Wenzel Führer (1853–)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Vater: Felix Führer: Häusler; Heirat mit:
Mutter: Elisabeth Führer, geborene Wolf, Tochter einer Häuslerin und eines Häuslers: Häuslerin und Hausfrau
Ehe: in Wien am 3. März 1878 mit Marie Delefant, d. i. Maria Delephant; in den USA: Marie Delefant Fuhrer (Stollhofen [zu Traismauer], Niederösterreich 25. Dezember 1853 – ?), Tochter einer Hausfrau und eines Schuhmachers: Hausfrau
Sohn: Heinrich Michael Führer (Wien 2. Juli 1880 – ?)
Tochter: Pauline Maria Führer (Wien 14. Juni 1882 – ?)
Sohn: Joseph Führer (Wien 2. April 1884 – ?)
Sohn: August Fuhrer (New York City, New York, USA 17. August 1888 – ?)
Sohn: Josef Fuhrer (New York City, New York, USA 19. Dezember 1890 – ?)
Biographie
Wenzel Führer kam als Tischlergehilfe nach Wien, wo er sich 1872 der sozialistischen Arbeiterbewegung anschloss. Am 16. Mai 1875 nahm er als Delegierter am zweiten allgemeinen Delegiertentag (Parteikonferenz) der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« in Marchegg (Niederösterreich) teil. Nachdem Wenzel Führer seine Meisterprüfung als Kunsttischler abgelegt hatte, wurde er 1880 Ausschussmitglied des »Gewerkschaftsvereins der Holzarbeiter in Wien«. Im Zusammenhang mit der Feier für die Märzgefallenen der Revolution von 1848 wurde auch Wenzel Führer am 22. März 1880 verhaftet, jedoch Anfang April 1880 ohne Anklageerhebung wieder freigelassen. Wenzel Führer, nunmehr wichtiger Vertreter der radicalen Arbeiterbewegung, ließ im Verlauf des von den Radicalen unterstützten, Mitte April 1880 mit teilweisem Erfolg beendeten Streiks bei der Portal- und Baufirma Johann Küttag (1830–1891) in Wien 20., Wallensteinstraße 65, ein Flugblatt drucken, das am 14. April 1883 zur Verteilung kam: »An die Fachgenossen«.1 Darin wandte er sich an die Streikbrecher. Es war dies das erste im Zusammenhang mit einem Streik vor Ort hergestellte Flugblatt der Wiener Radicalen. Wegen dieses Flugblattes wurde Führer am 13. Juli 1880 vom Bezirksgericht Mariahilf (Wien 6.) wegen Übertretung des Koalitionsgesetzes zu drei Tagen Arrest, verschärft durch einen Fasttag, verurteilt. Wegen des am 5. Dezember 1880 in den Vororten Wiens erstmals ausgestreuten, in London (England) gedruckten Flugblatts »Der Reichsrath ist wieder einmal versammelt«2 wurden im Laufe des Dezembers 1880 mehrere Radicale verhaftet, darunter auch Wenzel Führer, der erst am 17. Februar 1881 mangels eines Tatbestandes wieder freigelassen wurde. Um diese Zeit soll Wenzel Führer einen illegalen »Tischler-Club« gegründet haben, im Frühjahr 1881 Mitglied des geheimen Agitationskomitees der Radicalen gewesen und schließlich Mitglied des im Oktober 1881 neu gebildeten Exekutivkomitees der Radicalen gewesen sein. Als rühriger Agitator berief er zahlreiche Versammlungen ein, die ihm auch mehrere Gerichtsverfahren einbrachten. Am 24. Oktober 1881 fand in »Zobel’s Bierhalle« (Franz Zobel) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Gasgasse 4–6 / Zwölfergasse 3–15, eine Volksversammlung zur Tagesordnung »Die Forderungen der Arbeiter« statt, wo vor den rund 2.000 Arbeitern von »Arbeiter-Bataillonen« gesprochen wurde und von einem »Sturme, der aus Russland zu uns herüberdringen« werde. Wenzel Führer wurde deshalb am 16. Jänner 1882 vor Gericht gestellt. Am 25. November 1881 fand in den »Thaliasälen« (Josef Wurmbrand) in Neulerchenfeld (Niederösterreich [zu Wien 16.]), Grundsteingasse 20, eine Bäckerversammlung statt, an der rund 600 Personen teilnahmen. Führer wurde bei seiner Rede mehrfach vom Behördenvertreter abgemahnt. Den Applaus des Publikums auf seine Rede quittierte der Behördenvertreter mit der Auflösung der Versammlung wegen angeblich fortgesetzter Renitenz von Wenzel Führer. Am 25. Dezember 1881 fand in Währing (Niederösterreich [zu Wien 18.]) in »Gerl’s Gasthaus« (Josef Gerl), Wienerstraße 37 [Schopenhauerstraße], eine Volksversammlung mit der Tagesordnung »1. Die Forderungen der Arbeiter. 