Anton Behr (1854–1931)

Persönliche Daten
Geburtsdatum
29. Januar 1854
Sterbedatum
10. Dezember 1931
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch, seit 11. Juni 1878 konfessionslos
Adressen

Vater: Josef Beer (Dux, Böhmen [Duchcov, Tschechien] um 1811 – ?), Sohn einer Hausfrau und eines Tuchmachermeisters: Tuchmachergeselle: Heirat als Witwer in Oberleutensdorf (Böhmen [Horní Litvínov, zu Litvínov, Tschechien]) am 23. Februar 1846 mit:
Mutter: Antonia Beer, geborene Dörmer; tschechische Namensform: Antonie Beer, geborene Dörmer (Bettelgrün, Böhmen [Chudeřín, zu Litvínov, Tschechien] 1823 – ?), Tochter einer Hausfrau und eines Strumpfwirkermeisters: Hausfrau
Ehe: mit Marie [?]: Hausfrau; Sozialdemokratin, Anhängerin der radicalen, dann der gemäßigten Arbeiterbewegung, dann wieder Sozialdemokratin
Sohn: Hugo Behr: Schriftsetzer

Biographie

Anton Behr wuchs in Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]) auf, wohin seine Eltern kurz nach seiner Geburt übersiedelt waren. Seit 1864 arbeitete er in einer Tuchfabrik und erlernte schließlich das Tuchmacherhandwerk. 1872 trat er der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« bei. 1873 bis 1877 durchwanderte Behr Deutschland, wo er in mehreren Städten arbeitete und bereits als Agitator aktiv wurde. Als er nach Reichenberg zurückkehrte, wurde er ein wichtiger Funktionär der sozialdemokratischen Bewegung in Nordböhmen. Er war 1878 Mitglied und 1879 bis 1880 Sekretär des Zentralkomitees der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs«. Außerdem war er vom November 1879 bis April 1880 Redakteur der sozialdemokratischen Zeitung »Der Volksfreund« (Reichenberg). Um diese Zeit vollzog sich auch sein Anschluss an die radicale Arbeiterbewegung. Außerdem war er 1881 bis 1883 regelmäßiger Mitarbeiter der radicalen Gewerkschaftszeitung »Schuhmacher-Fachblatt« (Wien). Er verfasste nicht nur politische Artikel, sondern auch viele Gedichte. Als sozialdemokratischer Agitator wurde Anton Behr wegen aufreizender Reden in Versammlungen und Verbreitung verbotener Druckschriften 1881 und 1882 wiederholt unter Anklage gestellt. So wurde er wegen einer Rede, die er am 27. März 1881 auf einer Volksversammlung in Böhmisch-Leipa (Böhmen [Česká Lípa, Tschechien]) gehalten hatte, vom Kreisgericht Böhmisch-Leipa am 31. Mai 1881 zu acht Tagen Arrest verurteilt. Im Prozess, der vor dem Kreis- als Pressgericht Reichenberg am 6. Juli 1882 stattfand, wurde er allerdings vom Vergehen gegen das Pressgesetz durch Verbreitung verbotener Druckschriften freigesprochen. Doch bereits im August 1882 wurde er neuerlich verhaftet und im Prozess gegen einundfünfzig Radicale, der vom 4. bis 22. Dezember 1882 vor dem Landes- als Strafgericht Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]) in geheimer Verhandlung stattfand, wegen Vergehens der Geheimbündelei zu zehn Wochen strengem Arrest verurteilt. Behr wurde am 12. März 1883 aus Prag und dessen Polizeirayon für beständig abgeschafft. Am 24. Juni 1883 wurden die Tuchmachergehilfen Anton Behr und Franz König (1849–?) sowie der Schriftsteller Josef Schiller (1846–1897) auf der freien Versammlung in Franzendorf über Reichenberg (Böhmen [Františkov u Liberce, zu Liberec, Tschechien]) in das Exekutivkomitee gewählt und erwirkten die Herausgabe einer radicalen Zeitung unter ihrer Leitung. Behr wurde Redakteur und gemeinsam mit Franz König und Josef Schiller Herausgeber der vom 6. September 1883 bis 2. April 1885 erschienen Zeitung »Der Radikale« (Reichenberg), welche in Wien und Niederösterreich vor Verhängung des Ausnahmsverordnungen am 30. Jänner 1884 über die Gerichtsbezirke Wien und Korneuburg etwa achthundert Abonnenten hatte. Ab Februar 1884 war diese Zeitung dann das führende deutschsprachige Organ der Radicalen in Österreich. Im April 1884 wurde Behr nach einer neuerlichen Haftstrafe aus dem Bezirk Tetschen (Děčín) ausgewiesen. Am 3. Oktober 1884 wurde Behr verhaftet, gemeinsam mit Franz König und Josef Schiller wegen ihrer Zeitung des Verbrechens der Geheimbündelei angeklagt und am 19. Jänner 1885 vom Landes- als Strafgericht Prag zu acht Monaten strengem Arrest verurteilt. Aus diesem Anlass gaben die drei Ehefrauen der Verurteilten am 25. Juni 1885 ein bemerkenswertes Flugblatt heraus.1 Nach Verbüßung der Strafe im Oktober 1885 wurde Behr aus Prag abgeschafft und aus Reichenberg ausgewiesen.

