Ferdinand Schaffhauser (1836–)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist Ferdinand Schafhauser
Geburtsdatum
Oktober 1836
Sterbeort
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch

Ehe: 1874 mit Barbara [?] (?, Böhmen [Tschechien] Oktober 1834 – vermutlich Elizabeth, New Jersey, USA 1901): Hausfrau; Radicale
Sohn: [?] Schaffhauser: Dachdeckerlehrling; starb als Jugendlicher beim Absturz vom Dach

Biographie

Ferdinand Schaffhauser, Sohn einer Hausfrau und eines bereits 1837 verstorbenen Schneiders, konnte nur zwei Jahre lang die Volksschule besuchen Mit acht Jahren kam er in den Dienst zu fremden Leuten, wo er zuerst als Viehhüter, dann als Knecht arbeitete.

1857 kam Ferdinand Schaffhauser, zuständig nah Kochet (Böhmen [Kochánov, zu Hartmanice, Tschechien]), nach Wien, wo er zunächst als Kutscher, seit 1860 als Fabrikarbeiter tätig war. 1877 übersiedelte er nach Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]), wo er als angelernter Schlosser Arbeit fand und später als Brotführer für einen Bäckermeister arbeitete. Hier wurde er Mitglied und im Juni 1881 Obmann des »Arbeiter-Bildungsvereins Floridsdorf«. Als früher Anhänger der radicalen Arbeiterbewegung wurde er rasch zu einem wichtigen Redner in Floridsdorf. Deshalb gab es wiederholt Konflikte mit den Behörden. So hatte er in einer Volksversammlung am 14. Juli 1880 nach Meinung des Regierungsvertreters in aufreizendem Ton Passagen aus der Rede, die der Reichsratsabgeordnete Ferdinand Kronawetter (1838–1913) während der Budgetdebatte im Reichsrat verlesen hatte, wiedergegeben. Und im Juni 1881 wurde wegen einer Rede Schaffhausers beim Landesgericht Wien gegen ihn eine Untersuchung wegen Übertretung des Strafgesetzes auf Aufwiegelung eingeleitet.

Ferdinand Schaffhauser war auch Floridsdorfer Delegierter auf der dritten geheimen Delegiertenkonferenz der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs«, welche am 14. und 15. August 1881 nahe Mürzzuschlag (Steiermark) abgehalten wurde. Auf dieser wurde unter anderem beschlossen, die Zentralleitung der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« in Graz (Steiermark) zu belassen, die Kontrollkommission von Wien nach Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]) zu verlegen, den Redakteur Emil Kaler-Reinthal (1850–1897) zum Obmann der Parteileitung und zum Chefredakteur der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) zu bestellen, was aber durch dessen Verurteilung am 29. November 1881 verhindert wurde. Anlässlich der Debatte über die Notwendigkeit neuer Organisationformen der Partei legte Kaler-Reinthal den Entwurf einer geheimen Organisation vor (»Entwurf einer neuen Organisation der Sozialdemokratischen Partei«), welcher allerdings nur als Diskussionsgrundlage benutzt wurde. Im Zusammenhang mit der Delegiertenkonferenz wurde auf Ersuchen des Landesgerichts Graz (Steiermark) Ferdinand Schaffhauser am 12. September 1881 in Floridsdorf verhaftet. Im Zuge einer Hausdurchsuchung wurden bei ihm mehrere Exemplare der Zeitung »Freiheit« (London), sozialistische Flugschriften und ein Foto der russischen Sozialrevolutionärin Wera Iwanowna SassulitschВера Ивановна Засулич› (1849–1919) gefunden. Im Prozess, der am 29. November 1881 vor dem Landes- als Schwurgericht Graz in geheimer Verhandlung gegen Kaler-Reinthal und Genossen wegen Verbrechens der Geheimbündelei verhandelt wurde, wurde Ferdinand Schaffhauser der Störung der öffentlichen Ruhe angeklagt und zu sechs Wochen strengem Arrest, verschärft mit zwei Fasttagen je Woche, verurteilt. Schaffhauser, der seine Gefängnisstrafe in Wien verbüßte, wurde vom Landesgericht Wien als politischer Gefangener anerkannt, das heißt unter anderem, er bekam keine Gefängniskost, sondern Geld zur Essensbeschaffung zugestanden.

