Christof Černý (1860–1899)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Vater: Anton Cerny; tschechische Namensform: Antonín Černý, Sohn einer Bäuerin und eines Bauern: Patentalinvalide (dienstuntauglicher Soldat) und Hausmeister; Heirat mit:
Mutter: Johanna Cerny, geborene Niemetz; tschechische Namensform: Johana Černý, geborene Niemetz, Tochter einer Gastwirtin und eines Gastwirts: Hausfrau
Ehe: keine
Kinder: keine
Biographie
Christof Černý verbrachte seine Kindheit zunächst in Libusch (Böhmen [Levousy, zu Křesín, Tschechien]) und kam nach dem frühen Tod seines Vaters mit seiner Mutter in seinen Geburtsort Teplitz (Böhmen [Teplice, Tschechien]) zurück. Hier absolvierte er die Bürgerschule und die Handelsschule. Danach arbeitete er als Comptoirist (Handlungsgehilfe) bei der Feuerspritzenfabrik »Reginald Czermak«.
Schließlich begab sich Christof Černý nach Brünn (Mähren [Brno, Böhmen]), wo er Comptoirist bei der Tuch- und Schafwollwarenfirma »Moriz Ziffer« wurde.
Um 1881 kam Christof Černý nach Wien, wo er Comptoirist bei der »Wiener allgemeinen Arbeiter-Kranken- und Invalidenkasse« wurde. Hier schloss er sich schon früh der radicalen Arbeiterbewegung an. Am 13. Jänner 1882 wurde er unter dem Verdacht der Verbreitung verbotener Druckschriften verhaftet und er im Februar 1882 ohne Anklageerhebung aus der Untersuchungshaft entlassen.
Christof Černý kehrte nach Teplitz (Böhmen [Teplice, Tschechien]) zurück und veröffentlichte vom März bis Mai 1883 einige Artikel in der Zeitung »Der Volksfreund« (Brünn), ein Organ der Gemäßigten.
Im Juni 1883 kam Christof Černý wieder nach Wien. Weil er hier keine Arbeit finden konnte, begab er sich nach Brünn (Mähren [Brno, Böhmen]), wo er sich an die Redaktion der Zeitung »Der Volksfreund« (Brünn) wandte. Deren Redakteur Karl Dundela (~1844–1897) nahm ihn in seiner Wohnung auf und vermittelte ihm auch Arbeit bei einem Freund. Bei einem Ausflug von Anhängern der Zeitung »Der Volksfreund« nach Nennowitz (Mähren [Brněnské Ivanovice, zu Brno, Tschechien]) am 14. Oktober 1883 kam es zu einem Konflikt zwischen Černý und Dundela. Nach Černýs Rückkehr nach Brünn ließ ihn Karl Dundela, der damals schon als Konfident der Polizei tätig war, wegen Krawalls von einem Polizisten festnehmen.
Christof Černý, der gleich wieder freigelassen wurde, kehrte daraufhin nach Wien zurück. Er wurde jedoch bereits am 25. Februar 1884 aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 aus Wien ausgewiesen: »442
Cerny Christof, Handlungsgeh., geb. 1860 Teplitz, zust. Libus, Bez. Raudnitz, k-. l-, groß, schlank, mit ovalem Gesicht, bld. H., flacher Stirne, bld. Augenbr., br. Augen, guten Zähnen, Anflug von Schnurrb., mit ovalem Kinn, deutsch, böhmisch sprechend.«1
Christof Černý kehrte daraufhin nach Brünn zurück, wo er regelmäßig mit Radicalen verkehrte.
Im September 1884 begab sich Christof Černý wieder nach Teplitz. Hier wurde er wegen Misshandlung seiner Schwester verurteilt und anschließen wegen sozialistischer Umtriebe aus Teplitz ausgewiesen. Dabei soll er auch Dynamit mitgenommen haben, welches er von Bergarbeitern erhalten hatte.
