August Koditek (1855–)

Persönliche Daten
Namensvarianten
tschechische Namensform: Augustín Koditek
falsche Namensschreibweise: August Kotidek
Geburtsdatum
6. April 1855
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch, dann konfessionslos

Vater: Josef Koditek: Privatier; Heirat mit:
Mutter: Emilie Koditek, geborene Wünsch; tschechische Namensform: Emílie Koditek, geborene Wünsch, Tochter einer Hausfrau und eines Goldarbeiters: Hausfrau
Ehe: keine
Kinder: keine

Biographie

August Koditek, der Deutsch und etwas Ungarisch und Slowakisch sprach, absolvierte eine Lehre als Futteralmacher. 1871 übersiedelte er nach Wien, wo er zunächst als Futteralmachergehilfe arbeitete. 1876 leistete er seinen Militärdienst in Szakolca / Skalitz (Ungarn [Skalica, Slowakei]) ab, wohin er zuständig war. Im November 1879 eröffnete Koditek in Rudolfsheim (Niederösterreich [zu Wien 14.]), Schulgasse 4, eine Weinschank. Schon früh schloss er sich der radicalen Arbeiterbewegung an. Anfang 1880 wurde er Ausschussmitglied des Wiener »Arbeiter-Bildungsvereins«, und im Jänner 1881 wurde er in das Herausgeberkomitee der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) gewählt, dem er bis Dezember 1881 angehörte. Außerdem wurde er in das vermutlich im Oktober 1881 neu gebildete Exekutivkomitee der Radicalen gewählt und soll einem geheimen Club angehört haben. Am 6. September 1882 führten über dreißig Polizisten die zweite große Verhaftungswelle unter den Wiener Radicalen durch, angeblich wegen der jüngsten radicalen Flugschrift »Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk«.1 Sechsundzwanzig Radicale wurden verhaftet, darunter auch Koditek. Diese Verhaftungen wurden wohl kaum wegen des Flugblatts, wohl eher im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre vorgenommen, also der von den Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?) und Franz Pfleger (1831–1884) am 4. Juli 1882 verübte Raubüberfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) zur Geldbeschaffung für die radicale Arbeiterbewegung. Am 13. Dezember 1882 erhob die Wiener Staatsanwaltschaft offiziell Anklage gegen neunundzwanzig Personen. Vom 8. bis 21. März 1883 fand vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre statt, der von der Staatsanwaltschaft als großer Schau- und Hochverratsprozess gegen die Wiener Radicalen angelegt wurde. Unter den neunundzwanzig Angeklagten befand sich auch August Koditek, angeklagt des Verbrechens des Hochverrats. Während des Prozesses zog der Staatsanwalt aus Mangel an Beweisen am 16. März 1883 seine Anklage gegen Koditek zurück und dieser wurde sofort, allerdings nach acht Monaten Untersuchungshaft, freigelassen.2

Noch 1883 übersiedelte August Koditek nach Budapest (Ungarn), wo er mit anderen Genossen eine Werkstatt einrichtete. Als gutverdienendem Futteralmacher wurde ihm 1884 von den Budapester Radicalen um Ármin Práger (1851–1905) die Parteikasse anvertraut. Außerdem wirkte Koditek als Korrespondent für die Wiener Radicalen. Er soll auch Kontakt mit einem Attentäter, dem Buchbindergehilfen Anton Kammerer (1862–1884), noch vor dessen Aufenthalt in Budapest gehabt haben. So seien in Zeitungspapier verpackte Effekten, die beim Raubüberfall auf die Eisert'sche Wechselstube des Wechselstubenbesitzers Heinrich Eisert sen. (~1838–1884) in Wien 6., Mariahilfer Straße 55, am 10. Jänner 1884 erbeutet worden waren,3 an Koditeks Budapester Adresse geschickt und an Ármin Práger weitergegeben worden sein. Práger gab sie wiederum an den Bankbuchhalter Jónás Gyula Fried (1864–1929) weiter, angeblich ohne zu wissen, dass diese aus dem Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube stammten. Vermutlich wurden diese Wertpapiere Anfang Februar 1884 von einem der Attentäter, nämlich von Anton Kammerer, an Koditek gesandt. August Koditek und Ármin Práger beschlossen dann, dieses Geld zum größeren Teil für die Unterstützung der Familien politischer Gefangener und zum kleineren Teil für den Druck der Nummer 12 der Zeitung »Radikal« (Budapest) zu verwenden. Um Koditeks Verhältnis zu Anton Kammerer auszuspionieren, schickte die Wiener Polizei einen Spitzel, den Tapezierergehilfen Johann Heindl, zu ihm nach Budapest, den Koditek bei sich aufnahm. Am 3. und 4. Februar 1884 soll nach Angaben der Budapester Polizei Anton Kammerer Gast von August Koditek gewesen sein. Am 4. Februar 1884 wurde in Budapest das Flugblatt »An die Männer des arbeitenden Volkes in Oesterreich! Wien, im Februar 1884« gedruckt, das erste Druckwerk der Wiener Radicalen seit Verhängung der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884.4 In dem mit »Die Herausgeber des Central-Organes der socialdemokratischen Arbeiter-Partei Oesterreichs ›Die Zukunft‹« gezeichneten Flugblatt wurden die Genossen aufgefordert, Unterstützungsgelder an Koditek zu schicken, womit dieser nun auch die Verwaltung der Wiener Verwaltungsstelle des Inhaftiertenfonds der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« übernahm. Außerdem war Koditek die treibende Kraft hinter der einzigen, am 15. Februar 1884 erschienenen Nummer der Zeitung »Die Zukunft« (Budapest), deren Administrator er auch war. Am 26. Februar 1884 wurde August Koditek verhaftet und noch am selben Tag in seine zuständige Heimatgemeinde Szakolca / Skalitz (Ungarn [Skalica, Slowakei]) abgeschoben. Mit den Verhaftungen und Ausweisungen im Umfeld der Zeitung »Der Kommunist« (Budapest) begannen die Behörden unter Leitung des Hauptmanns der Budapester Polizeiwache (Polizeidirektor) Elek Thaisz (1820–1892) ihre große Aktion zur Zerschlagung der radicalen Arbeiterbewegung in Ungarn.