Am 26. Dezember 1881 fand am Nachmittag in »Dreher’s Etablissement« (Anton Dreher) in Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 97, eine Volksversammlung zur Tagesordnung »1. Die Forderungen der Arbeiter; 2. Die Presse« statt. Als der Kunsttischlermeister Wenzel Führer (1853–?) die Feststellung machte, dass die gesamte Wiener Presse von der Polizei bestochen sei, schritt der anwesende Behördenvertreter ein. Wegen dieser Versammlung wurde Schaffhauser am 12. Jänner 1882 verhaftet. Am 14. März 1882 fand vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien in geheimer Verhandlung der Prozess gegen Ferdinand Schaffhauser und den am 10. Jänner 1882 verhafteten Wenzel Führer wegen des Vergehens der Aufreizung statt, begangen durch Reden in Volksversammlungen. Schaffhauser wurde zu sechs Wochen einfachem Arrest, verschärft durch einen Fasttag alle vierzehn Tage, Führer zu einem Monat einfachem Arrest verurteilt. Schaffhausers wichtige Rolle in der radicalen Arbeiterbewegung zeigte sich auch im Prozess gegen fünf Radicale, der vom 9. bis 12. Juni 1882 vor dem Kreis- als Schwurgericht Korneuburg (Niederösterreich), teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit, stattfand. Dabei fungierte Schaffhauser als Vertrauensmann des angeklagten Tischlergehilfen Hermann Hinterstoißer (~1855–1905). Schaffhauser sprach auch auf der von rund 3.000 Arbeitern besuchten Volksversammlung zur Tagesordnung »Die Lebensmittelfrage«, die am 4. September 1882 in »Dreher’s Etablissement« (Anton Dreherin Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 97, stattfand. Als der Kartenmaler Andreas Voglgruber (1832–?) seine Rede mit den Worten »Auch diesmal, Genossen, kommt das Licht aus dem Osten!«1 schloss, sah darin der Behördenvertreter eine Anspielung auf die russischen Nihilisten und löste die Versammlung behördlich auf. Anschließend zogen etwa zweitausend Arbeiter lautstark johlend und singend in Kolonnen im 3. Bezirk über die Ungargasse und Beatrixgasse, zunächst von der Polizei abgedrängt, in die Rochusgasse, wo ihnen aber neuerlich eine Polizeikette den Weitermarsch versperrte. Dann zogen sie zurück zur Beatrixgasse und weiter über den Heumarkt zum Schwarzenbergplatz. Die nur vierzig Mann Sicherheitswache wurden der Lage erst Herr, als die dienstfreie Mannschaft aus der Kaserne der Sicherheitswache an der Landstraßer Hauptstraße, rund sechzig Mann, anrückten und am Schwarzenbergplatz weitere hundert Mann Sicherheitswache Stellung bezogen.

Zwei Tage später, am 6. September 1882, führten ab zwei Uhr morgens über dreißig Polizisten die zweite große Verhaftungswelle gegen Radicale durch, angeblich wegen der jüngst erschienenen radicalen Flugschrift »Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk«,2 wobei sechsundzwanzig Wiener Radicale verhaftet wurden, darunter Ferdinand Schaffhauser und seine Ehefrau, die Hausfrau Barbara Schaffhauser (1834–1901). Eigentlicher Grund für diese Verhaftungswelle war wohl die so genannte Merstallinger-Affäre, also der von den Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?) und Franz Pfleger (1831–1884) am 4. Juli 1882 verübte Raubüberfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) zur Geldbeschaffung für die radicale Arbeiterbewegung. Mit diesen und einigen vorangegangenen Verhaftungen wurde die Führung der Wiener Radicalen für fast ein halbes Jahr ausgeschaltet und musste im Gefängnis den Prozessbeginn abwarten. Erst nach zehn Wochen beantragte der Staatsanwalt die Einstellung des Verfahrens gegen Ferdinand Schaffhauser, und er wurde am 17. November 1882 aus der Untersuchungshaft entlassen.3 Spätestens seit Juni 1883 stand er unter spezieller polizeilicher Überwachung.