Über Libusch, wohin er zuständig war, reiste Christof Černý schließlich nach Lubokey (Böhmen [Hluboká, zu Liberec, Tschechien]), wo er sich beim Maurergehilfen und nunmehrigen Schuhmacher Josef Pačes (1856–1909) einquartierte. Pačes hatte am 9. September 1884 für sich und seine Familie eine kleine Holzhütte in Lubokey 16 [heute Lubokey 2] (Böhmen [Hluboká, zu Liberec, Tschechien]) gemietet, wo er eine geheime Druckerei einrichtete. Nach einer Denunziation – es wurde, allerdings unbewiesen, der Schneidergehilfe Franz Jonata (1852–1917) verdächtigt – hoben am 12. Februar 1885 um 4 Uhr morgens vier Polizisten die geheime Druckerei der Radicalen in Lubokey aus, auf der am 16. Oktober 1884 die erste und einzige Nummer der tschechischen Untergrundzeitung »Svoboda« (New York [recte Hluboká]; Die Freiheit) hergestellt worden war.2 Zunächst wurden nur zwei Personen verhaftet: der Handlungsgehilfe Christof Černý und Josef Pačes, beide erst im Vorjahr aus Wien ausgewiesen. Die Verhafteten trugen Revolver bei sich, und im Keller des Hauses wurden Teile einer Druckerpresse, Druckschriften, ein Totschläger, Schwefel, eine große Flasche Petroleum, Dynamit und Zündkapseln gefunden. Noch am selben Tag wurde auch Webergehilfe Johann Rampas (1854–1897) in der Textilfabrik in Johannesthal bei Reichenberg (Böhmen [Janův Důl, zu Liberec, Tschechien]) verhaftet. Die Aushebung dieser Druckerei bedeutete auch für die tschechoslawische Bewegung in Österreich einen herben Rückschlag. Vom 19. bis 22. November 1885 fand vor dem Landes- als Schwurgericht Prag unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Hochverratsprozess anlässlich der Herstellung der Untergrundzeitung »Svoboda« und wegen Betreibens einer geheimen Druckerei in Lubokey statt. Wegen der Verbrechen des Hochverrats, der Majestätsbeleidigung, der Aufreizung zum Hass und zur Verachtung gegen die Gerichte und Behörden, der Aufreizung zu Feindseligkeiten gegen einzelne Klassen der Gesellschaft sowie wegen Übertretung des Pressegesetzes und des Waffenpatents wurden Josef Pačes zu sechzehn, Christof Černý zu fünfzehn und Johann Rampas zu zehn Jahren schwerem Kerker verurteilt. Der in dieser Angelegenheit gesuchte vierte Komplize, Franz Jonata, hatte sich bereits am 20. Februar 1885 durch Flucht in die Schweiz der gerichtlichen Verfolgung entzogen. Černý verbüßte seine Strafe im neuerrichteten Gefängnis Bory in Pilsen (Böhmen [Plzeň, Tschechien]). Widerrechtlich wurde er bis März 1895 in Einzelhaft untergebracht. Christof Černý verstarb kurz nach seiner Freilassung am 24. November 1899 im Krankenhaus in Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]).
Die Aktivitäten von Christof Černý in Böhmen [Tschechien] hatten einen wichtigen Einfluss auf die radicale Arbeiterbewegung, insbesonders die tschechoslawische, in Österreich. Und seine Lebensgeschichte machte Christof Černý schon zu Lebzeiten nicht nur im anarchistischen Lager, sondern auch im sozialistischen und sozialdemokratischen zu einem Heroen der Arbeiterbewegung.
Adressen
- Lubokey, Böhmen [Hluboká, zu Liberec, Tschechien], Lubokey 16 [Lubokey 2] (1884–1885)
Publikationen
Bücher und Broschüren
- Vznik tajné tiskárny Pačesovy ve Hluboké u Liberce. Zatčení, odsouzení a žalářování zúčastněných kamarádů. (Napsal Krištof Černý. Přeložil a dodatkem opatřil Anonymus. Úvodní slovo A. P.) Liberec: Vydáno nákladem A. Plicty a Ant. Rejhy [1908], 31 S. Tschechisch: Die Entstehung der geheimen Druckerei von Pačes in Hluboká bei Liberec. Verhaftung, Verurteilung und Inhaftierung beteiligter Freunde. (Geschrieben von Krištof Černý. Übersetzt und ergänzt von Anonymus. Vorwort von A. P.). – Umschlagtitel: Vysvĕtlení o mém procesu, zatknutí a odsouzení. Tschechisch: Eine Erklärung meines Prozesses, meiner Verhaftung und meiner Verurteilung.
Mitarbeiter*innen an Periodika
- Die Zukunft (Wien) 1883 bis 1884
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Autor: Reinhard Müller
Version: Mai 2024
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
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Karte
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[Anonym]: 442 Cerny Christof, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien (Wien), Nr. 11 (13. Februar 1884), S. 37.
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Anfang Juni 1887 fand man auf dem Fußweg zwischen Maffersdorf (Böhmen [Vratislavice nad Nisou, zu Liberec, Tschechien]) und Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]) fünfzehn Kilo Bleilettern, welche auf dem Transport der Geheimpresse verlorengegangen oder absichtlich verstreut worden waren, und mit denen die Untergrundzeitung »Svoboda« (New York [recte Hluboká]; Die Freiheit) gesetzt worden war. Die in der Hütte in Lubokey unter der letzten Stufe der Kellerstiege versteckte Druckerei (Platten, Lettern, Walzen und andere Requisiten) konnte am 8. März 1885 durch vier Radicale gerettet werden.