Johann Ondra (1856–)

Persönliche Daten
Namensvarianten
schechische Namensform: Jan Ondra
Geburtsdatum
1. Juni 1856
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch, dann konfessionslos
Berufe

Vater: Johann Ondra; schechische Namensform: Jan Ondra, Sohn einer Bäuerin und eines Bauern: Bindermeister; Heirat mit:
Mutter: Franziska Ondra, geborene Sedlačzek; schechische Namensform: Františka Ondra,  geborene Sedlačzek, Tochter einer Hausfrau und eines Schullehrers: Hausfrau
Bruder: Heinrich Ondra; schechische Namensform: Jindřich Ondra (Ungarisch Ostra, Mähren [Uherský Ostroh, Tschechien] 28. Juni 1859 – Ungarisch Ostra, Mähren [Uherský Ostroh, Tschechien] 6. August 1866)
Ehe: keine
Kinder: keine

Biographie

Der Lackierergehilfe Johann Ondra, der Deutsch und Tschechisch sprach, kam nach Wien und schloss sich 1876 der sozialistischen Arbeiterbewegung an. 1880 wurde er in den Ausschuss des Wiener »Allgemeinen Arbeitervereins« gewählt. Am 27. September 1880 wurde bei einer Volksversammlung zur Tagesordnung »Die Presse« in »Zobel’s Bierhalle« (Franz Zobel) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Gasgasse 4–6 / Zwölfergasse 3–15Johann Ondra verhaftet, weil er Gelder zur Deckung der Unkosten für den Einberufer der Versammlung sammelte, allerdings am nächsten Tag wieder freigelassen.

Noch im September 1880 emigrierte Johann Ondra in die Schweiz nach St. Gallen / Saint-Gall / San Gallo (Kanton St. Gallen). Er war mit dem Woll- und Seidenfärbergehilfen Josef Bardorf (1847–1922), dem Journalisten Karl Kautsky (1854–1938) und dem Schriftsetzergehilfen Johann Schwarzinger (1846–1928), alle drei Repräsentanten des gemäßigten Flügels der Sozialdemokratie, Gründungsmitglied der am 12. Dezember 1880 gegründeten tschechischen Sektion des »Österreichischen Arbeiterbunds« und übernahm hier auch die Funktion des Sekretärs. In St. Gallen befreundete sich Johann Ondra sofort mit dem dort Ende August 1880 eingetroffenen Schustergesellen Julius Lieske (1863–1885) und führte ihn in die radicalen Kreise ein. Julius Lieske wurde später in einem rechtsstaatlich äußerst zweifelhaften Verfahren wegen des Attentats auf den königlich preußischen Polizeirat und Kriminalkommissar Ludwig Rumpff (1822–1885) zum Tod verurteilt und geköpft. Johann Ondra lernte in der Schweiz auch den Tischlergesellen Johann Neve alias John Neve (1844–1896) kennen.

Im Oktober 1882 kehrte Johann Ondra als wichtiger Anhänger der radicalen Arbeiterbewegung nach Wien zurück und wurde Expeditor der Zeitung »Die Zukunft« (Wien). Als am 12. Dezember 1882 John Neve unter dem Namen »Ernest Stevens« nach Wien kam, um an die Stelle des mittlerweile verhafteten Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) zu treten, nahm ihn Johann Ondra eine Woche bei sich auf. Ondra war es auch, der Josef Peukert von John Neves Ankunft zu verständigen versuchte. Nach Neves Verhaftung am 23. Dezember 1882 wurde Johann Ondra – er litt damals schon an einer beruflich bedingten Bleivergiftung – für kurze Zeit festgenommen, jedoch ohne Anklageerhebung wieder freigelassen.

Im Jänner 1883 übersiedelte Johann Ondra nach Wiener Neustadt (Niederösterreich), wo er in einer Lokomotivfabrik Arbeit fand. Nach einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Korneuburg (Niederösterreich) soll er damals auch eine kleine Handpresse zum Druck illegaler Flugschriften besessen haben.