1885 ging Anton Behr nach Crimmitschau (Sachsen), wo er in einer Tuchfabrik arbeitete, aber nach einem halben Jahr aus Sachsen ausgewiesen wurde. Nun begab er sich nach Gera (Reuß jüngere Linie [Thüringen]), wo er drei Jahre in einer Tuchfabrik tätig war. Er wandte sich nun wieder der Sozialdemokratie zu, nahm 1891 am ersten deutschen Textilarbeiterkongress teil und wurde verantwortlicher Redakteur der sozialdemokratischen Zeitung »Reußische Tribüne« (Gera). Nach den bereits 1890 begonnenen polizeilichen Ermittlungen wurde Behr 1892 aus Gera ausgewiesen.

Anton Behr kehrte 1892 nach Böhmen zurück, wo er als Sozialdemokrat wieder politisch aktiv wurde. Er wurde bei den Reichsratswahlen 1894 und 1900 sowie bei den Landtagswahlen in Böhmen 1901 als Kandidat der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei« nominiert. Zunächst begab sich Behr nach Aussig (Böhmen [Ústí nad Labem, Tschechien]), wo er 1895 bis 1902 »Die Zeitschwingen. Monatschrift für Volksbildung, Aufklärung und Unterhaltung« (Aussig, ab 1896: Aussig – Saaz) herausgab. 1896 übersiedelte er nach Saaz (Böhmen [Žatec, Tschechien]). Hier war er außerdem 1897 bis 1911 Redakteur der Zeitung »Nordwestböhmische Volks-Zeitung. Organ für die arbeitende Bevölkerung« (Saaz) sowie 1903 Herausgeber und verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift »Der Kollege. Fachorgan der Advocaturs- und Notariatsbeamten. Eigentum des Verbandes der Advocaturs- und Notariatsbeamten für Böhmen mit dem Sitze in Saaz« (Saaz). Schließlich ließ er sich in Ruppersdor (Böhmen [Ruprechtice, zu Liberec, Tschechien]) nieder. Nach deren Gründung wurde Anton Behr noch 1921 Mitglied der »Komunistická strana Československa« (Kommunistische Partei der Tschechoslowakei) und arbeitete für die Partei als marxistisch-leninistischer Journalist.

Adressen

  • Oberleutensdorf, Böhmen [Horní Litvínov, zu Litvínov, Tschechien], Oberleutensdorf 5 (Geburtsadresse)

  • Ruppersdorf, Böhmen [Ruprechtice, zu Liberec, Tschechien], Ruppersdorf 122 (1885)

  • Saaz, Böhmen [Žatec, Tschechien], Wenzelsplatz 489 (1896)

Bücher und Broschüren

  1. Gesammelte Schriften von A. Behr. Heft 1. Ruppersdorf bei Reichenberg: Im Selbstverlag des Verfassers, Druck von Karl Ther 1885, ? S. Mehr nicht erschienen. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Kreis- als Pressgericht Reichenberg vom 1. Dezember 1885 in Österreich verboten.

  2. Gerechtigkeit. Von A. Behr. Gera: Emil Vetterlein 1890 (= Zeit- und Streitfragen in populärer Form. 1.), 16 S.

  3. Morgenroth. Von A. Behr. Gera: Emil Vetterlein 1890 (= Zeit- und Streitfragen in populärer Form. 2.), 15 S.

  4. Aus meiner Militärzeit. Erzählung. [Von] A. Behr. Reichenberg: Runge & Co. 1912, 35 S.

Herausgeber

  1. Gedichte für das Volk. Herausgegeben von Anton Behr. Heft 1. Reichenberg: Im Verlage des Herausgebers, Druck von Joseph R. Vilimek in Prag 1880, ? S. Mehr nicht erschienen. Herausgeber. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Strafgericht Prag vom 23. September 1880 in Österreich verboten.

  2. Oesterreichischer Arbeiterkalender für das Jahr 1885. Herausgeben von Anton Behr. Reichenberg: Im Selbstverlag von Anton Behr [1884], 112 S. Herausgeber. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Prag vom 2. September 1884 in Österreich verboten.

  3. Der Agitator. Zeit- und Streitfragen in populärer Form. Herausgeber und Verleger A. Behr und M. Ducke. Aussig: Druck von M. L Klutschak [1894], 2 Hefte:
       1. Der Agitator. Zeit- und Streitfragen in populärer Form. Herausgeber und Verleger A. Behr und M. Ducke. Heft 1. Aussig: Druck von M. L Klutschak [1894], 15 S.
       2. Der Agitator. Zeit- und Streitfragen in populärer Form. Herausgeber und Verleger A. Behr und M. Ducke. Heft 2. Aussig: Druck von M. L Klutschak [1894], 15 S.

  4. Der Agitator. Zeitgemäße Aufsätze, Lieder und Gedichte. Herausgegeben von A. Behr. Budweis: Buch- und Kunstdruckerei J. Watzl [1906], 14 S. Herausgeber.

Karte
  • 1

    Vgl. Aufruf! An die Arbeiter und Arbeiterinnen! [Gezeichnet] Pauline König, Katharina Schiller und Marie Behr. Reichenberg: Gedruckt bei Karl Ther 22. Juni 1885, 1 Bl. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Kreisgerichts Reichenberg vom 27. Juni 1885 in Österreich verboten.