Emil Kaler-Reinthal (1850–1897)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist Emil Franz Josef Reinthal
seit Oktober 1877: Emil von Kaler
Pseudonym: E. K.
Pseudonym: Emil Kaler
genannt: Emil Kaler-Reinthal
Geburtsdatum
27. Juni 1850
Geburtsort
Sterbedatum
22. Februar 1897
Sterbeort
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch

Mutter: Wilhelmine Constanze Edle von Kaler zu Lanzenheim (Straß [zu Straß-Spielfeld], Steiermark 1. Oktober 1824 – Linz an der Donau, Oberösterreich 1. Mai 1906): Realitätenbesitzerin in Graz (Steiermark); nannte sich bei Emil Kaler-Reinthals Geburt »Wilhelmine Reinthal«; sie heiratete am 7. Juli 1856 in Burgau (Steiermark) Anton Buttula (Seewalchen am Attersee, Oberösterreich 26. September 1824 – Prag, Böhmen [Praha, Tschechien] 23. Juni1877): Eisenbahnbeamter
Vater: Andreas Luckmann (? – 1852): k. k. Postbeamter in Spielfeld (Steiermark)
Ehe: keine
Kinder: keine

Biographie

Emil Kaler-Reinthal, außereheliches Kind einer Adeligen, wuchs in Graz (Steiermark) als Findelkind bei einem Gürtlermeister auf. Nachdem sich seine Mutter 1877 öffentlich zu ihm bekannte, musste er deren Adelsnamen annehmen. Emil Kaler-Reinthal besuchte das Gymnasium in Graz und studierte – mit Unterbrechungen – von 1870 bis 1885 an den Universitäten Graz, Wien, Zürich / Zurich / Zurigo (Kanton Zürich) und Basel / Bâle / Basilea (Kanton Basel) Philosophie, Geschichte und Philologie. 1885 wurde er aus Philosophie an der Universität Basel zum Doktor der Philosophie promoviert. Bereits 1869 trat Kaler-Reinthal in Wien dem sozialdemokratischen »Politischen Verein ›Brüderlichkeit‹« bei. Während seiner Studienjahre war Kaler-Reinthal vor allem journalistisch und politisch tätig. 1871 bis 1872 war er Redakteur der Wochenzeitung »Die Glocke« (Wien), und vom 15. bis 17. Juni 1872 nahm er am ersten Allgemeinen deutschen Gewerkschaftskongress in Erfurt (Sachsen-Weimar-Eisenach [Thüringen]) teil. Wegen angeblich aufreizender Reden am 23. März und 6. April 1872 im »Politischen Verein ›Brüderlichkeit‹« wurde er am 23. August 1872 in Wien verhaftet und am 14. September 1871 vom Landes- als Strafgericht Wien wegen Verbrechens und Vergehens der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zu drei Monaten Kerker verurteilt.

Anlässlich einer am 13. Jänner 1873 in »Zobel’s Bierhalle« (Franz Zobel) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Gasgasse 4–6 / Zwölfergasse 3–15, gehaltenen Rede flüchtete der polizeilich gesuchte Emil Kaler-Reinthal im Jänner 1873 aus Wien nach Graz, dann aus Graz und der Steiermark ausgewiesen weiter nach Deutschland, wo er bis 1875 Redakteur der Zeitung »Nordhäuser Zeitung und Intelligenzblatt« (Nordhausen) war.

