02.05.00. Der kurze Sommer der Anarchie. 1883 / Chronik 1. Jänner bis 14. Dezember 1883
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Überblick
Zentren der radicalen Arbeiterbewegung waren weiterhin Wien und die Steiermark. In den außerhalb Österreichs liegenden Teilen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie dominierte sie in Böhmen und Mähren, wo sich die Radicalen in der »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku« (Tschechoslawische sozial-demokratische Arbeiterpartei in Österreich) organisierten. Und in Ungarn war sie zumindest in Budapest aktiv, wo sich die Radicalen in der »Magyarországi Általános Munkáspárt« (Ungarische Allgemeine Arbeiterpartei) sammelten. Das Resümee der Polizei: »Rücksichtlich der örtlichen Verbreitung der beiden Hauptparteien ist zu bemerken, dass die Centrale der Gemässigten in Brünn ist, dort sowohl unter den čechischen als auch unter den deutschen eine erdrückende Mehrheit hat, weiters einen nicht unbedeutenden Anhang in den übrigen Städten und Orten von Mähren und Schlesien, theilweise auch im nördlichen Böhmen, in Oberösterreich und Tirol, sowie in Ungarn besitzt, in Wien jedoch in der Minderheit sich befindet und in Graz fast numerisch gleich stark vertreten ist. In Wien, in mehreren Orten in Kärnten und Steiermark, sowie in den Kohlendistricten Böhmens hat die radicale Partei die Oberhand. Durch die in Prag erfolgten zahlreichen Verurteilungen und Abschaffungen čechischer Socialisten beschränkt sich zur Zeit die Parteithätigkeit in Prag auf eine kleine, zur radicalen Partei gehörige Organisation. Zu den Radicalen sind auch die Socialisten in Galizien zu zählen, von welchen die Gruppe in Westgalizien […].«1
Einen Wendepunkt in der Geschichte der radicalen Arbeiterbewegung Österreichs stellte der Merstallinger-Prozess im März 1883 dar, in dem der Überfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) in Wien am 4 Juli 1882 durch die Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?) und Franz Pfleger (1831–1884) verhandelt wurde. Der Freispruch der meisten angeklagten Radicalen führte zu einem rasanten Anwachsen ihrer Anhängerschaft und zu einem selbstbewussten Auftreten der Radicalen. Dies wiederum weckte in Teilen der Bewegung die Hoffnung, dass die soziale Revolution unmittelbar bevorstünde und nur mehr einer Initialzündung bedürfe. Die Selbstsicherheit der Wiener Arbeiterschaft bei Demonstrationen scheinen Vorboten der Propaganda der Tat im Sinne einer Volkserhebung zu sein, und Josef Peukert (1855–1910) diskutierte in kleinem Kreis mit Radicalen, welche »ganz von selbst zum Anarchismus« gelangten. Es ist offensichtlich, dass seit Juli 1883 zumindest in Wien eine wirklich anarchistische Bewegung im Entstehen war, wenngleich stark sozialrevolutionär geprägt. Diese anarchistisch-sozialrevolutionäre Bewegung gelangte jedoch nicht zur Entfaltung, weil sie nach einem halben Jahr durch die behördliche Verfolgung erstickt wurde. Diesem »Sommer 1883 in entschlossener und gehobener Stimmung«, wie Max Nettlau (1865–1944) schrieb,2 folgte ein eisiger Winter, der fast ein Jahrzehnt anhielt.
»Es ist eine unbestrittene Thatsache, dass mit Beginn der Thätigkeit Josef Peukerts in Oesterreich die radicale Partei einen entschiedeneren Charakter annahm, wie auch, dass die Bewegung einen raschen Aufschwung gewann, vermöge der damals vorzüglichen Schreibweise der ›Zukunft‹, welche unter dem völligen Einflusse Peukerts stand; die Partei war denn auch im eminenten Maße mit dessen Geiste durchzogen. Peukert galt als das geistige Haupt der Bewegung, besonders im Jahre 1883 nach dem Merstallinger-Process, dessen Person also mit der Bewegung eng verbunden war […].
Der Anlauf, den die radicale Partei zu jener Zeit nahm, war ein vielversprechender, zu dem die Person Peukert’s nicht wenig beitrug.
Denn Peukert war es, der die beiden Schlagworte: »Durch Bildung zur Freiheit« oder »Durch Freiheit zur Bildung« zur eingehenden Discussion durch Wort und Schrift brachte und sich auf die Seite, mit ihm die Partei, der letzteren Anschauung stellte. Diese Thatsache, so sollte man meinen, musste zu mindestens im Wesentlichsten die Lossagung der radicalen Partei von den socialdemokratischen Ideen, nach der logischen Schlussfolgerung, bedeuten. Conform dieser Anschauung erklärte Peukert auch anlässlich des Merstallinger-Processes auf Befragen des Präsidenten, ob er die Anschauungen Most’s theile, ›er sei nicht Centralist, sondern Föderalist‹, womit nach unseren Begriffen zu verstehen war, dass er anarchistischen Ideen huldige.
Aber Peukert war es endlich auch, der die Propaganda der That zur Geltung brachte.
Das alles waren gewiss Motive, die zu der Annahme berechtigten, dass die Partei sich in der Richtung der Anarchie zu bewegte. In Vertrauenskreisen erklärte Peukert wiederholt, Gegner des Autoritätsprincipes zu sein und sprach vom Anarchismus. Und doch nannte sich die Partei die socialdemokratische, wie uns der Titel der ›Zukunft‹ als Centralorgan der ›socialdemokratischen Partei Oesterreichs‹ am besten beweist. Wo blieb da die Consequenz?«3
Hervorgehoben sei auch die heimtückische Abschaffung des Anarchisten Johann Christian Neve alias John Neve (1844–1896) aus Wien am 26. Juli 1883, welche nicht nur in der radicalen Arbeiterbewegung in Österreich für Empörung sorgte. Sie war auch mitverantwortlich für die so genannte Schottenring-Demonstration in Wien am 10. August 1883, ein allgemein Aufsehen erregendes Lebenszeichen der Radicalen mit zahlreichen Verwundeten und Verhaftungen. Auch der sozialrevolutionäre Flügel der Radicalen machte sich nun weithin sichtbar bemerkbar. Am 28. August 1883 begann eine Serie von Brandanschlägen auf Holzplätze, die erste so genannte Brandleger-Affäre, der bis 9. September 1883 drei weitere Brandlegungen folgten. Dass diese Brandlegungen tatsächlich von Sozialrevolutionären durchgeführt wurden, wurde von von den Behörden und der bürgerlichen Presse zwar vermutet, konnte jedoch nie nachgewiesen werden.
Zuverlässige Daten über die behördliche Verfolgung der Radicalen in Österreich gibt es nicht, doch lässt sich deren weitere Intensivierung belegen. 1883 wurden nach bisherigem Wissensstand 119 Genossinnen und Genossen zu schweren Kerkerstrafen verurteilt sowie zwanzig Radicale aus Wien und achtundfünfzig aus verschiedenen Orten, besonders aus Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]), ausgewiesen.
Auch die Flugschriftenpropaganda nahm 1883 wieder zu, und es erschienen einige meist kurzlebige radicale Zeitungen, welche teilweise bereits als Untergrundpublikationen auf Geheimpressen gedruckt wurden. Ein wichtige geheime Druckerpresse der Radicalen wurde am 8. November 1883 von der Polizei in Altmannsdorf (Niederösterreich [zu Wien 12.]) ausgehoben.
Mit den Attentaten in Straßburg (Elsaß-Lothringen [Strasbourg, Frankreich]) am 22. Oktober 1883 und in Stuttgart (Württemberg [Baden-Württemberg]) am 21. November 1883 wurde schließlich jene sozialrevolutionäre Phase eingeleitet, die in Österreich mit der Ermordung des Polizeikonzipisten Franz Hlubek (1854–1883) in Großjedlersdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) am 15. Dezember 1883 ihren ersten Höhepunkt erreichte. In deren Folge wurde im Jänner 1884 die folgenreiche behördliche Zerschlagung der sich eben bildenden anarchistischen Bewegung in Österreich begonnen.
Bemerkenswert: Im Dezember 1883 blickten die Radicalen nicht nur stolz auf das vergangene Jahr zurück, sondern auch kampfbereit auf das kommende: »Unaufhaltsam rollte das Rad der Zeit seine Bahn, mit mächtigen Furchen den Boden des gesellschaftlichen Lebens durchwühlend. […] Die sozialistische Arbeiterbewegung hat diesem Jahre der gesammten Staatspolitik aller Länder mit einem Male eine eigentümliche Signatur aufgedrückt, welche von uns in ihrer Totalität eine um so größere Beachtung verdient, als dieselbe auch den Kampf des arbeitenden Volkes um seine allgemeinen sozialen Rechte in andere Bahnen drängt. Seit Jahrzehnte [!] kämpfte das Proletariat um die Anerkennung seiner Forderungen von Seiten der herrschenden Klassen vergeblich. Dieselben wurden einfach von den Letzteren mit vornehmer Geringschätzung ignorirt. […] Die Situation hat sich nun vollständig verändert. Die Existenz einer sozialen Frage wird heute nicht nur von den herrschenden Klassen anerkannt, sondern dieselben sind sogar auf das Eifrigste bemüht, selbst in Sozialismus zu machen. Selbstverständlich in ihrer Weise. […] Die verschiedenen Bourgeouisparteien [!] überbieten sich förmlich gegenwärtig in sozialreformatorischen Ideen. Das, was vor kaum Jahresfrist noch verpönt und verketzert wurde, ist heute zum Paraderoß der Regierungen fast aller Länder geworden! […] Doch die Sorge um den ›armen Mann‹ dient auch heute nur dazu, das Sistem der bestehenden ›Ordnung‹ zu befestigen. […] In dieser kleinlichen Selbstsucht, dieses abscheulichen Krämergeistes, der Sorge um den Geldsack, ist die gesammte sich liberal oder demokratisch nennende Bourgeoisie stets bereit, mit der Reakzion, welche diesen Geldsack vorläufig schützt, gemeinsame Sache zu machen, statt sich energisch um das Banner des Volkes zu scharren, um die Sache der Freiheit und des Fortschrittes zu verteidigen. Und so zeigt sich denn abermals, daß das arbeitende Volk nur im vollsten Selbstvertrauen auf seine eigene Kraft den Kampf für Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit führen muß. […] Kurz die Gegensätze der gesellschaftlichen Organisazion spitzen sich immer mehr zu, so daß eine Ausgleichung fast zur Unmöglichkeit geworden. Wir gehen niemals mehr zurück, sondern unser Blick und Schritt wird stets nach ›vorwärts‹ gerichtet sein.«4
Chronik
4. Jänner 1883 (Donnerstag)
Krakau (Galizien [Kraków, Polen]): Am Donnerstag dem 4. Jänner 1883 erscheint die erste Nummer der polnischen Zeitung »Robotnik« (Kraków; Der Arbeiter) mit radicalen Tendenzen. Sie wird am ►15. Februar 1883 nach vier Nummern eingestellt werden. Die Zeitung findet jedoch in Österreich kaum Verbreitung.8. Jänner 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am 8. Jänner 1883 bricht nach acht Wochen der Streik der Buchdrucker und Schriftsetzer in Wien zusammen. Bei diesem geht es um den Kampf für den Zehnstundentag und um die Abschaffung der Sonntagsarbeit. Da nun selbst Gemäßigte wie der Buchdruckergehilfe Karl Höger (1847–1913) ihre Kollegen zum Anschluss an die radicale Arbeiterbewegung auffordern, trägt dieser Niederlage zur weiteren Stärkung der Wiener Radicalen bei.9. Jänner 1883 (Dienstag)
Wien und Vororte: Am 9. Jänner 1883 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess anlässlich der so genannten Schusterkrawalle (►1. bis 10. November 1882) gegen den Kellner Franz Liebold (~1860–?) statt. Er war schon am ►14. Dezember 1882 angeklagt worden, doch musste die Verhandlung gegen ihn vertagt werden, weil die ihn belastenden Hauptzeugen nicht erschienen waren. Franz Liebold wird wegen Vergehens des Auflaufs und des Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit zu drei Monaten schwerem Kerker verurteilt. Damit finden die am ►5. Dezember 1882 begonnenen Prozesse anlässlich der so genannten Schusterkrawalle endgültig ihr Ende. Ausständig ist lediglich das Verfahren gegen den am ►13. Dezember 1882 zu vier Monaten schwerem Kerker verurteilten Hutmachergehilfen Sigmund Helleport (~1863–?), ein Gemäßigter, der die Wiederaufnahme seines Verfahrens erreichte und das auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 12. März 1883 (Montag) überhaupt eingestellt wird.13. Jänner 1883 (Samstag)
Zürich ( Zurich / Zurigo (Kanton Zürich, Schweiz): Am 13. Jänner 1883 schreibt der Schuhmachergeselle Hermann Stellmacher (1853–1884) einen später viel diskutierten Brief an den österreichischen Gesandten in der Schweiz, Moritz Franz Freiherr von Ottenfels-Gschwind (1820–1907): »Unterzeichneter erlaubt sich, Eurer Excellenz Nachstehendes zur Kenntniß zu bringen, in der Voraussetzung, dem österreichischen Staate Dienste damit zu leisten. Ein österreichischer Unterthan hat das social-revolutionäre Organ ›Freiheit‹ redigirt, und zwar vom 8./7. bis 19./8. 1882. Derselbe befindet sich gegenwärtig in seiner Heimat, ebenfalls für ›Freiheit‹ thätig, und zwar schon sechs Monate. Er hat die Redaction nur dadurch aufgegeben, weil er zur Ordnung seiner Vermögensverhältnisse nach Hause mußte. Wenn dem österreichischen Staate daran gelegen ist, dieses Mannes habhaft zu werden, so bin ich bereit, gegen Gratification den Namen zu nennen, mitzutheilen, wo er sich aufhält, ebenso die Beweise zu verschaffen, daß er die ›Freiheit‹ redigirt hat. Diese Angelegenheit müßte jedoch schnellstens erledigt werden, weil mir sonst die Gelegenheit genommen wäre, bestimmt zu sagen, wo er sich aufhält. [/] Wenn Euer Excellenz Nachricht von Oesterreich haben, mit mir in Verbindung zu treten, so bin ich bereit, nach Bern zu kommen; jedoch müßte ich Gewißheit haben, daß mir die Reisekosten vergütet werden. Ebenso möchten mir Eure Excellenz mittheilen, wie hoch die Gratification ist, die mir zugesichert wird, und wann ich dieselbe erhalte. Ich mache Eure Excellenz darauf aufmerksam, daß, wenn ich gut honorirt werde, noch mittheilen kann, wer die ›Freiheit‹ nach Oesterreich spedirt und auf welchem Wege. Ebenso könnte ich dafür sorgen, daß jede Sendung des socialistischen Organes ›Social-Demokrat‹ in die Hände der Regierung fällt; der österreichische Staat würde an mir den zuverlässigsten Agenten haben. [/] In Erwartung, daß Eure Excellenz die Güte haben werden, mich baldmöglichst zu benachrichtigen, zeichnet sich achtungsvoll [/] H. Stellmacher, Cardonnier, [/] Reserve-Unterofficier des königlich sächsischen 2. Grenadier-Regiments 101. [/] N. B. Bitte, haben Sie die Güte, kein Couvert zu nehmen, worauf der Gesandtschaftsstempel ist, ebenso wird es mir sehr angenehm sein, wenn Eure Excellenz die Güte hätten, in dieser Angelegenheit selbst zu schreiben, da dann Gewißheit vorhanden ist, daß über diese Angelegenheit nichts verlautet.«5 Einen ähnlichen Brief schreibt er auch einen mit »Zürich, 19. Jänner 1883« datierten an Andreas Kaltenbach, kaiserlicher Polizeiinspektor in Mülhausen (Elsaß-Lothringen [Mulhouse, Frankreich]).15. Jänner 1883 (Mittwoch)
Triest (Österreichisches Küstenland [Trieste, Italien]): In der Zeitung »L'Indipendente« (Trieste; Der Unabhängige) erscheint in der Nummer 2030 (15. Jänner 1883) der Artikel »Il Manifesto degli anarchisti« (Das Manifest der Anarchisten). Mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Triest vom 19. Jänner 1883 wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Weiterverbreitung diese Zeitschrift in Österreich verboten werden.22. Jänner 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am22. Jänner 1883 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Wien in geheimer Verhandlung der Prozess gegen den am ►12. November 1882 verhafteten Tischlergehilfen Josef Jakl (1860–?) statt. Er wird der Verbrechen des Hochverrats, der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, der Aufwiegelung und der Übertretung der verbotenen Rückkehr angeklagt. Wegen Aufwiegelung und verbotener Rückkehr wird Josef Jackl zu sechs Monaten strengem Arrest verurteilt.26. Jänner 1883 (Freitag)
Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]): Am 26. Jänner 1883 findet vor dem Landes- als Strafgericht Brünn in geheimer Verhandlung der Prozess gegen den am ►15. November 1882 verhafteten Buchbindergehilfen Josef Schallinger (1857–1883) sowie gegen die beiden am ►6. Dezember 1882 verhafteten Radicalen, den Eisendreher Julius Břestian (1852–1915/1920) und den Maschinenschlosser Anton Roza (1854–?), statt. Sie werden des Vergehens gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung angeklagt, begangen durch den Versuch der Gründung einer Vereinigung zwecks Durchführung des Programms der radicalen Arbeiterpartei. Josef Schallinger, der wegen Absingen des »Petroleumlieds« wegen verbotener Kolportage vorbestraft ist (►11. bis 17. April 1882), wird auch noch des Verbrechens der gefährlichen Drohung beschuldigt, begangen durch die Versendung eines so genannten Brandbriefs an die Fabrikanten Brünns. Im Sinne der Anklage werden Josef Schallinger, der auf jede Verteidigung verzichtet, zu eineinhalb Jahren schwerem Kerker, Anton Roza zu vier Monaten und Julius Břestian zu drei Monaten strengem Arrest verurteilt. Dieser Prozess, dem auch Radicale aus Wien als Vertrauensmänner beiwohnen, wird für Josef Schallinger schwerwiegende Folgen haben (►5. März 1883).28. Jänner 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am 28. Jänner1883 findet in Johann Riegl’s Gasthaus in Hetzendorf (Niederösterreich [zu Wien 12.]) ein von Radicalen veranstaltetes Arbeiterkränzchen statt, bei dem auch zwölf geladene Mitglieder des »Arbeiter-Sängerbundes in Wien« auftreten. Am Ende der Veranstaltung deklamiert der Schuhmachergehilfe Franz Kraus (1859–?) das der Zeitung »Freiheit« (New York) entnommene Gedicht »Petroleum und Dynamit«. Danach wird noch ein Lied gesungen, wobei anschließend die etwa dreißig Anwesenden im Weggehen in revolutionäre Rufe ausbrechen und sich schließlich nach Schönbrunn (Niederösterreich [zu Wien 13.]) begeben. Nahe dem kaiserlichen Schloss werden sie von der sie bereits verfolgenden Gendarmerie eingeholt und angehalten. Die Vorstände des Gesangvereins, der Drechslergehilfe Lorenz Schmidmaier (1856–?) und der Gürtlergehilfe Josef Wiedemann (1857–?), werden verhaftet. Als Rädelsführer der Aktion eruieren die Behörden Franz Kraus und den erst am 19. Februar 1883 (Montag) verhafteten Webergehilfen Christian Josef Kraus (1849–?), welche dann gemeinsam mit den inhaftierten Vereinsvorständen in das Bezirksgericht Hernals (Niederösterreich [zu Wien 17.]) eingeliefert und am ►12. März 1883 vor Gericht gestellt werden.28. Jänner 1883 (Sonntag)
Budapest, Ungarn: Am 28. Jänner 1883 findet in Budapest eine Versammlung des radicalen Flügels der »Magyarországi Általános Munkáspárt« (Ungarische Allgemeine Arbeiterpartei) statt, an der rund dreihundert Arbeiter teilnehmen. Zum ersten Punkt der Tagesordnung über den »Tropfen sozialistischen Öls des Grafen Apponyi« meint der Arbeiter Ferdinand Kiss: »Der Socialismus ist heute keine volkswirthschaftliche Frage mehr, sondern die Frage der gesammten Menschheit. Der Staat ist eine Maschine, welche geölt werden müsse, mitunter ist es auch zur Verhütung des Rostes nothwendig, einen Petroleumtropfen in das Oel zu mengen. Ich halte die ungarische Staatsmaschine schon für verrostet, daher ist es zweckentsprechend…«6 An diesem Punkt seiner Rede wird Ferdinand Kiss vom anwesenden Bezirkshauptmann, der den Redner zuvor schon mehrfach abgemahnt hatte, unterbrochen und die Versammlung aufgelöst. Der darauf losbrechende Tumult wird vom Vorsitzenden der Versammlung mit dem Hinweisbeendet: »Diese Auflösung macht für uns größere Propaganda, als die längste Sitzung«.7 Danach kommt es zu einem allgemeinen Tumult unter den Arbeitern.1. Februar 1883 (Donnerstag)
Österreich: Am 1. Februar 1883 entscheidet sich der Strafgerichtausschuss des österreichischen Reichsrats mit acht gegen sieben Stimmen für die Beibehaltung der Todesstrafe, die seit 1871 ausschließlich für Mörder angewendet wird. Diese Entscheidung ist auch deshalb bemerkenswert, waren doch in letzter Zeit vier Fälle bekannt geworden, in denen sich die Justizgemordeten im Nachhinein als unschuldig erwiesen haben.1. Februar 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 1. Februar 1883 findet vor dem Bezirksgericht Hernals (Niederösterreich [zu Wien 17.]) der Prozess gegen den Metallarbeiter Stefan Pauler (1840–?) und den Gas- und Wasserleitungsmonteur Bernhard Sommer wegen Beleidigung des Reichsrats statt. Pauler hatte am 26. Dezember 1882 auf einer Freien Schuhmacher-Versammlung im »Hernalser Brauhaus« (Johann Karpf) in Hernals, Frauengasse 27, gesagt, dass die Resolutionen und Petitionen der Arbeiterschaft in die Papierkörbe wanderten. Stefan Pauler, der sich in seiner Verteidigung darauf beruft, dass der Abgeordnete zum Reichsrat Georg von Schönerer (1842–1921) kurz zuvor ähnliche Aussagen getätigt habe, wird zu vierzehn Tagen Arrest verurteilt und am 28. April 1883 von der Polizei-Direktion Wien aus dem Kronland Niederösterreich ausgewiesen (►30. April bis 8. Mai 1883). Bernhard Sommer wird freigesprochen.3. Februar 1883 (Samstag)
Wien und Vororte: Am 3. Februar 1883 erscheint die erste, auf rotem Papier gedruckte Nummer der tschechischen Zeitung »Proletář« (Vídeň [Wien]; Der Proletarier), welche mit der Nummer vom ►1. April 1883 nach drei Nummern aufgrund behördlichen Verbots eingestellt werden wird. (►8. April 1883 und ►13. April 1883)13. Februar 1883 (Dienstag)
Wien und Vororte: Prozesse gegen Gemäßigte sind – abgesehen von Ehrenbeleidigungsklagen – selten. Am13. Februar 1883 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht in geheimer Verhandlung der Prozess gegen den Metallarbeiter und Eisentrödler Franz Mayer wegen Verbrechens der Beleidigung eines Mitglieds des kaiserlichen Hauses und Vergehens der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung statt. Franz Mayer, ein Gemäßigter, hatte am 14. Dezember 1882 in einer Versammlung des »Politischen Fortschritts-Vereins ›Eintracht‹« in »Dreher’s Etablissement« (Anton Dreher) in Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 97, eine Rede gehalten, wo er sich beleidigend über Feldmarschall Albrecht von Österreich-Teschen (1817–1895), Erzherzog von Österreich und Herzog von Teschen, geäußert haben soll. Franz Mayer wird vom Vergehen freigesprochen, wegen des Verbrechens aber zu drei Monaten Arrest verurteilt.15. Februar 1883 (Donnerstag)
Krakau (Galizien [Kraków, Polen]): Mit der Nummer vom 15. Februar 1883 wird die seit ►4. Jänner 1883 erscheinende polnische Zeitung »Robotnik« (Kraków; Der Arbeiter) nach vier Nummern eingestellt. Der Redakteur der Zeitung, der Fotograf Johann Schmiedehausen (1858–1915), wird noch im Februar 1883 verhaftet, allerdings später ohne Anklageerhebung wieder freigelassen. Er wird 1884 nach Wien ziehen und 1907 in die USA auswandern.27. Februar 1883 (Dienstag)
Wien und Vororte: Am 27. Februar 1883 findet vor dem Landes- als Pressgericht Wien der Prozess gegen den Metallarbeiter Franz Nechvíle (1856–1931) wegen Übertretung des Pressegesetzes statt, weil er unbefugt Gesetzestexte verbreitet habe. Franz Nechvíle wird zu einer Geldstrafe von 5 Gulden verurteilt.1. März 1883 (Donnerstag)
Budapest (Ungarn): Am 1. März 1883 erscheint die erste Nummer der Zeitung »Radikal« (Budapest), welche mit der Nummer vom ►1. März 1884 nach dreizehn Nummern eingestellt werden wird. Redakteur ist der bekannte radicale Schneidergehilfe Ármin Práger (1851–1905). Da der Zeitung der Postdebit (Zeitungsvertrieb durch die Post) mit Erkenntnis des Ministeriums des Innern vom 6. April 1883 für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder (also für die österreichische Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) behördlich entzogen wird, muss sie nach Österreich eingeschmuggelt werden. Parallel zur deutschen Zeitung »Radikal« wird ab ►18. März 1883 die ungarische Zeitung »Népakarat« (Budapest; Volkswille) erscheinen.5. März 1883 (Montag)
Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]): Am 5. März 1883 stirbt im Gefängnis des Landesgerichts Brünn der Buchbindergehilfe Josef Schallinger (1857–1883) an den Folgen der ihm im Gefängnis zugefügten Misshandlungen. Sein Körper ist mit Wunden übersät, sein Gesicht derart entstellt, sodass der Leichnam den Verwandten nicht ausgehändigt wird. Josef Schallinger war am ►15. November 1882 verhaftet und am ►26. Jänner 1883 zu eineinhalb Jahren schwerem Kerker verurteilt worden. Derartige staatliche Verbrechen stärken nicht nur die tschechoslawische radicale Arbeiterbewegung in Mähren, sondern auch in Österreich.7. März 1883 (Mittwoch)
Wien und Vororte: Nachdem in den letzten Tagen in den Vororten Wiens mehrfach die bereits im Februar 1883 in Böhmen [Tschechien] aufgetauchte radicale Flugschrift »Pracující lidé!« (Arbeitendes Volk!)8 verstreut wurde, gibt es am 7. März 1883 durch das Polizeikommissariat Döbling (Niederösterreich [zu Wien 19.]) erste Festnahmen in Wien 3.: der Maurergehilfe Franz Bambas (1849–?) und der Schneidergehilfe Mathias Seda (1858–?). Beide werden in das Landesgericht Wien eingeliefert.8. März 1883 (Donnerstag) bis 21. März 1883 (Mittwoch)
Wien und Vororte: Vom 8. bis 21. März 1883 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) statt, der von der Staatsanwaltschaft als großer Schau- und Hochverratsprozess gegen die Wiener Radicalen angelegt wird. Vor Gericht stehen neunundzwanzig Personen. Die Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?) und Franz Pfleger (1831–1884) werden der Verbrechen des Hochverrats und des Raubs als unmittelbare Täter angeklagt, der Tischlermeister Wilhelm Bernt (1841–?) der Verbrechen des Hochverrats und der Teilnahme am Raub, der Tischlergehilfe Ludwig Sommer (~1851–?) der Verbrechen des Hochverrats und der Vorschubleistung, der Bronzearbeitergehilfe Stefan Buelacher (1858–?), der Schneidergehilfe und nunmehrige Kellner Franz Gröbner (1856–?), der Tischlergehilfe Johann Kompoß (1842–?), der Futteralmacher August Koditek (1855–?), der Webergehilfe und nunmehrige Geschäftsdiener Robert Krondorfer (1853–?), der Schuhmachergehilfe Karl Masur (1850–191?), der Maschinist Franz Motz (1850–~1921), der Buchbindergehilfe und nunmehrige Bürodiener Ernst Schmid (1853–1919), der Tischlergehilfe Andreas Spahl (1852–?), der Handschuhmachergehilfe Berthold Spiegel (~1854–?), der Stahlarbeiter Josef Stiasny (1848–1888), der Tischlergehilfe Alois Treibenreif (1836–1903), der Tischlergehilfe Theodor Wagner (1858–?), der Maler- und Anstreichergehilfe Franz Weich (1855–1925), der Tischlergehilfe Johann Wetz (1841–?), der Metallgießer Josef Winter (1840–?) und der Anstreichergeselle Jakob Würges (1842–1895) des Verbrechens des Hochverrats, der Maler- und Anstreichergehilfe und Redakteur Josef Peukert (1855–1910) der Verbrechen des Hochverrats und der Mitschuld am Raub, der Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?), der Miederfabrikant Franz Gams (1850–1899), der Tischlergehilfe Josef Kreps (1859–1945), der Sattlergehilfe Anton Schenk (1842–1927) sowie der Gold- und Silberplatinierer und nunmehrige Geschäftsdiener Anton Wordak (1846–?) des Verbrechens der Mitschuld am Hochverrat, Franz Gams überdies des Verbrechens der Teilnahme am Raub, die schwangere Tintenerzeugerin Anna Heitzer (1850–1913) und die Dienstmagd und nunmehrige Hausfrau Jakobine Hotze (1850–1931) des Verbrechens der Teilnahme am Raub. Als Vertrauensleute der Angeklagten sind auch wieder einige Reichsratsabgeordnete anwesend: Heinrich Fürnkranz (1828–1896), Ferdinand Kronawetter (1838–1913), Franz Moritz Roser (1818–1906) und Georg von Schönerer (1842–1921). Sämtliche Angeklagten werden vom Vorwurf des Hochverrats freigesprochen. Josef Stiasny wird allerdings am 11. Februar 1884 aus Wien ausgewiesen werden. Lediglich das Raubattentat führt zu Verurteilungen: Josef Engel und Franz Pfleger, welche die Schuld mehr oder weniger auf sich nehmen, werden wegen Raubs zu je fünfzehn Jahren schwerem Kerker, verschärft durch einen Fasttag monatlich, Wilhelm Bernt, der während der polizeilichen Einvernahmen umfangreiche und teils die Mitangeklagten belastende Aussagen tätigte, wird wegen Teilnahme am Raub zu zwei Jahren schwerem Kerker, verschärft durch einen Fasttag monatlich, verurteilt. Die sechsundzwanzig anderen Angeklagten werden gänzlich freigesprochen. Josef Engel und Franz Pfleger werden ihre Strafe im berüchtigten Gefängnis Karthaus (Böhmen [Valdice, Tschechien]) absitzen, wo Franz Pfleger am ►24. April 1884 den Freitod wählen wird.
