02.04.01. Franz Schustaczek / Josef Müller / Anton Wordak / Josef Kreps: Erklärung. 14. September 1882
Erklärung.1
Als die Korrespondenz ›Wilhelm‹ die bekannten Enthüllungen über das Attentat an dem Schuhmacher Merstallinger am Neubau vom 4. v. M. brachte und daran die weiter Bemerkung, daß das Verbrechen von der hiesigen radikalen Arbeiterpartei inszenirt worden sei und daß die Tat ihren Schatten sogar ins Redakzions-Lokal der »Zukunft«, dem Zentralorgan der österreichischen Arbeiterpartei werfe, knüpfte, da glaubten die Herausgeber dieses Blattes, daß die gesammte Presse, als Organ der Oeffentlichkeit, es sich angelegen sein lassen würde, die Gesetze des Anstandes, der Moral und der guten Sitte nicht zu verletzen. Leider täuschten wir uns aber hierin. So ist es also demnach wahr, was wir seit Jahren von der Tribüne herab über die Korrumpirung der Presse sagten. Der ganze Wortschatz der Gemeinheiten, worüber die deutsche Sprache verfügt, wurde uns, der überwiegenden Mehrheit der Arbeiter, wie die Blätter selbst eingestanden, entgegengeschleudert und die Partei als solche, als die Urgeberin des Verbrechens hingestellt. Man will uns die Grundbegriffe des Rechtes beibringen, scheut sich aber nicht, uns gegenüber das Recht in höhnischer Weise zu verletzen.
Wenn irgend etwas die Berechtigung unserer Bewegung rechtfertigen würde, so ist es diese schreckliche Verdunklung der einfachsten Rechtsbegriffe, die Verhöhnung allen Rechtes einem Gegner gegenüber, dem von allen Seiten das Wort zu jener Verteidigung systematisch entzogen wird.
Eine jede Partei, eine jede Sekte hat ihr Kontingent zum Verbrechertume, und zwar in größerer Zal, als es die sozialdemokratische Partei bisher zu Wege brachte, gestellt, weil eben die Verbindungen aus Menschen bestehen; und Niemandem ist es eingefallen, die Gesammtheit wegen dem Tun und Lassens eines Einzelnen zu insultiren. Vielleicht, daß sich in unserer Mitte, wie eben in jeder anderen Partei, noch mehr solch’ dunkle Existenzen bewegen, wir können sie aber trotzdem nicht ausschließen, insolange von ihnen die Prinzipien der Sozialdemokratie keine Verletzung erfahren haben. Man mache uns dieselben namhaft und wir werden dann handeln. Deshalb können wir auch in diesem Falle früher keine Entscheidung treffen, bis nicht der Proceß beendigt ist. Würden wir, wie die Frakzion »Wahrheit« fordert, die jetzt der Schuld Verdächtigen aus der Partei ausschließen, und würde sich dann die Unschuld auch nur eines Einzigen ergeben, so müßten wir wieder den ersten Beschluß umstoßen und das gemaßregelte Mitglied den Rechtsgrundsätzen gemäß in unsere Mitte aufnehmen. Ist diese Logik nicht einfach und klar?
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Was das Schattenwerfen bis in das Redakzions-Lokal der ›Zukunft‹ betrifft, so erklären die Herausgeber, daß, wenn der mindeste positive Beweis für diese, die Tatsachen auf den Kopf stellende Behauptung vorläge, das Erscheinen des Blattes von Seite der Behörde gewiß sofort untersagt worden wäre. Gar so großen Konzessionen haben wir uns ja von dieser Seite niemals zu erfreuen. Da eine Nummer der ›Zukunft‹ einmal 32 weiße Stellen auswies, ferner erklären sie, daß die bei der Merstallinger-Affaire »etwa« Beteiligten, außer dem Redakteur Josef Peukert (dieser wurde erst nach Verübung des Attentates Redakteur, wie weiter unten ausgeführt ist) auf die Leitung des Blattes schon lange keinen Einfluß besaßen, wie sich dem überhaupt der Redakteur den Herausgebern fügen muß. Die anderen waren der Redakzion mehr oder minder unbekannt. So fungirte Heinrich Hotze vom 10. bis 24. November v. J. als Redakteur und Herausgeber, und als er dann plötzlich verhaftet wurde, übernahm Ign. Formanek die Redakzion des Blattes, welche er bis zum 23. Februar l. J., also bis zu seiner Flucht inne hatte. Hotze fungirte zwar wol noch bis zum 8. Juni d. J. als Herausgeber, doch ist dies dadurch zu erklären, daß Hotze bei seiner plötzlichen Verhaftung die Herausgeberschaft nicht zurücklegen konnte. Nach Formanek führte Josef Hybes die Redakzion, welche er am 8. Juni, als am Tage seines Strafantrittes, zurücklegte; von diesem Zeitpunkte an führte Franz Schustaczek die Redakzion, und zwar bis zum 27. Juli d. J., von welchem Tage an Josef Peukert als Redakteur des Blattes eintrat, auch der letztere unterstand wie alle an dem Erwähnten den Herausgebern.
Zum Schlusse sprechen wir nur das Bedauern aus, daß von Seite unserer Gegner das Verbrechen zur Förderung ihrer Nebenabsichten benutzt wurde; denn wäre dies nicht der Fall gewesen, so hätte man am letzten Dienstag keine Vereinsversammlung, sondern eine Volksversammlung einberufen, damit sich nicht blos die Minorität, sondern auch die Majorität aussprechen könne.
Wien, am 1. September 1882
Die Herausgeber:
Franz Schustaczek, Josef Müller, Anton Wordak, Josef Kreps
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Franz Schustaczek (1850–1908), Josef Müller (1839–1891), Anton Wordak (1846–?), Josef Kreps (1859–1945): Erklärung, in: Die Zukunft (Wien), [4]. Jg., Nr. 71 (14. September 1882), S. [1–2].