Als er zur Teilnahme am Arbeitertag (Parteitag) der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« in Marchegg (Niederösterreich), 16. und 17. Mai 1875, eingeladen wurde, kehrte Emil Kaler-Reinthal nach Österreich zurück. Unmittelbar nach diesem Parteitag wurde er verhaftet, am 31. Mai 1875 in geheimer Verhandlung wegen seiner Rede vom 13. Jänner 1873 vom Landes- als Strafgericht Wien zu vier Monaten Arrest verurteilt und im Oktober 1875 aus der Haft entlassen. 1875 bis 1877 war Kaler-Reinthal Redakteur der sozialdemokratischen Zeitung »Gleichheit« (Wiener Neustadt). Als er als Berichterstatter über den Hochverratsprozess gegen Hippolyt Tauschinsky (1839–1905) und sechs Genossen nach Graz reiste, wurde er im Dezember 1875 neuerlich aus Graz ausgewiesen. Für den am 14. und 15. August 1876 in Wiener Neustadt (Niederösterreich) abgehaltenen Arbeitertag (Parteitag) der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« verfasste er das Programm, und am Arbeitertag in Atzgersdorf (Niederösterreich [zu Wien 23.]), 1. Juli 1877, nahm er als Delegierter teil. Am 2. Juni 1877 stand Emil Kaler-Reinthal neuerlich vor dem Landesgericht Wien, diesmal wegen seiner Broschüre »Vorträge über das österreichische Verfassungswesen«,1 und wurde zu sechs Monaten strengem Arrest verurteilt, die er vom August 1877 bis Jänner 1878 in Wien absaß. 1878 bis 1879 war Kaler-Reinthal verantwortlicher Redakteur des sozialdemokratischen Zentralorgans »Der Sozialist« (Wien). Wegen einer am 6. Jänner 1879 in Graz im »Politischen Verein ›Zukunft‹« gehaltenen Rede wurde er am 13. Jänner 1879 in Graz verhaftet und am 25. April 1879 vom Landes- als Schwurgericht Graz wegen Verbrechens der Majestätsbeleidigung zu vierzehn Monaten schwerem Kerker verurteilt. Er verbüßte die Strafe in der Strafanstalt Karlau [zu Graz] (Steiermark), vom 16. Mai 1879 bis 13. März 1880, verkürzt, weil er sich für Einzelhaft entschieden hatte.

Schwer krank zog sich Emil Kaler-Reinthal zunächst von der Arbeiterbewegung zurück. Danach näherte er sich kurzzeitig der radicalen Arbeiterbewegung an. Am 12. September 1880 nahm er an der ersten geheimen Delegiertenkonferenz der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« in einem Wald bei Mürzzuschlag (Steiermark) teil, auf der vor allem die Organisation der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« in geheimen Clubs und die Verlegung der Parteileitung von Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]) nach Graz diskutiert wurden. Bald darauf, am 18. November 1880, wurde er vom Bezirksgericht Graz wegen Übertretung der wörtlichen Wachebeleidigung zu fünf Tagen Arrest verurteilt. Auf der dritten geheimen Delegiertenkonferenz der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« nahe Mürzzuschlag (Steiermark), 14. und 15. August 1881, wurde Kaler-Reinthal zum Obmann der Parteileitung und zum Chefredakteur der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) bestellt, was allerdings durch seine Verurteilung am 29. November 1881 verhindert wurde. Anlässlich der Debatte über die Notwendigkeit neuer Organisationformen der Partei legte Kaler-Reinthal den Entwurf einer geheimen Organisation vor (»Entwurf einer neuen Organisation der Sozialdemokratischen Partei«), welcher aber nur als Diskussionsgrundlage benutzt und am 11. September 1881 von der Polizei bei Hausdurchsuchungen entdeckt wurde. In der Nacht vom 27. auf den 28. August 1881 wurden bei einer geheimen Konferenz steirischer Sozialdemokraten in Kindberg (Steiermark) mehrere Personen verhaftet, darunter auch Kaler-Reinthal. Es war dies der Beginn einer großen Verfolgungsaktion der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in der Steiermark. Am 31. August 1881 fand vor dem Bezirksgericht Kindberg der Prozess gegen die Teilnehmer der geheimen Konferenz in Kindberg wegen Übertretung des Vereinsgesetzes statt, doch Kaler-Reinthal wurde freigesprochen. Anders war dies im großen Prozess gegen Kaler-Reinthal und Genossen wegen Verbrechens der Geheimbündelei, der am 29. November 1881 vor dem Landes- als Schwurgericht Graz in geheimer Verhandlung stattfand. Kaler-Reinthal wurde zu sechs Monaten strengem Arrest verurteilt, wobei ihm am 26. April 1882 der Rest der Strafe im Gnadenweg nachgesehen wurde. Von nun an wandte er sich konsequent gegen die radicale Arbeiterbewegung. Am 4. August 1882 distanzierte er sich in einem Artikel in der gemäßigten Zeitung »Wahrheit« (Wien) von allen anarchistischen Tendenzen.