Das von der Staatsanwaltschaft gezeichnete gewaltige Bedrohungsszenario von Seiten der Radicalen ist wie eine Luftblase zerplatzt. Im Gegenteil, im Gerichtssaal werden bedenklichste Verhaltensweisen der in die Untersuchung involvierten Behörden öffentlich, etwa Erpressung von Aussagen durch Einschüchterung und Gewaltandrohung. Über den Gerichtssaal hinausgehendes Aufsehen und Interesse erregt der achtundzwanzigjährige Josef Peukert, der schon im Verhör aufgefallen war, durch sein Schlussplädoyer, das er als einziger Angeklagter selbst hält. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Erinnerungen von Josef Peukert an diesen Prozess hingewiesen, wo er resümierte: »Damit endete das von der Polizei und reaktionären Presse mit so kolossalem Tam-Tam in Szene gesetzte Drama, das der radikalen Arbeiterbewegung den Garaus zu machen bestimmt war.«9 Und Max Nettlau (1865–1944) urteilte Jahrzehnte später: »Die beiden Täter, die mit vollster Uneigennützigkeit gehandelt hatten, erhielten die furchtbare Strafe von je fünfzehn Jahren schweren Kerkers und ein in der Bewegung sehr tätiger Mann, der die übrigen mithineinreißen wollte, um sich zu retten, zwei Jahre. Die geheime Gruppenorganisation wurde aufgedeckt, aber es kamen auch die beständigen Polizeiverfolgungen ans Licht und Peukert und die übrigen Angeklagten gewannen allgemeine Sympathien und wurden alle freigesprochen. Es war eine Situation wie 1894 im Prozeß der 30 (Paris), wo ebenfalls die Militanten der Gesamtbewegung durch Verbindung einer Tendenzanklage mit einer gewöhnlichen Anklage besonders hart betroffen werden sollten und wo dies ebenfalls durch die aufopfernde Solidarität der so genannten gemeinen Verbrecher verhindert wurde.«10 Wie empört die Radicalen sind, zeigt die Notiz, dass »27 unserer Genossen und zwei Frauen, von Justizsoldaten mit aufgepflanzten Bajonetten und scharfgeladenen Gewehren begleitet, als wenn sie eine Völkerschlacht, wo Tausende hingemordet wurden, verschuldet hätten, vor das Schwurgericht in Wien gestellt werden.«11 Die Wiener Polizei betont die Bedeutung dieses Prozesses für das Erstarken der Radicalen: »Obwohl die Verhandlungen dieses Processes in den Zusammenhang des verübten Raubes mit den Agitationen der radicalen Partei und überhaupt in die eminent gemeingefährlichen Bestrebungen derselben vollen Einblick boten, benützten die Parteiführer diesen, von weittragenden Folgen begleiteten Processausgang zu einem heftigen Anstürme gegen die Gemässigten, welche sofort nach dem Bekanntwerden des durch Socialisten verübten Raubattentates mit Entrüstung das Treiben der Radicalen verdammt hatten. Allerdings konnten sich diese bloss auf das Verdict der Jury berufen, allein dieser Hinweis genügte um die Massen mit neuer Zuversicht zu erfüllen. Die Führung übernahm wieder der Maler Peukert. Er eliminirte vorerst die bisherigen Functionäre des Parteiorgans ›Zukunft‹, riss die Redaction desselben an sich, veranlasste gleichfalls einen Redactionswechsel bei dem čechischen Parteiblatte und nahm mit womöglich noch grösserer Ueberhebung als zuvor die propagandistische Thätigkeit wieder auf.«12
Siehe auch: Josef Peukert / Eduard Graf Lamezan-Salins / Karl Pelser von Fürnberg: Verhör des wegen Hochverrats und Mitschuld am Raub im Merstallinger-Prozess angeklagten Josef Peukert (1855-1910) durch den Vorsitzenden des Gerichts Eduard Graf Lamezan-Salins und den Staatsanwalt Karl Pelser von Fürnberg. Wien, am 12. März 1883
Siehe auch: Josef Peukert: Schlussplädoyer des wegen Hochverrats und Mitschuld am Raub Angeklagten im Merstallinger-Prozess. Wien, am 21. März 1883
Siehe auch: Josef Peukert: Erinnerungen an den Merstallinger-Prozess in Wien, 8. bis 21. März 188311. März 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am 11. März 1883 findet die alljährliche Ehrung der so genannten Märzgefallenen von 1848 (►14. März 1880) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Märzpark, am Schmelzer Friedhof statt. Etwa hundertfünfzig Arbeiter versammeln sich im »Hotel Ischl« (Johann Sachslehner) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Felbergasse 10, um von dort auf den Friedhof zu marschieren. Nach der Entblößung ihrer Häupter zerstreuen sich die Arbeiter, ohne dass die Sicherheitsorgane eingreifen. (►13. März 1883) Am 17. März 1883 (Samstag) wird man sich über die Demonstrationen für die Märzgefallenen im liberalen humoristischen Wochenblatt »Wiener Luft. Beiblatt zum ›Figaro‹« (Wien) lustig machen: »Mehrere alte Grabweiber werden gesucht, die bereit sind, am Grabe der Märzgefallenen stille Gebete zu verrichten. Nähere Auskunft im ›Hôtel Ischl‹, Fünfhaus. [/] Die Wiener Sozialisten.«1312. März 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am 12. März 1883 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien wegen der Vorfälle vom ►28. Jänner 1883 der Prozess gegen den bereits vorbestraften (►3. November 1880) Webergehilfen Christian Josef Kraus (1849–?), den Schuhmachergehilfen Franz Kraus (1859–?), den Drechslergehilfen Lorenz Schmidmaier (1856–?) und den Gürtlergehilfen Josef Wiedemann (1857–?) statt, angeklagt des Vergehens der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung. Franz Kraus wird wegen Reversion zu drei Monaten strengem Arrest verurteilt. Christian Josef Kraus, Lorenz Schmidmaier und Josef Wiedemann werden freigesprochen. Allerdings werden die in Bayern gebürtigen Lorenz Schmidmaier und Josef Wiedemann am dem 5. April 1883 (Donnerstag) aus sämtlichen im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern (also aus der österreichischen Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) ausgewiesen werden.12. März 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am 12. März 1883 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess gegen den Schuhmacher Josef Maschek wegen Verbrechens der Majestätsbeleidigung statt. Josef Maschek wird zu drei Monaten Kerker verurteilt. (►28. August 1885)13. März 1883 (Dienstag)
Wien und Vororte: Am 13. März 1883, dem eigentlichen Gedenktag, legen Radicale zum Gedenken an die so genannten Märzgefallenen von 1848 (►14. März 1880) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Märzpark, am Schmelzer Friedhof einen großen Kranz mit roter Schleife »Die radicale Arbeiterpartei Oesterreichs [/] Radikální Dělnická Strana v Rakousku« in deutscher und tschechischer Sprache nieder. (►11. März 1883)März 1883
Wien und Vororte: Spätestens seit März 1883 verfügen die Wiener Radicalen über eine, gesichert seit Mai 1883 sogar über mehrere geheime Druckerpressen zur Herstellung von Untergrundschriften, was der Flugschriftenpropaganda eine neue Dimension eröffnet. Bemerkenswert ist dabei die enge Zusammenarbeit der deutschsprachigen und tschechoslawischen Radicalen. »Was aber der größte Stolz der aktiven Genossen war, das waren die geheimen Pressen, auf welchen in kurzen Zwischenpausen Flugblätter von 30–50 000 Auflagen hergestellt und zum Tollwerden der Polizei verbreitet wurden. Auch war ein vollkommen harmonisches Zusammenwirken der Bewegung der verschiedenen Nationalitäten. Die autonome föderative Organisationsform ermöglichte das harmonische HandinHand [!] arbeiten, sobald wir uns über die prinzipiellen Fragen einig geworden waren.«14 Diese Flugschriften – meist Flugblätter, aber auch kleine Broschüren mit bis zu acht Seiten Umfang – sind zweifelsohne ein wichtiges Agitationsmittel der radicalen Arbeiterbewegung Österreichs, geben inhaltlich aber eher Stimmungen als Meinungen und Vorstellungen wieder. Ihr Stil ist von der Möglichkeit geprägt, jenseits aller Zensur frei weg von der Leber zu schreiben. Im Kampf gegen Konfiskation und damit verbundenen schweren finanziellen Belastungen muss man sich in den offiziellen Organen der Radicalen einer verdeckten Schreibweise bedienen – und diesbezüglich haben es einige Arbeiterjournalisten zu wahrer Meisterschaft gebracht. Die illegalen Flugschriften aber eröffnen die Möglichkeit, jenseits aller Verbote und ständiger Unterdrückung seinen Enttäuschungen und aller Verbitterung, aber auch seiner Angriffslust freien Lauf zu lassen. »Man darf nicht nach dem heftigen Ton der Flugschriften urteilen, z. B. der Erste Freie Presse Cisleithaniens, drei Blätter vom März, Mai und Dezember 1883, die dem Zorn einzelner Ausdruck gaben und mit Vergnügen als ein freies Wort gelesen wurden.«1515. März 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 15. März 1883 erscheint die erste Nummer der Untergrundzeitung »Erste Freie Presse Cisleithanien’s« [Inzersdorf (Wien)], die in der Wohnung des Tischlergehilfen Johann Slezák (1851–1907), im Auftrag des Schriftsetzers Eduard Milý (1858–1923) vom Schriftsetzer Ferdinand Hübner (~1860–1897) hergestellt wird. Genau genommen handelt es sich dabei um eine Flugblattzeitung, welche nach drei Nummern im Dezember 1883 (►26. Dezember 1883) eingestellt werden wird. Die erste Nummer wird vor allem in den Tagen zwischen dem 15. und 24. März 1883 (Samstag) verteilt, unter anderem in Wien, Wiener Neustadt (Niederösterreich), Neunkirchen (Niederösterreich), Graz (Steiermark), Leoben (Steiermark) und Marburg an der Drau (Steiermark [Maribor, Slowenien]). Bereits am 19. März 1883 (Montag) wird in Graz der Schneidergehilfe Mathias Gluschitz verhaftet werden, weil er dieses Flugblatt am 16. März 1883 (Freitag) im Gasthaus »zum Bierstrom« an Gäste verteilt hatte (►8. Juni 1883). Am 7. April 1883 (Samstag) wird sich die liberale Zeitung »Figaro. Humoristisches Wochenblatt« (Wien) über die »Erste Freie Presse Cisleithanien’s« lustig machen: »In sämmtlichen Bezirken und in den Vororten wurde eine gedruckte Flugschrift sozial-revolutionären Inhaltes in Massen ausgestreut und auch an die Häuser geklebt; sie führt den Titel ›Erste freie Presse Zisleithaniens‹. Ein neuerlicher Beweis, daß sich unsere Sozialisten nur mit Hirngespinnsten befassen.«16
Siehe: Erste Freie Presse Cisleithanien’s. Nr. 1. Volk und Parlament. 188318. März 1883 (Sonntag)
Budapest (Ungarn): Am 18. März 1883 erscheint die erste Nummer der ungarischen Zeitung »Népakarat« (Budapest; Volkswille), die am ►30. November 1884 eingestellt werden wird. Parallel zur ungarischen Zeitung »Népakarat« erscheint bereits seit ►1. März 1883 die deutschsprachige Zeitung »Radikal« (Budapest).19. März 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am dem 19. März 1883 wird in der Zeitung »Constitutionelle Vorstadt-Zeitung« (Wien) unter dem Titel »Karl Marx’ geistiges Vermächtnis« ein von einem Sozialdemokraten an die Redaktion geschickter Brief des am 14. März 1883 (Mittwoch) in London (England) verstorbenen Karl Marx (1818–1883) veröffentlicht, den er vier Tage vor seinem Tod seinem angeblichen Freund und Privatsekretär Thomas Sanders (1841–1883) diktiert und lediglich namentlich gezeichnet haben soll. Darin sei Karl Marx auch auf die jüngsten Ereignisse in Wien eingegangen: »Mein Freund! Ein Brief von mir, dem alten, kranken, verbannten Einsiedler, wird Sie in Erstaunen setzen. Aber es läßt mir keine Ruhe, mein Herz einer gleichgesinnten Seele auszuschütten. In Wien wird ja gegenwärtig viel von uns gesprochen – die wahnsinnige, verbrecherische Handlung einiger nichtswürdiger oder verblendeter Individuen hat man benützt, um … Du lieber Gott, mußte ich deßhalb so alt werden, um von den meisten meiner Landsleute die wahre Social-Demokratie weniger als je verstanden zu sehen!? … Ein Pariser Blatt schreibt nämlich, es entnehme einem Wiener Journale die Nachricht, der Raubanfall an einem gewissen Merstallinger hätte die Wiener Social-Demokraten als Urheber gehabt. Das ist erlogen! Es liegt im Principe der Sache, daß die Thäter keine Social-Demokraten sein können! Aber sollten vielleicht die Guten den Anarchismus mit meinen Lehren verwechseln? Es wäre traurig, doch ich fürchte, dem ist so. Jedermann, der mich kennt, weiß, daß ich die Anarchisten seit meinen Jugendjahren verabscheut und verfolgt habe. Ich las übrigens in dem erwähnten Pariser Blatte auch den sonderbaren Ausdruck: ›Anarchistische Social-Demokraten.‹ Ich mußte darüber lachen. Es kam mir vor, als hätte Jemand von einer ›republikanischen Monarchie‹ gesprochen … Ihren Landsleuten meine besten Grüße! Ich werde müde … Karl Marx.«17 Der in der österreichischen wie ausländischen Presse vielfach abgedruckte Brief entpuppt sich bald als Fälschung. Der Sozialdemokrat, Freund und Privatsekretär »Thomas Sanders« war eine – angeblich vom Wiener Journalisten Viktor Hahn (1869–?) – erfundene Figur.19. März 1883 (Montag) bis 21. März 1883 (Mittwoch)
Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Vom 19. bis 21. März 1883 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Prag in geheimer Verhandlung der Prozess gegen den Schuhmacher Franz Fischer (1858–?) statt, angeklagt der Verbrechen des Hochverrats und der Majestätsbeleidigung sowie des Vergehens der Verbreitung verbotener Druckschriften. Franz Fischer zog aus der Provinz nach Budapest (Ungarn), schloss sich dort den Radicalen an und schickte im März 1883 einem ehemaligen Schulfreund Exemplare der Zeitungen »Radikal« (Budapest) und »Freiheit« (New York). Der vermeintliche Freund war mittlerweile Gendarm geworden und konnte den nichtsahnenden Franz Fischer bewegen, einen Besuch in seiner Heimat zu machen. Am Bahnhof wurde Fischer verhaftet. Franz Fischer wird im Sinne der Anklage zu zwölf Jahren schwerem Kerker und zu einer Geldstrafe von 50 Gulden, eventuell zehn Tagen Arrest, verurteilt, wobei der Gerichtshof keinen, nicht einmal den vom Staatsanwalt geltend gemachten Milderungsgrund anerkennt. (►20. Juni 1883)22. März 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: In der Nummer 83 (22. März 1883) der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) erscheint ein Nachruf auf den im englischen Exil, am Mittwoch dem 14. März 1883 in London verstorbenen Karl Marx (1818–1883), einen »der bedeutendsten sozialistischen Schriftsteller«.18 Es ist dies – abgesehen von Kurzmeldungen in der bürgerlichen Presse – der erste Nachruf auf Karl Marx in Österreich. Die Redaktion der Zeitung schickt auch eine Beileidsbekundung an die Hinterbliebenen des Verstorbenen.25. März 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am Abend des 25. März 1883 wird die tschechische Flugschrift »Náš program« (Unser Programm) (►29. Dezember 1882) in mehreren Bezirken Wiens ausgestreut. In Favoriten (Wien 10.) wird dabei der Taglöhner Josef Frank (1843–?) aus Simmering (Niederösterreich [zu Wien 11.]), Geiselbergstraße 423, ertappt, auf das Kommissariat gebracht und eine Strafamtshandlung wegen versuchter Verbreitung dieser Flugschrift eingeleitet.28. März 1883 (Mittwoch)
Korneuburg (Niederösterreich): Am 28. März 1883 affichiert das Kreisgericht Korneuburg den am ►24. August 1882 aus Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) in die Schweiz geflüchteten Buchbindergehilfe Anton Kammerer (1862–1884) wegen sozialistischer Umtriebe auf dem Gemeindeamt Jedlesee (Niederösterreich [zu Wien 21.]). Mit dem Regiments-Stabsbefehl vom 26. Mai 1884 (Samstag) beziehungsweise 30. Mai 1883 (Mittwoch) wird der zum Militärdienst einberufene Anton Kammerer als Deserteur gemeldet. (►19. Mai 1883)29. März 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 29. März 1883 werden in Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) der in der Petroleumfabrik in Neu-Leopoldau (Niederösterreich [zu Wien 21.]) beschäftigte Heizer Anton Chamba und der in der Gasanstalt in Zwischenbrücken (Wien 20.) arbeitende Taglöhner Ignaz Jung von der Sicherheitswache bei der Verbreitung sozialistischer Flugschriften ertappt und festgenommen.29. März 1883 (Donnerstag) bis 30. April 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Ende März 1883 setzt unter den Bäckergehilfen Wiens und Umgebung merkliche Unruhe ein. Erste Anzeichen für einen Streik machen sich am 29. März 1883 bemerkbar, wobei es um die Einführung des neunstündigen Arbeitstags geht, weiters um das Verbot erzwungener Verköstigung und erzwungener Beherbergung durch den Arbeitgeber, die Einführung eines Minimalwochenlohns von elf bis fünfzehn Gulden, die Möglichkeit einer gegenseitigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses, das Verbot fachfremder Tätigkeiten (Gebäckaustragen, Holzarbeiten usw.) sowie um die Regelung der Mehlarbeit (für das Abtragen von Mehlsäcken sowie das Ausleeren je fünf Kreuzer pro Sack). Bereits am 1. April 1883 (Sonntag) werden wegen Verbreitung des mit geheimer Handpresse hergestellten Flugblatts »Mahnruf an sämmtliche Bäckergehilfen Wiens und in den Provinzen«, gezeichnet »Mit social-revolutionärem Gruße – Das Executiv-Comité«,19 in Großjedlersdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) drei Bäckergehilfen verhaftet: Franz Lowak (1863–?), Franz Stropp (1842–?) und Josef Wesjak (1850–?). Am 12. April 1883 (Donnerstag) findet in Anwesenheit mehrerer hundert Bäcker eine freie Versammlung des am ►2. März 1882 von Radicalen gegründeten »Fachvereins der Bäcker Wiens« in »Neßner’s Bierhalle« und Restauration »zum Stadtgut« (Johann Neßner) in Sechshaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Sechshauser Hauptstraße 7 [Sechshauser Straße], statt. Über diesen Streik des Fachvereins, der bei Streikbeginn rund 1.900 Mitglieder hat, wird der Anarchist August Krčal (1860–1894) in einer Broschüre eingehend informieren.20 Es sprechen der Bäckergehilfe Anton Notzar (1848–1917) und der Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?). Eine für den 17. April 1883 (Dienstag) festgesetzte freie Bäckerversammlung wird behördlich verboten. Nachdem auch die für den 19. April 1883 (Donnerstag) vom Bäckergehilfen und nunmehrigen Vermischtwarenhändler Kaspar Gargula (1851–1888) in »Dreher’s Etablissement« (Anton Dreher) in Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 97, einberufene Versammlung untersagt wird, finden an diesem Tag erste Arbeitseinstellungen statt. Der eigentliche Streik, dessen Forderungen in dem am 21. April 1883 (Samstag) erstmals verbreiteten Flugblatt »Forderungen der Wiener Bäckergehilfen an ihre Arbeitgeber«21 dargelegt werden, beginnt am 23. April 1883 (Montag). Bemerkenswert daran ist, dass beide Flugblätter von Radicalen auf illegalen Geheimpressen hergestellt werden, vermutlich von Personen aus dem Kreis um die Bäckergehilfen Kaspar Gargula und Anton Notzar. Am Abend des 24. April 1883 (Dienstag) wird in einer geselligen Versammlung in »Neßner’s Bierhalle« und Restauration »zum Stadtgut«, öffentlich der Beschluss gefasst, dass sich die Streikenden nicht zu Demonstrationen und ungesetzlichen Handlungen hinreißen lassen sollen. Am 25. April 1883 (Mittwoch) wird eine erste, weitgehende Einigung zwischen den Streikenden und den Bäckereibesitzern erzielt, doch setzen rund vierhundert Bäckergehilfen den Ausstand fort. Bereits am 27. April 1883 (Freitag) und endgültig am 30. April 1883 (Montag) endet, abgesehen von vereinzelten Arbeitsniederlegungen, der Streik mit weitgehenden Zusagen der Bäckermeister. Mehrere hundert Streikende werden vom Magistrat Wien wegen Verlassens der Arbeit ohne vorherige Kündigung zu Arreststrafen von drei bis acht Tagen verurteilt. Außerdem wird am 26. April 1883 (Donnerstag) der bereits am 23. April 1883 (Montag) festgenommene Bäckergehilfe Friedrich Swoboda (1859–?) vom Bezirksgericht Währing (Niederösterreich [zu Wien 28.]) wegen Aufreizung zum Streik durch Harangieren in den Straßen zu acht Tagen Arrest verurteilt. (►4. bis 7. Mai 1883).1. April 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte: Mit der Nummer vom 1. April 1883 wird die seit ►3. Februar 1883 erscheinende radicale tschechische Zeitung »Proletář« (Vídeň [Wien]; Der Proletarier) nach drei Nummern aufgrund behördlichen Verbots eingestellt (►8. April 1883 und ►13. April 1883).1. April 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am 1. April 1883 findet – als erste öffentliche Veranstaltung der Radicalen nach dem Ende des Merstallinger-Prozesses (►8. bis 21. März 1883) – in »Dreher’s Etablissement« (Anton Dreher) in Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 97, eine Volksversammlung mit der Tagesordnung »Die Lage des Volks und die Bestrebungen der radicalen Arbeiterpartei« statt, an der etwa eintausendfünfhundert Personen teilnehmen. Der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert(1855–1910), der anlässlich des Prozessausgangs als Sieger gefeiert wird und in der Arbeiterschaft Wiens seither an Bedeutung mächtig gewinnt, hebt in seiner Rede das Trennende zwischen Gemäßigten und Radicalen hervor: »Diese glauben, wir müssen auch dasselbe erst thun, was die Anderen getan haben, dann dürfen wir erst weiterschreiten, darum hängen sie sich an das allgemeine Wahlrecht, welches sich noch in keinem Lande unter den bestehenden ökonomischen Verhältnissen als praktisch erprobt hat. Wo dasselbe seit Jahrzehnten leiden die Arbeiter an denselben Uebeln wie wir. Auch dort ist die Lage der Arbeiter keine bessere.«22 Josef Peukert ist nunmehr unbestritten die Persönlichkeit der radicalen Arbeiterbewegung Österreichs schlechthin, hin- und hergerissen zwischen schmeichelnder Bekanntheit und grundsätzlicher Ablehnung des Personenkults, aber auch bedrängt von der Angst, dass allzu große Bekanntheit mögliche polizeiliche Verfolgungen seiner Person erleichtern würde. Der Vorsitzende der Versammlung, der Schlossergehilfe Johann Rouget (1847–1893), protestiert gegen die wegen Peukerts Vortrag vom anwesenden Behördenvertreter verfügte Auflösung der Versammlung und wird sich deswegen später vor Gericht verantworten müssen (►5. November 1883).