Am 15. Dezember 1883 erreichten die sozialrevolutionären Attentate Wien. Am Abend dieses Tags, seit 20 Uhr, hielt Ferdinand Schaffhauser in einer vom Webergehilfen Johann Till (1863–?) und vom Stuhlarbeiter Alois Siegel einberufenen Versammlung des »Gewerbevereins sämtlicher Stuhlarbeiter und Stuhlarbeiterinnen für Wien« vor etwa vierzig Zuhörern im Gasthaus Franz Aschenbrenner in Großjedlersdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]), Brünner Straße 203, einen Vortrag über »Antikes und modernes Proletariat«, und zwar im Lesezimmer des dort erst seit etwa drei Wochen untergebrachten »Bildungsvereins der Eisen- und Metalldreher«. Nach dem Ende der Veranstaltung unterhielt sich der Polizeikonzipist Franz Hlubek (1854–1883) am Tresen noch eine Weile mit Ferdinand Schaffhauser und Johann Till und verließ um etwa 21 Uhr das Lokal, um zu seinem am anderen Ende der Straße gelegenen Wohnhaus in Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]), Hauptstraße 46 [Floridsdorfer Hauptstraße], zu gehen. Dabei begleitete ihn der Vortragende Schaffhauser bis zum Friedhof an der Ortsgrenze von Großjedlersdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]), trennte sich aber dort von ihm, um kurz nach 21 Uhr im »Beránek’schen Gasthaus« (Roman Beránek und Julie Beránek) in Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]), Hauptstraße 58 [Floridsdorfer Hauptstraße], noch den Vortrag des Arbeiters Ignaz Dörrich »Über die Unsterblichkeit der Seele« zu besuchen. Franz Hlubek wurde kaum zwei Minuten nach 21 Uhr, etwa dreihundert Schritte von Franz Aschenbrenners Gasthaus entfernt, erschossen: Aus etwa fünf Schritte Entfernung, von rückwärts in den Kopf geschossen, verstarb er an Gehirnlähmung infolge einer Schusswunde. Kurz darauf durchstreiften berittene Sicherheitsleute die Gegend, konnten aber den flüchtigen Täter nicht fassen. Noch in der Nacht des 15. Dezember 1883 wurde mit dem Verhör Verdächtiger begonnen, wobei sieben Teilnehmer von Ferdinand Schaffhausers Vortrag vorübergehend festgenommen wurden. Schließlich wurden Schaffhauser als Hauptverdächtiger und Johann Till verhaftet. Sie wurden am 16. Dezember 1883 zusammen mit zwei mittlerweile ebenfalls Verhafteten, dem Lackierer in einer Lokomotivfabrik Johann Ondra (1856–?) und dem Webergehilfen Josef Till (1855–?), unter dem Verdacht des Meuchelmords in das Kreisgericht Korneuburg (Niederösterreich) eingeliefert. Am 4. Februar 1884 wurde Schaffhauser gemeinsam mit Johann Ondra, Josef Till und sein Bruder Johann Till vom Kreisgericht Korneuburg (Niederösterreich) ins Landesgericht Wien überstellt. Die Verfahren gegen Johann und Josef Till, in dessen Notizbuch eine Fotografie der russischen Sozialrevolutionärin Sofja Lwowna Perowskaja ‹Софья Львовна Перовская› (1853–1881) gefunden worden war, wurden am 25. Februar 1884 ohne Anklageerhebung eingestellt, die beiden aus der Untersuchungshaft entlassen, Johann Till allerdings am 26. Februar 1884 aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 aus Wien ausgewiesen. Am 27. und 28. Mai 1884 fand vor dem Ausnahmsgericht Wien der Prozess gegen Johann Ondra und Ferdinand Schaffhauser statt. Sie wurden des Verbrechens der Mitschuld an der Ermordung des Polizeikonzipisten Franz Hlubek angeklagt, obwohl der Buchbindergehilfe Anton Kammerer (1862–1884) bereits als mutmaßlicher Attentäter verhaftet war. Übrigens war dies die einzige der ihm angelasteten Taten, die Kammerer nachweislich begangen hatte. Kammerer sagte aus, dass Ferdinand Schaffhauser unschuldig sei und dass er Johann Ondra erschossen hätte, wäre er dazwischengetreten. Schaffhauser wurde außerdem des Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit durch gefährliche Drohung angeklagt, weil er das im Oktober 1883 erschienene Flugblatt »Ein Mahnruf an das Volk!«4 im Dezember 1883 in Floridsdorf mit beigelegten Drohbriefen verschickt habe. Ferdinand Schaffhauser wurde zwar von der Mitschuld am Meuchelmord freigesprochen, doch wegen boshafter Unterlassung der Verhinderung des Mordes zu zwei Jahren schwerem Kerker, verschärft durch zwei Fasttage im Monat, verurteilt. Schaffhauser legte Berufung ein, welche aber vom Obersten Gerichtshof in geheimer Sitzung am 25. Juli 1884 zurückgewiesen wurde, woraufhin er seine Strafe sofort antrat. Johann Ondra, der am Tatort nachweislich nicht anwesend war, wurde zwar freigesprochen, jedoch aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 schon am 30. Mai 1884 aus Wien ausgewiesen und in seine Heimat abgeschoben. Schaffhauser entschied sich für Einzelhaft und kam daher schon im Dezember 1885 frei. Während seiner Haftzeit wurde Schaffhauser im Juli 1884 nochmals in Bezug auf die Attentate von Anton Kammerer und vom Schuhmachergesellen Hermann Stellmacher (1853–1884) verhört.