Im Oktober 1882 wurde das Gerücht ausgestreut, Emil Kaler-Reinthal habe den Freitod gewählt. Tatsächlich war er zunächst in Graz, dann in Innsbruck (Tirol), von wo er im Oktober 1883 nach Zürich übersiedelte. Hier arbeitete er als Redakteur der sozialdemokratischen Zeitung »Der Sozialdemokrat« (Zürich). Zwischendurch setzte er sein Studium an den Universitäten Zürich und Basel fort und wurde 1885 an der Universität Basel zum Dr. phil. promoviert. Im September 1883 verfasste Kaler-Reinthal gemeinsam mit Eduard Bernstein (1850–1932) die anonym erschienene Flugschrift »Die socialdemokratische Partei Oesterreichs an die Arbeiter«.2 Er arbeitete an der »Bürgerzeitung« (Hamburg) mit und hielt sich in Berlin (Preußen [Berlin]) auf, doch wurde er am 11. Jänner 1886 aus Berlin und Preußen ausgewiesen. Er kehrte nach Zürich zurück, trat aus der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« aus und übersiedelte Ende 1886 nach Graz.

1887 übersiedelte Emil Kaler-Reinthal nach Wien, wo er zunächst in sozialdemokratischen Kreisen verkehrte und vom Jänner 1888 bis März 1889 Mitarbeiter der Zeitung »Deutsche Worte« (Wien) war. Im Jänner 1889 vollzog er den endgültigen Bruch mit der österreichischen Sozialdemokratie.

1889 zog Emil Kaler-Reinthal nach Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]), wo er 1889 bis 1890 Redakteur des Organs »Deutsche Volkszeitung« (Reichenberg) war. 1895 übernahm er für einige Monate die Redaktion der Zeitung »Die Arbeit. Organ für die Interessen der österreichischen Production« (Wien).

Kurz danach übersiedelte Emil Kaler-Reinthal nach Innsbruck (Tirol), wo er vom Oktober 1895 bis zu seinem Tod Redakteur der Zeitung »Tiroler Tagblatt« (Innsbruck) wurde. Am 22. Februar 1897 wählte Emil Kaler-Reinthal, nervlich zerrüttet, den Freitod, indem er sich vom Inn-Steg in den Inn stürzte.

