Berthold Spiegel (1854–)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist Baruch Spiegel
Geburtsdatum
1854
Religionsbekenntnis
israelitisch

Ehe: mit Charlotte Deutsch (um 1854 – Wien Mai 1914): Hausfrau
Sohn: Emil Spiegel (Wien 27. Dezember 1882 – Konzentrationslager Auschwitz, Generalgouvernement [Oświęcim, Polen] 6. September 1943, ermordet)
Tochter: Elsa Spiegel (Wien11. Jänner 1886 – ?)
Sohn: Hermann Spiegel (Wien 27. Dezember 1886 – ?)
Tochter: Rosa Spiegel (Wien 4. Jänner 1890 – ?)

Biographie

Der Handschuhmachergehilfe Berthold Spiegel kam nach Wien, wo er Mitglied des »Fachvereins der Handschuhmacher« in Wien und später deren Vertreter in der Wiener Lokalorganisation der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« wurde. Außerdem war Spiegel 1879 bis 1880 Abonnent der Zeitung »Freiheit« (London), Mitglied des Ausschusses und zeitweise Obmann des Wiener »Arbeiter-Bildungsvereins«. Schon früh war er ein Anhänger der radicalen Arbeiterbewegung. Im Dezember 1880 gründete Berthold Spiegel gemeinsam mit dem Tischlermeister Wilhelm Bernt (1841–?), dem Schneidergehilfen und nunmehrigen Kellner Franz Gröbner (1856–?), dem Webergehilfen und nunmehrigen Geschäftsdiener Robert Krondorfer (1853–?), dem Maler- und Anstreichergehilfen Franz Weich (1855–1925) und dem Anstreichergesellen Jakob Würges (1842–1895) den geheimen Club »Nummer II«, der sich wöchentlich in dem Gasthaus »zu den drei Bindern« (Rudolf Hammer) in Wien 8., Brunngasse 5 [Josefstädter Straße 101 / Blindengasse 32], traf und der sich im Juli 1881 aus Misstrauen gegenüber Jakob Würges auflöste. Im Frühjahr 1882 gehörte Spiegel der geheimen Zentralleitung der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« an. Am 6. September 1882, ab zwei Uhr morgens, führten über dreißig Polizisten neuerlich Hausdurchsuchungen durch, angeblich wegen der jüngsten radicalen Flugschrift »Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk«.1 Diese Aktion fand wohl eher im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre statt, also dem Überfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) zwecks Anschaffung einer geheimen Druckerpresse. Unter den sechsundzwanzig verhafteten Wiener Radicalen befand sich auch Spiegel. Gegen den in Untersuchungshaft befindlichen Berthold Spiegel erhob die Wiener Staatsanwaltschaft am 13. Dezember 1882 im Zuge der so genannten Merstallinger-Affäre offiziell Anklage. Vom 8. bis 21. März 1883 fand vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre statt, der von der Staatsanwaltschaft als großer Schau- und Hochverratsprozess gegen die neunundzwanzig Wiener Radicalen angelegt wurde. Berthold Spiegel, wegen Ehrenbeleidigung bereits vorbestraft, wurde des Verbrechens des Hochverrats angeklagt, aber freigesprochen.2

Berthold Spiegel dürfte sich danach aus der radicalen Arbeiterbewegung zurückgezogen haben und arbeitete als Handschuherzeuger bis 1929 in Wien 6., Stumpergasse 40, wo er bis 1939 wohnte.

Adressen

  • Wien 2., Große Mohrengasse 5 (1882)
  • Wien 2., Negerlegasse 5 (1883–1885)
  • Wien 2., Antonsgasse 3 (1886)
  • Wien 2., Scholzgasse 13 (1886)
  • Wien 6., Ägidigasse 19 (1890)
  • Wien 6., Stumpergasse 40 (1926–1939)
Karte
  • 1

    Vgl. [anonym]: Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk. [London]: [Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit«] [1882], abgedruckt in der Zeitung »Freiheit« (London) vom 23. September 1882. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 9. Oktober 1882 in Österreich verboten.

  • 2

    Vgl. die vom Radicalen Josef Müller (1839–1891) herausgegebene Schrift: Der Hochverraths-Proceß und die Affaire Merstallinger gegen Engel, Pfleger, Berndt, Sommer, Schmidt, Gröbner, Spiegel, Krondorfer, Winter, Masur, Motz, Kompoß, Würges, Wagner, Weich, Spahl, Wetz, Buelacher, Treibenreif, Peukert, Kotidek, Stiaßny, Führer, Gams, Kreps, Schenk, Wordak, Heitzer und Hotze. Verhandelt vor dem k. k. Schwurgericht Wien, vom 8.–21. März 1883. Nach den stenographischen Berichten bearbeitet und wahrheitsgetreu wiedergegeben. Herausgegeben von Josef Müller. VII. Bezirk, Gumpendorferstraße 78. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers 1883, 238 S.