Siehe auch: Josef Peukert: Die Rolle des Arbeiterführers und der Personenkult7. April 1883 (Samstag)
Wien und Vororte: In der Nacht vom 7. auf den 8. April 1883 wird in Wien und den Vororten massiv die illegale Flugschrift »Manifest der social-revolutionären Arbeiterpartei Oesterreichs an das arbeitende Volk«23 ausgestreut.April 1883
Graz (Steiermark): Im April 1883 kommt es in Graz zu einem für die Polizei peinlichen Zwischenfall. Der Hutmachergehilfe Rudolf Hofmann (1855–1924), ehemaliger verantwortlicher Redakteur der radicalen Zeitung »Der Kommunist« (Budapest), wird mit einem Koffer voll verbotener Druckschriften verhaftet. Er muss aber kurz darauf freigelassen werden, weil sich die Polizei-Direktion Wien für ihren Spitzel einsetzt.8. April 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am 8. April 1883 werden in Wien der Herausgeber und der Schriftleiter der Zeitung »Proletář« (Wien; Der Proletarier) (►1. April 1883) wegen Vergehens der Aufreizung gegen die Behörde und gegen einzelne Volksklassen verhaftet. Der Schriftsetzer Eduard Milý (1858–1923) wird in seiner Wohnung in Wien 3., Rasumofskygasse 2, festgenommen, der in Meidling (Niederösterreich [zu Wien 12.]) wohnhafte Schriftleiter, der Kürschnergehilfe Johann Petržílek (1855–1946), im Redaktionslokal der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) in Wien 6., Gumpendorfer Straße 78. (►13. April 1883)9. April 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am 9. April 1883 findet vor dem Landesgericht Wien der Prozess gegen Josef Plicka wegen Verbreitung verbotener Druckschriften statt. Er wird nach einem Monat Untersuchungshaft im Sinne der Anklage zu acht Tagen Arrest verurteilt.10. April 1883 (Dienstag)
Leoben (Steiermark): Am 10. April 1883 wird in Leoben beim Kleidermacher Johann Purschl eine Hausdurchsuchung durchgeführt, bei der ein Exemplar der Nummer 1 der Untergrundzeitung »Erste Freie Presse Cisleithanien’s« [Inzersdorf (Wien)] (►15. März 1883) gefunden wird. Diese erfolgt aufgrund einer Denunziation seines Arbeitgebers, des Kleidermachermeisters Ignaz Krainz, dem gegenüber Johann Purschl geäußert haben soll: »Die Schneider sind die größten Politiker und Revolutionäre.« Johann Purschl wird unter dem Verdacht des Hochverrats in das Bezirksgericht Leoben eingeliefert und wird Jerst am 19. Mai 1883 (Samstag) ohne Anklageerhebung aus der Untersuchungshaft entlassen werden.11. April 1883 (Mittwoch)
Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Ein Vorfall in Prag erregt die Aufmerksamkeit der – vor allem Wiener – Radicalen besonders. Am 11. April 1883 werden in Zizkow (Böhmen [Žižkov, zu Praha, Tschechien]) im Gasthaus »zum Anker« um 23 Uhr bei einer angeblich geheimen Sozialistenversammlung alle fünf Teilnehmer verhaftet: der Maschinenschlosser Wilhelm Josef Černý (1864–?), der Fabrikarbeiter Josef Laschtowka (1855–?), der Porträtzeichner Wilhelm Raimund Moravec (1866–?), der Tischlergehilfe Ferdinand Nič (1858–?) und der Maschinenschlosser Anton Žatecký (1862–?). Da man bei ihnen auch Waffen und sozialistische Druckwerke findet, werden sie am 13. April 1883 (Freitag) ins Landesgericht Prag eingeliefert und am ►16. August 1883 vor Gericht gestellt werden.13. April 1883 (Freitag)
Wien und Vororte: Am 13. April 1883 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess gegen die am ►8. April 1883 verhafteten Radicalen der Zeitung »Proletář« (Wien; Der Proletarier) wegen mehrerer in der ersten Nummer vom ►3. Februar 1883 enthaltener Artikel statt: der Schriftsetzer Eduard Milý (1858–1923), Schriftleiter, und der Kürschnergehilfe Johann Petržílek (1855–1946), Eigentümer. Wegen Verbrechens und Vergehens der Störung der öffentlichen Ruhe sowie der Vergehen der Aufreizung zu Hass und Verachtung, der Gutheißung ungesetzlicher Handlungen werden im Sinne der Anklage Eduard Milý zu sechs und Johann Petržílek zu vier Monaten schwerem Kerker verurteilt, und da sie nicht nach Wien zuständig sind, werden beide nach Verbüßung der Strafe aus Niederösterreich ausgewiesen.14. April 1883 (Samstag)
Wien und Vororte: Am 14. April 1883 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Ehrenbeleidigungsprozess gegen den verantwortlichen Redakteur der radicalen Gewerkschaftszeitung »Sozialpolitische Fachzeitung der Metallarbeiter Oesterreichs« (Wien), den Eisendreher Franz Kutil (1842–?), statt. In der Nummer 1 (4. Jänner 1883) habe die Zeitung in einem Artikel der Rubrik »Eingesendet« das gute Verhältnis der Arbeiter zu ihrem Chef, dem Bronzewarenfabrikanten Andreas Stingl (1849–1909) in Wien 7., Burggasse 97, geschmäht, dessen Arbeiter als unzurechnungsfähig und ihren Chef als Markaussauger beschimpft. Franz Kutil, der wegen Diebstahls bereits mit acht Monaten schwerem Kerker vorbestraft ist, wird anlässlich der Aufnahme dieses – übrigens nicht von ihm verfassten – Artikels wegen Vergehens gegen die Sicherheit der Ehre zu zwei Monaten Arrest verurteilt, weiters zur Veröffentlichung des Urteils in der Zeitung »Sozialpolitische Fachzeitung der Metallarbeiter Oesterreichs«. (►28. Mai 1883 und ►7. Juni 1883)Mitte April 1883
Rosenau Schloss [zu Zwettl] (Niederösterreich): Dass Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) keine Berührungsängste mit weltanschaulichen Gegnern hat, beweist sein Mitte April 1883 stattgefundenes Treffen mit dem Reichsratsabgeordneten und berüchtigten Führer der Deutsch-Nationalen und Antisemiten Georg von Schönerer (1842–1921) auf dessen nahe Zwettl gelegenem Gut Schloss Rosenau.16. April 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am 16. April 1883 findet vor dem Landesgericht Wien der Prozess gegen den Webergehilfen Josef Hybeš (1850–1921) wegen Übertretung des Pressegesetzes statt, begangen durch unerlaubte Verbreitung einer verbotenen Druckschrift. Er war Administrator-Stellvertreter, als die Nummer 81 (22. Februar 1883) der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) konfisziert wurde, wobei nach der Beschlagnahmungeverständigung noch 700 Exemplare ausgeliefert wurden. Josef Hybeš wird im Sinne der Anklage zu einer Geldstrafe von 200 Gulden, eventuell vierzig Tagen Arrest, verurteilt.18. April 1883 (Mittwoch)
St. Pölten (Niederösterreich): Am 18. April 1883 wird in St. Pölten der rührige Schuhmacher Josef Blaschke unter dem Verdacht der öffentlichen Ruhestörung verhaftet, dann aber ohne Anklageerhebung freigelassen.22. April 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am 22. April 1883 wird der Tischlergehilfe Michael Kumić (1853–?), der seit 1872 unbeanstandet in Wien lebt, von der Polizei-Direktion Wien »aus Rücksicht auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit« aus sämtlichen im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern (also aus der österreichischen Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) für beständig ausgewiesen. Am 13. Mai 1883 (Sonntag) wird er unter großem Geleit der Genossen verabschiedet und reist mit dem Dampfschiff über Passau (Bayern) Richtung München (Bayern). Er wird in die Schweiz ins Exil gehen, wo er ein führender Sozialrevolutionär werden wird. (►August 1883)26. April 1883 (Donnerstag)
Graz (Steiermark): Am 26. April 1883 wird der Schuhmachergehilfe Franz Pronegg (1833–1886) wegen Verteilung sozialistischer Flugschriften verhaftet und am ►3. Juli 1883 wegen Vorschubleistung verurteilt werden, wird jedoch bis dahin auf freiem Fuß belassen.30. April 1883 (Montag) bis 8. Mai 1883 (Dienstag)
Wien und Vororte: Vom 30. April bis 8. Mai 1883 findet in Wien im Gewerbeausschuss des Österreichischen Reichsrats die Enquete »Über die Arbeitergesetzgebung« statt. Anlässlich dieser Arbeitstagung werden hundertdrei Abgeordnete, Arbeitgeber und Arbeiter berufen, ihre Gutachten abzugeben.24 Der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910), der nicht persönlich anwesend ist, spricht für die Radicalen und lehnt alle Sozialgesetze als Palliative, also wertlose Beruhigungsmittel, ab. Der zweite Delegierte der Radicalen, der Metallarbeiter Stefan Pauler (1840–?), nimmt eine eher gemäßigte Haltung ein. Den Wert seiner Stellungnahme kann man daran ermessen, dass Stefan Pauler noch vor Beginn der Enquete, am 28. April 1883 (Samstag), von der Polizei-Direktion Wien aufgrund des Vagabundengesetzes als ein aus der Haft tretender Sträfling (gemeint ist seine Verurteilung wegen Beleidigung des Reichsrats am ►29. Jänner 1883) aus Niederösterreich für immer abgeschafft wird; nach dem Verwurf seines Rekurses muss er am Morgen des 23. Mai 1883 (Mittwoch) Österreich verlassen und begibt sich nach Budapest (Ungarn), wo er ein wichtiger Agitator der dortigen Radicalen wird. Der von Stefan Paulers Rechtsanwalt eingebrachten Beschwerde wird mit Urteil des Reichsgerichts vom 10. Juni 1883 (Sonntag) stattgegeben und die Abschaffung für ungesetzlich erklärt werden. Wie schwach und bedeutungslos die Gemäßigten zu diesem Zeitpunkt sind, zeigt der Umstand, dass sie auf die Berufung von Delegierten zu dieser Enquete verzichten, obwohl gerade sie die Reformierung der Arbeitergesetzgebung propagieren. Die beiden Gemäßigten, der Woll- und Seidenfärbergehilfe Josef Bardorf (1847–1922) und der Buchdruckergehilfe Karl Höger (1847–1913), treten auf der Arbeitstagung nur als Privatpersonen auf. Die an der Enquete teilnehmenden Arbeiter erhalten als Ersatz für den Zeitverlust 21 Gulden, wobei jeder einen Gulden für den Inhaftiertenfonds spendet. (►Mitte Mai 1883)Mai 1883
Wien und Vororte: Bereits Ende Februar 1883 hatte der Feinmechaniker Ernest Schneider (1850–1913) im Auftrag der so genannten Feudal-Klerikalen erste Kontakte mit Wiener Radicalen aufgenommen. Da damals die meisten Radicalen noch wegen der so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) in Haft waren, blieb es bei Unverbindlichkeiten. Im April 1883 kam Ernest Schneider nun mehrmals in die Redaktion der Zeitung »Die Zukunft« (Wien), wo ihn der Maschinist Franz Motz (1850–~1921) mit dem Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) bekannt machte, der mit der Nummer vom 12. April 1883 zum Redakteur bestellt worden war. Ernest Schneider, unrühmlicher Vorkämpfer des rassischen Antisemitismus in Österreich, später Reichsrats- und niederösterreichischer Landtagsabgeordneter, überbringt schließlich die Einladung zu einem Abendessen im Mai 1883 mit den christlichsozialen Reformern um Karl von Vogelsang (1818–1890). Die Gruppe um diesen konservativen Sozialreformer werden von den Radicalen als »Feudal-Klerikale« bezeichnet. An dieser quasi geheimen Konferenz, an die Josef Peukert sich in recht launiger Weise erinnert, nehmen von Seiten der Radicalen Franz Motz, der Metallarbeiter Franz Nechvíle (1856–1931), der Bäckergehilfe Anton Notzar (1848–1917), der Metallarbeiter Stefan Pauler (1840–?), Josef Peukert und der Webergehilfe Franz Schustaczek (1850–1908) teil, seitens der Feudal-Klerikalen der Politiker Ekbert Graf Belcredi (1816–1894), einer der Grafen Esterházy, der Reichsratsabgeordnete Aloys Prinz von und zu Liechtenstein (1846–1920) und sein Bruder, der Reichsratsabgeordnete Alfred Prinz von und zu Liechtenstein (1842–1907), Ernest Schneider, Karl von Vogelsang und noch zwei oder drei andere Personen. Josef Peukert lehnt das Angebot ab, die sozialen Bestrebungen der Feudal-Klerikalen durch die Radicalen unterstützen zu lassen, eine Ansicht, die von der Mehrheit der anwesenden Radicalen geteilt wird. Dennoch bleiben vereinzelte Kontakte zu Radicalen bis 1884 bestehen, und Ernest Schneider wird Ekbert Graf Belcredi später einen weiteren Radicalen vorstellen, den Sattlergehilfen Vinzenz Zich (1846–1917). Franz Motz, Franz Nechvíle und Stefan Pauler werden auch nach diesem Treffen Kontakt zu den Feudal-Klerikalen halten, und die beiden Erstgenannten werden im Sommer 1883 Material über die Lage der Arbeiter in niederösterreichischen und böhmischen Fabriken sammeln, Unterlagen, welche in die von den Feudal-Klerikalen unter dem Titel »Die materielle Lage des Arbeiterstandes in Oesterreich« 1883 und 1884 veröffentlichte Studie Eingang finden werden.25 (►5. bis 11. Juli 1883) Jedoch am 9. August 1883 wird in der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) festgestellt werden: »Die klerikal-feudale Partei ist äußerst rührig um eine kritisch-soziale Bewegung in’s Leben zu rufen. Es fehlt ihr nichts, als – – organisirte Arbeiter, welche ihr auf den Leim gehen.«26
Siehe auch: Josef Peukert: Erinnerungen an das Treffen mit den Feudal-Klerikalen. Mai 18832. Mai 1883 (Mittwoch)
Budapest (Ungarn): Am 2. Mai 1883 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Budapest der Prozess gegen den am 26. März 1883 (Montag) verhafteten Schriftsetzer Albin Scheffler (~1848–?), Redakteur der Zeitung »Volkswille« (Budapest), statt. Wegen Pressevergehens wird Albin Scheffler zu 300 Gulden Geldstrafe, eventuell sechzig Tage Arrest, und zum Ersatz der Prozesskosten in der Höhe von 117 Gulden verurteilt.4. Mai 1883 (Freitag) bis 7. Mai 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Da sich viele Bäckermeister nicht an die Zusagen halten, welche sie zur Beendigung des Bäckereiarbeiterstreiks (►29. März bis 30. April 1883) im April 1883 machten, kommt es am 4. und 5. Mai 1883 (Samstag) vor dem Innungshaus der Bäckergenossenschaft in Wien 1., Salzgries, zu kurzen, aber heftigen Demonstrationen der Bäckereiarbeiter, die von den Radicalen unterstützten so genannten Bäckerkrawalle. Am 5. Mai 1883 sollen über eintausend Bäcker daran beteiligt gewesen sein, von denen etwa dreihundert das Innungshaus stürmen und verwüsten. An die vierhundert Bäckergehilfen versammeln sich vor dem Geschäft des Vorstands der Bäckergenossenschaft Tobias Ratz in Wien 4., Favoritenstraße 38, wobei dieses durch Steinwürfe beschädigt wird. Die Behörden schreiten massiv ein, verletzen Demonstranten mit Säbelhieben und nehmen mehrere Verhaftungen vor. Die Bäckergehilfen Alexander Györsi (1858–?) und der durch einen Säbelhieb am Kopf verletzte Ignaz Neumayer (1861–?) werden noch an Ort und Stelle verhaftet, Karl Hinke (1864–?) und Franz Schmidt (1862–?) kurz darauf in ihrer Wohnung. Sie werden am ►26. Mai 1883 des Vergehens des Auflaufs, Alexander Györsi und Ignaz Neumeyer auch noch des Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit angeklagt werden. Ebenfalls festgenommen werden der Maurergehilfe August Schöffel (1860–?) und der Bäckerjunge Josef Navrátil (1865–?), der den ersten Stein gegen das Auslagenfenster des Geschäftslokals von Tobias Ratz geworfen haben soll und deshalb auch in das Landesgericht eingeliefert wird. Am 6. Mai 1883 (Sonntag) werden neunundsechzig Bäckergehilfen, die seit Monaten arbeitslos und ohne Subsistenzmittel sind, aus dem Polizeirayon Wien in ihre Heimatgemeinden abgeschafft. Im Umfeld der so genannten Bäckerkrawalle werden am 7. Mai 1883 (Montag) auch noch die Bäckergehilfen Franz Ramisch (1847–?) und Leopold Schopp (1854–?) wegen Exzesses gegen ihre Arbeitgeberin Apollonia Walatki und deren Geschäftsführer Philipp Noë verhaftet. Franz Ramisch wird wegen Verbrechens der gefährlichen Drohung ins Landesgericht eingeliefert, Leopold Schopp, der erst vor wenigen Tagen wegen Exzesses gegen seinen Arbeitgeber zu fünf Tagen Arrest verurteilt worden war, zu acht Tagen Arrest und anschließender Abschaffung in die Heimat verurteilt. (►21. Jänner 1884)Mitte Mai 1883
Wien und Vororte: Auf die Enquete »Über die Arbeitergesetzgebung« (►30. April bis 8. Mai 1883) reagieren die Sozialrevolutionäre der radicalen Arbeiterbewegung mit der Nummer zwei (Mai 1883), »Reaction – Revolution«, der Untergrundzeitung »Erste Freie Presse Cisleithaniens« [Inzersdorf (Wien)],27 in denen auch die »sich immer als die ›Radikalen‹ geberden[den]« Teilnehmer, also der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) sowie der Eisenarbeiter Stefan Pauler (1840–?), kritisiert werden. Diese zweite Nummer wird vom Schriftsetzer Ferdinand Hübner (~1860–1897) in der Wohnung des Tischlergehilfen Johann Slezák (1851–1907) gesetzt und vom Tischlergehilfen Johann Ehn (1852–1937) sowie dessen Lebensgefährtin Franziska Faber in Inzersdorf (Niederösterreich [zu Wien 10.]) gedruckt.
Siehe auch: Erste Freie Presse Cisleithaniens. Nr. 2. Reaction – Revolution. [Inzersdorf (Wien)]16. Mai 1883 (Mittwoch)
Budapest (Ungarn): Am 16. Mai 1883 kehrt der gebürtige Ungar Jónás Gyula Fried (1864–1929), ein Bankbuchhalter, aus den USA nach Budapest zurück. Jónás Gyula Fried war zunächst in Warschau ‹Warszawa› (Königreich Polen [Polen]) als Reisender für ein Juweliergeschäft tätig, reiste dann nach New York City (New York, USA), wo er erst als Kellner, dann als Bauarbeiter sein Brot verdiente. Hier nahm er auch an Versammlungen von Johann Most (1846–1906) teil. Jónás Gyula Fried, der fließend Ungarisch, Deutsch, Französisch, Englisch und Spanisch spricht, wird eine prägende Persönlichkeit der radicalen, tendenziell anarchistischen Bewegung in Ungarn.19. Mai 1883 (Samstag)
New York City (New York, USA): Am 19. Mai 1883 erscheint in der Zeitung »Freiheit« (New York) eine »A. Marmerek« gezeichnete »Correspondenz. [/] Das Büttelwesen im Lande der Niedertracht«, in welcher mit der Ermordung des eben zum Polizeirat bei der Polizei-Direktion Wien ernannten Alexander Viditz (1824–1907), des Wiener Polizeikonzipisten Franz Hlubek (1854–1883) (►15. Dezember 1883) und des Wiener Polizei-Detektivs Ferdinand Blöch (1844–1884) (►25. Jänner 1884) gedroht wird: »Alle Genossen sollten sich indess die Aufgabe stellen, solche Individuen unschädlich zu machen, wo sich Gelegenheit bietet – einen Strick um ihren Hals und an den nächsten Baum mit ihnen! Darum appellire ich an Euch Genossen Floridsdorfs, beginnt das Rächeramt! Ihr kennt die Schurken Vidiz, Chlubek, Blech und Konsorten, die durch Denunziation brave Männer in den Kerker brachten und sich nicht scheuten, meineidig zu werden. (Prozess Till Ulbaneketz), um uns zu unterdrücken. An alle Arbeiter Oesterreichs aber ergeht unser Ruf, angesichts solcher himmelschreienden Dinge aufzuwachen, ihre Lage zu begreifen und sich im Verein mit den Arbeitern anderer Länder zum letzten Sturm zu organisiren, damit der Ausbeuter-Staat endlich unter den Hammerschlägen der sozialen Revolution in Scherben fliegt.«28 Das Pseudonym des Autors ist ein Anagramm des damals in der Schweiz im Exil lebenden Buchbindergehilfen Anton Kammerer (1862–1884), der Franz Hlubek am 15. Dezember 1883 tatsächlich erschießen wird.20. Mai 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am 20. Mai 1883 veröffentlicht der beim Hochverratsprozess (►8. bis 21. März 1883) anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre (►4. Juli 1882) als Vertrauensmann der Angeklagten fungierende Blumenmacher Josef Müller (1839–1891) die teils zusammengefasst wiedergegebenen Verhandlungsprotokolle des Merstallinger-Prozesses im Selbstverlag, wobei als Verlagsadresse die Administration und Redaktion der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) angegeben wird.29 Es ist dies die erste Buchpublikation der Radicalen Arbeiterbewegung in Österreich, deren Erscheinen bereits für den 12. April 1883 (Donnerstag) angekündigt worden war. Obwohl die Publikation mit der damaligen Gesetzeslage in Einklang steht, wird Josef Müller der Verkauf untersagt. Und am 21. Mai 1883 (Montag) findet in seiner Abwesenheit eine Hausdurchsuchung statt, bei welcher die Polizei fünfundsiebzig, eine Woche später weitere zweiundvierzig Exemplare des Buchs beschlagnahmt. Die Druckschrift wird zwar nicht verboten, aber Josef Müller wegen Verletzung des Pressgesetzes angezeigt. Die für 12. Juni 1883 (Dienstag) angesetzte Verhandlung gegen Josef Müller wird jedoch vertagt werden. In der Verhandlung vom 15. Juni 1883 (Freitag) wird der Vertreter der Anklage diese zurückziehen und Josef Müller endgültig freigesprochen werden.23. Mai 1883 (Mittwoch)
Wien und Vororte: Der am ►22. April 1883 aus Österreich ausgewiesene Tischlergehilfe Michael Kumić (1853–?) reist am 23. Mai 1883 aus Wien mit dem Dampfschiff nach Passau (Bayern) ab (►August 1883).24. Mai 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 24. Mai 1883 wird der Miederfabrikant Franz Gams (1850–1899), zugleich Mitherausgeber der Zeitung »Die Zukunft« (Wien), mit 200 Exemplaren der Zeitung, Nummer 87 (24. Mai 1883), die er eben von der Druckerei geholt hatte, auf offener Straße verhaftet. Weil er gegenüber den Wachorganen äußert, »Das ist eine politische Willkür!« wird Franz Gams wegen Wachebeleidigung zu einer Geldstrafe von 5 Gulden verurteilt. Im Gegenzug erstattet Franz Gams eine Anzeige wegen Vergehens gegen die persönliche Freiheit und Ehrenbeleidigung – der Polizeiagent Franz Squardell soll zu Franz Gams bei der Festnahme gesagt haben: »Mit eng Lausbürscherln wern ma scho a no fertig wern, da san uns ja die Dieb und die Rauber und Gauner lieber als ös.« Die Verhandlung gegen die Wachleute am 22. Juli 1883 (Sonntag) wird vertagt, da der betroffene Detektiv nicht erscheint, weil man ihm die Vorladung nicht hat zustellen können. Nachdem die Staatsanwaltschaft Franz Gams’ Anzeige zurückweist, wird sie vom Wiener Advokaten Heinrich Glaser (1852–1916) weiter betrieben, doch werden die beiden Polizeiagenten Otto Goller und Franz Squardell sowie der Sicherheitswachmann Mathias Turinski – Otto Glaser zieht im Verlauf der Verhandlung die Anklage gegen ihn zurück – in der Verhandlung vor dem Bezirksgericht Mariahilf (Wien 6.) vom 20. September 1883 (Donnerstag) freigesprochen.25. Mai 1883 (Freitag)
Wien und Vororte: Am 25. Mai 1883 heiratet der Jurist und Schriftsteller Friedrich Elbogen (1854–1909) in der Synagoge der israelitischen Kultusgemeinde in Wien 1., Seitenstettengasse 4, »Adele« Adeline Steiner (1864–1925). Unter den Gratulanten befindet sich eine Delegation der Radicalen, deren wiederholter Verteidiger vor Gericht Dr. jur. Friedrich Elbogen war, zuletzt beim Merstallinger-Prozess. Nach der Trauung im Tempel hält der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) in einem anschließenden Saal eine Dankesrede, die Friedrich Elbogen erwidert.26. Mai 1883 (Samstag)
Wien und Vororte: Am 26. Mai 1883 findet vor dem Landesgericht Wien der Prozess gegen die im Zuge der so genannten Bäckerkrawalle (►4. bis 7. Mai 1883) am dem 5. Mai 1883 (Samstag) verhafteten Bäckergehilfen Alexander Györsi (1858–?), Karl Hinke (1864–?) und Ignaz Neumayer (1864–?) und Franz Schmidt (1862–?) wegen Vergehens des Auflaufs, bei Alexander Györsi und Ignaz Neumeyer auch noch wegen Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit statt. Wegen Übertretung des Auflaufs werden Alexander Györsi zu einem Monat strengem Arrest, Karl Hinke zu fünf Tagen und Ignaz Neumayer zu drei Tagen einfachem Arrest verurteilt. Franz Schmidt wird freigesprochen.27. Mai 1883 (Sonntag)