Bücher und Broschüren

  1. Der Zeitgeist. Eine Skizze von E. K. Chicago, Ill.: Verlag und Druck von Ahrens 1873, 32 S. Erschien unter dem Autorennamen »E. K.«.
    b) Der Zeitgeist. Eine Skizze von E. K. 2., unveränderte Auflage. Hottingen-Zürich: Verlag der Volksbuchhandlung 1876, 31 S. Erschien unter dem Autorennamen »E. K.«.
    c) Der Zeitgeist. Eine Skizze von E. K. Hottingen-Zürich: Verlag der Volksbuchhandlung 1887 (= Sozialdemokratische Bibliothek. 32.), 30 S. Erschien unter dem Autorennamen »E. K.«.
    d) Der Zeitgeist. Eine Skizze von E. K. London: German Cooperative Publishing Co. 1890 (= Sozialdemokratische Bibliothek. Sammlung von Abhandlungen über Theorie und Geschichte des Sozialismus. 3. Band. 32.), 30 S. Erschien unter dem Autorennamen »E. K.«.
    e) Der Zeitgeist. Eine Skizze von E. K. 3., durchgesehene Auflage. Berlin: Verlag: Buchhandlung Vorwärts 1893 (= Sozialdemokratische Bibliothek. 32.), 32 S. Erschien unter dem Autorennamen »E. K.«.
  2. Vorträge über das österreichische Verfassungswesen von Emil Reinthal. Wien: Selbstverlag des Verfassers 1877, 12 S. Erschien unter dem Autorennamen »Emil Reinthal«. Die Schrift wurde vollständig beschlagnahmt.
  3. Was ist ein Arbeiter? Von Emil Kaler. Graz: Verlag von Emil Kaler 1881 (= Sammlung von socialpolitischen, ökonomischen und damit zusammenhängenden wissenschaftlichen Abhandlungen, für die österreichische Arbeiterschaft geschrieben. 1.), 11 S. Erschien unter dem Autorennamen »Emil Kaler«. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landesgerichts für Strafsachen als Pressgericht Wien vom 1. August 1881 in Österreich verboten.
  4. Die neue Gewerbe-Ordnung und die Arbeiter. Von Emil Kaler. Graz: Verlag von Emil Kaler 1881 (= Sammlung von socialpolitischen, ökonomischen und damit zusammenhängenden wissenschaftlichen Abhandlungen, für die österreichische Arbeiterschaft geschrieben. 2.), 28 S. Erschien unter dem Autorennamen »Emil Kaler«. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 1. August 1881 in Österreich verboten.
  5. Die Stellung der Arbeiter zur nationalen Frage in Oesterreich. Von Emil Kaler. Graz: Verlag von Emil Kaler 1881 (= Sammlung von socialpolitischen, ökonomischen und damit zusammenhängenden wissenschaftlichen Abhandlungen, für die österreichische Arbeiterschaft geschrieben. 3.), ? S. Erschien unter dem Autorennamen »Emil Kaler«. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Graz vom 14. September 1881 in Österreich verboten.
  6. Die socialdemokratische Partei Oesterreichs an die Arbeiter. Wien [recte Zürich]: Druck der k. k. Hof- und Staatsdruckerei [recte Verlag des »Sozialdemokrat«] [1883], 8 S. Anonym erschienen, gemeinsam verfasst mit Eduard Bernstein (1850–1932). Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 18. September 1883 in Österreich verboten.
  7. Die Ethik des Utilitarismus. Inaugural-Dissertation, eingereicht bei der Universität Basel von Emil Kaler. Hamburg – Leipzig: Verlag von Leopold Voss 1885, 2 Bl., 78 S. Erschien unter dem Autorennamen »Emil Reinthal«. Zugleich Philosophische Dissertation an der Universität Basel 1885.
  8. Wilhelm Weitling. Seine Agitation und Lehre im geschichtlichen Zusammenhange dargestellt von Emil Kaler. Hottingen-Zürich: Verlag der Volksbuchhandlung 1887 (= Sozialdemokratische Bibliothek. 11.), 104 S. Erschien unter dem Autorennamen »Emil Reinthal«. Betrifft Wilhelm Weitling (1808–1871). Enthält: I. Der französische Sozialismus. – II. Die ersten revolutionären Verbindungen der Deutschen in der Schweiz und in Frankreich. – III. Wilhelm Weitling’s Leben und Agitation. – IV. Kritische Darstellung der Lehre Wilhelm Weitling’s.
    A) Вильгельм Вейтлинг. Его жизнь и учение. (К истории коммунистических учений.) Перевод с немецкого А[лександр] Э[дуардович] Дюбуа и А[рон] П[авлович] Лурья. Санкт-Петербург [Sankt Petersburg]: изд. »Просвещение« [1907] (= Библиотека »Просвещения «. 37.), 192 S. Erschien unter dem Autorennamen  »Эмиль Калер«.ÜbersetzerAlexander Eduardowitsch Djubua ‹Александр Эдуардович Дюбуа›, Aaron Pawlowitsch Luria ‹Арон Павлович Лурья›. Russisch: Wilhelm Weitling. Sein Leben und seine Lehren. (Zur Geschichte der kommunistischen Lehren.) Aus dem Deutschen übersetzt von A. E. Djubua und A. P. Luria.
    b) Вильгельм Вейтлинг. Его жизнь и учение. (К истории коммунистических учений.) Перевод с немецкого А[лександр] Э[дуардович] Дюбуа и А[рон] П[авлович] Лурья. Петроград [Petrograd (Sankt Petersburg ‹Санкт-Петербург)]: Издание Петроградского Совета Рабочих и Красноармейских депутатов 1918, 192 S.
  9. Die Moral der Zukunft. Eine populäre Grundlegung derselben. Von Emil Kaler. (Diese Abhandlungen sind zuerst in den »Deutschen Worten«, Jahrgang 1889, Heft 1–8, erschienen.) Wien: Verlag der »Deutschen Worte« 1889, 48 S. Erschien unter dem Autorennamen »Emil Kaler«.
  10. Über Barock. Drei Vorträge gehalten im Kranken-Unterstützungs- und Fortbildungsverein der Bildhauer Wiens von Emil Kaler. Wien: D. Köhler 1889, ? S. Erschien unter dem Autorennamen »Emil Kaler«. 
Karte
  • 1

    Vgl. Emil Reinthal: Vorträge über das österreichische Verfassungswesen. Wien: Selbstverlag des Verfassers 1877, 12 S. Die Schrift wurde vollständig beschlagnahmt.

  • 2

    Vgl. [Eduard Bernstein / Emil Kaler-Reinthal]: Die socialdemokratische Partei Oesterreichs an die Arbeiter. Wien [recte Zürich]: Druck der k. k. Hof- und Staatsdruckerei [recte Verlag des »Sozialdemokrat«] [1883], 8 S. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 18. September 1883 in Österreich verboten.