Ludwig Philipp Schrödl (1851–1888)

Persönliche Daten
Namensvarianten
falsche Namensschreibweise: Ludwig Schredl
falsche Namensschreibweise: Ludwig Filipp Schrödl
Pseudonym: S…..l
Pseudonym: Sch…..l
Deckname: Georg Huber
Geburtsdatum
20. Februar 1851
Geburtsort
Sterbedatum
9. Mai 1888
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch

Vater: Martin Schrödl (Mallowitz, Mähren [Malovice, zu Bor, Tschechien] 11. November 1818 – Wien 30. März 1856), Sohn einer Bäuerin und eines Bauern: Viktualienhändler; an Lungenschwindsucht verstorben; Heirat in Wien am 15. August 1850 mit:
Mutter: Theresia Schrödl, geborene Keusch (Limberg [zu Maissau], Niederösterreich 6. September 1822 – ?), Tochter einer Hausfrau und eines Viehhirten: Hausfrau
Ehe: in Gloggnitz (Niederösterreich) am 22. Oktober 1877 mit Anna Kosta (Gaya, Mähren [Kyjov, Tschechien] 4. August 1854 – ?), Tochter einer Hausfrau und eines Buchbinders: Dienstmädchen, dann Hausfrau; Sozialdemokratin, Aktivistin beim »Arbeiterinnen-Bildungsverein für Oberösterreich«
Tochter: Anna Ludovica Franzisca Kosta, mit 22. Oktober 1877 legitimierte Anna Ludovica Franzisca Schrödl; seit 16. Jänner 1898 verheiratete Dirnhofer (Gloggnitz, Niederösterreich 29. Mai 1877 – ?): Stubenmädchen, dann Hausfrau; Sozialdemokratin

Biographie

Ludwig Philipp Schrödl ließ sich in den 1870er-Jahren in Gloggnitz (Niederösterreich) nieder, wo er sich der sozialistischen ArbeiterInnenbewegung anschloss. Eigentlich war er gelernter Schneider, doch arbeitete er hier als Diurnist in einer Fabrik, dann als Kanzlist bei einem Advokaten in Neunkirchen (Niederösterreich). Schrödl war Gloggnitzer Delegierter auf dem zweiten allgemeinen österreichischen Arbeitertag (Parteitag) der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs«, der am 16. Mai 1875 in Marchegg (Niederösterreich) abgehalten wurde, und auf dem allgemeinen österreichischen Arbeitertag, der vom 13. bis 15. August 1876 in Wiener Neustadt (Niederösterreich) verhandelt wurde, wo er auch zu einem der beiden Schriftführer gewählt wurde. In einer großen Volksversammlung über »Die Forderungen des vierten Standes vor dem Forum des Parlaments«, welche am 14. Mai 1882 in Wiener Neustadt stattfand, vertrat Schrödl bereits Positionen der radicalen Arbeiterbewegung: Er meinte, »daß das allgemeine Wahlrecht für uns von keinem Nutzen sein kann solange der Klassenunterschied besteht, daher wollen wir es auch nicht mehr fordern.«1 Schrödl wurde am 3. Februar 1884 von der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen (Niederösterreich) aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 aus dem ganzen Geltungsgebiet der Ausnahmsverordnungen ausgewiesen und mit gebundener Marschroute in seine zuständige Gemeinde Mallowitz (Mähren [Malovice, zu Bor, Tschechien]) schubiert: »572 Schrödl Ludwig Filipp, Schneider, zuletzt Diurnist, aus Malowitz, Bez. Mies in Böhmen, 33 J. alt,, verh., mittelgr., mit ovalem Ges., bld. H., Schnurr- u. Spitzbart. K. k. Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen 8/2.84.«2

Ende 1884 ließ sich Ludwig Philipp Schrödl als Schreiber in Urfahr [zu Linz an der Donau] (Oberösterreich) nieder, wo er rasch gemeinsam mit dem Tischlergehilfen Franz Doležal (1846–?), dem Hafnergehilfen Anton Fuchs (1847–?) und dem Maschinenschlosser Ferdinand Perlornigg (1854–1901) zu den wichtigsten dortigen Radicalen gehörte. Am 14. Dezember 1884 begann unter Leitung des am Vorabend aus Wien angereisten Regierungsrats Karl Anton Breitenfeld (1830–1900), Vorstand des Sicherheits-Bureaus in Wien, die große Verhaftungswelle unter den oberösterreichischen Radicalen im Zuge von Hausdurchsuchungen in Linz an der Donau (Oberösterreich) und in Urfahr. Folgenreich waren die Hausdurchsuchungen in Urfahr. Hier wurden im Zuge der Hausdurchsuchung mehrere Radicale verhaftet: Franz Doležal und Ludwig Philipp Schrödl sowie zwei kurz darauf wieder aus der Haft entlassene, aber später neuerlich verhaftete Radicale, nämlich der Schneider Arnold Mrňa (1860–?) und der Sattlergehilfe Anton Schenk (1842–1927). Wohl während seiner Untersuchungshaft wurde der am 16. Dezember 1884 in das Landesgericht Linz eingelieferte Ludwig Philipp Schrödl als Polizeispitzel gewonnen. Am 5. Februar 1885 fand vor dem Landesgericht Linz der Prozess gegen Franz Doležal, Ludwig Philipp Schrödl und Vinzenz Wiener statt. Schrödl, der bei seiner Verhaftung einen Degenstock bei sich trug, wurde wegen Übertretung des Waffenpatents zu vierundzwanzig Stunden Arrest verurteilt. Wegen versuchter Zusammenstellung einer geheimen Presse wurden Franz Doležal zu acht Tagen und Vinzenz Wiener zu drei Tagen Arrest. Nach Verbüßung der Strafe wurde Franz Doležal vom Strafgericht Linz an die Linzer Gemeinde-Vorstehung überstellt und von dieser aus dem Kronland Oberösterreich polizeilich abgeschafft und am 14. Februar 1885 in seine Heimatgemeinde abgeschoben.

