Johann Kompoß (1842–)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Vater: Joseph Kompoß (Bergen, Mähren [Perná, Tschechien] um 1816 – ?), Sohn einer Häuslerin und eines Häuslers und Schneidermeisters: Inwohner und Schneidergehilfe; Heirat in Bergen (Mähren [Perná, Tschechien]) am 12. Februar 1838 mit:
Mutter: Veronika Kompoß, geborene Führer (um 1806 – ?), Tochter einer Halblehnerin und eines Halblehners: Inwohnerin und Hausfrau
erste Ehe: in Wien am 16. August 1868 mit Caroline Jellinek (Neustadtl, Mähren [Nové Město na Moravě, Tschechien] um 1839 – Wien 2. Juni 1873), Tochter einer Hausfrau und eines Strumpfwirkers: Handarbeiterin und Hausfrau; an Lungentuberkulose verstorben
Tochter: Josefa Magdalena Kompoß (Wien 22. August 1869 – Wien 22. Jänner 1870): an Tuberkulose verstorben
Sohn: Carl Kompoß (Wien 23. Oktober 1870 – ?)
Tochter: Ludmilla Kompoß (Wien 3. Dezember 1871 – Wien 14. Dezember 1873): an Blattern verstorben
zweite Ehe: in Wien am 28. September 1873 mit Maria Lang (Merkersdorf [zu Ernstbrunn], Niederösterreich 8. Juni 1845 – USA ?), außereheliches Kind einer Halblehnerstochter: Dienstmagd und Hausfrau
Sohn: Johann Kompoß (Wien 26. Mai 1874 – ?)
Tochter: Maria Anna Kompoß (Wien 25. Juli 1875 – ?)
Kinder: weitere zehn Kinder, davon sieben im Kleinkindalter verstorben
Biographie
Der Tischlergehilfe Johann Kompoß kam 1860 nach Wien, wo er sich der sozialistischen Arbeiterbewegung anschloss. 1868 war er Gründungsmitglied der innerhalb des Wiener »Arbeiter-Bildungsvereins« gegründeten »Allgemeinen Arbeiter-Kranken- und Invaliden-Kasse«, welche 1871 vom Verein getrennt und als eigenständige Institution etabliert wurde. Außerdem war er Mitglied des 1875 gegründeten »Fachvereins der Tischler in Wien«, bei dem er auch dem Schiedsgericht angehörte. Um 1880 schloss sich Kompoß der radicalen Arbeiterbewegung an und wurde Mitglied des geheimen Agitationskomitees. Er gehörte zu den wichtigen Rednern der Radicalen und führte wiederholt den Vorsitz bei Arbeiterversammlungen. Am 24. Oktober 1881 fand in »Zobel’s Bierhalle« (Franz Zobel) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Gasgasse 4–6 / Zwölfergasse 3–15, eine Volksversammlung zur Tagesordnung »Die Forderungen der Arbeiter« statt, wo vor den rund zweitausend Arbeitern von »Arbeiter-Bataillonen« gesprochen wurde und von einem »Sturme, der aus Russland zu uns herüberdringen« werde. Wegen dieser Versammlung fand am 16. Jänner 1882 vor dem Landes- als Erkenntnissenat in Wien der Prozess gegen Johann Kompoß, den Tischlermeister Wilhelm Bernt (1841–?), den Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?) und den Tischlergehilfen Heinrich Hotze (1851–1891) statt. Sie wurden des Vergehens der Aufreizung, Kompoß und Führer zusätzlich der Schmähung des Reichsrats angeklagt, begangen durch Reden in der Volksversammlung vom 24. Oktober 1881. Im Sinne der Anklage wurden Heinrich Hotze zu drei Monaten Arrest, verschärft mit einem Fasttag in jedem Monat, Wilhelm Bernt zu zwei Monaten Arrest, verschärft mit einem Fasttag in jedem Monat, und Johann Kompoß zu einem Monat Arrest, verschärft durch einen Fasttag, verurteilt. Wenzel Führer wurde freigesprochen, wogegen er protestierte und aus dem Gerichtssaal geführt wurde.
