Karl Masur (1850–)

Persönliche Daten
Namensvarianten
tschechische Namensform: Karel Mazúr
in den USA: Carl Masur
Pseudonym: Carl Masin
falsche Namensschreibweise: Carl Mazur
Geburtsdatum
August 1850
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch
Biographie

Der Schuhmachergehilfe Karl Masur schloss sich 1872 der Arbeiterbewegung an. Als er nach Wien kam, wurde er 1873 Mitglied, 1874 Schriftführer und 1880 Obmann des »Fachvereins der Schuhmacher in Wien«. 1880 bis 1881 verwaltete er auch die Kasse dessen Organ »Schuhmacher-Fachblatt« (Wien). Schon früh schloss er sich der radicalen Arbeiterbewegung an. Er gehörte dem vermutlich im Oktober 1881 neu gebildeten Exekutivkomitee der Radicalen an. Im Frühjahr 1882 soll er der geheimen Zentralleitung angehört und im Agitationskomitee die Korrespondenz mit den Genossinnen und Genossen in der Provinz sowie im Ausland übernommen haben. Außerdem wurde ihm mehrmals die Funktion eines Revisors übertragen. Am 25. Juli 1882 fanden bei mehreren Radicalen in Wien und seinen Vororten Hausdurchsuchungen statt, darunter auch bei Masur. Diese fanden im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre statt, also dem von den Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?) und Franz Pfleger (1831–1884) am 4. Juli 1882 verübten Raubüberfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) zur Geldbeschaffung für die radicale Arbeiterbewegung. Am 6. September 1882 führten ab zwei Uhr morgens über dreißig Polizisten die zweite große Verhaftungswelle gegen Radicale durch, angeblich wegen der jüngst erschienenen radicalen Flugschrift »Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk«,1 wobei sechsundzwanzig Wiener Radicale verhaftet wurden, darunter auch Karl Masur, der damals sein Alter um sechs Jahre jünger angab. Eigentlicher Grund für diese Verhaftungswelle war wohl die so genannte Merstallinger-Affäre. Gegen den in Untersuchungshaft befindlichen Masur erhob die Wiener Staatsanwaltschaft am 13. Dezember 1882 offiziell Anklage. Vom 8. bis 21. März 1883 fand vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre statt, der von der Staatsanwaltschaft als großer Schau- und Hochverratsprozess gegen neunundzwanzig Wiener Radicale angelegt wurde. Karl Masur wurde des Verbrechens des Hochverrats angeklagt, aber freigesprochen.2

Karl Masur blieb weiterhin in der radicalen Arbeiterbewegung aktiv. So hielt er beim ersten Gründungsfest des wiederbegründeten »Fachvereins der Schuhmacher in Wien« am 7. Oktober 1883 die Festrede. Am 1. Februar 1884 gehörte Karl Masur zu den Ersten, die aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 aus Wien ausgewiesen wurden. Gleichzeitig wurde er unter Überwachung der Polizei-Direktion Wien gestellt: »365 Masur Karl, Schuhmacher, geb. 1850 und zust. Alt-Bieliz (Schles.), k., l., klein, untersetzt, mit rund. Ges., guter Gesichtsf., braunen Haaren, hoher Stirne, grauen Augen, Schnurrb., schwerhörig, spricht deutsch.«3

Karl Masur ging 1885 ins Exil in die USA, wo er sich in New York City (New York, USA) als Schuhmacher niederließ. Hier gehörte er auch einem Agitationskomitee an, das dann im Rahmen des im Dezember 1886 vor allem von österreichischen Sozialrevolutionären, Anarchistinnen und Anarchisten in New York City gegründeten »Radikalen Arbeiterbunds« Not leidende Genossinnen und Genossen in Österreich-Ungarn unterstützte, die verbotene Druckschriftenpropaganda in und den Schmuggel der Flugschriften nach Österreich förderte und – nach Meinung der österreichischen Polizei – der Vorbereitung von Aktionen im Rahmen der Propaganda der Tat diente. 1891 war Masur kurzzeitig Herausgeber und Redakteur der kurz zuvor von Saint Louis (Missouri, USA) nach New York verlegten Zeitung »Der Anarchist« (New York), damals noch Organ der »Gruppe Autonomie der Internationalen Arbeiter-Association von St. Louis«. Außerdem war er Juli und August 1893 unter dem Pseudonym »Carl Masin« Mitherausgeber der anarchistischen Monatsschrift »Die Brandfackel« (New York).

Karte
  • 1

    Vgl. [anonym]: Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk. [London]: [Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit«] [1882], später abgedruckt in der Zeitung »Freiheit« (London), 4. Jg., Nr. 31 (23. September 1882) unter dem Titel »Manifest der socialrevolutionären Arbeiterpartei Oesterreichs an das arbeitende Volk«. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 9. September 1882 in Österreich verboten.

  • 2

    Vgl. die vom Radicalen Josef Müller (1839–1891) herausgegebene Schrift: Der Hochverraths-Proceß und die Affaire Merstallinger gegen Engel, Pfleger, Berndt, Sommer, Schmidt, Gröbner, Spiegel, Krondorfer, Winter, Masur, Motz, Kompoß, Würges, Wagner, Weich, Spahl, Wetz, Buelacher, Treibenreif, Peukert, Kotidek, Stiaßny, Führer, Gams, Kreps, Schenk, Wordak, Heitzer und Hotze. Verhandelt vor dem k. k. Schwurgericht Wien, vom 8.–21. März 1883. Nach den stenographischen Berichten bearbeitet und wahrheitsgetreu wiedergegeben. Herausgegeben von Josef Müller. VII. Bezirk, Gumpendorferstraße 78. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers 1883, 238 S.

  • 3

    [Anonym]: 365 Masur Karl, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien (Wien), Nr. 9 (6. Februar 1884), S. 32.