Ludwig Philipp Schrödl verfasste unter dem Decknamen »Georg Huber« vom Mai 1885 bis zu seinem Tod im Mai 1888 hundertzwanzig konfidentielle Mitteilungen, ausführliche wöchentliche Berichte von je drei bis vier eng beschriebenen Seiten, die alle noch erhalten sind. Dadurch waren die Linzer Behörden seither über den Stand der radicalen Arbeiterbewegung in Oberösterreich, teilweise in Österreich überhaupt, gut informiert. Die Spitzelrolle von Schrödl war allerdings nur den Linzer Behörden bekannt, und so erklärt sich auch die Feststellung der Polizei-Direktion Wien vom Juni 1885: »Von ziemlich verläßlicher Seite sind mir über die Organisation der sozialistischen Partei in Oberösterreich teilweise in Bestätigung bereits bekannter Dinge nachfolgende Notizen zugekommen: In Linz hat sich ein Exekutivkomitee gebildet, welchem Ludwig Schrödl, Anton Kropfmühl und Franz Skopek angehören. Der Tätigste ist wohl Schrödl, aber derselbe erfreut sich wegen seines überheblichen Charakters keiner allgemeinen Beliebtheit.«3

Anfang Juli 1885 konstituierte sich in Linz an der Donau eine neue Parteileitung der Linzer radicalen Arbeiterbewegung, welche sich »Exekutiv-Comité« nannte. Mitglieder waren der Schuhmachergehilfe Franz Forst, der Schuhmachergehilfe Karl Hubmayer (1856–193?), Ludwig Philipp Schrödl (1851–1888) und der Kleidermachergehilfe Franz Škopek (1861–1926). Als Hauptaufgaben wurden die Einhebung der Parteisteuer (fünf Kreuzer wöchentlich) sowie die Verbindung nach auswärts festgelegt, das heißt konkret, die Kontakte mit den oberösterreichischen Ortsgruppen von Gmunden, Ried, Steyr und Wels sowie von Amstetten (Niederösterreich) und Salzburg (Salzburg) zu festigen.

Als im August 1885 den Linzer Radicalen bewusst wurde, dass in ihren Reihen ein Polizeispitzel sein musste, wurde gerade Schrödl als der Vertrauenswürdigste mit der Suche nach der undichten Stelle beauftragt. Eine vom sozialdemokratischen Landesausschuss, der von Radicalen dominiert wurde, einberufene Konferenz oberösterreichischer Vertrauensmänner wurde im August 1885 behördlich verboten. Es hätten Delegierte aus den oberösterreichischen Orten Gmunden, Ried, Steyr und Wels sowie aus Amstetten (Niederösterreich) kommen sollen. Ludwig Philipp Schrödl reiste daraufhin im Auftrag des Linzer Exekutivkomitees nach Amstetten, wo es ihm gelang, am 17. August 1885 mit den zum Anarchismus tendierenden Radicalen Kontakt aufzunehmen. Wohl aufgrund der Denunziation Schrödls wurde noch im August die Amstettener Gruppe um Vinzenz Wiener von der Polizei aufgedeckt und verhaftet.

Am 27. September 1885 fand eine Konferenz oberösterreichischer Vertrauensmänner im Gasthaus »Auf der Haide« in Linz an der Donau statt, auf welcher die Organisation nach dem Fünfer-Gruppensystem der Konferenz deutschsprachiger radicaler Vertrauensmänner am 28. Juni 1885 nahe Leoben (Steiermark) erörtert wurde. Zugleich wurde als Leitung die Organisationsgruppe gegründet, welcher Franz Forst, Karl Hubmayer, der Tischlergehilfe Johann Jandejšek (1843–?), der Schmiedgehilfe Franz Kropfmüller (~1845–1893), Anton Schenk, Ludwig Philipp Schrödl (1851–1888) und der Schlosser Anton Winklař angehörten (►Ende Oktober 1885), fast alle zum Anarchismus tendierende Radicale. Schon im Jänner 1886 erfolgte eine neuerliche Änderung der Organisation. Am 24. Jänner 1886 fand in Linz an der Donau eine geheime Konferenz der Radicalen statt, auf der beschlossen wurde, die bisherige Organisationsform in Fünfer-Gruppen dahingehend zu ändern, dass diese Gruppen nur mehr lose miteinander verbunden sein sollten. Die Gesamtorganisation sollte durch zwei Vertrauensmänner geleitet werden: für die deutschsprachigen Radicalen Ludwig Philipp Schrödl und für die tschechoslawischen Franz Škopek. Noch im Jänner 1886 wurden in Linz an der Donau fünf Gruppen nach dem Fünfer-Gruppensystem mit zusammen sechsundzwanzig Personen gebildet. (►30. Juni 1886)