Am 27. Mai 1883 kehrte Johann Ondra aus Wiener Neustadt nach Wien zurück, wurde aber bereits am Meidlinger Bahnhof von Sicherheitswachleuten festgenommen, ins Landesgericht Wien eingeliefert, wo ein Foto von ihm angefertigt wurde, und wurde am nächsten Tag ohne Anklageerhebung freigelassen. Ondra, der dann in der »Wiener Locomotiv-Fabriks-Actien-Gesellschaft in Wien« in Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) Arbeit fand, stand von nun an unter spezieller Überwachung des Polizei-Detektivs Ferdinand Blöch (1844–1884), der am 25. Jänner 1884 vom Schuhmachergesellen Hermann Stellmacher (1853–1884) erschossen wurde. Ein Beispiel für die Überwachung und den Umgang mit Anhängern der radicalen Arbeiterbewegung war der Vorfall vom 25. Oktober 1883: Auf seinem Weg von Floridsdorf nach Wien wurde Johann Ondra von einem Wachmann verfolgt, kurz nach Überschreiten der Kaiser-Franz-Joseph-Brücke von diesem angehalten, trotz Ondras Protest einer teilweisen Personendurchsuchung unterzogen und dann auf das Polizeikommissariat Brigittenau, Wien 21., gebracht. Hier wurde er einer Leibesvisitation unterzogen, wobei je ein Exemplar der Zeitungen »Dělnické listy« (Vídeň [Wien]; Arbeiterblätter) und »Der Rebell« (Nirgendsheim [d. i. Genf]) gefunden wurden. Daraufhin wurde Johann Ondra am Abend in eine Arrestzelle mit offenem Fenster gebracht. Da er nur leicht bekleidet war, bat er um Schließung des Fensters, was ihm ebenso verweigert wurde wie seine Bitte um einen Imbiss. Erst um 2 Uhr morgens wurde er in eine andere Zelle gebracht. Um 8 Uhr wurde er zur Polizeidirektion eskortiert, wo er nach einem kurzen Verhör freigelassen wurde. Johann Ondras Anwalt, der Advokat Friedrich Elbogen (1854–1909), erstattete wegen dieses Vorfalls Anzeige bei der Staatsanwaltschaft und Meldung an die Statthalterei. Friedrich Elbogen sollte Johann Ondra bald in einer anderen, weitaus gewichtigeren Abgelegenheit verteidigen müssen. Am 15. Dezember 1883 erreichten sozialrevolutionäre Attentate Wien: Am Abend dieses Tages wurde der Polizeikonzipist Franz Hlubek (1854–1883) erschossen. Schon am 16. Dezember 1883 wurde Johann Ondra unter dem Verdacht des Meuchelmords verhaftet und gemeinsam mit dem Brotführer Ferdinand Schaffhauser (1836–190?), dem Webergehilfen Johann Till (1863–?) und dessen Bruder, dem Webergehilfen Josef Till (1855–?), in das Kreisgericht Korneuburg (Niederösterreich) eingeliefert und am 4. Februar 1884 in das Landesgericht Wien überstellt. Am 27. und 28. Mai 1884 fand vor dem Ausnahmsgericht Wien der Prozess gegen Ferdinand Schaffhauser und Johann Ondra satt, angeklagt des Verbrechens der Mitschuld an der Ermordung des Polizeikonzipisten Franz Hlubek, obwohl der Buchbindergehilfe Anton Kammerer (1862–1884) als mutmaßlicher Attentäter bereits verhaftet war und der dann auch im Prozess als Zeuge die Angeklagten entlastete. Anton Kammerer sagte aus, dass Ferdinand Schaffhauser unschuldig sei und dass er Johann Ondra erschossen hätte, wäre dieser dazwischengetreten. Ondra, der zum Zeitpunkt des Attentats nachweislich am Tatort nicht anwesend war, wurde zwar freigesprochen, jedoch sofort der Polizei überstellt und am nächsten Tag, am 29. April 1884, aus Wien ausgewiesen und in seine Heimat Ungarisch Ostra (Mähren [Uherský Ostroh, Tschechien]) abgeschoben.

Johann Ondra begab sich dann nach Budapest (Ungarn), wo er 1886 mit dem Hafnergehilfen Anton Fuchs (1847–?) die Herausgabe einer sozialrevolutionären Zeitschrift für Cisleithanien vorbereitete und beim Aufbau einer sozialrevolutionären Gruppe mithalf. Beide wurden am 29. August 1886 aus Budapest ausgewiesen.

Johann Ondra reiste im September 1886 nach Graz (Steiermark), wo er weiterhin als Anarchist in der radicalen Arbeiterbewegung tätig war. Als sich im Juni 1887 der Drucker der Zeitung, Ferdinand Weiler (~1843–1915) in Villach / Beljak (Kärnten) weigerte, die Zeitung »Arbeit« (Villach) weiterhin zu drucken, obwohl der Schriftsetzer Wilhelm Prowaseck (1863–?), damals ein Radicaler, als für die Druckerei Verantwortlicher zeichnete, wurde eine Verlegung der Zeitung von Kärnten nach Graz überlegt, wobei der Schneidermeister Johann Risman (1864–1936) Johann Ondra als Herausgeber vorschlug. Die Zeitung »Arbeit« (Linz) erschien dann jedoch am 6. Oktober 1887 in Linz an der Donau (Oberösterreich).

Adressen

  • Ungarisch Ostra, Mähren [Uherský Ostroh, Tschechien], Ungarisch Ostra 66 (Geburtsadresse)
  • Großjedersdorf, Niederösterreich [zu Wien 21.], Großjedersdorf 189 (1883)
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