ien und Vororte: Am 27. Mai 1883 kehrt der Lackierer in einer Lokomotivfabrik Johann Ondra (1856–?) aus Wiener Neustadt (Niederösterreich) nach Wien zurück, wird am Bahnhof festgenommen, ins Landesgericht Wien eingeliefert, wo ein Foto von ihm angefertigt wird, und er wird am nächsten Tag ohne Anklageerhebung freigelassen.28. Mai 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am 28. Mai 1883 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess gegen den Maschinenschlosser und Redakteur Franz Kutil (1842–?) wegen Ehrenbeleidigung statt. Er habe als Redakteur des Gewerkschaftsorgans »Sozialpolitische Fachzeitung der Metallarbeiter Oesterreichs« (Wien) zugelassen, dass der Schmiedegehilfe Franz Smejkal (1850–?) in der Nummer 2 (18. Jänner 1883) den Artikel »Eingesendet« veröffentlicht hat, durch den sich zwei Mitglieder des »Arbeitervereins ›Union‹«, die Metallarbeiter bei der Staatseisenbahn Karl Jany (?–1892) und Johann Jellaschitz, beide Anhänger der Gemäßigten, beleidigt fühlen. Auf Antrag des Verteidigers von Franz Kutil wird die Verhandlung wegen verspäteter Einbringung von Beweismitteln vertagt. In der Verhandlung am 25. Juni 1883 (Montag) werden Franz Smejkal zu zwei Monaten, Franz Kutil zu einem Monat Arrest verurteilt werden. (►14. April 1883 und ►7. Juni 1883) Franz Smejkal wird bald wieder vor Gericht stehen (►26. November 1883), Franz Kutil aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom ►30. Jänner 1884 im Februar 1884 aus Wien ausgewiesen werden.28. Mai 1883 (Montag)
Krakau (Galizien [Kraków, Polen]): In der Nacht vom 28. auf den 29. Mai 1883 (Dienstag) streuen Radicale in Krakau die Flugschrift »Odezwa Socjalistów Polskich Galicji Zachodniej z maja 1883 roku« (Aufruf der Polnischen Sozialisten Westgaliziens vom Mai 1883)30 aus und lenken damit die Aufmerksamkeit der sozialistischen Bewegung in Galizien auf sich.Juni 1883
Böhmen [Tschechien]: Im Juni 1883 erscheint in Böhmen die erste und einzige Nummer der Untergrundzeitung »První svobodná tiskárna v Čechách« [Böhmen (Tschechien); Erste freie Presse in Böhmen]. Die Weiterverbreitung der Zeitung wird mit Erkenntnis des Kreis- als Pressgericht Brüx vom 14. Juli 1883 in Österreich verboten.Juni 1883
Zürich ( Zurich / Zurigo (Kanton Zürich, Schweiz): Im Juni 1883 lernen sich der Buchbindergehilfe Anton Kammerer (1862–1884) und der Schuhmachergeselle Hermann Stellmacher (1853–1884), die schon seit einiger Zeit korrespondierten, erstmals persönlich kennen. Dazu reist Anton Kammerer nach Zürich, um sich dort vorgeblich die am 1. Mai 1883 eröffnete Landesausstellung anzusehen. (►August 1883)1. Juni 1883 (Freitag)
Wien und Vororte: Der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) sowie der Webergehilfe Josef Hybeš (1850–1921) richten am 1. Juni 1883 ein Schreiben an Justizminister Alois von Pražák (1820–1901) in Sachen Franz Fischer. Der Schuhmacher Franz Fischer (1858–?) war nach seiner Verurteilung zu zwölf Jahren schwerem Kerker (►19. bis 21. März 1883) ins Gefängnis nach Walditz (Böhmen [Valdice, Tschechien]) eingeliefert worden, wo er einer »Sonderbehandlung« unterzogen worden war. Franz Fischer gelang es jedoch mittels eines entlassenen Sträflings Josef Peukert Ende Mai 1883 darüber zu informieren, dass er an Skorbut leide und sich kaum aufrecht halten könne. Nach dieser Intervention von Josef Hybeš und Josef Peukert soll sich Franz Fischers Lage etwas verbessert haben. Franz Fischer wird im Mai 1887 auf dem Wege der Amnestie – schwer krank – aus dem Gefängnis entlassen werden.1. Juni 1883 (Freitag)
Wien und Vororte: Unter dem Datum »1. Juni 1883« erscheint die von der Polizei-Direktion Wien verfasste und herausgegebene Broschüre »Die socialdemokratische Bewegung in Oesterreich-Ungarn (October 1882 bis Juni 1883)«.313. Juni 1883 (Sonntag)
Baden (Niederrösterreich): Am Morgen des 3. Juni 1883 werden in Baden die Flugblätter »Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk« (►6. September 1882) und die Nummer 2 der Untergrundzeitung »Erste Freie Presse Cisleithaniens« [Inzersdorf (Wien)] (►Mitte Mai 1883) in verschiedenen Gassen gefunden.4. Juni 1883 (Montag)
Budapest (Ungarn): In einem Artikel in der Nummer 4 (4. Juni 1883) der radicalen Zeitung »Radikal« (Budapest) wird – vermutlich erstmals in einer österreichischen Arbeiterzeitung – vor den Gefahren des Staatskommunismus gewarnt. Ein kommunistisches System könne nämlich auch so organisiert sein, »daß innerhalb desselben ein Mißbrauch der zentralisierten Gewalt Platz zu greifen vermag. Und das würde wahrscheinlich der Fall sein bei einem zentralisierten Staatskommunismus […]. Je mehr man zentralisiert, je mehr politische Gewalt auf einzelne übertragen wird, desto mehr Gefahr für Mißbrauch derselben ist vorhanden.«327. Juni 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 7. Juni 1883 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Wien erneut ein Ehrenbeleidigungsprozess im Zusammenhang mit einer radicalen Gewerkschaftszeitung statt. In der Nummer 3 (1.2.1883) der »Schneider-Fachzeitung« (Wien) wurde in der Rubrik »Werkstätten-Revue« ein Artikel »Eingesendet« gegen den Schneidergehilfen Vinzenz Beilner veröffentlicht. Dieser klagt nun beide Autoren, die Schneidergehilfen Josef Bartunek und Samuel Dürrheim sowie den Redakteur der Zeitung, den Französischlehrer Georg Matzinger (1848–1934), wegen Vergehens und Übertretung der Ehrenbeleidigung. Vom Vergehen zwar freigesprochen, werden Samuel Dürrheim zu zwei und Josef Bartunek zu einem Monat Arrest sowie Georg Matzinger zu einer Geldstrafe von 50 Gulden, eventuell zehn Tage Arrest, verurteilt. (►14. April 1883 und ►28. Mai 1883)8. Juni 1883 (Freitag)
Graz (Steiermark): Am 8. Juni 1883 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Graz der Prozess gegen den am 19. März 1883 (►15. März 1883) verhafteten Schneidergehilfen Mathias Gluschitz wegen Verbrechens des Hochverrats und der Vergehen der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, Aufwiegelung und Beschimpfung des Militärs, begangen durch die Verbreitung der Nummer 2 der Untergrundzeitung »Erste Freie Presse Cisleithaniens« [Inzersdorf (Wien)] (►Mitte Mai 1883) statt, weil er am 16. März 1883 im Gasthaus »zum Bierstrom« vier Exemplare derselben an Gäste verteilt hatte. Mathias Gluschitz wird von der Anklage des Hochverrats mit acht gegen vier Stimmen freigesprochen, jedoch wegen der angeklagten Vergehen zu dreizehn Monaten schwerem Kerker verurteilt. Er wird seine Haftstrafe am 19. Juli 1883 (Donnerstag) im Gefängnis Suben (Oberösterreich) antreten.12. Juni 1883 (Dienstag)
Wien und Vororte: Am Abend des 12. Juni 1883 treffen in Wien zwei am ►9. Juni 1882 verurteilte Radicale, der Webergehilfe Wilhelm Till (1851–?) und der Kupferschmiedgehilfe Karl Urbanek (1848–?), nach Verbüßung ihrer einjährigen Kerkerstrafe aus dem Gefängnis Suben (Oberösterreich) kommend am Westbahnhof in Wien ein, wo sie von knapp hundert Genossen begrüßt werden. Wilhelm Till wird nach gescheitertem Rekurs beim Reichsgericht am 17. Oktober 1883 (Mittwoch) aus Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) abgeschafft und aus Niederösterreich ausgewiesen werden. Er wird nach Würbenthal (Österreichisch-Schlesien [Vrbno pod Pradědem, Tschechien]) gehen, wo er in der dortigen Juteweberei Arbeit finden wird. Später wird er sich nach Ungarn begeben, wo er aber im September 1884 ebenfalls ausgewiesen werden wird.14. Juni 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 14. Juni 1883 veröffentlicht der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) in der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) einen Artikel, in dem er die Gemäßigten als »Palliativ-Sozialisten« bezeichnet.3316. Juni 1883 (Samstag)
Chicago (Illinois, USA): Am 16. Juni 1883 erscheint die erste Nummer der tschechischen Zeitung »Budoucnost« (Chicago; Die Zukunft), die am ►29. April 1886 nach hundertzweiundzwanzig Nummern eingestellt werden wird. Die Zeitung, welche zunächst den Untertitel »Časopis sociální, hájící zájmy pracujícího lidu« (Soziale Zeitschrift zur Verteidigung der Interessen des arbeitenden Volk), ab Nummer 13 vom 16. Februar 1884 »Orgán anarchistů jazyka českoslovanského« (Anarchistisches Organ tschechoslawischer Sprache) trägt, wird auch in Österreich verbreitet. Da der Zeitung der Postdebit (Zeitungsvertrieb durch die Post) mit Erkenntnis des Ministeriums des Innern vom 22. August 1883 für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder (also für die österreichische Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) behördlich entzogen wird, muss sie nach Österreich eingeschmuggelt werden.20. Juni 1883 (Mittwoch)
Wien und Vororte: Der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) sowie der Webergehilfe Josef Hybeš (1850–1921) haben am 20. Juni 1883 eine Audienz beim Justizminister Alois von Pražák (1820–1901) in Sachen Ernest Stevens. Am ►12. Dezember 1882 war der in Dänemark [Schleswig-Holstein] gebürtige Anarchist Johann Christian Neve alias John Neve (1844–1896) unter dem Namen »Ernest Stevens« nach Wien gekommen und am 23. Dezember 1882 (Samstag) verhaftet worden. Die Polizei konnte die Identität von Stevens mit Neve nicht nachweisen, obwohl der in Belgien gebürtige Anarchist Victor Dave (1845–1922) laut Protokoll der Polizei Halle an der Saale (Preußen [Halle (Saale), Sachsen-Anhalt]) vom 16. Februar 1883 (Freitag) auf einem aus Wien eingesandten Foto Stevens als Neve demaskiert hatte. Auch Josef Peukert, der in dieser Sache zwei Mal zur Polizei vorgeladen wurde, wurden Mitte März 1883 Fotos von Stevens-Neve vorgelegt; die Polizei wusste, dass Josef Peukert im Juli 1881 John Neve auf dem International Social Revolutionary Congress (Internationaler sozialrevolutionärer Kongress) in London (England) (►14. bis 20. Juli 1881) getroffen haben musste. Josef Peukert gab bei Vorlage des Fotos an, dass Stevens wohl nicht Neve sei, und bestätigte dies auch, als man ihm diesen persönlich gegenüberstellte. Stevens-Neve sollte übrigens in Österreich des Verbrechens des Hochverrats angeklagt werden, begangen durch Mitschuld an allen durch die in jeder Nummer der Zeitung »Freiheit« (London / New York) begangenen Handlungen. Vermutlich aufgrund der Aussagen Josef Peukerts, der schon bei seiner ersten polizeilichen Einvernahme am 27. Februar 1883 (Dienstag) eine völlig andere Personenbeschreibung Neves abgegeben hatte, wurde die Untersuchung gegen Neve Mitte März 1883 eingestellt. Die Polizei hielt John Neve jedoch weiter in Gewahrsam, weil mittlerweile vom Landesgericht Hanau (Hessen-Nassau [Hessen]) das Ersuchen eingetroffen war, Neve so lange in Haft zu behalten, bis über dessen Auslieferung an Deutschland entschieden werde; hier wurde John Neve aufgrund eines Haftbefehls wegen Mord und Mordversuchs am Kaiser gesucht. (►21. bis 26. Juli 1883, ►21. bis 26. Juli 1883 und►26. Juli 1883)24. Juni 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am 24. Juni 1883 wird der aus Amstetten (Niederösterreich) erst am 20. Juni 1883 (Mittwoch) auf Arbeitssuche in Wien eingetroffene Maschinenschlosser Ferdinand Perlornigg (1854–1901) vorübergehend festgenommen und dann per Bahn aus Wien wieder abgeschafft.24. Juni 1883 (Sonntag)
Franzendorf über Reichenberg (Böhmen (Františkov u Liberce, zu Liberec, Tschechien): Am 24. Juni 1883 werden die Tuchmachergehilfen Anton Behr (1854–1931) und Franz König (1849–?) sowie der Webereiarbeiter und Schriftsteller Josef Schiller (1846–1897) auf einer freien Volksversammlung in Franzendorf über Reichenberg in das Exekutivkomitee der nordböhmischen Sozialdemokraten gewählt und erreichen den Beschluss, eine radicale Zeitung herauszugeben, welche am ►6. September 1883 unter dem Titel »Der Radikale« (Reichenberg) erstmals erscheinen wird.25. Juni 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am 25. Juni 1883 findet am Abend im Glassalon des »Pariser Garten« in Margareten (Wien 5.), Siebenbrunnengasse 59–69, eine freie Versammlung der Eisen- und Metallarbeiter statt. Als der Redner, der an diesem Tag wegen Ehrenbeleidigung verurteilte (►28. Mai 1883) Schmiedegehilfe Franz Smejkal (1850–?), die Regierung heftig angreift, fordert der Behördenvertreter den Vorsitzenden auf, dem Redner das Wort zu entziehen. Als dieser der Aufforderung des Polizeikommissärs nicht nachkommt, erklärt dieser die Versammlung für behördlich aufgelöst. Die rund zweihundert anwesenden Arbeiter ziehen daraufhin unter Absingen sozialistischer Lieder von dannen.3. Juli1883 (Dienstag)
Graz (Steiermark): Der am ►26. April 1883 wegen Verteilung sozialistischer Flugschriften verhaftete Schuhmachergehilfe Franz Pronegg (1833–1886) wird vom Landesgericht Graz am 3. Juli 1883 wegen Vorschubleistung zu vierzehn Tagen Arrest verurteilt. Franz Pronegg wird erst am 21. Juli 1883 (Samstag) seine Strafe antreten. (►30. Jänner 1884)5. Juuli 1883 Donnerstag) bis 11. Juli1883 (Mittwoch)
Berndorf (Niederösterreich) / Pottenstein (Niederösterreich): Im Zuge seiner Zusammenarbeit mit den so genannten Feudal-Klerikalen (►Mai 1883) bereist der Maschinist Franz Motz (1850–~1921) die Umgebung Wiens, um statistische Daten die Arbeits- und Lohnverhältnisse in den niederösterreichischen Fabriken für die Studie des chrislichsozialen Sozialreformers Karl von Vogelsang (1818–1890) und des Feinmechanikers Ernest Schneider (1850–1913) zu erheben. Am 5. Juli 1883 wird Franz Motz in Berndorf (Niederösterreich) festgenommen und über Veranlassung des Bürgermeisters in das Bezirksgericht Pottenstein (Niederösterreich) eingeliefert, wo er aber nach zwei Verhören am 6. Juli 1883 (Freitag) freigelassen wird. Auf Verfügung des Bürgermeisters von Pottenstein wird Franz Motz jedoch vom 6. bis 11. Juli 1883 ohne Anklageerhebung inhaftiert. Franz Motz wird daraufhin durch den Hof- und Gerichtsadvokaten Sigismund Wolf-Eppinger (1850–1912) auf gesetzwidrige Beschränkung der persönlichen Freiheit klagen. In der Verhandlung vor dem Bezirksgericht Wiener Neustadt (Niederösterreich) am 19. November 1883 (Montag) wird der Pottensteiner Bürgermeister Karl Schönbichler (1834–1894) freigesprochen werden, wogegen Franz Motz Berufung einlegen wird.16. Juli 1883 (Montag) bis 30. Juli 1883 (Montag)
Kindberg (Steiermark) / Mürzzuschlag (Steiermark) / Bruck an der Mur (Steiermark): Am 16. Juli 1883 werden aufgrund der Denunziation des Schuhmachergehilfen Johann Ederer in Kindberg nach Hausdurchsuchungen der Obmann des »Arbeiter-Bildungs-Vereins Kindberg«, der Sensenwerkarbeiter Adolf Schwarzelmüller (1862–?), bei dem unter anderem die Nummer 2 der Untergrundzeitung »Erste Freie Presse Cisleithaniens« [Inzersdorf (Wien)] (►Mitte Mai 1883) gefunden wird, der Sensenwerkarbeiter Johann Steinbauer (1864–?), bei dem unter anderem das Druckwerk »Stieber’s Verdruß« (►Mitte Dezember 1879) entdeckt wird, und der Sensenwerkarbeiter Raimund Reiter (1863–?) verhaftet und am 22. Juli 1883 (Sonntag) in das Kreisgericht Leoben (Steiermark) eingeliefert. Da weiterhin verbotene Druckschriften ausgestreut und plakatiert werden, werden kurz darauf in Mürzzuschlag der Sensenwerkarbeiter Johann Lorberau (1862–?) und der Feilenarbeiter Konrad Weytruba (1854–?) und am 30. Juli 1883 in Bruck an der Mur der Schuhmachergehilfe Johann Maritschnig (1846–?) verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Alle Verhafteten werden der Verbreitung verbotener Druckschriften und des Besitzes einer geheimen Druckerpresse verdächtigt (►5. bis 13. Dezember 1883).21. Juli 1883 (Samstag) bis 26. Juli 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Nach der Intervention des Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) sowie des Webergehilfen Josef Hybeš (1850–1921) vom ►20. Juni 1883 trifft Justizminister Alois von Pražák (1820–1901) eine Entscheidung und lehnt am 21. Juli 1883 eine Auslieferung von »Ernest Stevens« an Deutschland ab; vermutlich weiß er sehr wohl, dass sich hinter dieser Person der in Dänemark [Schleswig-Holstein] gebürtige Anarchist Johann Christian Neve alias John Neve (1844–1896) verbirgt. Noch am selben Tag wird Stevens-Neve von der Polizei-Direktion Wien wegen Gefährlichkeit für die Sicherheit aus sämtlichen im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern (also aus der österreichischen Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) ausgewiesen und vom Landesgericht ins Polizeigefängnis in Wien 6., Theobaldgasse 2, verlegt. Hier kann ihn nun nicht einmal mehr sein Verteidiger Friedrich Elbogen (1854–1909) sprechen. Friedrich Elbogen begibt sich zum Leiter der Polizei-Direktion Wien, Hofrat Anton Weiß von Weißenstamm (1824–1888), um eine Unterredung mit seinem Klienten zu erreichen. Er will Stevens-Neve 30 Gulden Reisegeld überbringen und ihn über seine Rechtslage dahingehend aufklären, dass er sich den Weg aus dem Ausweisungsgebiet frei wählen könne. Anton Weiß von Weißenstamm fordert von Friedrich Elbogen die Unterzeichnung einer schriftlichen Erklärung, dass er auf einen Rekurs für seinen Klienten verzichte. Nach geleisteter Unterschrift erklärt ihm der Hofrat, dass damit seine Funktion als Verteidiger des Ausgewiesenen beendet sei und dass es ihm nun nicht mehr zustehe, »die Exekutivfunktionen der Polizei zu ingerieren«, also darauf Einfluss zu nehmen. Als Friedrich Elbogen auf seine Eingabe am 22. Juli 1883 (Sonntag) einen abschlägigen Bescheid erhält, begibt er sich ins Justizministerium, wo man sich für unzuständig erklärt und ihn an das Innenministerium verweist. Hier teilt man Friedrich Elbogen neuerlich die Nichtzuständigkeit mit, weil die »Polizei auf dem Boden ihrer Hausordnung autonom vorgehen könne«. An die niederösterreichische Statthalterei (Landesregierung) verwiesen, wo man ihn erneut abblitzen lässt, kehrt Friedrich Elbogen ins Polizeipräsidium zurück, dessen Leiter aber nicht zu sprechen ist. Im Polizeigefängnis erfährt Friedrich Elbogen schließlich, dass Stevens-Neve am ►26. Juli 1883 abgeschafft worden sei. (►21. Februar 1887)21. Juli 1883 (Samstag) bis 26. Juli 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Nach Mitteilung des Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) wird irgendwann zwischen dem 21. und 26. Juli 1883 von Wiener Radicalen geplant, den in Dänemark [Schleswig-Holstein] gebürtigen und am ►12. Dezember 1882 nach Wien gekommenen Anarchisten Johann Christian Neve alias John Neve (1844–1896) (►20. Juni 1883) aus dem Polizeigefängnis in Wien 6., Theobaldgasse 2, zu befreien, um eine Auslieferung an Deutschland zu verhindern: »Da faßten einige entschlossene Genossen den etwas abenteuerlichen, aber doch durchführbaren Plan, Neve mit Gewalt zu befreien. Derselbe bestand darin, daß eine Anzahl als Polizisten verkleidete Genossen eine andere Anzahl Genossen als Häftlinge in das Polizeigefängnis einliefern sollten, einmal darinnen, die dort befindlichen Beamten überwältigen und die Telephon- und Telegraphendrähte durchschneiden, Neve aus der Zelle holen und ihn in Sicherheit schaffen sollten. Alles war, wie mir erzählt wurde, vorbereitet. An dem Tag, an welchem abends der Handstreich unternommen werden sollte, ging ich morgens nach dem Laden eines Genossen, der sich schräg gegenüber dem Hofeingange des Polizeigefängnisses befand, um zu beobachten, ob alles sicher sei. Aber da erfuhr ich, daß bereits zwei Patrolwagen Soldaten in den Hof eingefahren seien. ›Es müsse etwas ganz besonderes vorliegen‹ meinte der Genosse, ein Schuster, der von dem Plane aber keine Ahnung hatte. Während wir uns unterhielten, kam eben noch ein Wagen voll Soldaten. Es war somit klar, daß da Verrat geübt war, und ich setzte schleunigst die Genossen in Kenntnis, nichts zu unternehmen, um nicht gänzlich zwecklose Opfer zu bringen.«34 (►26. Juli 1883)26. Juli 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 26. Juli 1883 wird der am ►12. Dezember 1882 unter dem Namen »Ernest Stevens« nach Wien gekommene Anarchist Johann Christian Neve alias John Neve (1844–1896) in Begleitung zweier Detektive mit einem Nachtzug von Wien an die deutsche Grenze gebracht und – durchaus innerhalb des gesetzlichen Rahmens – damit den von der österreichischen Polizei informierten deutschen Behörden praktisch ausgeliefert. Da die österreichischen Behörden wollen, dass Stevens-Neve nicht direkt an der Grenze verhaftet werde, erwarten ihn in Passau (Bayern) zwei deutsche Geheimpolizisten. John Neve kann diese zunächst abschütteln, wird aber am 27. Juli 1883 (Freitag) auf der Landstraße nahe Neuötting (Bayern) verhaftet und der Polizei-Direktion München (Bayern) eingeliefert werden. Diese Willkür der Behörden wird die Wiener Arbeiterschaft am ►27. Juli 1883 und erneut am ►10. August 1883 zu Aufsehen erregenden Demonstrationen veranlassen. Eine Intervention von John Neves Anwalt, Friedrich Elbogen (1854–1909), bei der englischen Botschaft zwecks Untersuchung dieses Vorfalls wird am 13. August 1883 (Montag) abschlägig beantwortet werden.27. Juli 1883 (Freitag)
Wien und Vororte: Die Auslieferung und insbesondere das Vorgehen der Behörden und die Form der Auslieferung des Johann Christian Neve alias John Neve (1844–1896) (►26. Juli 1883) erbost große Teile der Wiener Arbeiterschaft. Am 27. Juli 1883 marschieren in Wien gegen neun Uhr abends drei Kolonnen mit je etwa hundert Arbeiterinnen und Arbeitern zum Gebäude der Polizei-Direktion Wien in Wien 1., Schottenring 11, und nehmen diesem gegenüber Aufstellung. Eine größere Zahl von Angehörigen der Sicherheitswache rückt aus. Die Demonstranten werden energisch zur Auflösung der Versammlung aufgefordert und zerstreuen sich nach etwa einer Viertelstunde. Dies ist das Vorspiel zur so genannten Schottenring-Demonstration am ►10. August 1883.August 1883
Wien und Vororte: Im August 1883 beginnt der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) mit geheim abgehaltenen Diskussionsversammlungen, gleichsam Schulungskurse für radicale Redner und Propagandisten, welche bis Ende Dezember 1883 regelmäßig abgehalten werden. »Wir waren dabei ganz von selbst zum Anarchismus gelangt«, wird Josef Peukert später über diesen in Österreich ersten systematischen Versuch der Erörterung anarchistischer Ideen berichten. »Als ich dies den beteiligten Genossen sagte, sahen mich viele ganz verwundert an, denn diese Bezeichnung war bis dahin noch niemals gebraucht worden und jeder einzelne erklärte hierauf: ›Nun, dann sind wir eben Anarchisten.‹ Es lag uns aber garnichts an dem Namen. Aus taktischen Klugheitsrücksichten konnten wir diesen Namen ohnehin nicht anwenden, da dies nur für Polizei und Staatsanwaltschaft Grund für noch härtere Verfolgungen geboten hätte, während auf der anderen Seite die Arbeitermassen erst noch durch fortgesetzte, gründliche Propaganda dazu vorbereitet werden mußten.«35
Siehe auch: Josef Peukert: Die geheimen Diskussionsversammlungen der Wiener Radicalen. August bis Dezember 1883August 1883
