Ernst Schmid (1853–1919)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist Ernest Johann Paul Alois Schmid
falsche Namensschreibweise: Ernst Schmidt
falsche Namensschreibweise: Ernst Schmied
Geburtsdatum
24. Mai 1853
Sterbedatum
April 1919
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch

Vater: Alois Schmid (Welsberg, Tirol [Monguelfo / Welsberg, zu Monguelfo-Tesido / Welsberg-Taisten, Italien] um 1814 – Salzburg, Salzburg 1. November 1864): k. k. Steuereinnehmer, seit 1858 Leiter der Kontrollstelle bei der landesfürstlichen Stiftungen-Verwaltung und zuletzt Kontrollor und Amtsleiter der Verwaltung der Salzburger Landesanstalten in Salzburg (Salzburg); Heirat am 4. November 1851 mit:
Mutter: Josepha Schmid, geborene Holzner (Bozen, Tirol [Bolzano / Bozen, Italien] um 1826 – Salzburg, Salzburg 30. Juli 1864), Tochter einer Wirtin und eines Wirts: Hausfrau
Schwester: Josepha Schmid (Hopfgarten im Brixental, Tirol 1854 – ?)
Ehe: keine
Kinder: keine

Biographie

Ernst Schmid übersiedelte mit seinen Eltern 1858 nach Salzburg (Salzburg). Hier besuchte er die Volksschule, danach zwei Klassen des bischöflichen Konvikts Johanneum in Bozen (Tirol [Bolzano / Bozen, Italien]). Er sollte nach dem Willen seines Vaters Geistlicher werden. Mit elf Jahren Vollwaise, musste Ernst Schmid die Schule verlassen und ging zu einem Buchbinder in Ulten (Tirol [Ultimo / Ulten, Italien]) in die Lehre. Im April 1874 wurde er von der Stellungskommission wegen Platt- und Schweißfüßen für den Militärdienst für immer untauglich erklärt.

Nach Abschluss der Buchbinderlehre begab sich Ernst Schmid noch im April 1874 auf Wanderschaft, zunächst nach Bayern, dann in die Schweiz. Er wurde Mitglied des »Deutschen Arbeiter-Vereins« in Winterthur / Winterthour (Kanton Zürich), dann des »Deutschen Arbeiter-Vereins« in Chur / Coire / Coira (Kanton Graubünden), schließlich Mitglied und zuletzt Obmann des »Deutschen Arbeiter-Vereins« in Schwyz / Schwytz / Svitto (Kanton Schwyz).

1876 kehrte Ernst Schmid nach Österreich zurück und lebte einige Jahre in Innsbruck (Tirol), wo er Mitglied des »Allgemeinen Arbeiter-Vereins Innsbruck« wurde.

Im Oktober 1881 übersiedelte Ernst Schmid nach Wien, wo er als Bürodiener arbeitete. Hier wurde er Mitglied des »Allgemeinen Arbeitervereins in Wien«. Am 13. Jänner 1882 wurde Schmid unter dem Verdacht der Verbreitung verbotener Druckschriften, insbesondere der Zeitung »Freiheit« (London), verhaftet. Im Februar 1882 ohne Anklageerhebung aus der Untersuchungshaft entlassen, wurde Schmid drei Tage später aus Wien ausgewiesen. Dies konnte allerdings sein Rechtsanwalt mit dem Hinweis, dass sein Mandant nach seiner Entlassung Arbeit gefunden habe, abwenden.

Im Mai 1882 nahm Ernst Schmid an einer Sitzung des geheimen Clubs »Nummer II« teil. Dabei sprach sich der Tischlergehilfe Heinrich Hotze (1851–1891) für die Beschaffung von Geld für Agitationszwecke um jeden Preis aus, selbst mittels Anwendung von Gewalt. Schmid lehnte dies zwar ab, bot sich jedoch später an, das Betäubungsmittel für den geplanten Überfall zu beschaffen, stellte dieses dann aber nicht her. Diese Sitzung war die Geburtsstunde der so genannten Merstallinger-Affäre, also des Überfalls auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) am 4. Juli 1882 zwecks Beschaffung von Geld für eine geheimen Druckerpresse. Für das geplante Attentat wurde nun ein separater geheimer Club gegründet, dem Schmid nicht mehr angehörte. Am 4. Juli 1882 führten die Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?) und Franz Pfleger (1831–1884) den Überfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger in Wien 7., Zieglergasse 8, aus. Am 23. August 1882 begannen die bis 1. Dezember 1882 fortgesetzten Verhaftungen im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre. Zu den ersten Verhafteten gehörte Ernst Schmid. Am 13. Dezember 1882 erhob die Wiener Staatsanwaltschaft offiziell Anklage gegen neunundzwanzig Personen. Vom 8. bis 21. März 1883 fand vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre statt, der von der Staatsanwaltschaft als großer Schau- und Hochverratsprozess gegen die Wiener Radicalen angelegt wurde. Unter den neunundzwanzig Angeklagten befand sich auch Ernst Schmid, angeklagt der Verbrechen des Hochverrats. Schmid, bereits wegen Übertretung des Betruges vorbestraft, wurde freigesprochen.1