Am 4. März 1884 verließ August Koditek Ungarn, reiste nach Basel / Bâle / Basilea (Kanton Basel-Stadt) und über Frankfurt am Main (Preußen [Hessen]) nach Paris (Frankreich), schließlich weiter London (England). Hier nahm er Kontakt zur Gruppe um den Zimmermaler Josef Peukert (1855–1910) auf. Mittlerweile erließ der königliche Gerichtshof in Budapest am 5. Juni 1884 einen Steckbrief gegen Koditek wegen Teilnahme an Mord und Hehlerei im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre: »2204 Kotidek [!] August, Etuimacher, aus Skalitz in Ungarn geb., 30 bis 31 J. alt, konfessionslos, led., mittelgr., breitschulterig, kräftig, mit rundem, gesundfärbigem Ges., glatten, bld. H., regelmäßiger Stirne, bl. Augen, bld. Augenbr., solchem Schnurr- u. Vollb., dicker Nase, guten Zähnen, deutsch, etwas slovakisch u. ungarisch sprechend, zuletzt bekl. mit langhaarigem Winterrocke, bl. Tuchsacco, grauer Hose und Gilet, schwz., niederem, steifem Hute, bis zum 26. Februar d. J. in Budapest u. dann bis zum 4. März l. J. in Skalitz im Aufenthalte, u. 2205 Mili Eduard [...], werden h. g. wegen Theilnehmung am Morde u. wegen Hehlerei verfolgt u. sind eindringlichst auszuforschen, sofort zu verhaften u. an die nächste kön. Staatsanwaltschaft einzuliefern. Kön . Gerichtshof Budapest 5/6. 84.«.5

Im November 1884 verließ August Koditek London und reiste nach New York City (New York, USA), wo er sich im Dezember 1884 dem »Radicalen Club« anschloss und gemeinsam mit anderen Exilanten aus Österreich ein Agitationskomitee zur Unterstützung der radicalen Propaganda in Österreich gründete. 1887 wurde August Koditek auch Mitglied des im Dezember 1886 vor allem von österreichischen Sozialrevolutionären, Anarchistinnen und Anarchisten in New York City gegründeten »Radikalen Arbeiterbunds«, der Not leidende Genossinnen und Genossen in Österreich-Ungarn unterstützte, die verbotene Druckschriftenpropaganda in und den Schmuggel der Flugschriften nach Österreich förderte und der – nach Meinung der österreichischen Polizei – der Vorbereitung von Aktionen im Rahmen der Propaganda der Tat diente.

Adressen

  • Bilowitz, Mähren [Velké Bílovice, Tschechien], Bilowitz 66 (Geburtsadresse)
  • Budapest, Ungarn, Magyar utcza 7, Zür 8 (Ungargasse 7, Tür 8) (1884)
Karte
  • 1

    Vgl. [anonym]: Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk. [London]: [Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit«] [1882], später abgedruckt in der Zeitung »Freiheit« (London), 4. Jg., Nr. 31 (23. September 1882) unter dem Titel »Manifest der socialrevolutionären Arbeiterpartei Oesterreichs an das arbeitende Volk«. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 9. September 1882 in Österreich verboten.

  • 2

    Vgl. das vom Radicalen Josef Müller (~1839–1891) herausgegebene Buch: Der Hochverraths-Proceß und die Affaire Merstallinger gegen Engel, Pfleger, Berndt, Sommer, Schmidt, Gröbner, Spiegel, Krondorfer, Winter, Masur, Motz, Kompoß, Würges, Wagner, Weich, Spahl, Wetz, Buelacher, Treibenreif, Peukert, Kotidek, Stiaßny, Führer, Gams, Kreps, Schenk, Wordak, Heitzer und Hotze. Verhandelt vor dem k. k. Schwurgericht Wien, vom 8.–21. März 1883. Nach den stenographischen Berichten bearbeitet und wahrheitsgetreu wiedergegeben. Herausgegeben von Josef Müller. VII. Bezirk, Gumpendorferstraße 78. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers 1883, 238 S.

  • 3

    Zum Überfall auf die Eisert'sche Wechselstube siehe die Biografie von Heinrich Eisert sen. (~1838–1884).

  • 4

    Vgl. [anonym]: An die Männer des arbeitenden Volkes in Oesterreich! Wien, im Februar 1884. Budapest: Druck von F. Varnai 1884, 1 Blatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Graz vom 8. Februar 1884 und mit Erkenntnis des Landesgerichts Brünn vom 12. Februar 1884 in Österreich verboten.

  • 5

    [Anonym]: 2204 Kotidek August, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien  (Wien), Nr. 40 (15. Juni 1884), S. 157.