St. Gallen / Saint-Gall / San Gallo (Kanton St. Gallen, Schweiz): Im August 1883 findet in St. Gallen eine geheime Konferenz in der Schweiz lebender deutschsprachiger Sozialrevolutionäre statt, auf welcher der Beschluss gefasst wird, mit der Propaganda der Tat in Deutschland und Österreich vorzugehen. Kontaktleute für Österreich sind der am ►12 März 1882 aus Wien geflüchtete Schneidergehilfe Ignaz Formanek (1854–nach 1905) in St. Gallen, der am ►24. August 1882 aus Wien geflüchtete Buchbindergehilfe Anton Kammerer (1862–1884) in Bern (Kanton Bern / Berne / Berna, Schweiz), der am ►22. April 1883 aus Österreich ausgewiesene und am ►23. Mai 1883 aus Wien abgereiste Tischlergehilfe Michael Kumić (1853–?) und der in Preußen gebürtige Schuhmachergeselle Hermann Stellmacher (1853–1884), welche schon bisher für den Schmuggel der Zeitung »Freiheit« (New York) und anderer sozialrevolutionärer Druckschriften aus der Schweiz nach Österreich zuständig waren (►12. März 1882). Nach Ansicht der Behörden wird hier auch jene aus Anton Kammerer, Michael Kumić, Hermann Stellmacher und einem Unbekannten bestehende Gruppe gebildet, welche für die Attentate auf den Soldaten Johann Adels (?–1883) und den Apothekergehilfen Franz Lienhardt (~1833–1883) (►22. Oktober 1883) sowie auf die Firma »J. A. Heilbronner, Bank- und Wechselgeschäft« des Bankiers Josef Heilbronner (1850–1930) (►21. November 1883) verantwortlich sei. Anton Kammerer ist bereits seit mindestens dem 17. Oktober 1882 (Dienstag) – nach eigener, allerdings nachweislich fingierter Angabe bis 14. Februar 1884 (Donnerstag) – unter dem Namen »Arnold Otter« in Zürich ( Zurich / Zurigo (Kanton Zürich, Schweiz) als Buchbinder tätig.2. August 1883 (Donnerstag)
Graz (Steiermark): Am 2. August 1883 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Graz der Prozess gegen den am 27. Juni 1883 (Mittwoch) verhafteten Schneidergehilfen Anton Schrank wegen Verbrechens des Hochverrats, der Majestätsbeleidigung und der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung statt. Er soll im Juli 1882 in einem Gasthaus in Graz eine verbotene Nummer der Zeitung »Freiheit« (New York) verteilt haben. Anton Schrank wird in allen Anklagepunkten freigesprochen und aus der Untersuchungshaft entlassen. (►5. Februar 1884)10. August 1883 (Freitag)
Wien und Vororte: Am 10. August 1883 findet in Wien eine große, von den Radicalen organisierte Demonstration zum Kampf der verfassungsmäßigen Rechte für die Arbeiterschaft statt, die so genannte Schottenring-Demonstration. Anlässe zu einer derartigen Manifestation hat es sicherlich viele gegeben, doch die Auslieferung und insbesondere das Vorgehen der Behörden und die Form der Auslieferung von Johann Christian Neve alias John Neve (1844–1896) (►26. Juli 1882) bringt offensichtlich das Fass zum Überlaufen. Vor allem auf Anraten des Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) soll die Demonstration so organisiert werden, dass sie friedlich verlaufen kann. Seit sieben Uhr abends versammeln sich vor der Votivkirche in Wien 9., Rooseveltplatz, einige hundert Arbeiterinnen und Arbeiter. Diese marschieren um Punkt 20 Uhr vom Schottentor aus zum Gebäude der Polizei-Direktion Wien in Wien 1., Schottenring 11. Hier stoßen neuerlich Trupps von Arbeitern dazu, welche von der Roßau (Wien 9.) kommen. Nunmehr sind an die achrhundert Personen versammelt. Die Behörden sind gut vorbereitet und sollen bereits am Nachmittag fast eintausend dienstfreie Mann der Sicherheitswache zusammengezogen haben, um das Innenministerium, das Zeughaus und die Polizei-Direktion Wien zu beschützen. Außerdem fordert der Wiener Polizeipräsident Karl Krticzka Freiherr von Jaden (1824–1885) Militärassistenz an, woraufhin eine Eskadron vom 2. Dragonerregiment sowie ein Bataillon vom Infanterieregiment Nr. 31 Mecklenburg-Strelitz beigestellt werden. Plötzlich stürmen Sicherheitswache, eine im Hof des Polizeigebäudes bereitgestellte Kompanie Infanterie vom Regiment Nr. 57 und von außen berittenes Militär vom Dragonerregiment Nr. 8, teils mit gezückten Säbeln, auf die Arbeiterinnen und Arbeiter los. Es kommt zu einem Handgemenge, und Demonstranten werfen Steine. Viele Arbeiterinnen und Arbeiter werden durch Säbelhiebe verletzt, einige Mitglieder der Exekutive durch Steinwürfe. Nach etwa zehn Minuten ist die Demonstration um 21 Uhr aufgelöst, und die Straßen bleiben vom Militär besetzt. Offiziell werden mehr als dreißig Demonstranten durch Säbelhiebe im Gesicht und an den Händen verwundet, darunter zwei schwer, etwa achtzig Arbeiter werden verhaftet. Fünfundfünfzig Arbeiter werden im Zusammenhang mit dieser Demonstration verhaftet und achtundzwanzig der gerichtlichen Beurteilung zugewiesen, wobei einundzwanzig von ihnen vor Gericht gestellt (►4. und 5. September 1883) und sieben der polizeilichen Bestrafung zugewiesen werden. Verhaftet, aber ohne Anklageerhebung wieder freigelassen werden der Wagnergehilfe Johann Adamek (1857–?), der Taglöhner Franz Böschinger (1863–?), der Eisengießer Karl Dagliwer (1854–?), der Maurergehilfe Karl Ernstberger (1856–?), der Schuhmachergehilfe Franz Galina (1861–?), der Schuhmachergehilfe Johann Gettlichter (1864–?), der Tischlergehilfe Friedrich Inglitsch (1836–?), der Schlossergehilfe Ferdinand Kerneck (1858–?), der Tischlergehilfe Karl Kierbeck (1865–?), der Schlossergehilfe Karl Musil (1859–?), der Schneidergehilfe Johann Nawratil (1861–?), der Fabrikarbeiter Anton Roha (1863–?), der Schneidergehilfe Karl Skerk (1848–?), der Schuhmachergehilfe Ferdinand Stephan (1853–?), der Schuhmachergehilfe Alois Stransky (1859–?), der Maurergehilfe Friedrich Taufner (1844–?), der Hausknecht Franz Tlaßmann (1853–?), der Schneidergehilfe Johann Travniček (1858–?) und der Kontorist Rudolf Weber (1863–?). Dazu kommen acht im Zuge der Demonstration Verwundete: der Spenglergehilfe Ludwig Bürkner (~1851–?), der Teichgräber Franz Grasser (1853–?), der Drechslergehilfe August Haberman alias Gustav Habrman (1864–1932), der Schlossergehilfe Johann Janisch (1862–?), der Eisengießer Franz Michael (1861–?), der Schlossergehilfe Eduard Schläger (1856–?), der Rauchfangkehrer Franz Schnaubel (1852–?) und der Tischlergehilfe Franz Schuttka (1865–?). Einige Personen werden, meist vergeblich, von den Behörden steckbrieflich gesucht, etwa der bei der Demonstration durch einen Säbelhieb an der Schulter verletzte Schneidergehilfe Jakob Czed (1857–?). Auch sechs Wachleute werden verletzt: Franz Keck, Johann Slaby, Eduard Watzek und Ambros Zager sowie schwer verwundet Zdenko Pech und Franz Thomas. (►14. August 1883)14. August 1883 (Dienstag)
Wien und Vororte: Die Strafverfolgungen im Zuge der so genannten Schottentor-Demonstration (►10. August 1883) zeitigen auch obskure Auswüchse. Am 14. August 1883 verurteilt das Bezirksgericht Leopoldstadt (Wien 2.) den Hausknecht August Meichlinger wegen Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte zu drei Tagen Arrest. Er hatte am 12. August 1883 (Sonntag) abends, um 21 Uhr 45, in einem Gasthaus in der Brigittenau (Wien 20.) gesagt: »Heute nachts um 12 Uhr wird’s auf dem Schottenring losgehen, die Arbeiter warten nur auf die Auflösung der Bereitschaft.« Er wurde daraufhin sofort verhaftet und ins Bezirksgericht Leopoldstadt eingeliefert.14. August 1883 (Dienstag)
Wien und Vororte: In der Nacht vom 14. auf den 15. August 1883 wird erstmals die in Inzersdorf (Niederösterreich [zu Wien 10.]) hergestellte Flugschrift »Mahnruf an alle Arbeiter und Männer des Volkes«36 in mehreren Bezirken Wiens ausgestreut. Darin wird unter anderem die Kronprinzessin Stephanie von Österreich-Ungarn (1864–1945) anlässlich der bevorstehenden Geburt ihrer Tochter, der Erzherzogin Elisabeth Marie von Österreich-Ungarn (1883–1963) – sie wird unter dem Ehenamen Elisabeth Marie Petznek 1925 Mitglied der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei« werden –, in recht deftigen Worten geschmäht (►2. September 1883). Dieses Flugblatt wird vom Schriftsetzer Ferdinand Hübner (~1860–1897) in der Wohnung des Tischlergehilfen Johann Slezák (1851–1907) gesetzt und vom Tischlergehilfen Johann Ehn (1852–1937) sowie dessen Lebensgefährtin Franziska Faber in Inzersdorf (Niederösterreich [zu Wien 10.]) gedruckt. Dabei wird in Währing (Niederösterreich [zu Wien 18.] der Drechslergehilfe Anton Dušek (1863–?) beim Ausstreuen der Flugschrift ertappet (►26. September 1883).16. August 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 16. August 1883 stellt die seit 1876 erscheinende, seit 1880 von den Radicalen übernommene Zeitung »Sozialpolitische Fachzeitung der Metallarbeiter Oesterreichs« (Wien) ihr Erscheinen ein.16. August 1883 (Donnerstag)
Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Am 16. August 1883 findet vor dem Landes- als Strafgericht Prag der Prozess gegen die am ►11. April 1883 verhafteten Radicalen wegen Vergehens der Geheimbündelei statt: der Maschinenschlosser Wilhelm Josef Černý (1864–?), der im Juli 1883 zum Obmann-Stellvertreter der »Arbeiter-Unfallversicherungsanstalt für Böhmen« gewählt worden war, der Fabrikarbeiter Josef Laschtowka (1855–?), der Porträtzeichner Wilhelm Raimund Moravec (1866–?), der Tischlergehilfe Ferdinand Nič (1858–?) und der Maschinenschlosser Anton Žatecký (1862–?). Josef Laschtowka wird außerdem des Verbrechens der Majestätsbeleidigung wegen eines von ihm verfassten Artikels angeklagt, und während der Verhandlung wird die Anklage gegen Wilhelm Raimund Moravec wegen des Besitzes eines Dolchs auf Verstoß gegen das Waffenpatent erweitert. Josef Laschtowka und Ferdinand Nič werden wegen Vergehens der Geheimbündelei zu je vier Wochen Arrest verurteilt. Wilhelm Josef Černý, Wilhelm Raimund Moravec und Anton Žatecký werden freigesprochen.20. August 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am 20. August 1883 gründen in Wien als Nachfolgerin der am 4. November 1882 (Samstag) aufgelösten »Schuhmacher-Gewerkschaft in Wien« die Gemäßigten die »Neue Schuhmacher-Gewerkschaft in Wien« als Gegenstück zu dem am 20. November 1882 (Montag) von den Radicalen gegründeten »Fachverein der Schuhmacher«.20. August 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am Abend des 20. August 1883 fürchtet die Polizei einen neuerlichen »Arbeiterexzess«. Um 20 Uhr 30 ziehen rund zweihundertfünfzig Arbeiterinnen und Arbeiter singend vom Prater (Wien 2.) kommend durch die Zirkusgasse (Wien 2.) in die Glockengasse (Wien 1.) und schließlich in die Rotensterngasse (Wien 2.), wo sie aber der Aufforderung der Polizei und wohl auch angesichts einer inzwischen aufmarschierten Abteilung der Sicherheitswache nachkommen und sich zerstreuen. Allerdings wird im Zuge des Tumults eine Spiegelscheibe der Vermischtwarenhandlung von Johann Kohn, Glockengasse 18, zerbrochen.28. August 1883 (Dienstag) und 29. August 1883 (Mittwoch)
Wien und Vororte: Am 28. August 1883 beginnt eine Serie von Brandanschlägen auf Holzplätze, die erste (►3. Oktober 1886) so genannte Brandleger-Affäre. Insgesamt sind es zwischen dem 28. August und 9. September 1883 vier Brände, für welche die Polizei später Sozialrevolutionäre verantwortlich machen wird. Um 20 Uhr 30 bricht ein Feuer auf dem Holzplatz des Zimmermeisters [?] Herrmann in Wien 5., Blechturmgasse, aus. Erfasst werden die hier gelegenen Seilerwerkstätten des Franz Möser und der Antonia Nowak sowie der Firma »August Trnka’s Nachfolger«. Danach werden die Bauholzlagerstätten des Maurermeisters Paul Witzmann, des Baumeisters und Mitglieds des Wiener Gemeinderates Johann Görlich (1835–1904), des Tischlermeisters Johann Michael Fentz und des Holzhändlers Josef Leithner, Inhaber der Firma »J. G. Leithner«, von den Flammen erfasst. Der Löschzug der Wiener Feuerwehrzentrale wird von Feuerwehren der Zentralen Landstraße (Wien 3.), Wieden (Wien 4.), Margareten (Wien 5.), Mariahilf (Wien 6.) und Neubau (Wien 7.) unterstützt. Auch der Wiener Polizeipräsident Karl Krticzka Freiherr von Jaden (1824–1885) eilt zum Brandplatz. Um 23 Uhr ist der Brand unter Kontrolle, aber erst am 29. August 1883 um 7 Uhr morgens ist das Feuer endgültig gelöscht. Noch gehen die Behörden von keiner Brandlegung aus. (►2. und 3. September 1883, ►4. und 5. September 1883 und ►9. September 1883)September? 1883
Chicago (Illinois, USA): Vermutlich im September 1883 erscheint die erste Nummer der tschechischen Zeitung »Svoboda« (Chicago; Freiheit), die am ►17. November 1883 nach sechs Nummern eingestellt werden wird. Der Zeitung wird der Postdebit (Zeitungsvertrieb durch die Post) erst mit Erkenntnis des Ministeriums des Innern vom 12. Februar 1884 für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder (also für die österreichische Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) behördlich entzogen werden.1. September 1883 (Samstag) bis 6. September 1883 (Donnerstag)
Kärnten und Steiermark: Der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) unternimmt Anfang September 1883 eine Agitationsreise durch die Provinz. Zunächst bespricht er sich mit Radicalen in Klagenfurt / Celovec (Kärnten), wo er am 1. September 1883 referiert, Villach / Beljak (Kärnten) und Marburg an der Drau (Steiermark [Maribor, Slowenien]), in der Nacht vom Dienstag dem 4. auf Mittwoch den 5. September 1883 mit Radicalen in Graz (Steiermark) und reist anschließend nach Kindberg (Steiermark). Ergebnis dieser Reise nach Kärnten und in die Steiermark ist der Beschluss, für Mitte Oktober 1883 eine Parteikonferenz der Radicalen einzuberufen (►25. Oktober 1883).2. September 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am 2. September 1883 versammeln sich trotz behördlichen Verbots in »Voglsang’s Gartenrestaurant« (Anton Voglsang) in Wien 4., Schönbrunner Straße 2, Arbeiterinnen und Arbeiter zu einer vom Webergehilfen Franz Schustaczek (1850–1908) einberufenen Volksversammlung unter freiem Himmel mit der Tagesordnung »Die Verteuerung der Lebensmittel und der Wohnungen«. Es ist dies der Tag, an welchem Erzherzogin Elisabeth Marie von Österreich-Ungarn (1883–1963) – sie wird unter dem Ehenamen Elisabeth Marie Petznek seit 1925 Mitglied der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei« – (►14. August 1883) geboren wird. Gegen 9 Uhr vormittags finden sich an die eintausendfünfhundert Arbeiter ein. Als die Versammlung eröffnet werden soll, lässt der Polizei-Bezirksinspektor den Restaurationsgarten räumen. Etwa dreihundert Arbeiter sammeln sich jedoch auf dem Neubaugürtel, Wien 7. und 15., und ziehen in Reihen formiert zum Schmelzer Exerzierplatz, Wien 15., wohin sich die Sicherheitskräfte zurückgezogen haben. Gegen 10 Uhr umringen Arbeiterinnen und Arbeiter die Exekutive, johlen und pfeifen, worauf der Polizei-Bezirksinspektor Verstärkung holen lässt. Bald erscheinen drei Abteilungen Sicherheitswache zu je fünfzig Mann und zwingen die Arbeiter, den Exerzierplatz in Richtung Breitensee (Niederösterreich [zu Wien 14.]) zu verlassen. Gegen 12 Uhr mittags sammeln sich etwa zweihundert Arbeiter, welche schon am Vormittag auf dem Schmelzer Exerzierplatz demonstriert hatten, am Neubaugürtel. Da sie der Aufforderung der Sicherheitswache, den Platz zu räumen, nicht nachkommen, werden fünf Arbeiter verhaftet, von denen der Lithograf Johann Dobril am ►22. September 1883 angeklagt werden wird. Bei einem Festgenommenen findet man auch ein Exemplar der Zeitung »Freiheit« (New York). Schließlich löst sich die Demonstration weitgehend geordnet auf. Außerdem wird die von Franz Schustaczek für den ►6. September 1883 in den Gasthausgarten Georg Bayer’s, Paradiesgarten 2, Neufünfhaus (zu Wien) einberufene Volksversammlung neuerlich behördlich untersagt.2. September 1883 (Sonntag) und 3. September 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am 2. September 1883 beginnt der zweite Fall der ersten (►3. Oktober 1886) so genannten Brandleger-Affäre. Schauplatz ist diesmal die Roßau (Wien 9.). Entlang des Donaukanals, etwa zwischen der Kronprinz-Rudolph-Kaserne [Rossauer Kaserne] und der Spittellinie, lagern riesige Holzvorräte zur Versorgung Wiens mit Brennstoff. Auf dem Holzplatz des Stadtzimmermeisters Hermann Otte bricht kurz vor 15 Uhr ein Feuer aus, das den gesamten Lagerbestand samt allen dort befindlichen Gebäuden sowie das Wohnhaus in Wien 9., Seegasse 17, vollständig und vom Wohnhaus in Wien 9, Sensengasse 19, den Dachstuhl vernichtet. Die diesen Gebäuden gegenüber liegenden neu erbauten Wohnhäuser 1, 1a, 3, 5 und 7 sind durch Rauch und Hitze arg in Mitleidenschaft gezogen. Um 21 Uhr entfacht der heftige Wind das Feuer neuerlich, welches nun die Hütte eines Ruderklubs sowie sieben Häuser in Wien 9, Roßauer Lände 29 bis 41, vernichtet. Die Bevölkerung der umliegenden Häuser muss noch am späten Abend aus Sicherheitsgründen evakuiert werden. Nach Mitternacht, um etwa 1 Uhr 45, treiben neuerliche Stürme das Feuer Richtung Brigittenau (Wien 20.), wo nun ebenfalls Häuser von den Bewohnern geräumt werden müssen. Am 3. September 1883, um 2 Uhr früh, werden in den Wiener Kasernen neue Aufgebote von Hilfsmannschaften mobilisiert. Der um etwa 3 Uhr morgens niedergehende Regenguss unterstützt zwar die Aktionen der Feuerwehren und Hilfskräfte, trifft aber auch die im Freien lagernden Evakuierten. Um 6 Uhr 30 begibt sich sogar Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) vor Ort, um sich ein Bild von der Katastrophe zu machen. Neben den vollständig niedergebrannten gibt es auch noch eine Reihe von Häusern, die durch Funkenflug und Rauchentwicklung teils schwer beschädigt sind, und insgesamt fünf Personen werden leicht verletzt. Unter den verbrannten Objekten befinden sich auch die Festtribünen, welche zur feierlichen Schlusssteinlegung für das Neue Wiener Rathaus vom 12. September 1883 errichtet werden sollten. Erst nach fast genau 24 Stunden ist das Feuer, dessen Brandfläche rund 51.000 Quadratmeter umfasst, am Nachmittag des 3. September1883 gelöscht. Die Bekämpfung immer wieder auflodernder Brandnester dauert bis in den Nachmittag vom 4. September 1883 (Dienstag) hinein. Neben 43 Feuerwehren aus Wien und Umgebung sind auch 2.600 Mann Militär und die Wiener »Freiwillige Rettungs-Gesellschaft « im Einsatz. Bei der Brandursache geht man zunächst von der Unachtsamkeit auf dem Holzlagerplatz Beschäftigter aus. In einer Sondersitzung des Wiener Gemeinderats wird am 4. September 1883 über die Gefährlichkeit der Holzlagerplätze im bewohnten Gebiet diskutiert und am 5. September 1883 (Mittwoch) deren Verlegung innerhalb der nächsten Monate beschlossen. Stadtzimmermeister Hermann Otte wird sich am Mittwoch dem 24. und Donnerstag dem 25. Oktober 1883 wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen vor dem Bezirksgericht Alsergrund (Wien 9.) verantworten müssen, wird aber freigesprochen werden. (►28. und 29. August 1883, ►4. und 5. September 1883 und ►9. September 1883)4 September 1883 (Dienstag) und 5. September 1883 (Mittwoch)
Wien und Vororte: Am 4. und 5. September 1883 findet vor dem Erkenntnissenat Wien der Prozess anlässlich der so genannten Schottenring-Demonstration (►10. August 1883) gegen 21 Arbeiter statt. Angeklagt sind der Fabrikarbeiter Franz Bežina (1863–?), der schwer verwundete Modelltischler Ferdinand Blasy (1836–?) – mit zwei klaffenden Kopfwunden von Säbelhieben und einer Augenverletzung ist er der am schwersten Verletzte –, der verwundete Schneidergehilfe Franz Breza (1863–?), der Schneidergehilfe Josef Czermák (1856–?), der Schriftsetzer Johann Dögelmayer, der Fabrikarbeiter Johann Fischer (1858–?), der Fabrikarbeiter Karl Fischer (1859–?), der Schmiedgehilfe Josef Glasch, der Tischlergehilfe Karl Haberl (1839–?), der Spenglergehilfe Anton Hell (1863–?), der verwundete Schlossergehilfe Michael Hruschka (1854–1914), der Eisendrehergehilfe Julius Koller (1858–?), der verwundete Tischlergehilfe Franz Kozmiczek (1856–?), der Eisendrehergehilfe Josef Moser (1866–?), der Eisendrehergehilfe Franz Müllner (1860–?), der Schmiedgehilfe Wilhelm Rabas (1851–?), der Eisendrehergehilfe Josef Scholtan (1855–?), der Schmiedgehilfe Franz Schruka (1865–?), der verwundete Nagelschmied Stefan Sündermann (1835–?), der verwundete Maschinist Wilhelm Thomas Spanner-Hansen (1860–?) und der Schuhmachergehilfe Wenzel Womaczka. (1851–?). Michael Hruschka wird des Verbrechens der schweren körperlichen Beschädigung und der öffentlichen Gewalttätigkeit sowie des Vergehens des Auflaufs beschuldigt. Er habe bei der Demonstration ein Dragoner-Pikett mit Steinen beworfen und einem Wachmann, der sich in der Nähe des Polizeipräsidenten befand, ein Stemmeisen in den Rücken gerammt, welcher dadurch zwar nur leicht verletzt wurde, was aber von der Staatsanwaltschaft von der Handlungsweise her als schweres Verbrechen eingestuft wird. Franz Müllner wird des Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit sowie des Vergehens des Auflaufs angeklagt, weil er sich seiner Festnahme gewaltsam widersetzt habe. Alle anderen werden des Vergehens des Auflaufs beschuldigt: Franz Schruka habe die Menge durch den Ruf »Hurra!« zum Widerstand aufgefordert; Johann Dögelmayer habe sich als Polizeiagent ausgegeben und darauf bestanden, stehen zu dürfen, wo er wolle; Karl Haberl habe sich mit Wachleuten einen Wortwechsel geliefert und ihnen zugerufen, dass sie schauen mögen, dass sie weiterkommen; Anton Hell habe andere Arbeiter zur Demonstration aufgefordert. Verurteilt werden im Sinne der Anklage Michael Hruschka zu vier Jahren schwerem Kerker, verschärft durch zwei Fasttage im Monat, Franz Müllner zu acht Monaten schwerem Kerker, verschärft durch einen Fasttag im Monat, Josef Glasch zu einem Monat, Karl Haberl zu drei Wochen sowie Franz Breza und Josef Scholtan zu je vierzehn Tagen strengem Arrest, jeweils verschärft durch einen Fasttag, Johann Dögelmayer und Anton Hell zu je einem Monat, Wenzel Womaczka zu drei Wochen, Wilhelm Rabas zu vierzehn Tagen, Josef Czermák und Julius Koller zu je einer Woche, Karl Fischer und Franz Kozmiczek zu je vier Tagen sowie Johann Fischer zu drei Tagen einfachem Arrest. Noch während des Verfahrens zieht der Staatsanwalt seine Anklage gegen Ferdinand Blasy, Josef Moser, Stefan Sindermann und Wilhelm Thomas Spanner-Hansen zurück. Freigesprochen wird lediglich Franz Bežina.4 September 1883 (Dienstag) und 5. September 1883 (Mittwoch)
Wien und Vororte: Am 4. September 1883 beginnt der dritte Fall der ersten (►3. Oktober 1886) so genannten Brandleger-Affäre. Zu diesem Zeitpunkt ist die Feuerwehr noch mit dem Brand in der Roßau (Wien 9.) beschäftigt (►2. und 3. September 1883). Um etwa 21 Uhr 30 bricht ein Feuer auf einem Holzlagerplatz an der Nußdorfer Lände in Nußdorf (Niederösterreich [zu Wien 19.]) in der so genannten Halterau aus, diesmal beim Holzlager der gräflich Falkenhayn’schen und Traun’schen Forste, bei den Häusern 21 bis 25, und zwar im Schuppen der Holzhändlerin Josefa Koberger, welcher inmitten der Holzplätze steht. Nachdem der Brand, der im Wesentlichen die Holzplätze der Josefa Koberger und des Johann Pospischil vernichtet, zunächst rasch unter Kontrolle gebracht wird, fachen Stürme das Feuer nach Mitternacht erneut an, und es kann erst am 5. September 1883 um 3 Uhr 30 gelöscht werden. Erst gegen 6 Uhr gibt es das offizielle »Brand aus«. Wieder müssen Arbeiterfamilien aus ihren Wohnungen flüchten und im Freien übernachten. Mehrere Feuerwehren und die Wiener »Freiwillige Rettungs-Gesellschaft« sind im Einsatz, seit 2 Uhr morgens auch zwei- bis dreihundert Soldaten. Es gibt diesmal keine Verletzten, doch über zwanzig Feuerwehrmänner müssen völlig erschöpft vom Brandplatz getragen werden. Die Brandbekämpfung ist diesmal wegen der langen Wasserzufuhr besonders schwierig. Noch am 5. September 1883 werden als mögliche Brandleger ein Hausknecht, ein Pfeifenschläger, ein Tischlergehilfe und ein Eisendrehergehilfe, bei dem auch eine Anklageschrift wegen Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit gefunden wird, verhaftet. Einem besonders intensiven Verhör wird der erst vor wenigen Wochen entlassene Platzmeister der Josefa Koberger, Josef Bauernfeind (1853–?), unterzogen und festgenommen. Nunmehr wird verstärkt die Möglichkeit ins Auge gefasst, dass auch der Brand vom ►2. und 3. September 1883 von Sozialrevolutionären gelegt worden sein könnte, umso mehr, als bei einem der Festgenommenen eine Anklageschrift wegen Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit gefunden wird. Es ist vor allem die bürgerliche Presse, die derartige Mutmaßungen verbreitet. (►28. und 29. August 1883, ►9. September 1883 und ►11. September 1883)5. September 1883 (Mittwoch)