Bereits seit August 1886 hat in der sozialrevolutionären Gruppe der Linzer Radicalen um den Schuhmachergehilfen Johann Hospodský (1864–?) und Franz Škopek der Plan bestandern, mittels eines Überfalls Dynamit für die Propaganda der Tat zu besorgen. Ziel des geplanten Anschlags war der so genannte Fünfzehnerturm im nahen Unterpuchenau [zu Puchenau] (Oberösterreich). In diesem alten Wehrturm lagerte das Militär Sprengstoff. In der Nacht vom 21. auf den 22. September 1886 schlichen sich einige Radicale an den Fünfzehnerturm an, stießen dabei jedoch auf eine Wache und ergriffen nach einem Anruf die Flucht. Der in die Aktion eingeweihte Ludwig Philipp Schrödl hatte die Behörden bereits zuvor informiert. Es kam zwar zu behördlichen Untersuchungen, die jedoch ergebnislos verliefen. 

Als sich im Februar 1887 die Gemäßigten von den Radicalen in Linz an der Donau abzuspalten begannen, berichtete Ludwig Philipp Schrödl den Behörden nunmehr über beide Strömungen der Linzer Arbeiterbewegung. Als die radicale Zeitung »Arbeit. Organ der Socialisten Oesterreichs« (Villach) nach Linz an der Donau verlegt werden sollte, boten die Linzer Radicalen Schrödl im Juni 1887 die Stelle eines Redakteurs an. Als dann im August 1887 die Entscheidung fiel, die Zeitung tatsächlich nach Linz an der Donau zu verlegen, wurde Schrödl weder zum Redakteur noch zum Mitglied des Herausgeberkomitees gewählt. Und Schrödl lehnte es auch ab, einen Artikel für das Organ zu schreiben. Bemerkenswert: Schrödl bezeichnete sich in seinen konfidentiellen Mitteilungen als Mitglied des Herausgeberkomitees, doch taucht in der einzigen, in Linz an der Donau erschienenen Nummer (6. Oktober 1887) der Zeitung »Arbeit. Organ der Sozialisten Oesterreichs« (Linz) sein Name nicht auf. Am 25. Dezember 1887 fand in Linz an der Donau eine geheime Konferenz statt, auf der die oberösterreichischen Gemäßigten und Radicalen sich um eine Einigung bemühten und auf der die von Andreas Grosse (18401917) aus Wien mitgebrachte Einigungsresolution mit der Bedingung angenommen wurde, vorher Rücksprache mit den einzelnen Organisationen zu halten. Einer der Delegierten dieser Konferenz war natürlich Schrödl, der wiederum die Polizei genau informierte. Als Schrödl am 9. Mai 1888 in Urfahr [zu Linz an der Donau] (Oberösterreich) an Lungenschwindsucht starb, bedeutete dies für die Behörden den Verlust ihrer wohl wichtigsten Informationsquelle zur oberösterreichischen Arbeiterbewegung. Ludwig Philipp Schrödl hatte am 3. Mai 1888 seine letzte konfidentielle Mitteilung geschickt.

Adressen

  • Wien 20., Brigittenau 20 (Geburtsadresse)
  • Gloggnitz, Niederösterreich, Neunkirchner Hauptstraße 9 (1877)
  • Linz an der Donau, Oberösterreich, Pflaster 33 (Sterbeadresse)
Karte
  • 1

    Michael Kumic [d. i. Michael Kumić (1853–?)]: Aus Parteikreisen. [/] Wr.-Neustadt, in: Die Zukunft (Wien), [4]. Jg., Nr. 64 (25. Mai 1882), S. [3].

  • 2

    [Anonym]: 572 Schrödl Ludwig Filipp, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien (Wien), Nr. 12 (16. Februar 1884), S. 43.

  • 3

    Brief der Polizei-Direktion Wien an das Präsidium der Statthalterei in Linz an der Donau. Wien, am 23. Juni 1885, zitiert nach Helmut Konrad (geb. 1848): Das Entstehen der Arbeiterklasse in Oberösterreich. Wien – München – Zürich: Europaverlag 1981 (= Veröffentlichung des Ludwig Boltzmann Instituts für Geschichte der Arbeiterbewegung.), S. 231. – »Anton Kropfmühl« ist der Schmiedgehilfe Franz Kropfmüller (~1845–1893), »Skopek« der Kleidermacher Franz Škopek (1861–1926).