Am 15. November 1881 fand am Nachmittag in »Zobel’s Bierhalle« eine Volksversammlung gegen den Gewerbetag abgehalten, an welcher etwa 600 Personen teilnahmen. Nach den Referaten des Tischlergehilfen Alois Treibenreif (1836–1903), des Webergehilfen Franz Schustaczek (1850–1908) und von Johann Kompoß kam es zu einer heftigen Debatte. Schustaczek wurde vom Behördenvertreter das Wort entzogen, als er anlässlich des ersten Tagesordnungspunkts, nämlich einer Resolution des Gewerbetages, an der liberalen Presse Kritik übte. »Ausreden lassen!« riefen die Anwesenden. Es entstand ein Tumult, die Versammlungsteilnehmer weigerten sich, den Saal zu räumen, und es kam zu einem Handgemenge. Rufe wie »Hinaus mit der Polizei! « und »Es lebe die Freiheit!« wurden laut. Die anwesenden Sicherheitswachleute zogen die Säbel und zwei Radicale wurden verhaftet. Ungleich bedeutender war die Volksversammlung, die am 25. März 1882 ebenfalls in »Zobel’s Bierhalle« stattfand, an der weit über dreitausend Arbeiterinnen und Arbeiter teilnahmen. Zum Vorsitzenden wurde der Schuhmachergehilfe Johann Richter (1852–nach 1932) gewählt, zu seinem Stellvertreter Kompoß, Diese Versammlung zur Tagesordnung »Die Forderungen des vierten Stands vor dem Forum des österreichischen Parlaments« war die erste erfolgreiche öffentliche Manifestation der Radicalen in Wien gegen das Wahlrecht. Bei der am 16. April 1882 im Gasthaus »zu den drei Engeln« (Josef Renz) in Wien 4., Große Neugasse 36, abgehaltenen Volksversammlung zur Tagesordnung »Die Stellung der Arbeiter zur Antisemiten-Bewegung«, an der über zweitausend Arbeiter teilnahmen, wurde Kompoß in das so genannte Bureau dieser Veranstaltung gewählt.
Die Rolle von Johann Kompoß in der radicalen Arbeiterbewegung wurde bei der Versammlung des »Politischen Vereins ›Wahrheit‹«, Sammelbecken der Wiener Gemäßigten, deutlich. Diese fand am 29. August 1882 im Gasthaus »zu den drei Engeln« statt, wobei zu dieser Veranstaltung zur Tagesordnung »Stellungnahme der Arbeiter zur Merstallinger-Affaire« auch Radicale eingeladen wurden. Es ging dabei um die so genannte Merstallinger-Affäre, also den von den Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?) und Franz Pfleger (1831–1884) am 4. Juli 1882 verübten Raubüberfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) zur Geldbeschaffung für die radicale Arbeiterbewegung. Die etwa tausendsechshundert Anwesenden forderten, dass nicht der Vereinsobmann, der Sattlergehilfe Heinrich Gehrke (1835–1917), sondern der Webergehilfe Franz Schustaczek, ein bekannter Radicaler, den Vorsitz übernehmen solle. Heinrich Gehrke wies darauf hin, dass in dieser Versammlung nur Mitgliedern und geladenen Gästen das Wort erteilt werden dürfe. Es kam zu einem Tumult, und Radicale forderten, Johann Kompoß zum Vorsitzenden zu machen. Da der Tumult anhielt, forderte daraufhin der Kunsttischlermeister Wenzel Führer seine radicalen Genossen auf, das Lokal zu verlassen. Schließlich erklärte Heinrich Gehrke nach Einschreiten des Behördenvertreters die Versammlung nach kaum einer Stunde für geschlossen. Noch am 4. September 1882 führte Kompoß den Vorsitz bei der in »Dreher’s Etablissement« (Anton Dreher) in Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 97, abgehaltenen, von rund dreitausend Arbeitern besuchten Volksversammlung zur Tagesordnung »Die Lebensmittelfrage«. Nach deren behördlicher Auflösung zogen rund zweitausend Arbeiter lautstark johlend und singend in Kolonnen durch den 3. Bezirk, massiv bedrängt von der ausgerückten Sicherheitswache.