Wien und Vororte: In der Nacht vom 5. auf den 6. September 1883 werden in Währing (Niederösterreich [zu Wien 18.]) heimlich Plakate angeschlagen, auf welchen weitere Brände (►2. und 3. September 1883 und ►4. und 5. September 1883) angedroht werden.6. September 1883 (Donnerstag)
Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]): Am 6. September 1883 erscheint die erste Nummer der am ►24. Juni 1883 beschlossenen Zeitung »Der Radikale« (Reichenberg). Seit Februar 1884 das einzige namhafte Organ der Radicalen, wird die Zeitung am ►2. April 1885 eingestellt werden.6. September 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 6. September 1883 organisieren die Wiener Radicalen neuerlich eine vom Webergehilfen Franz Schustaczek (1850–1908) einberufene Volksversammlung unter freiem Himmel, welche wieder behördlich verboten wird. Schon um 7 Uhr morgens versammeln sich Gruppen von Arbeitern in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]) beim Westbahnhof, Europaplatz, und in der Felberstraße. Gegen 20 Uhr abends versammeln sich trotz Verbots etwa eintausendfünfhundert Arbeiterinnen und Arbeiter in Rudolfsheim (Niederösterreich [zu Wien 15.]) in Georg Bayer’s Paradiesgarten, Paradiesgasse 2, dazu noch rund fünfhundert in den umliegenden Straßen. Diesmal werden die Demonstranten von einem großen Aufgebot der Exekutive bereits erwartet. Am Westbahnhof stehen außerdem ein halbes Bataillon Infanterie, eine Eskadron Husaren, etwa zweihundert Wachleute zu Fuß und fünfzig berittene Sicherheitswachen bereit. Gleich sechs Polizeikommissäre versuchen, die Versammlung aufzulösen, werden aber nur mit Hohn und Gelächter bedacht. Kurz darauf trifft der Wiener Polizeipräsident Karl Krticzka Freiherr von Jaden (1824–1885) ein, der nun den Befehl zur gewaltsamen Räumung gibt. Da die kleine Abteilung Sicherheitswache, die von Anfang an im Garten postiert war, von den Arbeitern eingeschlossen ist, stößt eine Kolonne Sicherheitswache durch das etwa drei Meter breite Tor in den Garten vor, wobei es zu einem Handgemenge kommt. Schließlich macht die Sicherheitswache von der blanken Waffe Gebrauch, doch ist nach halbstündigem Kampf der Platz noch immer nicht geräumt. Erst mit Hilfe der berittenen Sicherheitswache, die mit flachem Säbel auf die Demonstranten einschlägt, wird die Versammlung zerstreut. Schließlich ist um 24 Uhr vollkommene Ruhe hergestellt, und Militär und Wachleute sind abgezogen. Acht Arbeiter werden verhaftet, davon fünf ins Landesgericht Wien eingeliefert (►22. September 1883). Acht Sicherheitswachleute sind durch Steinwürfe leicht, ein Wachmann ist schwer verletzt worden; die Zahl der verletzten Arbeiterinnen und Arbeiter ist unbekannt. (►7. September 1883)7. September 1883 (Freitag)
Wien und Vororte: Gleichsam als Nachwehen zu den Ereignissen vom ►6. September 1883 wird am 7. September 1883, um 1 Uhr 30 morgens, in Margareten (Wien 5.) der Tischlergehilfe Franz Hedwiczek (1857–?) wegen lauten Singens festgenommen. Er gibt an, von den Exzessen in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]) zu kommen, und versucht auf dem Weg ins Polizeikommissariat einen mittelgroßen Kieselstein, den er in der Hosentasche hat, zu beseitigen, wird dabei aber ertappt. In der Untersuchungshaft nimmt er alle seine Aussagen wieder zurück.9. September 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am 9. September 1883 beginnt der vierte und letzte Fall der ersten (►3. Oktober 1886) so genannten Brandleger-Affäre. Um 0 Uhr 30 bricht ein Brand aus, diesmal im ehemaligen Poststallgebäude, nunmehr Lager der Bauunternehmung »S. Steiner« in Wien 2., Am Tabor 10. Das gesamte Holzlager dieses nachweislich gelegten Feuers brennt nieder, und die Feuerwehr kann erst um 4 Uhr einrücken. Neuerlich eilt der Wiener Polizeipräsident Karl Krticzka Freiherr von Jaden (1824–1885) vor Ort. Zwei Personen werden noch am selben Tag unter dem Verdacht der Brandlegung verhaftet (►11. September 1883). Die Behörden werden erst später Sozialrevolutionäre für diese Brände verantwortlich machen, ohne jemals deren Täterschaft nachweisen zu können. (►28. und 29. August 1883, ►2. und 3. September 1883 und ►4. und 5. September 1883)10. September 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am 10. September 1883 wird in Wien der Drechslergehilfe Josef Stieber (1860–?) nach einer Denunziation (►25. und 26. Juni 1885) verhaftet, weil er auf die Hausmauer »Hoch die Republik!« – nach anderen Quellen »Es lebe die rote Republik!« – geschrieben habe. Bei seiner Verhaftung erleidet Josef Stieber durch den Stoß eines Gendarmen einen Schlüsselbeinbruch auf der rechten Seite. Trotz der Verletzung wird er in Ketten in das Landesgericht Wien eingeliefert, wo auch der von Stieber erbetene Gefängnisarzt keine ernsthafte Verletzung feststellt. Nach neun Tagen wird Josef Stieber ohne Anklageerhebung aus der Untersuchungshaft entlassen und begibt sich sofort in das Wiener Allgemeine Krankenhaus, wo der ihn behandelnde Professor den Bruch des Schlüsselbeins feststellt.11. September 1883 (Dienstag)
Wien und Vororte: Am 11. September 1883 werden in Wien drei Personen wegen Brandlegungen ins Landesgericht Wien eingeliefert: wegen des Brandes vom ►4. und 5. September 1883 der noch am 5. September 1883 (Mittwoch) festgenommene Platzmeister Josef Bauernfeind (1853–?) sowie wegen des Brandes vom ►9. September 1883 die Gerüstarbeiter Anton Chrasting (1842–?) und Ferdinand Pospischil (1839–?). Die Verfahren gegen alle drei Inhaftierten werden später eingestellt werden. Die Sicherheitsbehörden gehen vor allem auf Grundlage illegaler Druckwerke von der zwar durchaus möglichen, aber nie bewiesenen Brandlegung durch Angehörige der radicalen Arbeiterbewegung aus.13. September 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Angesichts der Vorkommnisse der letzten Monate regt der stellvertretende Polizeidirektor der Polizei-Direktion Wien, Hofrat Anton Weiß von Weißenstamm (1824–1888). am 13. September 1883 in einem Bericht an das Innenministerium an, die gesetzlichen Möglichkeiten der Exekutive zu erweitern, und er liefert auch gleich den Entwurf einer auf dem § 14 des Staatsgrundgesetzes über die Allgemeinen Rechte der Staatsbürger vom 21. September 1867 beruhenden Ausnahmsverordnung gegen sozialistische Umtriebe mit. (►9. November 1882 und ►30. Jänner 1884)16. September 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte / Zürich ( Zurich / Zurigo (Kanton Zürich, Schweiz): Nicht nur Radicale, Sozialrevolutionäre und Anarchisten bedienen sich des Mittels illegaler Propaganda. Die in der Schweiz lebenden österreichischen und deutschen Sozialdemokraten nehmen die Vorfälle und Aktionen der Wiener Radicalen zum Anlass, ein auf Kosten der deutschen Sozialdemokratie in Zürich gedrucktes, von Emil Kaler-Reinthal (1850–1897) und Eduard Bernstein (1850–1932) verfasstes, aber anonym erschienenes Flugblatt zu veröffentlichen. Seit 16. September 1883 verteilen Wiener Gemäßigte die Flugschrift »Die socialdemokratische Partei Oesterreichs an die Arbeiter«,37 welche mit fingiertem Impressum erscheint und systematisch auch an verschiedene Zeitungsredaktionen in Wien verschickt wird. Natürlich findet man darin die damals wohl unvermeidlichen Untergriffe, aber auch haltlose Unterstellungen und Verleumdungen gegen Angehörige der radicalen Arbeiterbewegung. Vor allem aber kann man die Ängstlichkeit um politische Macht sowie die Verständnis- und wohl auch Ahnungslosigkeit gegenüber der Lage der österreichischen Arbeiterschaft wohl kaum besser zum Ausdruck bringen, und man kann Max Nettlau (1865–1944) verstehen, wenn er sich mit offensichtlicher Freude erinnert: »Es lag eine solche Nichtswürdigkeit in der sozialdemokratischen denunziatorischen Hetze gegen die ersten paar Monate wirklich sozialistischer Freude und Hoffnungen, die den österreichischen Arbeitern nach all den Wahlrechtsgaukeleien seit 1867 beschieden waren, daß es kein Wunder war, wenn ihre Führer, die Bardorf, Gehrke, Dorsch, Kaler-Reinthal u. a. damals wie räudige Hunde mit Abscheu und Ekel betrachtet wurden und es war eine Freude, als ich einmal sah, wie einem dieser Gaukler in einer Versammlung in den Drei Engelsälen fast einstimmig das Mostsche Proletarierlied entgegendröhnte, worauf dann die Versammlung aufgelöst wurde, das Singen aber noch lange in den engen Gassen wiederhallte. Zu lange waren die Arbeiter genarrt worden und jetzt lebten sie diesen Sommer 1883 in entschlossener und gehobener Stimmung.«38
Siehe auch: Johann Most: Die Arbeitsmänner (»Das Proletarierlied«). 187117. September 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am 17. September 1883 treten in Wien die Pfeifenspitzendrechsler in den Streik. Obwohl die Radicalen kein vordringliches Interesse an Lohnkämpfen haben, unterstützen sie die etwa zweihundertsechzig streikenden Drechslergehilfen.20. September 1883 (Donnerstag)
St. Pölten (Niederösterreich): Am 20. September 1883 wird in St. Pölten der von Radicalen dominierte »Fachverein der Schuhmacher« behördlich aufgelöst.21. September 1883 (Freitag)
Wien und Vororte: Am 21. September 1883 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess gegen den Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?) wegen Vergehens der Gutheißung eine ungesetzlichen Handlung statt. Er habe in einer am 2. Juli 1883 (Montag) in einer Arbeiterversammlung in Mariahilf (Wien 6.) vor etwa fünfhundert Kleidermachern gehaltenen Rede angedeutet, dass es Zeit sei, den bisher eingehaltenen Weg der Gesetzlichkeit zu verlassen. Im Sinne der Anklage wird Wenzel Führer zu zwei Monaten strengem Arrest, verschärft mit zwei Fasttagen, verurteilt. Er erhebt dagegen Nichtigkeitsbeschwerde, doch der Oberste Gerichts- als Kassationshof bestätigt in der Verhandlung am 14. Dezember 1883 (Freitag) das Ersturteil. (►21. Jänner 1884)22. September 1883 (Samstag)
Wien und Vororte: Am 22. September 1883 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess gegen vier wegen des Tumults vom ►6. September 1883 angeklagte Radicale statt. Der erst fünfzehnjährige Schuhmacherlehrling Franz Bukvar (1868–?), der siebzehnjährige Schuhmacherlehrling Michael Malý (1866–?) und der Schuhmachergehilfe Alois Tureczek (1856–?) werden Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit durch gewaltsame Vereitelung einer Arretierung und des Vergehens des Auflaufs durch Aufreizung zur Widersetzlichkeit angeklagt. Sie hätten bei der Demonstration Steine gegen die Wache geschleudert und die Umstehenden zu ungesetzlichen Handlungen ermuntert. Franz Tureczek habe außerdem mit einem Stock auf einen Revierinspektor einschlagen wollen. Des Vergehens der Gutheißung eine ungesetzlichen Handlung wird der Schuhmachergehilfe Franz Horák (1864–?) bezichtigt. Er habe in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]) an der Ecke Zinckgasse / Felberstraße eine Rede gehalten, in welcher er die umstehenden Arbeiter zum Widerstand aufgefordert habe. Im Sinne der Anklage werden Alois Tureczek zu acht Monaten sowie Franz Bukvar und Michael Malý zu je vier Monaten schwerem Kerker, Franz Horák zu fünf Monaten strengem Arrest verurteilt. Franz Horák wird im September 1884 aus Wien für beständig abgeschafft und bald danach in seiner böhmischen Heimat erneut inhaftiert werden.22. September 1883 (Samstag)
Wien und Vororte: In einer gesonderten Verhandlung findet am 22. September 1883 vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess gegen den wegen des Tumults vom ►2. September 1883 angeklagten den Lithografen Johann Dobril wegen Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit und des Vergehens des Auflaufs statt. Er sei einer der Arbeiter gewesen, der einen etwa dreihundertköpfigen Arbeitertrupp am Neubaugürtel (Wien 7. und 15.) zum Angriff auf die Wache geführt, die Wache geschmäht und angegriffen habe. Außerdem sei er am Versuch beteiligt gewesen, einen von der Truppe abgekommenen Wachmann vom Pferd zu reißen, und habe gerufen: »Reißt den Bluthund herunter!« Im Sinne der Anklage wird Johann Dobril zu fünf Monaten schwerem Kerker verurteilt.23. September 1883 (Sonntag)
Pottendorf (Niederösterreich): Rund zwanzig Radicale, meist Beschäftigte in der Lokomotivfabrik in Wiener Neustadt (Niederösterreich), machen am 23. September 1883 einen Ausflug in die Umgebung der Stadt. Zur Rückfahrt wollen sie den Zug benützen, aber als sie zum Bahnhof Pottendorf kommen, ist der Zug bereits abgefahren. Als sie das Bahnhofsgelände verlassen, kommt ihnen unter Führung zweier Gendarmen ein Gruppe von Bauern, mit Sensen, Heugabeln und Dreschflegeln bewaffnet, entgegen. Die Maschinenschlosser Johann Koza (1848–?) und Ferdinand Perlornigg (1854–1901), der Eisendreher Johann Tanzer sowie die Maschinenschlosser Johann Tureczek (1856–?) und Karl Hugo Wolf werden unter dem Verdacht, verbotene Flugschriften verteilt zu haben, verhaftet und in das Bezirksgericht Wiener Neustadt eingeliefert. Sie werden erst nach sechs Wochen ohne Anklageerhebung aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Ferdinand Perlornigg, Johann Tanzer und Johann Tureczek werden aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom ►30. Jänner 1884 im Februar 1884 aus Wiener Neustadt ausgewiesen werden.23. September 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am 23. September 1883 findet in »Voglsang’s Gartenrestaurant« (Anton Voglsang) in Wien 4., Schönbrunner Straße 2, die Versammlung zum fünfzehnjährigen Gründungsfest der Wiener »Allgemeinen Arbeiter-Kranken und Invalidenkasse« statt. Die Veranstaltung, an der etwa eintausend Personen teilnehmen, geht problemlos über die Bühne. Danach begibt sich eine Gruppe Arbeiter in einen Nebenraum des Lokals, wo sie Lieder singt, welche vom anwesenden Bezirksinspektor beanstandet werden. Als zwei Arbeiter dagegen protestieren, mischt sich auch der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) ein. Dies hat zur Folge, dass Josef Peukert wegen unberufenen Einmengens in eine Amtshandlung angezeigt wird. Er soll deswegen sowie wegen des Artikels »Durch Kampf zum Sieg!«39 in der Nummer 94 (13. September 1883) der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) und anderer konfiszierter Stellen dieser Ausgabe, in diesem Fall wegen Herabwürdigung der Verfügungen der Behörden, Aufwiegelung gegen die Staatsbehörde sowie gegen einzelne Organe der Regierung, wegen Aufreizung zu Feindseligkeiten und Gutheißung ungesetzlicher Handlungen vor dem Bezirksgericht Sechshaus (Wien 15.) angeklagt werden. Die Anklage wird dann aber nur auf die Zeitungsartikel eingeschränkt und nach Zustellung der Anklageschrift am ►8. November 1883 der Prozess für 17. November 1883 (Samstag) anberaumt, allerdings verschoben werden, desgleichen der dann für Donnerstag den 13. und Freitag den 14. Dezember 1883 anberaumte Prozess.26. September 1883 (Mittwoch)
Wien und Vororte: Am 26. September 1883 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Wien in geheimer Verhandlung der Prozess gegen den Drechslergehilfen Anton Dušek (1863–?) statt, ein ehemaliges Mitglied des radicalen »Böhmischen Bildungs- und Geselligkeitsverein ›Slovan‹« (Der Slawe). Er war in der Nacht des ►14. August 1883 in Währing (Niederösterreich [zu Wien 18.] beim Ausstreuen der Flugschrift »Mahnruf an alle Arbeiter und Männer des Volkes« (►14. August 1883) ertappt worden. Bei der nachfolgenden Hausdurchsuchung waren in seiner Wohnung nicht nur viele Exemplare dieses Flugblatts, sondern auch Nummern der Zeitungen »Radikal« (Budapest) und »Freiheit« (New York) gefunden worden. Die Geschworenen verneinen zwar die Anklage auf Verbrechen des Hochverrats, doch wird Anton Dušek wegen Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe sowie Beleidigung des Kaisers und des kaiserlichen Hauses zu acht Monaten schwerem Kerker verurteilt. Obmann der Geschworenen ist übrigens der Universitätsbibliothekar, Schriftsteller und Schauspieler Emmerich Ranzoni (1823–1898).29. September 1883 (Samstag)
Österreich: Am 29. September 1883 tritt in Österreich eine neue Gewerbe-Ordnung in Kraft. Diese wird von den Radicalen heftig bekämpft, sehen sie darin doch den Versuch, die alte Zunft-Ordnung wieder einzuführen.7. Oktober 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am 7. Oktober 1883 findet in der so genannten Schwemme von »Schwender’s Colosseum« (Anna Silberbauer, damals noch verwitwete Schwender) in Rudolfsheim (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Fünfhauser Hauptstraße 189–191 [Mariahilfer Straße], das erste Gründungsfest des »Fachvereins der Schuhmacher« statt. Der Schuhmachergehilfe Karl Feyrer (1859–1942) rezitiert das humoristische Gedicht »Die Affen-Colonie« vom Arzt, Naturwissenschaftler und Schriftsteller Carl Vogt (1817–1895), worin es unter anderem heißt: »Da kann entsteh’n eine Revolution.« Der Regierungsvertreter betritt gerade den Saal und versteht: »Es lebe die Revolution!«. Karl Feyrer wird vom Regierungsvertreter wegen Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe verhaftet und ins Landesgericht Wien eingeliefert. (►24. Oktober 1883) Weil sie sich in die Amtshandlung einmischen werden auch noch der Schuhmachermeister Josef Marschall und der Buchbindergehilfe Ernst Schmid (1853–1919) vorübergehend festgenommen, letzterer auch noch wegen Wachebeleidigung angezeigt (►8. Jänner 1884).11. Oktober 1883
Stein [zu Krems an der Donau] (Niederösterreich): Am Donnerstag dem 11. Oktober 1883 verstirbt im Gefängnis Stein der am ►20. Jänner 1882 Tischlergehilfe zu zwei Jahren schweren Kerkers verurteilte Eduard Doleschal (1845–1883) an Lungentuberkulose und wird am Friedhof Stein am Samstag dem 13. Oktober 1883 beigesetzt. Seine Frau, die mit ihrem Ehemann auch ein kleines Kind hat, wird das nur zufällig erfahren: Sie will ihren kranken Mann im Gefängnis besuchen, wo man ihr mitteilt, dass er bereits verstorben und längst begraben sei.15. Oktober 1883 (Montag) und 16. Oktober 1883 (Dienstag)
Wien und Vororte: In der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober 1883 wird in mehreren Vororten Wiens und in Wien selbst die illegale Flugschrift »Ein Mahnruf an das Volk!«, gezeichnet »Im Sommer 1883, mehrere anarchistische Gruppen«,40 verteilt. Deshalb werden in den frühen Morgenstunden des 16. Oktober 1883 in Wien und Umgebung mehrere Hausdurchsuchungen durchgeführt, insbesondere bei Schuhmachergehilfen. Zwölf Personen werden wegen der bei ihnen gefundenen verbotenen Schriften verhaftet, jedoch später wieder auf freien Fuß gesetzt. Zwei von ihnen, die Schuhmachergehilfen Lajos Hlavacsek (~1850–?), der seit achtzehn Jahren unbescholten in Wien lebt, und Ferenc Korwasz (~1853–?), seit zwölf Jahren in Wien, werden jedoch am 1. November 1883 (Donnerstag) aus Niederösterreich in ihre ungarische Heimat abgeschafft werden. Zu ihrer Verabschiedung sollen sich an die dreitausend Arbeiter am Staatsbahnhof eingefunden haben. Die ebenfalls verhafteten Schuhmachergehilfen Franz Kraus (1859–?) und Johann Pischler (1854–?) werden erst im Mitte November 1883 ohne Anklageerhebung freigelassen werden. Ebenfalls verhaftet werden der Büchsenmacher Johann Protz (1858–?) und dessen Schwester, die Näherin Marie Protz (1851–?); auch sie werden nach einigen Tagen ohne Anklageerhebung aus der Untersuchungshaft entlassen, aber im Februar 1884 aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom ►30. Jänner 1884 aus Wien ausgewiesen werden.15. Oktober 1883 (Montag) bis 25. Oktober 1883 (Donnerstag)
Olmütz (Mähren [Olomouc, Tschechien]): Vom 15. bis 25. Oktober 1883 findet vor dem Schwurgericht in Olmütz teils in geheimer Sitzung der Prozess gegen siebzehn Sozialisten, größtenteils Radicale, statt. Das ist der bislang schwerste Schlag gegen die Radicalen in Mähren. Angeklagt sind der Bleicharbeiter Eduard Axmann (1851–?), der Gemeindediener Valentin Brauner (1830–?), der Webergehilfe Robert Frömel (1851–?), der Tischlergehilfe Anton Handel (1852–?), der Tischlergehilfe Klement Heinisch (1853–?), der Maler- und Anstreicher Theodor Indra (~1851–?), der Glasmaler Friedrich Jänchen (1861–?), der Webergehilfe Josef Jurschek (1862–?), der Eisengießer Josef Klein (1844–?), der Fabrikarbeiter Franz Köhler alias Volkmann (1856–?), der Brettschneider Johann Krist (1859–?), der Buchbinder Johann Kutscher (1822–?), der Leinweber Anton Plisch (1830–?), der Nagelschmiedgehilfe Johann Ruprecht (1835–?), der Fabrikarbeiter Karl Schmidt (1860–?), der Tischlergehilfe und zuletzt in Wien als Geschäftsdiener tätige Klemens Schütz (1861–?) sowie der Webergehilfe Josef Seifert (1844–?). Angeklagt sind sie der Verbrechen des Hochverrats, der Beleidigung kaiserlicher Prinzen, der Aufreizung wider einzelne Klassen der bürgerlichen Gesellschaft, der Gutheißung ungesetzlicher Handlungen, der Religionsstörung und der Geheimbündelei. Unter anderem sollen sie dies durch die Verbreitung der Nummer 2 der Untergrundzeitung »Erste Freie Presse Cisleithaniens« [Inzersdorf (Wien)] (►Mitte Mai 1883) am 1. Juli 1883 in Mährisch-Schönberg (Mähren [Šumperk, Tschechien]) begangen haben. Auch wird ihnen die Verbindung mit dem Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) in Wien zur Last gelegt. Alle Angeklagten werden in den Hauptanklagepunkten einstimmig, bei der Religionsstörung mit neun gegen drei und beim Vergehen der unbefugten Kolportage mit Stimmengleichheit freigesprochen.16. Oktober 1883 (Dienstag)
Pittsburgh (Pennsylvania, USA): Am 16. Oktober 1883 findet in Pittsburgh der Internationale Sozialisten-Kongress statt, zu dem Vertreter aller sozialistischen Richtungen geladen sind. Dem dreiköpfigen Organisationskomitee gehört mit dem Bäckergehilfen und Redakteur Jakob Mikolanda (1854–1907) auch ein Exilant aus Böhmen an. Delegierte aus sechsundzwanzig US-amerikanischen Städten gründen die »Amerikanische Föderation« der »Internationalen Arbeiter-Association«. Diese Organisation, auf die Johann Most (1846–1906) zunächst starken Einfluss hat, bestellt Sekretäre für die Sprachen Deutsch, Französisch, Böhmisch (das heißt Tschechisch), Englisch und Skandinavisch. Die auf diesem Kongress verabschiedete »Principen-Erklärung der Internationalen Arbeiter-Association«41 wird eine wichtige programmatische Orientierungshilfe für die stärker werdenden Sozialrevolutionäre innerhalb der radicalen Arbeiterbewegung Österreichs.