Im April 1886 emigrierte Ferdinand Schaffhauser mit seiner Ehefrau Barbara Schaffhauser in die USA, wo sie sich zunächst in New York City (New York, USA) niederließen. Vermutlich im Mai 1886 gründete Ferdinand Schaffhauser in New York City gemeinsam mit dem im August 1884 aus Österreich zunächst nach Frankreich und 1886 in die USA geflüchteten Kürschnergehilfen Johann Petržílek (1855–1946) einen Club zum Schmuggel verbotener, meist tschechischer Druckwerke über Paris (Frankreich) nach Österreich sowie einen Unterstützungsfonds für die Familien der Inhaftierten in Österreich-Ungarn, den Schaffhauser auch verwaltete. Außerdem wurde er Mitglied des vor allem von österreichischen Sozialrevolutionären, Anarchistinnen und Anarchisten im Dezember 1886 in New York City gegründeten »Radikalen Arbeiterbunds«, welcher Not leidende Genossinnen und Genossen in Österreich-Ungarn unterstützte, die verbotene Druckschriftenpropaganda in und den Schmuggel der Flugschriften nach Österreich förderte und – nach Meinung der österreichischen Polizei – der Vorbereitung von Aktionen im Rahmen der Propaganda der Tat diente. Später übersiedelte Ferdinand Schaffhauser mit seiner Ehefrau nach Elizabeth (New Jersey, USA), wo er als Maschinist arbeitete und vermutlich kurz nach 1900 verstarb.

Karte
  • 1

    Zitiert nach [anonym]: Abermals eine aufgelöste Arbeiter-Versammlung, in: Neue Freie Presse [/] Morgenblatt (Wien), [19]. Jg., Nr. 6475 (5. September 1882), S. 5.

  • 2

    Vgl. [anonym]: Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk. [London]: [Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit«] [1882], Flugblatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 9. Oktober 1882 in Österreich verboten.

  • 3

    Vgl. die vom Radicalen Josef Müller (1839–1891) herausgegebene Schrift: Der Hochverraths-Proceß und die Affaire Merstallinger gegen Engel, Pfleger, Berndt, Sommer, Schmidt, Gröbner, Spiegel, Krondorfer, Winter, Masur, Motz, Kompoß, Würges, Wagner, Weich, Spahl, Wetz, Buelacher, Treibenreif, Peukert, Kotidek, Stiaßny, Führer, Gams, Kreps, Schenk, Wordak, Heitzer und Hotze. Verhandelt vor dem k. k. Schwurgericht Wien, vom 8.–21. März 1883. Nach den stenographischen Berichten bearbeitet und wahrheitsgetreu wiedergegeben. Herausgegeben von Josef Müller. VII. Bezirk, Gumpendorferstraße 78. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers 1883, 238 S.

  • 4

    Vgl. [anonym]: Ein Mahnruf an das Volk! [Wien]: [ohne Druckerangabe] 1883, Flugblatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 22. Oktober 1883 in Österreich verboten.