Zwei Tage später, am 6. September 1882, führten ab zwei Uhr morgens über dreißig Polizisten die zweite große Verhaftungswelle gegen Radicale durch, angeblich wegen der jüngst erschienenen radicalen Flugschrift »Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk«,1 wobei sechsundzwanzig Wiener Radicale verhaftet wurden, darunter auch Johann Kompoß. Gegen den in Untersuchungshaft befindlichen Kompoß, dem ein schweres Fußleiden zu schaffen machte, erhob die Wiener Staatsanwaltschaft am 13. Dezember 1882 offiziell Anklage. Vom 8. bis 21. März 1883 fand vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre statt, der von der Staatsanwaltschaft als großer Schau- und Hochverratsprozess gegen neunundzwanzig Wiener Radicale angelegt wurde. Johann Kompoß wurde des Verbrechens des Hochverrats angeklagt, aber freigesprochen.2
Aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 wurde Johann Kompoß, damals Vater von fünf noch lebenden Kindern, noch im Februar 1884 aus Wien ausgewiesen: »490 Kompoß Johann, Tischler, geb. 1842 u. zust. Bergen im Bez. Nikolsburg, konfessionslos, I., mittelgr., stark, mit ovalem Ges., gr. melirten H., dunklen Augenbr., br. Augen, br. Schnurr- u . Vollb., deutsch sprechend.«3
Johann Kompoß begab sich mit seiner Familie zunächst nach Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]).
1886 ging Johann Kompoß mit seiner Ehefrau Maria Kompoß (1845–?) und den fünf Kindern ins Exil in die USA, wo er sich zunächst in Pittsburg (California, USA), niederließ und später nach Carondelet in St. Louis (Missouri, USA) übersiedelte.
Adressen
- Bergen, Mähren [Perná, Tschechien], Bergen 181 (Geburtsadresse)
- Wien 8., Florianigasse 55 (1868)
- Wien 7., Burggasse 84 (1869–1875)
Mitarbeiter*innen an Periodika
- Die Zukunft (Wien) 1882
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Autor: Reinhard Müller
Version: November 2024
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
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Karte
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Vgl. [anonym]: Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk. [London]: [Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit«] [1882], später abgedruckt in der Zeitung »Freiheit« (London), 4. Jg., Nr. 31 (23. September 1882) unter dem Titel »Manifest der socialrevolutionären Arbeiterpartei Oesterreichs an das arbeitende Volk«. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 9. September 1882 in Österreich verboten.
- 2
Vgl. die vom Radicalen Josef Müller (1839–1891) herausgegebene Schrift: Der Hochverraths-Proceß und die Affaire Merstallinger gegen Engel, Pfleger, Berndt, Sommer, Schmidt, Gröbner, Spiegel, Krondorfer, Winter, Masur, Motz, Kompoß, Würges, Wagner, Weich, Spahl, Wetz, Buelacher, Treibenreif, Peukert, Kotidek, Stiaßny, Führer, Gams, Kreps, Schenk, Wordak, Heitzer und Hotze. Verhandelt vor dem k. k. Schwurgericht Wien, vom 8.–21. März 1883. Nach den stenographischen Berichten bearbeitet und wahrheitsgetreu wiedergegeben. Herausgegeben von Josef Müller. VII. Bezirk, Gumpendorferstraße 78. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers 1883, 238 S.
- 3
[Anonym]: 490 Kompoß Johann, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien (Wien), Nr. 11 (13. Februar 1884), S. 39.