine Stunde am Galgen belassen wurde, wurde noch am Vormittag des Hinrichtungstags obduziert. Kammerer erhielt ein öffentliches Begräbnis, an dem auch der damalige Religionslehrer und Kooperator der Kirche St. Jakob in Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) und spätere katholische Sozialreformer Rudolf Eichhorn (1853–1925) sowie der deutsch-konservative Reichsratsabgeordnete Aloys Prinz von und zu Liechtenstein (1846–1920) teilnahmen. Der Untersuchungsrichter im Prozess gegen Anton Kammerer, Auditor Major Gustav von Grimm (1837–1912), wurde anlässlich dieses Verfahrens für die Verleihung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens und der zuständige Justizreferent Auditor Anton Treyer (1818–1909) für die Verleihung des Ordens der Eisernen Krone 3. Klasse vorgeschlagen.

Nachklänge

Johann Most verherrlichte zwar Anton Kammerer als Märtyrer der sozialrevolutionären Bewegung, doch blieb Kammerer seinem Mitstreiter Hermann Stellmacher im sozialrevolutionären Martyrologium an Bedeutung stets untergeordnet. Bezeichnenderweise erschien anlässlich der Hinrichtung von Anton Kammerer keine der sonst üblichen sozialrevolutionären Flugschriften. Allerdings wurde am 14. September 1885 in London (England) das neue Clubhaus des »Communistischen Arbeiter-Bildungs-Vereins«, Sammelbecken deutscher und österreichischer Sozialrevolutionäre, Anarchisten und Sozialdemokraten, eröffnet. Unter den Festrednern war auch der 1884 aus Niederösterreich ausgewiesene Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?), der betonte, dass die Köpfe Anton Kammerers und Hermann Stellmachers nicht umsonst gefallen sein dürfen.

Die Ausnahmsverodnungen vom 30. Jänner 1884

Die wohl wichtigste Folge der Wiener Attentate waren die vom Ministerrat unter Vorsitz vom Ministerpräsidenten Edurad Graf Taaffe (1833–1895) beschlossenen Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884, welche noch am selben Tag die allerhöchste Genehmigung durch Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) erhielten. Damit war die gesetzliche Grundlage für die Verhängung des Ausnahmezustands in den niederösterreichischen Gerichtsbezirken Wien und Korneuburg sowie später auch Wiener Neustadt geschaffen. Unzählige Ausweisungen führten nun dazu, dass Wien, bisher Zentrum der radicalen Arbeiterbewegung in Österreich, seine wichtige Rolle verlor. Der Versuch exilierter Radicaler, Budapest (Ungarn) zur neuen Basis der radicalen Arbeiterbewegung zu machen, scheiterte noch 1884 an den Verfolgungen durch die ungarischen Behörden. Etliche Radicale gingen in die USA, nach England oder Frankreich ins Exil. Andere versuchten, die radicale Arbeiterbewegung in der Provinz weiterzuführen beziehungsweise zu reorganisieren. Neue Zentren der radicalen Arbeiterbewegung bildeten sich nun in der Steiermark, in Oberösterreich und in Kärnten.

Adressen

  • Stiebnig, Österreichisch-Schlesien [Jistebník, Tschechien], Stiebnig 180 (Geburtsadresse)
  • Wien 9., Alser Straße 2, Bandahof der Alser Kaserne (Sterbeadresse)
Karte
  • 1

    Zitiert nach [anonym]: Die Forderungen des Arbeiterstandes gegenüber dem Forum des Parlaments, in: Wiener Allgemeine Zeitung [/] Morgenblatt (Wien), [3]. Jg., Nr. 794 (15. Mai 1772), S. [1]–2.

  • 2

    A. Marmerek [d. i. Anton Kammerer]: Das Büttelwesen im Lande der Niedertracht. Kurz vor Schluss dieser Nummer ging uns noch die folgende Korrespondenz aus Wien zu, die wir desshalb an dieser Stelle unseren Lesern mittheilen, in: Freiheit (New York), 5. Jg., Nr. 20 (19. May 1883), S. [3].

  • 3

    [Anonym]: Notizen, in: Freiheit (New York), 5. Jg., Nr. 49 (8. December 1883), S. 3. 