Siehe auch: Prinzipien-Erklärung der Internationalen Arbeiter-Association. (Amerikanische Föderation.) Pittsburgh, am 16. Oktober 188319. Oktober 1883 (Freitag)
Wien und Vororte: Am 19. Oktober 1883 findet vor dem Landes- als Schwurgericht Wien in geheimer Verhandlung der Prozess gegen den Tischlergehilfen Anton Moriz und den am 22. August 1883 (Mittwoch) in Ottakring (Niederösterreich [zu Wien 16.]) verhafteten Bäckergehilfen Anton Raphael (1863–?) statt, weil sie die radicale Flugschrift »Mahnruf an alle Arbeiter und Männer des Volkes« (►14. August 1883) kolportiert hatten. Von der Anklage des Hochverrats durch die Geschworenen mit neun gegen drei Stimmen freigesprochen, werden sie wegen Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe und Majestätsbeleidigung verurteilt: Anton Moriz zu zwei Jahren und Anton Raphael zu achtzehn Monaten schwerem Kerker.22. Oktober 1883 (Montag)
Graz (Steiermark): Am 22. Oktober 1883 taucht in Graz erstmals das Flugblatt, »Arbeiter! Große Krankheiten […] [/] Dělníci! Vzbůru lide pracujici […]«42 auf. Es ist das erste zweisprachige Flugblatt der Radicalen, wobei der tschechische Text keine Übersetzung des deutschen darstellt, sondern ein eigenständiger ist. Gedruckt wird dieses Flugblatt auf der Geheimpresse der Radicalen in Inzersdorf (Niederösterreich [zu Wien 10.]). Dieses Flugblatt wird mehrfach verstreut, unter anderem der Nacht vom ►25. auf 26. Oktober 1883 erstmals in Wien und seinen Vortorten, in der Nacht vom Dienstag dem 6. auf Mittwoch den 7. November 1883 in Stockerau (Niederösterreich). Es wurde vom Schriftsetzer Ferdinand Hübner (~1860–1897) in der Wohnung des Tischlergehilfen Johann Slezák (1851–1907) gesetzt und vom Tischlergehilfen Johann Ehn (1852–1937) sowie dessen Lebensgefährtin Franziska Faber in Inzersdorf gedruckt. Da die alte Druckpresse nicht mehr gut genug ist, wird sie nach diesem Flugblatt von Johann Slezák und dem Schlossergehilfen Johann Rouget (1847–1893) aus der Wohnung von Johann Ehn nach Altmannsdorf (Niederösterreich [zu Wien 12.]), Laxenburger Straße 67 [Altmannsdorfer Straße] gebracht, wo sie am ►18. November 1883 von der Polizei entdeckt werden wird.22. Oktober 1883 (Montag)
Straßburg (Elsaß-Lothringen [Strasbourg, Frankreich]): Dieses Datum wird zum Wendepunkt der Sozialrevolutionäre in Österreich, wenngleich der Zusammenhang mit Österreich erst Wochen später aufgedeckt werden wird. Wie die Polizei später erhob, sind die drei später identifizierten Täter bereits am Sonntag dem 21. Oktober 1883 nach Lauterbach (Preußen [zu Völklingen, Saarland]) angereist. Es sind laut Polizei in der Schweiz lebende österreichische beziehungsweise deutsche Sozialrevolutionäre: der am ►24. August 1882 aus Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) geflüchtete Buchbindergehilfe Anton Kammerer (1862–1884) – er war vom 21. bis Dienstag den 23. Oktober 1883 nachweislich nicht in Bern / Bene / Berna (Kanton Bern, Schweiz) –, der am ►22. April 1883 aus Österreich ausgewiesene Tischlergehilfe Michael Kumić (1853–?) und der in Preußen geborene Schuhmachergeselle Hermann Stellmacher (1853–1884); dazu kommt noch ein unbekannt gebliebener Attentäter. Am nächsten Tag, also am 22. Oktober 1883, mieten sich die vier zwischen 21 und 22 Uhr den Droschkenkutscher Michael Schätzle (~1852–?), den sie mit Chloroform betäuben, wobei Anton Kammerer ihn von hinten festgehalten und Hermann Stellmacher ihn mit Chloroform betäubt haben soll. Danach fahren sie mit der gestohlenen Kutsche nach Straßburg. Beim Pulverturm vor dem Spitaltor, Kasematte 21–22 [bei der Rue de la 1ère Armée], wollen sie sich maskieren, werden dabei aber von dem Wache stehenden Musketier Johann Adels (?–1883) vom 1. Rheinischen Infanterieregiment Nr. 25, ein gelernter Schreiner, überrascht. Laut Polizei habe sich Hermann Stellmacher auf den Soldaten gestürzt und ihn ermordet, während ihn Anton Kammerer festgehalten habe. Dieses Attentat erfolgt nachweislich noch vor 23 Uhr 45; Johann Adels wird allerdings erst im Zuge der Wachablöse um 1 Uhr morgens gefunden, schwer verletzt, mit siebzehn Stichwunden und zertrümmertem Schädel; an seinem Gewehr, dessen Kolben ebenfalls zertrümmert ist, klebt Gehirnmasse. Nahe dem Tatort werden später auch ein Rebmesser, allerdings ohne Blutspuren, und ein falscher Bart gefunden. Danach fahren die vier Attentäter zur Apotheke »zum Storch« von Emil Reeb (1843–1928), Lange Straße 2 [Grande Rue]. Hier läuten sie den im Haus wohnenden Apothekergehilfen Franz Lienhardt (~1833–1883) um etwa 23 Uhr 45 aus dem Bett. Er öffnet die Tür, um ein Rezept einzulösen, wird aber überfallen und – wie die Polizei später meint von Anton Kammerer – ermordet, wobei ihm siebenunddreißig Hiebwunden beigebracht worden sein sollen. Die durch den Lärm und das Klingeln der Kasse alarmierte Ehefrau des Apothekenbesitzers Louise Bertha Reeb (1853–1935) weckt ihren Mann, der dann in der Apotheke den Ermordeten vorfindet: der Kopf gespalten, ein Stich in der Brust, ein Stich im Oberschenkel, beide Pulsadern durchschnitten. Aufgrund der Blutspuren vermuten die Behörden mehrere Täter und als Tatwaffe ein schweres Metzgermesser. Neben Geld sollen auch Gift und Chemikalien geraubt worden sein. Bevor der Soldat Johann Adels noch am 23. Oktober 1883 (Dienstag) nach kaum zwölf Stunden seinen Verletzungen erliegt, gibt er an, dass ihn vier Männer überfallen hätten. Es wird nun eine Belohnung für die Beibringung der Mörder in der Höhe von 1.000, eventuell 2.000 Mark ausgesetzt, und allein innerhalb der nächsten zwei Wochen werden über dreihundert Verhaftungen vorgenommen. Der Zusammenhang mit Sozialrevolutionären wird im Zuge der polizeilichen Erhebungen erst später offenkundig werden, wobei Geldbeschaffung für dür revolutionäre Zwecke sowie die Verbreitung sozialistischer Schriften als Hauptmotiv angenommen wird. Gerichtlich verurteilt werden für dieses Attentat Michael Kumić, der seine Beteiligung bestreitet, am ►30. Juni 1884 und Anton Kammerer, der seine Beteiligung gestanden haben soll, am ►6. September 1884. (►21. November 1883)24. Oktober 1883 (Mittwoch)
Wien und Vororte: Am 24. Oktober 1884 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess gegen den Schuhmachergehilfen Karl Feyrer (1859–1942) wegen Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe statt, begangen durch die Rezitation des humoristischen Gedichts »Die Affen-Colonie« vom Arzt, Naturwissenschaftler und Schriftsteller Carl Vogt (1817–1895) (►7. Oktober 1883). Karl Feyrer wird freigesprochen und nach dreiwöchiger Untersuchungshaft entlassen.25. Oktober 1883 (Donnerstag) bis 27. Oktober 1883 (Samstag)
Langenzersdorf (Niederösterreich) / Neulerchenfeld (Niederösterreich [zu Wien 16.]) / Wien: Vom 25. bis 27. Oktober 1883 findet eine geheime Parteikonferenz der Radicalen in Langenzersdorf und Wien statt, wobei in dieser Zeit der Tagungsort aus Sicherheitsgründen zwei Mal gewechselt wird: Am 25. Oktober 1883 tagen die Delegierten in »Dangl’s Restauration« (Leopold Dangl) in Langenzersdorf 16, am Freitag dem 26. Oktober 1883 in der »Jaroschauer Bierhalle« (Josef Strobl) in Neulerchenfeld (Niederösterreich [zu Wien 16.]), Lerchenfelder Gürtel 6–8, und am 27. Oktober 1883 im Gasthaus »zum Jäger« in Wien 1., Kolowratring [Schubertring]. Es nehmen elf Delegierte teil; namentlich bekannt sind die drei Wiener Delegierten, der Tischlergehilfe Josef Kreps (1859–1945) und der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) sowie für die Wiener tschechoslawische Parteileitung der Tischlergehilfe Wenzel Štefek (1850–?), von den acht Provinzdelegierten der Tuchmachergehilfe Franz König (1849–?) für Böhmen, der Eisendreher und nunmehrige Maschinist Rudolf Schnaubelt (1859–1927/1928) für Kärnten und der Schneidergehilfe Jakob Vaic für die Steiermark; dazu kommt noch ein Delegierter aus Budapest (Ungarn) – vermutlich der Schriftsetzer Albin Scheffler (~1848–?). Die Tagesordnung umfasst vier Punkte: 1) die Frage, ob die Partei sich eine zentralistische oder föderalistische Organisation geben soll; 2) die politische und ökonomische Frage; 3) die Parteipresse; 4) die Parteiorganisation überhaupt. Diskutiert wird unter anderem, sich nach einem Gruppensystem zu organisieren und eine ländermäßige Aufgliederung vorzunehmen. Man wolle künftig auch entschiedene Front gegen alle anderen politischen Parteien machen und alle zu Gebote stehenden Mittel zur Propaganda ergreifen, besonders in Fabriken, wo Arbeiterinnen und Arbeiter schlecht entlohnt werden. Die Fachzeitungen sollen zugunsten eines Hauptorgans eingestellt werden. Bemerkenswert ist, dass nicht die Zeitung »Die Zukunft« (Wien), sondern »Radikal« (Budapest) die Funktion eines Hauptorgans übernehmen soll, welche von Graz (Steiermark) aus kontrolliert und von Grazer sowie Wiener Boten aus Budapest abgeholt werden solle. Schließlich wird geplant, in jeder Provinz eine geheime Presse zu organisieren, auf der Flugschriften gedruckt werden könnten, die dem Charakter der jeweiligen Provinz entsprächen. Es bleibt jedoch nur bei Erörterungen, Beschlüsse werden keine gefasst. Diese letzte große Konferenz der Radicalen lässt nicht nur deutliche anarchistische Ansätze (etwa dezentrale, föderative Organisation) erkennen, es zeigen sich auch deutliche Differenzen unter den Sozialrevolutionären innerhalb der radicalen Arbeiterbewegung: So meinen einige, man solle versuchen, die Revolution mittels Guerillakrieg auszulösen, während andere für Aktionen Einzelner plädieren.
Siehe auch: Josef Peukert: Die geheime Parteikonferenz der Radicalen in Langenzersdorf, Neulerchenfeld und Wien vom 25. bis 27. Oktober 188325. Oktober 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: In der Nacht vom 25. auf Freitag den 26. Oktober 1883 streuen Radicale das zweisprachige Flugblatt »Arbeiter! Große Krankheiten […] [/] Dělníci! Vzbůru lide pracujici […]« (►22. Oktober 1883) erstmals in Wien und seinen Vororten aus.27. Oktober 1883 (Samstag)
Wien und Vororte: Am 27. Oktober 1883 veranstaltet der radicale »Böhmische Bildungs- und Geselligkeitsverein ›Slovan‹« (Der Slawe) ein Tanzkränzchen in Rudolfsheim (Niederösterreich [zu Wien 15.}]). Dabei geraten zwei Komiteemitglieder in Streit, den der diensthabende Polizeikommissär durch die Verhaftung eines der beiden Raufbolde beenden will. Es entsteht ein allgemeiner Tumult und der Arbeiter Primus Freitag meint: »Das geht nicht an, dass hier Jemand arretirt werde, wir sind nicht in China«, und der Arbeiter Jakob Fiala sagt: »Es ist eine wahre Schande, dass wir, so viele, uns einen wegnehmen lassen.«43 Als der Wachmann daraufhin Freitag festnehmen will, spricht der Webergehilfe und Redakteur Josef Hybeš (1850–1921) den Wachmann direkt und in brüskem Ton an: »Warum arretirt man Den?«44 Und Hybeš lässt sich trotz mehrfacher Abmahnungen nicht beruhigen. Fiala, Freitag und Hybeš werden sich deswegen am ► 29. November 1883 vor Gericht verantworten müssen.28. Oktober 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am späten Abend des 28. Oktober 1883 verstreuen Radicale das zweisprachige Flugblatt, »Arbeiter! Große Krankheiten […] [/] Dělníci! Vzbůru lide pracujici […]« (►22. Oktober 1883) in beachtlichem Ausmaß erneut in Wien und Umgebung sowie auch in Graz (Steiermark).4. November 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am 4. November 1883 erscheint die erste und einzige Nummer der tschechischen Untergrundzeitung »Lipanské červánky« (Genf [recte Wien – Inzersdorf (Wien)]; Die Morgenröte von Lipany),45 welche in Wien gesetzt vom Schlossergehilfen Valentin Horatlik (1857–?) gesetzt und in Inzersdorf (Niederösterreich [zu Wien 10.]) in der Wohnung des Tischlergehilfen Johann Ehn (1852–1937) gedruckt wird (►29. November 1884). Dazu wird bereits eine von Valentin Horatlík und vom Tischlergehilfen Johann Slezák (1851–1907) neu hergestellte Druckerpresse benutzt. Der Zeitungstitel ist eine Anspielung auf die »Bitva u Lipan« (Schlacht bei Lipan) nahe Lipan (Böhmen [Lipany, zu Vitice, Tschechien]), wo am 30. Mai 1434 die zahlenmäßig überlegenen, gemäßigten Ultraquisten den radikalen Hussiten (Taboriten) gegenüberstanden. Die Schlachte endete mit der grausamen Ermordung und Verbrennung eines Großteils der Taboriten.5. November 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am 5. November 1883 findet vor dem Bezirksgericht Landstraße (Wien 3.) der Prozess gegen den Schlossergehilfen Johann Rouget (1847–1893) wegen des Vorfalls bei der Volksversammlung mit der Tagesordnung »Die Lage des Volks und die Bestrebungen der radicalen Arbeiterpartei« in »Dreher’s Etablissement« (Anton Dreher) in Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 97, vom ►1. April 1883 statt. Er hatte sich damals als Vorsitzender mit den Worten »Ich protestiere namens der ganzen Versammlung gegen die Auflösung!« gegen die behördliche Auflösungsverfügung verwehrt. Johann Rouget wird wegen Übertretung des Versammlungsgesetzes zu einer Woche Arrest verurteilt.5. November 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am 5. November 1883 flüchtet der Tischlergehilfe Johann Slezák (1851–1907) aus Altmannsdorf (Niederösterreich [zu Wien 12.]) in die USA, wo er sich in New York City (New York, USA) dem »Radikalen Arbeiterbund« anschließen wird.8. November 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 8. November 1883 erhält der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) die Anklageschrift (►23. September 1883), nach der er teils als Autor, teils als verantwortlicher Redakteur in den Artikeln »Durch Kampf zum Sieg!« und »Ausbeuter-Kronik« sowie in mehreren Stellen in der Rubrik »Sozialpolitische Rundschau« und einer Stelle in der Rubrik »Aus Parteikreisen« in der Zeitung »Die Zukunft« (Wien), Nummer 94 (13. September 1883) mehrere Delikte begangen habe: Schmähung, Aufreizung zu Hass und Verachtung gegen die Regierung und ihre Organe, Gutheißung ungesetzlicher Handlungen, Aufreizung zu Hass und Verachtung gegen einzelne Klassen der bürgerlichen Gesellschaft. Am 17. November 1883 (Samstag) wird Anklage erhoben werden, jedoch die Hauptverhandlung wird für Donnerstag den 13. und Freitag den 14. Dezember 1883 angesetzt, dann jedoch am Montag dem 10. Dezember 1883 vertagt werden (►2. und 3. Februar 1884).15. November 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 15. November 1883 wird die seit ►4. Oktober 1879 erscheinende, 1880 von den Radicalen übernommene Zeitung »Schneider-Fachzeitung« (Wien) eingestellt. Die Einstellung erfolgt gemäß den Überlegungen auf der Parteikonferenz der Radicalen in Langenzersdorf (Niederösterreich) und Wien am ►25. Oktober 1883, um dadurch die beiden Hauptorgane der Radicalen, die Zeitungen »Die Zukunft« (Wien) und »Dělnické listy« (Vídeň [Wien]; Arbeiterblätter), zu stärken.Mitte November 1883
Bern / Berne / Berna (Kanton Bern, Schweiz): Mitte November 1883 verlässt der Buchbindergehilfe Anton Kammerer (1862–1884) Bern, wo er seit Jänner 1883 bei ein und demselben Arbeitgeber beschäftigt ist, mit unbekanntem Ziel. Angeblich will er in die USA auswandern, was auch in einer Notiz in der Zeitung »Freiheit« (New York) vermerkt wird (►21. November 1883).16. November 1883 (Freitag)
Wien und Vororte: In der Nacht vom 16. auf Samstag den 17. November 1883 wird in mehreren Vororten Wiens die illegale Flugschrift »Ein Mahnruf an das Volk!« (►15. Oktober 1883) verstreut, welches bereits seit Oktober 1883 im Umlauf ist. Diese auch noch in den folgenden Tagen in Wien und seinen Vororten vereinzelt ausgestreute und plakatierte Flugschrift wird auch in der Provinz verbreitet, beispielsweise noch im November 1883 in Mürzzuschlag (Steiermark), am 29. November 1883 (Donnerstag) in Unterradlberg [zu Radlberg] (Niederösterreich) und in der Nacht von Samstag dem 8. auf Sonntag den 9. Dezember 1883 in Stockerau (Niederösterreich).17. November 1883 (Samstag)
Chicago (Illinois, USA): Am 17. November 1883 erscheint die sechste und letzte Nummer der vermutlich seit ►September 1883 erscheinenden tschechischen Zeitung »Svoboda« (Chicago; Freiheit).18. November 1883 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am 18. November 1883 wird früh morgens im Keller des Hauses in Altmannsdorf (Niederösterreich [zu Wien 12.]), Laxenburger Straße 67 [Altmannsdorfer Straße], eine geheime Druckerpresse der Radicalen ausgehoben. Es beginnt mit einer fünfstündigen Hausdurchsuchung der Wohnung wie des Kellers des Schlossergehilfen Johann Rouget (1847–1893). Dabei werden Schlüssel für ein benachbartes Kellerabteil gefunden, welches dem Schmiedgehilfen Franz Maennl (1838–?) gehört: Hier werden, unter einem Haufen Kohlen, Schutt und Erdreich vergraben, die in ihre Bestandteile zerlegte Handdruckerpresse, Lettern und ein Setzkasten entdeckt. Franz Maennl, Johann Rouget und dessen Ehefrau, die Hausfrau Josepha Maria Rouget (1839–?), werden sofort verhaftet. Franz Maennl und Josepha Maria Rouget werden jedoch am 7. Dezember 1883 (Freitag) wieder auf freien Fuß gesetzt werden (►23. Jänner 1884). Es ist dies jene Handpresse, welche zunächst in Inzersdorf (Niederösterreich [zu Wien 10.]) vom Tischlergehilfen Johann Ehn (1852–1937) und dessen Lebensgefährtin Franziska Faber betrieben wurde und auf der seit April 1883 die Untergrundzeitung »Erste Freie Presse Cisleithanien’s« (►15. März 1883 und ►Mitte Mai 1883) sowie die Flugblätter »Manifest der social-revolutionären Arbeiterpartei Oesterreichs an das arbeitende Volk « (►7. April 1883), »Mahnruf an alle Arbeiter und Männer des Volkes« (►14. August 1883), das zweisprachige Flugblatt »Arbeiter! Große Krankheiten […] [/] Dělníci! Vzbůru lide pracujici […]« (►22. Oktober 1883), »Arbeiter! Große Krankheiten […]« (►28. Oktober 1883), die tschechische Untergrundzeitung »Lipanské červánky« (►4. November 1883) und wohl einige andere mehr gedruckt wurden. Teile dieser Handpresse hat der am ►5. November 1883 in die USA geflüchtete Tischlergehilfe Johann Slezák (1851–1907) in dem nunmehr durchsuchten Kellerabteil zur Verwahrung deponiert. In der Nacht vom Dienstag dem 20. auf Mittwoch den ►21. November 1883 werden in allen Stockwerken des Hauses Laxenburger Straße 67 an die Korridorfenster illegale Druckwerke sozialistischen Inhalts aufgeklebt. Später wird auch der Buchbindergehilfe und Schriftsetzer Eduard Brady (1864–?) als wichtiger Teilnehmer an dieser Druckerpresse ermittelt werden (►25. November 1884). Auf die Aushebung dieser Druckerpresse werden die Radicalen am ►26. Dezember 1883 mit der Flugschrift »Zur Richtschnur!« reagieren.21. November 1883 (Mittwoch)
Wien und Vororte: Am Morgen des 21. November 1883 finden die Bewohner des Hauses Hauses in Altmannsdorf (Niederösterreich [zu Wien 12.]), Laxenburger Straße 52, alle Gangfenster des dreistöckigen Gebäudes mit dem seit dem ►15. Oktober 1883 im Umlauf befindlichen Flugblatt »Ein Mahnruf an das Volk!« beklebt. Es handelt sich dabei um eine Protestaktion gegen diese Hausdurchsuchung im nahe gelegenen Gebäude Laxenburger Straße 67 (►18. November 1883).21. November 1883 (Mittwoch)
Stuttgart (Württemberg [Baden-Württemberg]): Am 21. November 1883 findet das zweite, für die radicale Arbeiterbewegung Österreichs bedeutsame Attentat österreichischer beziehungsweise deutscher Sozialrevolutionäre (►22. Oktober 1883) statt, an welchem laut Polizei der Buchbindergehilfe Anton Kammerer (1862–1884), der Tischlergehilfe Michael Kumić (1853–?) und der Schuhmachergeselle Hermann Stellmacher (1853–1884) beteiligt sind; dazu kommt noch ein unbekannt gebliebener Attentäter. Bereits am Abend des 20. November 1882 (Dienstag) sei Michael Kumić nach eigenen Angaben gemäß einer brieflichen Aufforderung aus St. Gallen / Saint-Gall / Sab Gallo (Kanton St. Gallen, Schweiz) kommend in Stuttgart eingetroffen, wo er von einem gewissen Josef Limbacher (~1858–?), Schlossergeselle aus Bayern, empfangen und einem gewissen August Wolf, Schlossergeselle aus Nürnberg (Bayern), vorgestellt worden sei; ein Vierter, vom Beruf Schneider, sei dann noch hinzugestoßen. Am 21. November 1883 überfallen drei Männer gegen 18 Uhr die Firma »J. A. Heilbronner, Bank- und Wechselgeschäft« in Stuttgart, Kronprinzstraße 12. Deren Inhaber, der Bankier Josef Heilbronner (1850–1930), und sein zufällig anwesender Freund, der Kaufmann Louis Oettinger (~1856–?), werden mit Bleihämmern zu Boden gestreckt und beraubt. Wie die Polizei später feststellen wird, soll Anton Kammerer Josef Heilbronner und Hermann Stellmacher Louis Oettinger niedergeschlagen haben. Eine vierte Person soll zunächst vor dem Geschäft Wache gestanden haben. Nachdem der Inhaber und sein Freund schwer verletzt niedergeschlagen im Geschäftslokal liegen, tritt auch er ein und beteiligt sich am Raub, der aber wegen der Hilferufe Josef Heilbronners, der sich zur Tür schleppen kann, nur sehr hastig ausgeführt wird. Angeblich werden 2.000 Mark und 3.000 Mark in Gold sowie zahlreiche Wertpapiere und Wechsel geraubt (Gesamtwert über 17.000 Mark). Vier Bleihämmer werden am Tatort zurückgelassen. Louis Oettinger erleidet bei dem Überfall einen Schädelbruch, von dem er eine lebenslange Schädigung davonträgt. Außerdem wird ihm beim Überfall ein künstliches Bein, das er trägt, vom Körper gerissen. Die Täter müssen flüchten, weil zwei Mädchen im Haus auf den Lärm aufmerksam werden und den Besitzer eines im Haus untergebrachten Restaurants verständigen, der dann zusammen mit einem Gast Nachschau hält. Zumindest einer der Attentäter begibt sich danach zum Bahnhof, trinkt dort noch ein Bier und besteigt schließlich den Zug nach Pforzheim (Baden [Baden-Württemberg]). Am Abend desselben Tages, gegen 20 Uhr 30, wird der angebliche Schlossergeselle Ernst Baum aus Chemnitz (Sachsen) im Bahnhof von Pforzheim verhaftet. Beamte durchsuchen gerade den aus Stuttgart angekommenen Zug nach den drei avisierten Attentätern: die angeblichen Schlossergesellen Ernst Baum, Josef Limbacher und August Wolf. Die Beamten wissen, dass es sich um falsche Namen handelt. Einer von ihnen, Ernst Baum, wird noch im Zug festgenommen. Nach dem Aussteigen bringt er vor dem Telegrafenbüro des Bahnhofs plötzlich ein Sprenggeschoss zur Explosion. Im Zuge des Handgemenges mit den Beamten wird Ernst Baum zu Boden geworfen. Er bringt ein zweites Sprenggeschoss zur Explosion und verletzt dadurch einen Gendarmerie-Wachtmeister an Arm und Kopf. Auch einige umstehende Beamte erleiden Brandwunden. Ernst Baum, der bei der Festnahme selbst an Brust und Kopf verwundet wird, hat einen geladenen Revolver mit sechs Schüssen Munition und 1.000 Mark aus der Beute des Bankraubs bei sich.
Als Täter des Überfalls auf Josef Heilbronner werden zunächst vier Personen gesucht, die in der Nacht vom 20. auf den 21. November 1883 in einem Gasthof in Stuttgart übernachtet haben: 1) Karl Slemer, der später als Karl Slamer (~1858–?), Schneidergeselle aus Baden-Baden, identifiziert wird, hinter dem sich aber nach eigenen Angaben Michael Kumić verbarg; 2) Julius Wagner (~1858–?), Mechaniker aus Freiburg im Breisgau (Baden [Baden-Württemberg]), hinter dem die Polizei zunächst den Schlossergesellen Josef Limbacher (~1858–?) aus Herrieden (Bayern) vermutet; 3) Franz Kreutzer alias Theodor (~1858–?), gelernter Schneidergeselle und nunmehriger Kellner aus Oberursel [Oberursel (Taunus)] (Hessen), hinter dem die Polizei zunächst den Kellner Anton Kreutzer (~1860–?) aus Seckenheim [zu Mannheim] (Baden [Baden-Württemberg]) oder Josef Kreutzer (1857–?), Steinhauer aus Wiesethbruck [zu Bechhofen] (Bayern) vermutet; 4) August Wolf, Schlossergeselle aus Nürnberg (Bayern), hinter dem die Polizei später Ernst Baum alias Karl Slamer vermutet, wobei es sich aber tatsächlich um Michael Kumić handeln soll. Sowohl Josef Limbacher wie auch Anton Kreutzer und Josef Kreutzer sind bereits mehrfach wegen Diebstahls vorbestraft. Steckbrieflich gesucht werden zunächst der Schlossergeselle Josef Limbacher aus Bayern und der Schlossergeselle August Wolf aus Nürnberg. Das königliche württembergische Justizministerium setzt eine Belohnung von 1.500 Mark für sachdienliche Hinweise zur Ergreifung der Täter aus.
Aufgeklärt wird zunächst nur der Fall des im Zug festgenommenen Ernst Baum. Sein Pass stellt sich rasch als falsch heraus, wobei man zunächst hinter dem Festgenommenen den Schneidergesellen Karl Slamer aus Baden-Baden (Baden [Baden-Württemberg]) vermutet. Am 23. November 1883 (Freitag) wird er ins Justizgefängnis Stuttgart eingeliefert. Hier entpuppt sich Ernst Baum beziehungsweise Karl Slamer im Laufe der Verhöre als Michael Kumić. Erst als Michael Kumić am 26. November 1883 (Montag) seine Identität preisgibt, wird in sozialistischen Kreisen nach den anderen Attentätern gesucht. Als Mittäter am Überfall auf Josef Heilbronner vermutet die Polizei schließlich Anton Kammerer und Hermann Stellmacher. Michael Kumić, der den Raub in Stuttgart gesteht – er war angeblich die Wache stehende vierte Person –, wird am ►30. Juni 1884 verurteilt werden, Anton Kammerer, der seine Beteiligung ebenfalls gestanden haben soll, am ►6. September 1884. (►31. Dezember 1884)26. November 1883 (Montag)
Wien und Vororte: Am 26. November 1883 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess gegen den Schmiedgehilfen Franz Šmejkal (1850–?) wegen Vergehens der Ruhestörung und Aufwiegelung zu Ungesetzlichkeiten statt. Er äußerte in einer Schlosserversammlung in »Ignaz Gerhold’s Bierhalle und Restauration« (Ignaz Gerhold und Marie Gerhold) in Wien 1., Schottenring 15: »Huldigen Sie nicht dem gesetzlichen Wege, ich habe meinen Weg gedeckt.«46 Im Sinne der Anklage wird Franz Šmejkal aufgrund seines nur die Aufreizungsabsicht bestreitenden Geständnisses zu vierzehn Tagen strengen Arrests, verschärft mit zwei Fasttagen, verurteilt, womit bei diesem Urteil das vorgesehene Strafmaß sogar unterschritten wird. Franz Šmejkal wird 1884 aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom ►30. Jänner 1884 aus Wien ausgewiesen werden.29. November 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 29. November 1883 findet vor dem Bezirksgericht Sechshaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]) der Prozess wegen des Tumults vom ►27. Oktober 1883 statt. Die Arbeiter Jakob Fiala und Primus Freitag sowie der Webergehilfe und Redakteur Josef Hybeš (1850–1921) werden wegen Einmengung in eine Amtshandlung angeklagt. Josef Hybeš wird zu vierundzwanzig Stunden, Primus Freitag zu zwölf Stunden Arrest verurteilt. Jakob Fiala wird unter Berücksichtigung seines damaligen alkoholisierten Zustandes freigesprochen.Dezember 1883
Hainfeld (Niederrösterreich): Im Dezember 1883 wird in Hainfeld der Schuhmachergehilfe Eduard König wegen Verbreitung verbotener Flugschriften verhaftet und ins Kreisgericht St. Pölten (Niederösterreich) eingeliefert. Er wird nach vierzehn Tagen Untersuchungshaft entlassen werden. (►23. Jänner 1884)Anfang Dezember 1883
Wien und Vororte: Anfang Dezember 1883 kehrt der Buchbindergehilfe Anton Kammerer (1862–1884) aus der Schweiz nach Wien zurück, wo er sich als »Arnold Otter« bei der Kleidermacherin Antonia Swoboda in Wien 7., Neustiftgasse 21, zwischen Freitag dem 7. und Samstag dem 15. Dezember 1883 einquartiert. In einem Brief an einen Genossen schreibt Kammerer kurz vor seiner Abreise nach Wien: »Seit vier Tagen befinde ich mich in …. Ich bin krank, meine Glieder sind ermattet und versagen den Dienst. Aber mein Geist ist der alte; ich werde nicht unterliegen. Wir dürfen nicht ruhen, bis der letzte morsche Stein der kapitalistischen Gesellschaft von den Hammerschlägen der sozialen Revolution zermalmt ist. Sendet mir sobald als möglich .... etwas Geld; es wird das letzte sein, welches ich brauche. Ich gehe, mein Leben zu opfern, dazu bedarf ich der Unterstützung. Eilet! Ich muß am …. in …. sein.«47 (►8. Dezember 1883)2. Dezember 1883 (Sonntag)
Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]): Am 2. Dezember 1883 findet in Brünn eine Volksversammlung statt, auf welcher die Bergmänner Franz Choura (1852–1921) und Franz Hlaváček (1853–1937) die Anwesenden überzeugen können, eine radicale Zeitung unter dem Titel »Duch času« (Der Zeitgeist) herauszugeben, welche dann seit ►12. Dezember 1883 unter dem Titel »Práce« (Brno; Die Arbeit) erscheinen wird. Franz Choura und Franz Hlaváček waren kurz zuvor mit der Herausgabe der gemäßigten Zeitung »Spravedlnost« (Brno; Die Gerechtigkeit) betraut worden, aber nach ihrem Wechsel zu den Radicalen aus der Fraktion der Gemäßigten ausgeschlossen worden.5. Dezember 1883 (Mittwoch) bis 13. Dezember 1883 (Donnerstag)
Leoben (Steiermark): Vom 5. bis 13. Dezember 1883 findet vor dem Kreis- als Schwurgericht Leoben unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Prozess gegen die sechs im Juli 1883 (►16. bis 30. Juli 1883) verhafteten Radicalen statt. Die Sensenwerkarbeiter Johann Lorberau (1862–?), Raimund Reiter (1863–?), Adolf Schwarzelmüller (1862–?) und Johann Steinbauer (1864–?), der Schuhmachergehilfe Johann Maritschnig (1846–?) und der Feilenarbeiter Konrad Weytruba (1854–?) werden der Verbrechen des Hochverrats sowie der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, der Schmähung und Verachtung gegen den Reichsrat, der Verachtung und des Hasses gegen einzelne Klassen der bürgerlichen Gesellschaft sowie der Beleidigung von Angehörigen der Armee angeklagt, vor allem begangen durch Verbreitung verbotener Druckwerke. Adolf Schwarzelmüller wird zusätzlich des Verbrechens der Majestätsbeleidigung beschuldigt, begangen durch die Ehrfurcht gegen den Kaiser getätigte Äußerungen anlässlich dessen Reise nach Kärnten im September 1882. Die Angeklagten werden von den Geschworenen in allen siebenundfünfzig Fragen einstimmig freigesprochen und nach fünf Monaten Untersuchungshaft entlassen. Allerdings wird Johann Maritschnig bereits am ►14. Dezember 1883 neuerlich verhaftet werden. Und Adolf Schwarzelmüller wird später im Zusammenhang mit dem Prozess von Leoben verurteilt werden (►11. November 1884).6. Dezember 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 6. Dezember 1883 wird in Meidling (Niederösterreich [zu Wien 12.]) nach seiner Rückkehr von einer dreitägigen Reise der Drechslergehilfe Johann Kutschera (1866–?) verhaftet, nachdem sein Quartiergeber, der Tischlermeister Johann Swoboda, Rudolfsgasse 20, der Polizei meldete, dass Kutschera in seinem Koffer verbotene Druckschriften verwahre. Johann Kutschera wird in das Landesgericht Wien eingeliefert. Er wird sich am 21. Dezember 1883 vor Gericht verantworten müssen.8. Dezember 1883 (Samstag)
New York City (New York, USA): In der Nummer 49 (8. Dezember 1883) der Zeitung »Freiheit« (New York) wird – allerdings fingiert – die Ankunft des Buchbindergehilfen Anton Kammerer (1862–1884) in New York City mitgeteilt: »Die Genossen KAMMERER und DANGELMEIER, früher in Bern, sind in New-York eingetroffen. Sie rufen hiermit ihren zurückgebliebenen Kameraden ein herzliches Lebewohl zu und versprechen getreuliche Fortsetzung des Kampfes gegen jede Tyrannei.«48 (►Anfang Dezember 1883)12. Dezember 1883 (Mittwoch)
Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]): Am 12. Dezember 1883 erscheint gemäß dem Beschluss vom ►2. Dezember 1883 die erste Nummer der Zeitung »Práce« (Brno; Die Arbeit). Sie wird am ►23. Jänner 1884 nach vier Nummern eingestellt werden.13. Dezember 1883 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 13. Dezember 1883 teilt die Redaktion der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) in der Nummer 100 ihres Organs (13. Dezember 1883) mit, dass aufgrund der alljährlichen Konfiskationen für das Jahr 1884 kein »Arbeiter-Kalender« erscheinen werde.14. Dezember 1883 (Freitag)
Bruck an der Mur (Steiermark): Der erst kürzlich (►5. bis 13. Dezember 1883) freigesprochene Schuhmachergehilfe Johann Maritschnig (1846–?) wird am 14. Dezember 1883 neuerlich verhaftet, weil er in einem Kaffeehaus in Bruck an der Mur öffentlich kundtut, dass er »ein radicaler Sozialist« sei. Maritschnig wird deshalb vom Bezirkshauptmann von Bruck an der Mur zu vierzehn Tagen Haft verurteilt.