Am 1. April 1883 übernahm Ernst Schmid die Administration der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) gegen ein Honorar von 50 Gulden im Monat, eine Funktion, die er bis zum 29. Jänner 1884 innehatte. Gleichzeitig übernahm er damit die Verwaltung des Inhaftiertenfonds der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« der Wiener Radicalen bis Ende Jänner 1884. Am 7. Oktober 1883 fand in der so genannten Schwemme von »Schwender’s Colosseum« (Anna Silberbauer, damals noch verwitwete Schwender) in Rudolfsheim (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Fünfhauser Hauptstraße, Ecke Kirchengasse [Mariahilfer Straße, Ecke Reindorfgasse], das erste Gründungsfest des »Fachvereins der Schuhmacher« statt. Der Schuhmachergehilfe Karl Feyrer (1859–1942) rezitierte das humoristische Gedicht »Die Affen-Colonie« vom Arzt, Naturwissenschaftler und Schriftsteller Carl Vogt (1817–1895), worin es unter anderem heißt: »Da kann entsteh’n eine Revolution.« Der Regierungsvertreter betrat gerade den Saal und verstand: »Es lebe die Revolution!«. Karl Feyrer wurde vom Regierungsvertreter wegen Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe verhaftet und ins Landesgericht Wien eingeliefert. Weil er sich in die Amtshandlung einmischte, wurde auch Ernst Schmid vorübergehend festgenommen und wegen Wachebeleidigung angezeigt. Wie exponiert Schmid damals als Vertreter der radicalen Arbeiterbewegung war, zeigt ein im Dezember 1883 von der gemäßigten Zeitung »Wahrheit. Sozialdemokratisches Organ« (Wien) abgedruckter, aus der sozialdemokratischen Zeitung »Fränkische Tagespost« (Nürnberg) übernommener Artikel, in welchem der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) und Ernst Schmid der persönlichen Bereicherung durch den Überfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger bezichtigt wurden.

Im Februar 1884 reiste Ernst Schmid angeblich zu Josef Peukert in die Schweiz nach Bern / Berne / Berna (Kanton Bern). Mitte März 1884 wurde Schmid in Innsbruck (Tirol) verhaftet und auf Requisition des Landesgerichts Wien eingehend über seine Tätigkeit als Administrator der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) befragt.

Ernst Schmid kehrte nach Wien zurück, wo er weiterhin für die radicale Arbeiterbewegung agitierte. Dies zeigte sich auch bei der wichtigen, vom gemäßigten »Politischen Verein ›Wahrheit‹« veranstalteten allgemeinen Arbeiterversammlung, die am 28. Dezember 1884 in den »Drei-Engel-Sälen« des Gasthauses »zu den drei Engeln« (Josef Renz) in Wien 4., Große Neugasse 36, stattfand. Eigentlich hätte der sozialdemokratische Abgeordnete zum Reichstag des Deutschen Kaiserreichs Wilhelm Liebknecht (1826–1900) »Über die Stellung der deutschen Sozialdemokraten zu den politischen Parteien im Reiche« sprechen sollen, doch wurde ihm der Aufenthalt in Wien am 25. Dezember 1884 behördlich untersagt. Stattdessen sprachen mehrere Vertreter der Gemäßigten zur neuen Tagesordnung »Die Stellung der Sozialdemokraten zu den politischen Parteien und deren Presse«. Als Ernst Schmid das Wort ergriff, wurde er von den Gemäßigten zunächst niedergeschrien und konnte erst nach einiger Zeit mit seiner Rede fortfahren. Als er die Einigung der gemäßigten und radicalen Arbeiterpartei forderte, erhielt er lebhaften Beifall. Die Gruppe der Radicalen verließ nach Ende der Veranstaltung den Saal die »Arbeitermarseillaise« singend.

Wann sich Ernst Schmid aus der Arbeiterbewegung zurückzog, ist unklar. Sicher ist, dass er nach Wilten [seit 1904 zu Innsbruck] (Tirol) übersiedelte. Hier eröffnete er um 1892 eine Papierfabriksniederlage in der Heiliggeiststraße 8 (Papiermagazin) und seit 1894 auch in der Leopoldstraße 3 (Papierhandlung). Das Unternehmen wurde bereits 1893 um eine Schreibrequisitenhandlung erweitert. Schließlich eröffnete seine Papier- und Schreibmaterialienhandlung eine Filiale in Innsbruck. 1898 wurde Schmid Mitglied des »Landesverbandes für Fremdenverkehr in Tirol«, 1899 Ausschussmitglied der »Genossenschaft der Handelsgewerbe im engeren Sinne des Gerichtsbezirkes Innsbruck«, 1901 des »Abstinenten-Vereins«. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn der ehemalige Radicale für die mit 2. September 1912 beginnende Session des Schwurgerichts Innsbruck als Geschworener berufen wurde. Im Oktober 1917 zog sich Ernst Schmid als alleiniger Inhaber der Firma »Ernst Schmid, Papier- und Schreibmaterialienhandlung« von seinem Unternehmen zurück.

Adressen

  • Hopfgarten im Brixental, Tirol, Mauthaus / Schusterhaus (Geburtsadresse)
  • Wien 2., Castellezgasse 21 (1882, 1883)
  • Wien 6., Gumpendorfer Straße 46 (1883)
  • Innsbruck, Tirol, Leopoldstraße 2 (letzte Wohnadresse)
Karte
  • 1

    Vgl. die vom Radicalen Josef Müller (1839–1891) herausgegebene Schrift: Der Hochverraths-Proceß und die Affaire Merstallinger gegen Engel, Pfleger, Berndt, Sommer, Schmidt, Gröbner, Spiegel, Krondorfer, Winter, Masur, Motz, Kompoß, Würges, Wagner, Weich, Spahl, Wetz, Buelacher, Treibenreif, Peukert, Kotidek, Stiaßny, Führer, Gams, Kreps, Schenk, Wordak, Heitzer und Hotze. Verhandelt vor dem k. k. Schwurgericht Wien, vom 8.–21. März 1883. Nach den stenographischen Berichten bearbeitet und wahrheitsgetreu wiedergegeben. Herausgegeben von Josef Müller. VII. Bezirk, Gumpendorferstraße 78. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers 1883, 238 S.