Josef Stiasny (1848–1888)

Persönliche Daten
Namensvarianten
tschechische Namensform: Josef Štiasný
falsche Namensschreibweise: Josef Stasny
falsche Namensschreibweise: Josef Stassny
falsche Namensschreibweise: Josef Staßny
falsche Namensschreibweise: Josef Stiasni
falsche Namensschreibweise: Josef Stiassni
falsche Namensschreibweise: Josef Stiaßni
falsche Namensschreibweise: Josef Stiassny
falsche Namensschreibweise: Josef Stiaßny
Geburtsdatum
1848
Sterbedatum
Januar 1888
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch
Biographie

Josef Stiasny, Sohn einer Bäuerin und eines Bauern, kam bereits 1860 nach Wien, wo er als angelernter Stahlarbeiter Arbeit fand. Bis zu seiner Ausweisung war er bei ein und demselben Meister als Eisendreher beschäftigt. 1869 schloss sich Stiasny der sozialistischen Arbeiterbewegung an, wurde 1872 Mitglied des Wiener »Arbeiter-Bildungsvereins« und bald auch in dessen Ausschuss gewählt. Rasch geriet Stiasny unter Verdacht, ein wichtiges Mitglied der radicalen Arbeiterbewegung zu sein. Am 12. August 1881 fand in seiner Wohnung in Wien 6., Gumpendorfer Straße 32, eine Hausdurchsuchung statt, bei der mehrere Exemplare der Zeitung »Freiheit« (London) und die Broschüre »Christlich-atheistische Episteln für gläubige und ungläubige Christen«1 gefunden wurden. Stiasny wurde festgenommen, bald aber ohne Anklageerhebung wieder freigelassen. Stiasny gehörte auch dem vermutlich im Oktober 1881 neugebildeten Exekutivkomitee der Radicalen an.

Am 25. Juli 1882 fanden im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre, also dem von den Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?) und Franz Pfleger (1831–1884) am 4. Juli 1882 verübten Raubüberfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) zur Geldbeschaffung für die radicale Arbeiterbewegung, mehrere Hausdurchsuchungen in Wien und seinen Vororten statt, darunter auch bei Josef Stiasny. Am 6. September 1882 führten über dreißig Polizisten die zweite große Verhaftungswelle unter den Wiener Radicalen durch, angeblich wegen der jüngsten radicalen Flugschrift »Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk«,2 wobei sechsundzwanzig Radicale – wohl eher im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre – verhaftet wurden, darunter auch Josef Stiasny. Dieser war dann einer der neunundzwanzig Angeklagten, gegen die die Wiener Staatsanwaltschaft am 13. Dezember 1882 in der so genannten Merstallinger-Affäre offiziell Anklage erhob. Vom 8. bis 21. März 1883 fand dann vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre statt, der von der Staatsanwaltschaft als großer Schau- und Hochverratsprozess gegen die neunundzwanzig Radicalen angelegt wurde. Josef Stiasny wurde des Verbrechens des Hochverrats angeklagt. In der Voruntersuchung hatte Stiasny angegeben, den Bestrebungen der revolutionären Arbeiterbewegung niemals seine Zustimmung erteilt zu haben und hatte auch erklärt, sich von der Arbeiterbewegung zurückziehen zu wollen. Natürlich hielten das die Behörden für wenig glaubhaft, wussten sie doch, dass er mit dem in der Schweiz weilenden Schneidergehilfen und Redakteur Ignaz Formanek (1854–nach 1905) in enger Verbindung stand und überhaupt einer der eifrigsten Kolporteure revolutionärer, im Ausland hergestellter Druckschriften war. Die besonders großen Taschen seines Winterrocks soll er immer mit allen möglichen Zeitungen und Broschüren vollgestopft haben, die er dann im Vereinslokal des »Arbeiter-Bildungsvereins« in Wien 7., Zieglergasse 25, verkaufte. Außerdem vermerkte ein Polizeibericht, dass Stiasny verschlossen und schlau sei und es liebe, sich als harmlos und beschränkt darzustellen. Im Prozess sagte der damalige Medizinstudent und spätere Arzt Jenő Krudy (1860 –1942) gegen Stiasny aus. Dies war wohl ein Racheakt für ein zurückliegendes Ereignis. Krudy hatte am 17. April 1882 einen Vortrag in der Zentrale des »Arbeiter-Bildungsvereins« in Wien 7., Zieglergasse 25, gehalten. Wegen seines Vergleichs vom Blutkreislauf bei Tieren und Pfarrern fürchtete Stiasny die Auflösung der Versammlung und eventuell sogar des Vereins, weshalb er sich über Krudy beschwerte, was schließlich zur Sistierung von dessen Vorträgen im »Arbeiter-Bildungsverein« führte. Am 15. März 1883 zog der Staatsanwalt seine Anklage gegen Josef Stiasny zurück, und er wurde als freigesprochen aus der Untersuchungshaft entlassen.3

Dennoch wurde Josef Stiasny bereits am 11. Februar 1884 aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 aus Wien ausgewiesen. Er blieb weiterhin der radicalen Arbeiterbewegung verbunden, konnte aber keine geregelte Arbeit mehr finden und verstarb im Jänner 1888 an Lungentuberkulose.

Adressen

  • Wien 6., Gumpendorfer Straße 32 (1881)

Nachrufe

  • Die Autonomie (London), 3. Jg., Nr. 33 (28. Jänner 1888), S. 4.
Karte
  • 1

    Vgl. [anonym]: Christlich-atheistische Episteln für gläubige und ungläubige Christen, gesammelt und herausgegeben von K. [Budapest]: [ohne Verlag] [1881]. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 18. August 1881 in Österreich verboten.

  • 2

    Vgl. [anonym]: Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk. [London]: [Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit«] [1882], Flugblatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 9. Oktober 1882 in Österreich verboten.

  • 3

    Vgl. die vom Radicalen Josef Müller (1839–1891) herausgegebene Schrift: Der Hochverraths-Proceß und die Affaire Merstallinger gegen Engel, Pfleger, Berndt, Sommer, Schmidt, Gröbner, Spiegel, Krondorfer, Winter, Masur, Motz, Kompoß, Würges, Wagner, Weich, Spahl, Wetz, Buelacher, Treibenreif, Peukert, Kotidek, Stiaßny, Führer, Gams, Kreps, Schenk, Wordak, Heitzer und Hotze. Verhandelt vor dem k. k. Schwurgericht Wien, vom 8.–21. März 1883. Nach den stenographischen Berichten bearbeitet und wahrheitsgetreu wiedergegeben. Herausgegeben von Josef Müller. VII. Bezirk, Gumpendorferstraße 78. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers 1883, 238 S.