Bücher und Broschüren der radicalen Arbeiterbewegung 1883
[Anonym]: Der Hochverraths-Proceß und die Affaire Merstallinger gegen Engel, Pfleger, Berndt, Sommer, Schmidt, Gröbner, Spiegel, Krondorfer, Winter, Masur, Motz, Kompoß, Würges, Wagner, Weich, Spahl, Wetz, Buelacher, Treibenreif, Peukert, Kotidek, Stiaßny, Führer, Gams, Kreps, Schenk, Wordak, Heitzer und Hotze. Verhandelt vor dem k. k. Schwurgericht Wien, vom 8.–21. März 1883. Nach den stenographischen Berichten bearbeitet und wahrheitsgetreu wiedergegeben. Herausgegeben von Josef Müller. VII. Bezirk, Gumpendorferstraße 78. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers 1883, 238 S. Herausgeber: Josef Müller (1839–1891).
Schiller, Josef (1846–1897): Der Kampf der Wahrheit mit Lüge und Unverstand. Von Josef Schiller. Reichenberg: Im Selbstverlage des Verfassers 1883, II, 11 S. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 21. Dezember 1883 in Österreich verboten.
Schiller, Josef (1846–1897): Selbstbefreiung. Festspiel für vier Personen. Von Josef Schiller. Reichenberg: Selbstverlag [1883], 8 S. Uraufgeführt bei dem Gründungsfest in Alt Harzdorf (Böhmen [Starý Harcov, zu Liberec, Tschechien]) am 19. August 1883. Umschlagtitel: Selbstbefreiung. Fest-Gedicht für vier Personen. Verfaßt von Josef Schiller. Aufgeführt bei dem Gründungsfest in Altharzdorf am 19. August 1883.
Weitere Bücher und Broschüren im Kontext anarchistischer Bewegungen in Österreich
Auswahl für das Jahr 1883
[Anonym]: Die socialdemokratische Bewegung in Oesterreich-Ungarn (October 1882 bis Juni 1883). Wien: Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staatsdruckerei [1883], 7 S. Veröffentlichung der Polizei-Direktion Wien.
Krapotkin, Piotr; siehe: Kropotkin, Pjotr Alexejewitsch Fürst
Krapotkin, Piotr [d. i. Pjotr Alexejewitsch Kropotkin ‹Пётр Алексеевич Кропоткин›] (1842–1921): Do młodzieży. Wolny przeklad z francuskiego przez X. X. Warszawa: w. drukarni partyi Proletaryat 1883 (= Biblioteczka Proletaryatu. 2.), 36 S. Original: Aux jeunes gens, in: Le Révolté (Genève), 26. Juni bis 21. August 1880, als Broschüre Genève 1881. Polnisch: An die jungen Leute. Freie Übersetzung aus dem Französischen von X. X.
Most, Johann (1846–1906): Die Eigenthums-Bestie. Von Johann Most. New York: Internationale Druckerei der »Freiheit« [1883], 16 S. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Prag vom 19. Jänner 1884 in Österreich verboten.
Most, Johann (1846–1906): Die Gottes-Pest und die Religions-Seuche. Von Johann Most. New York: Internationale Druckerei der »Freiheit« [1883], 16 S.
b) Most, Johann (1846–1906): Die Gottes-Pest und die Religions-Seuche. Von Johann Most. [Zweite Auflage.] New York: Internationale Druckerei der »Freiheit« [1883], 16 S.
c) Most, Johann (1846–1906): Die Gottes-Pest und die Religions-Seuche. Von Johann Most. Dritte Auflage. New York: Internationale Druckerei der »Freiheit« [1883], 16 S.
d) Most, Johann (1846–1906): Die Gottes-Pest und die Religions-Seuche. Von Johann Most. Vierte Auflage. New York: Internationale Druckerei der »Freiheit« [1883], 16 S. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 2. November 1883 in Österreich verboten.Most, Johann (1846–1906): Majetkoví dravci. Zčeštil V. l. L. New York: Dělníka Americhého 1883, 16 S. Übersetzer: V. l. L. [d. i. Leo Kochmann] (1847–1919). Original: Die Eigenthums-Bestie. New York [1883]. Tschechisch: Die Eigentumsbestie. Übertragen von V. l. L. Die Weiterverbreitung der Broschüre wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Prag vom 25. September 1886 in Österreich verboten.
[Most, Johann (1846–1906)]: The deistic pestilence and religious plague of man. [New York]: [Im Selbstverlag des Verfassers] (1883], 16 S. Original: Die Gottes-Pest und die Religions-Seuche. New York [1883]. Englisch: Die deistische Pest und die religiöse Pelage des Menschen.
Verbotene Flugblätter
Auswahl aus dem Jahr 1883
[Anonym]: Erste Freie Presse Cisleithanien’s. Nr. 1. Volk und Parlament. [Inzersdorf (Wien)]: [Johann Ehn und Franziska Faber] März 1883, Flugblattzeitung. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 18. März 1883 in Österreich verboten.
[Anonym]: Pracující lidé! [Ohne Ort]. [ohne Druckerangabe] [1883], Flugblatt, Tschechisch: Arbeitendes Volk! Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Kreis- als Pressgericht Pilsen vom 30. März 1883 in Österreich verboten.
[Anonym]: Mahnruf an sämmtliche Bäckergehilfen Wiens und in den Provinzen. [Wien]: [ohne Druckerangabe] [1883], Flugblatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 30. März 1883 in Österreich verboten.
[Anonym]: Forderungen der Wiener Bäckergehilfen an ihre Arbeitgeber. [Wien]: [ohne Druckerangabe] [1883], Flugblatt.
[Anonym]: Manifest der social-revolutionären Arbeiterpartei Oesterreichs an das arbeitende Volk. [Inzersdorf (Wien)]: [Johann Ehn und Franziska Faber] [1883], Flugblatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Kreis- als Pressgericht Pilsen vom 22. Mai 1883 in Österreich verboten.
[Anonym]: Erste Freie Presse Cisleithaniens. Nr. 2. Reaction – Revolution. [Inzersdorf (Wien)]: [Johann Ehn und Franziska Faber] 1883, Flugblattzeitung. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 18. Mai 1883 in Österreich verboten.
[Anonym]: Odezwa Socjalistów Polskich Galicji Zachodniej z maja 1883 roku. [Kraków]: [ohne Druckerangabe] 1883, Flugblatt; Polnisch: Aufruf der Polnischen Sozialisten Westgaliziens vom Mai 1883. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Krakau vom 14. Juni 1883 wird in Österreich verboten.
[Anonym]: Mahnruf an alle Arbeiter und Männer des Volkes. [Inzersdorf (Wien)]: [Johann Ehn und Franziska Faber] [1883], Flugblatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 16. August 1883 in Österreich verboten.
[Anonym]: [Emil Kaler-Reinthal (1850–1897) / Eduard Bernstein (1850–1932)]: Die socialdemokratische Partei Oesterreichs an die Arbeiter. Wien [recte Zürich]: Druck der k. k. Hof- und Staatsdruckerei [recte Verlag des »Sozialdemokrat«] [1883], 8 S. Die Weiterverbreitung dieser Druckschrift der Gemäßigten wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 18. September 1883 in Österreich verboten.
[Anonym]: Ein Mahnruf an das Volk! [Wien]: [ohne Druckerangabe] 1883, Flugblatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 22. Oktober 1883 in Österreich verboten.
[Anonym]: Arbeiter! Große Krankheiten […] [/] Dělníci! Vzbůru lide pracujici […]. [Inzersdorf (Wien)]: [Johann Ehn und Franziska Faber] [1883], Flugblatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Graz vom 2. November 1883 in Österreich verboten.
[Anonym]: Lipanské červánky. Nr. 1. Genf [recte Wien – Inzersdorf (Wien)] [Johann Ehn und Franziska Faber] [1883], Flugblattzeitung; Tschechisch: Die Morgenröte von Lipany. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Prag vom 23. Dezember 1883 in Österreich verboten.
[Anonym]: Neue freie Presse Cisleithaniens. Nr. 3. Zur Richtschnur! [Wien]: [ohne Druckerangabe] [1883], Flugblattzeitung. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 28. Dezember 1883 in Österreich verboten.
Für die radicale Arbeiterbewegung in Österreich wichtige Zeitungen und Zeitschriften
Auswahl für das Jahr 1883
Budoucnost (Chicago; Die Zukunft)
Dělnické listy (Vídeň [Wien]; Arbeiterblätter)
Der Radikale (Reichenberg)
Der Rebell (Nirgendsheim [recte Genf, dann London])
Die Zukunft (Wien)
Erste Freie Presse Cisleithanien’s [Inzersdorf (Wien)]
Freiheit (New York)
Lipanské červánky (Genf [recte Wien – Inzersdorf (Wien)]; Die Morgenröte von Lipany)
Népakarat (Budapest; Volkswille)
Práce (Brno; Die Arbeit)
Proletář (Vídeň [Wien]; Der Proletarier)
První svobodná tiskárna v Čechách [Böhmen (Tschechien); Erste freie Presse in Böhmen]
Radikal (Budapest)
Robotnik (Kraków; Der Arbeiter)
Schneider-Fachzeitung (Wien)
Schuhmacher-Fachblatt (Wien)
Sozialpolitische Fachzeitung der Metallarbeiter Oesterreichs (Wien)
Svoboda (Chicago; Freiheit)
Autor: Reinhard Müller
Version: November 2024
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
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Daten
- 1
Die socialdemokratische Bewegung in Oesterreich-Ungarn (October 1882 bis Juni 1883). Wien: Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staatsdruckerei [1883], S. 6.
- 2
Vgl. Max Nettlau (1865–1944): Anarchisten und Sozialrevolutionäre. Die historische Entwicklung des Anarchismus in den Jahren 1880–1886. Berlin: Gilde freiheitlicher Bücherfreunde [1931] (= Beiträge zur Geschichte des Sozialismus, Syndikalismus, Anarchismus. 5. / Gildenbücher. 6.), S. 122.
- 3
August Krčal (1860–1894): Zur Geschichte der Arbeiter-Bewegung Österreichs. 1867–1892. Eine kritische Darlegung. Graz: Selbstverlag des Verfassers 1893, S. 30.
- 4
J. P. [d. i. Josef Peukert (1855–1910): Neujahr 1884, in: Die Zukunft (Wien), [5]. Jg., Nr. 101 (27. Dezember 1883), S. [1–3].
- 5
Zitiert nach J[ohann] Langhard (1855–1928): Die anarchistische Bewegung in der Schweiz von ihren Anfängen bis zur Gegenwart und die internationalen Führer. Berlin: Verlag von O. Häring 1903, S. 266–267. Cardonnier: französisch für »Schuhmacher«.
- 6
Zitiert nach [anonym]: Prag, 20. Januar. [/] In Budapest fand am Sonntag eine Versammlung der radicalen Arbeiterfraction statt […], in: Prager Tagblatt (Prag), 7. Jg., Nr. 30 (30. Jänner 1883), S. 2.
- 7
Zitiert nach [anonym]: Prag, 20. Januar. [/] In Budapest fand am Sonntag eine Versammlung der radicalen Arbeiterfraction statt […], in: Prager Tagblatt (Prag), 7. Jg., Nr. 30 (30. Jänner 1883), S. 2.
- 8
Vgl. [anonym]: Pracující lidé! [Ohne Ort]. [ohne Druckerangabe] [1883], Flugblatt, Tschechisch: Arbeitendes Volk! Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Kreis- als Pressgericht Pilsen vom 30. März 1883 in Österreich verboten.
- 9
Josef Peukert (1855–1910): Erinnerungen eines Proletariers aus der revolutionären Arbeiterbewegung. Berlin: Verlag des Sozialistischen Bundes 1913, S. 130.
- 10
Max Nettlau (1865–1944): Anarchisten und Sozialrevolutionäre. Die historische Entwicklung des Anarchismus in den Jahren 1880–1886. Berlin: Gilde freiheitlicher Bücherfreunde [1931] (= Beiträge zur Geschichte des Sozialismus, Syndikalismus, Anarchismus. 5. / Gildenbücher. 6.), S. 319–320.
- 11
[Anonym]: Aus Parteikreisen. [/] Nur wenige Tage trennen uns noch […], in: Die Zukunft (Wien), [5]. Jg., Nr. 81 (22. Februar 1883), S. [3].
- 12
Die socialdemokratische Bewegung in Oesterreich-Ungarn (October 1882 bis Juni 1883). Wien: Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staatsdruckerei [1883], S. 5.
- 13
[Anonym]: Mehrere alte Grabweiber, in: Wiener Luft. Beiblatt zum »Figaro« (Wien), [28]. Jg., Nr. 11 ([17. März] 1883), S. [1].
- 14
Josef Peukert (1855–1910): Erinnerungen eines Proletariers aus der revolutionären Arbeiterbewegung. Berlin: Verlag des Sozialistischen Bundes 1913, S. 162.
- 15
Max Nettlau (1865–1944): Anarchisten und Sozialrevolutionäre. Die historische Entwicklung des Anarchismus in den Jahren 1880–1886. Berlin: Gilde freiheitlicher Bücherfreunde [1931] (= Beiträge zur Geschichte des Sozialismus, Syndikalismus, Anarchismus. 5. / Gildenbücher. 6.), S. 322.
- 16
[Anonym]: In sämmtlichen Bezirken und in den Vororten […], in: Figaro. Humoristisches Wochenblatt (Wien), 27. Jg., Nr. 14 (7. April 1883), S. [53].
- 17
Zitiert nach [anonym]: Kleine Chronik. [/] (Ein Brief von Karl Marx), in: Neue Freie Presse [/] Abendblatt (Wien), [20]. Jg., Nr. 6666 (19. März 1883), S. [1].
- 18
[Anonym]: Karl Marx, in: Die Zukunft (Wien), [5]. Jg., Nr. 83 (22. März 1883), S. [2].
- 19
Vgl. [anonym]: Mahnruf an sämmtliche Bäckergehilfen Wiens und in den Provinzen. [Wien]: [ohne Druckerangabe] [1883], Flugschrift. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 30. März 1883 in Österreich verboten.
- 20
Vgl. Geschichte des Fachvereines der Bäcker Wiens von der Gründung bis Ende December 1886. Herausgegeben vom Fachverein. Wien: Selbstverlag des Vereines 1887, 16 S. Anonym erschienen. Enthält [August Krčal (1860–1894)]: Die Geschichte des Fachvereines, S. 3–6; [anonym]: Thätigkeit des Vereines seit der Gründung bis Ende December 1886, S. 7–14; Der Ausschuß: Genossen!, S. 15–16. Auch die Zusammenstellung der Broschüre erfolgte durch August Krčal.
- 21
Vgl. [anonym]: Forderungen der Wiener Bäckergehilfen an ihre Arbeitgeber. [Wien]: [ohne Druckerangabe] [1883], Flugschrift.
- 22
Josef Peukert (1855–1910), zitiert nach [anonym]: Aus Parteikreisen. [/] Wien, in: Die Zukunft (Wien), [5]. Jg., Nr. 84 (12. April 1883), S. 2–3, hier S. 3.
- 23
Vgl. [anonym]: Manifest der social-revolutionären Arbeiterpartei Oesterreichs an das arbeitende Volk. [Inzersdorf (Wien)]: [Johann Ehn und Franziska Faber] [1883], Flugschrift. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Kreis- als Pressgericht Pilsen vom 22. Mai 1883 in Österreich verboten.
- 24
Vgl. Stenographisches Protokoll über die vom 30. April bis inclusive 8. Mai 1883 im Gewerbeausschusse des Abgeordnetenhauses stattgehabte Enquête Über die Arbeitergesetzgebung. Wien: k. u. k. Hof- und Staatsdruckerei 1883, die Stellungnahmen von Josef Peukert (1855–1910), S. 86–96, Franz Nechvíle (1856–1931), S. 106–111, und Stefan Pauler (1840–?), S. 116–119.
- 25
Vgl. [Karl von Vogelsang (1818–1890) / Ernest Schneider (1850–1913)]: Die materielle Lage des Arbeiterstandes in Oesterreich. I. Abtheilung. Textil- und Bekleidungs-Industrie. Wien: Verlag von Heinrich Kirsch 1883, 69 S.; [Karl von Vogelsang (1818–1890) / Ernest Schneider (1850–1913)]: Die materielle Lage des Arbeiterstandes in Oesterreich. II. Wien: Verlag von Heinrich Kirsch 1884, 96 S.; [Karl von Vogelsang (1818–1890) / Ernest Schneider (1850–1913)]: Die materielle Lage des Arbeiterstandes in Oesterreich. III. Wien: Verlag von Heinrich Kirsch 1884, 102 S.
- 26
[Anonym]: Sozialpolitische Rundschau. [/] Die klerikal-feudale Partei […], in: Die Zukunft (Wien), [5]. Jg., Nr. 92 (9. August 1883), S. [2].
- 27
Erste Freie Presse Cisleithaniens. Nr. 2. Reaction – Revolution. [Inzersdorf (Wien)]: [Johann Ehn und Franziska Faber] 1883, Flugblattzeitung. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 18. Mai 1883 in Österreich verboten.
- 28
A. Marmerek [d. i. Anton Kammerer (1862–1884)]: Das Büttelwesen im Lande der Niedertracht. Kurz vor Schluss dieser Nummer ging uns noch die folgende Korrespondenz aus Wien zu, die wir desshalb an dieser Stelle unseren Lesern mittheilen, in: Freiheit (New York), 5. Jg., Nr. 20 (19. May 1883), S. [3].
- 29
Vgl. Der Hochverraths-Proceß und die Affaire Merstallinger gegen Engel, Pfleger, Berndt, Sommer, Schmidt, Gröbner, Spiegel, Krondorfer, Winter, Masur, Motz, Kompoß, Würges, Wagner, Weich, Spahl, Wetz, Buelacher, Treibenreif, Peukert, Kotidek, Stiaßny, Führer, Gams, Kreps, Schenk, Wordak, Heitzer und Hotze. Verhandelt vor dem k. k. Schwurgericht Wien, vom 8.–21. März 1883. Nach den stenographischen Berichten bearbeitet und wahrheitsgetreu wiedergegeben. Herausgegeben von Josef Müller. VII. Bezirk, Gumpendorferstraße 78. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers 1883, 238 S.
- 30
Vgl. [anonym]: Odezwa Socjalistów Polskich Galicji Zachodniej z maja 1883 roku. [Kraków]: [ohne Druckerangabe] 1883, Flugschrift; Polnisch: Aufruf der Polnischen Sozialisten Westgaliziens vom Mai 1883. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Krakau vom 14. Juni 1883 wird in Österreich verboten.
- 31
Vgl. Die socialdemokratische Bewegung in Oesterreich-Ungarn (October 1882 bis Juni 1883). Wien: Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staatsdruckerei [1883], 7 S.
- 32
?, in: Radikal (Budapest), 1. Jg., Nr. 4 (4. Juni 1883).
- 33
Vgl. J. P. [d. i. Josef Peukert (1855–1910)]: Palliativ-Sozialisten und die Wissenschaft, in: Die Zukunft (Wien), [5]. Jg., Nr. 88 (14. Juni 1883), S. [1–2].
- 34
Josef Peukert (1855–1910): Erinnerungen eines Proletariers aus der revolutionären Arbeiterbewegung. Berlin: Verlag des Sozialistischen Bundes 1913, S. 149–150.
- 35
Josef Peukert (1855–1910): Erinnerungen eines Proletariers aus der revolutionären Arbeiterbewegung. Berlin: Verlag des Sozialistischen Bundes 1913, S. 156.
- 36
Vgl. [anonym]: Mahnruf an alle Arbeiter und Männer des Volkes. [Inzersdorf (Wien)]: [Johann Ehn und Franziska Faber] [1883], Flugschrift. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 16. August 1883 in Österreich verboten.
- 37
Vgl. [Emil Kaler-Reinthal (1850–1897) / Eduard Bernstein (1850–1932)]: Die socialdemokratische Partei Oesterreichs an die Arbeiter. Wien [recte Zürich]: Druck der k. k. Hof- und Staatsdruckerei [recte Verlag des »Sozialdemokrat«] [1883], 8 S.; wiederabgedruckt in Ludwig Brügel (1866–1942): Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie. Dritter Band: Parteihader. Propaganda der Tat. Einigung. (1878 bis 1889). Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1922, S. 299–305. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 18. September 1883 in Österreich verboten.
- 38
Max Nettlau (1865–1944): Anarchisten und Sozialrevolutionäre. Die historische Entwicklung des Anarchismus in den Jahren 1880–1886. Berlin: Gilde freiheitlicher Bücherfreunde [1931] (= Beiträge zur Geschichte des Sozialismus, Syndikalismus, Anarchismus. 5. / Gildenbücher. 6.), S. 321–122.
- 39
Vgl. J. P. [d. i. Josef Peukert (1855–1910)]: Durch Kampf zum Sieg!«, in: Die Zukunft (Wien), [5]. Jg., Nr. 94 (13. September 1883), S. [1], vollständig konfisziert.
- 40
Vgl. [anonym]: Ein Mahnruf an das Volk! [Wien]: [ohne Druckerangabe] 1883, Flugblatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 22. Oktober 1883 in Österreich verboten.
- 41
Vgl. [anonym]: Principien-Erklärung der Internationalen Arbeiter-Association. (Amerikanische Föderation.), beispielsweise abgedruckt in Rudolf Rocker (1873–1958): Johann Most. Das Leben eines Rebellen. Mit Vorwort von Alexander Berkman. Berlin: Verlag: »Der Syndikalist«, Fritz Kater 1924, S. 146–149.
- 42
Vgl. [anonym]: Arbeiter! Große Krankheiten […][/] Dělníci! Vzbůru lide pracujici […]. [Inzersdorf (Wien)]: [Johann Ehn und Franziska Faber] [1883], Flugschrift. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Graz vom 2. November 1883 in Österreich verboten.
- 43
Zitiert nach [anonym]: (Eine gemüthliche Tanzunterhaltung.), in: Neues Wiener Tagblatt. Demokratisches Organ (Wien), 17. Jg., Nr. 329 (30. November 1883), S. 5.
- 44
Zitiert nach [anonym]: (Eine gemüthliche Tanzunterhaltung.), in: Neues Wiener Tagblatt. Demokratisches Organ (Wien), 17. Jg., Nr. 329 (30. November 1883), S. 5.
- 45
Vgl. Lipanské červánky. Nr. 1. Genf [recte Wien – Inzersdorf (Wien)] [Johann Ehn und Franziska Faber] [1883], Flugblattzeitung; Tschechisch: Die Morgenröte von Lipany. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Prag vom 23. Dezember 1883 in Österreich verboten.
- 46
Zitiert nach [anonym]: Aus dem Gerichtssaale. [/] Wien, 26. November. [Orig.-Ber.] (Rede in einer Versammlung.), in: Neue Freie Presse [/] Morgenblatt (Wien), [20]. Jg., Nr. 6916 (27. November 1883), S. 6.
- 47
Zitiert nach [anonym]: Ein Mann der That, in: Freiheit. Organ der revolutionären Sozialisten (New York), 6. Jg., Nr. 40 (4. Oktober 1884), S. 2.
- 48
[Anonym]: Notizen, in: Freiheit (New York), 5. Jg., Nr. 49 (8. December 1883), S. 3.