  • 4

    Zitiert nach [anonym]: Ein Mann der That, in: Freiheit (New York), 6. Jg., Nr. 40 (4. Oktober 1884), S. 2.

  • 5

    Vgl. Josef Peukert: Erinnerungen eines Proletariers aus der revolutionären Arbeiterbewegung. Berlin: Verlag des Sozialistischen Bundes 1913, S. 181. Siehe auch Josef Peukert: Das Treffen mit dem Sozialrevolutionär Anton Kammerer in Wien am 16. Dezember 1883#02_06_01.

  • 6

    Vgl. Neue freie Presse Cisleithaniens. Nr. 3.Zur Richtschnur! (Wien), [1]. Jg., Nr. 3. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 28. Dezember 1883 in Österreich verboten.

  • 7

    Vgl. Herbert SteinerDie Arbeiterbewegung Österreichs 1867 – 1889. Beiträge zu ihrer Geschichte von der Gründung des Wiener Arbeiterbildungsvereins bis zum Einigungsparteitag in Hainfeld. Wien: Europa-Verlag 1964 (= Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft für Geschichte der Arbeiterbewegung in Österreich. 2.), S. 223–224. Auch für Steiners Behauptung, dass die Polizei Anton Kammerer verschiedene Versprechungen gemacht habe, gibt es keinerlei Beweise. Leider wurden diese falschen Feststellungen Steiners immer wieder in – meist sozialdemokratischen – Studien kommentar- und kritiklos übernommen.

  • 8

    Josef Peukert: Erinnerungen eines Proletariers aus der revolutionären Arbeiterbewegung. Berlin: Verlag des Sozialistischen Bundes 1913, S. 186. Siehe auch Josef Peukert: Das Treffen mit dem Sozialrevolutionär Anton Kammerer in Wien am 16. Dezember 1883#02_06_01.

  • 9

    Vgl. Proceß gegen den Anarchisten Hermann Stellmacher, angeklagt der Ermordung des Wechselstubenbesitzers Eisert in Wien; ferner der Ermordung des Detectivs Ferdinand Blöch in Floridsdorf. Nebst einer kurzen Darstellung der Arbeiterbewegung, sowie der anarchistischen Bewegung in Wien und Budapest, des vorangegangenen Processes gegen Ferdinand Schaffhauser und Johann Ondra. (Mord an dem Polizei-Concipisten Hlubek.). Verhandlung vor dem Wiener Ausnahmsgerichtshofe. Nach stenographisch getreuen Aufzeichnungen und mit Benützung von authentischen Gerichtsacten, bearb. von Fach-Journalisten. Mit 15 Illustrationen. 6 Bogen stark, Preis 30 kr. = 50 Pf. Berlin – Wien – Leipzig: Hugo Engel [1884] (= Wiener Criminal-Bibliothek. 1.), S. 22–23.

  • 10

    Bundesrathsbeschluß betreffend die Ausweisung von vier Ausländern aus der Schweiz. (vom 22. März 1884.), in: Schweizerisches Bundesblatt. 36. Jahrgang. II. Nr. 15. 29. März 1884, abgedruckt in: Bundesblatt der schweizerischen Eidgenossenschaft. Jahrgang 1884. II. Band. Bern: Gedruckt in der Stämpfli’schen Buchdruckerei 1884, S. 233–234.

  • 11

    Anna StaudacherSozialrevolutionäre und Anarchisten. Ein Beitrag zur Geschichte der Radikalen Arbeiterpartei Österreichs (1880–1884). Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, eingereicht von Anna Staudacher. Wien 1981, S. 142–143, Fußnote 1714.

  • 12

    Vgl. Josef Peukert: Erinnerungen eines Proletariers aus der revolutionären Arbeiterbewegung. Berlin: Verlag des Sozialistischen Bundes 1913, S. 183.

  • 13

    Vgl. Rudolf Rocker: Johann Most. Das Leben eines Rebellen. Mit einem Vorwort von Alexander Berkman. Erstes bis fünftes Tausend. Berlin: Verlag »Der Syndikalist«, Fritz Kater 1924, S. 190.

  • 14

    Vgl. [anonym]: Ein Mahnruf an das Volk! [Wien]: [ohne Druckerangabe] 1883, Flugblatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 22. Oktober 1883 in Österreich verboten.