2. Die Presse« statt, an der rund 1.200 Arbeiterinnen und Arbeiter teilnahmen. Als sich Führer über die ständigen behördlichen Auflösungen der Versammlungen und die Konfiszierungen der Arbeiterpresse beschwerte, entstand ein Tumult. Am nächsten Tag, am 26. Dezember 1881, fand in »Dreher’s Etablissement« (Anton Dreher) in Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 97, die am 18. Dezember 1881 verschobene Volksversammlung zur Tagesordnung »1. Die Forderungen der Arbeiter; 2. Die Presse« statt. Als Führer feststellte, dass die gesamte Wiener Presse von der Polizei bestochen sei, schritt der anwesende Behördenvertreter ein. Wegen dieser beiden Versammlungen wurde Wenzel Führer am 12. Jänner 1882 verhaftet und am 14. Februar 1882 vor Gericht gestellt. Der erste diesbezügliche Prozess, nämlich wegen der Volksversammlung vom 24. Oktober 1881, fand am 16. Jänner 1882 vor dem Landes- als Erkenntnissenat in Wien statt. Führer wurde des Vergehens der Aufreizung und der Schmähung des Reichsrats angeklagt. Im Prozess meinte Wenzel Führer: »Ich befinde mich nicht vor Richtern, sondern vor Executoren!«.3 Als er im Gegensatz zu den Mitangeklagten freigesprochen wurde, erhob er nach der Urteilsverkündung Einspruch: »Ich bedauere und protestire gegen meine Freisprechung«.4 Der zweite Prozess, diesmal wegen der Volksversammlungen vom 25. Dezember und 26. Dezember 1881, fand am 14. März 1882 vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien in geheimer Verhandlung statt. Wenzel Führer wurde des Vergehens der Aufreizung angeklagt und zu einem Monat einfachen Arrest verurteilt. Das konnte Führer nicht abhalten, weiterhin agitatorisch tätig zu sein. So fand am 16. April 1882 im Gasthaus »zu den drei Engeln« (Josef Renz) in Wien 4., Große Neugasse 36, eine Volksversammlung zur Tagesordnung »Die Stellung der Arbeiter zur Antisemiten-Bewegung« statt, in der sich Führer für gleiche Rechte christlicher wie jüdischer Arbeiter aussprach. Und er wandte sich in scharfen Worten gegen die Führer der christlichen Arbeiterbewegung: »Ist es nicht eine Schande, daß Oesterreich solche Reichsvertreter hat, welche mit erbärmlichen Judenhetzen sich befassen?«5 Daraufhin kam es zu einem Tumult, und Führer wurde das Wort entzogen. Am 23. April 1882 fand in »Dreher’s Etablissement« (Anton Dreher) in Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 97, eine Arbeiterversammlung der Gemäßigten zur Tagesordnung »Die Forderungen des vierten Standes« statt, an der rund 1.200 Arbeiter teilnahmen. Die Versammlung nahm die Forderung nach dem allgemeinen Wahlrecht an, wenngleich Führer als einer von zwei Vertretern der Radicalen meinte: »Ich […] glaube, daß wir nicht mehr den Reichsrath anbetteln sollen, welcher alle unsere Petitionen ja doch nur in den Papierkorb wirft.«6
Wenzel Führer agitierte auch in der Provinz. Am 14. Mai 1882 fand im Bräuhaus in Wiener Neustadt, Bräuhausgasse 7–9, eine von etwa 800 Arbeitern besuchte Volksversammlung zur Tagesordnung »1. Die Forderungen des vierten Stands vor dem Forum des Parlaments; 2. Die Presse« statt. In dieser Volksversammlung, auf der unter andrem der liberale Reichsratsabgeordnete Ferdinand Kronawetter (1838–1913) referierte, traf Führer den später als Attentäter verurteilten Tischlergehilfen Michael Kumić (1853–?).
Am 9. Juni 1882 fand vor dem Bezirksgericht Wieden (Wien 4.) der geheim durchgeführte Prozess gegen Wenzel Führer wegen Beleidigung des Reichsrats statt. Er hatte in eine Schmiedeversammlung im Gasthaus »zur Rose« in Wien 10., Himberger Straße, die Worte des liberalen Reichsratsabgeordneten Ferdinand Kronawetter wiederholt. Kronawetter hatte bei der allgemeinen freien Volksversammlung in »Zobel’s Bierhalle« (Franz Zobel) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Gasgasse 4–6 / Zwölfergasse 3–15, am 25. März 1882 unter anderem gesagt, dass das Parlament einem Theater gleich sei. Nach einer Unterbrechung der Verhandlung wegen einer Zeugenladung wurde Wenzel Führer am 1. Juli 1882 zu einer Woche Arrest verurteilt. An diesem Tag, am 1. Juli 1882, wurde die von Führer für den 3. Juli 1882 in »Zobel’s Bierhalle« einberufene Volksversammlung mit der Tagesordnung »Die Arbeiter und das Wahlrecht« behördlich untersagt. Am nächsten Tag, am 2. Juli 1882, fand in Wien eine geheime Vertrauensmännerkonferenz der Wiener Radicalen und Gemäßigten statt, um ihre Differenzen zu klären. Führer nahm als Vertreter der Radicalen teil. Die Radicalen beharrten auf ihrem Standpunkt in der Wahlrechtsfrage, stimmten aber der Einberufung eines Parteitags zu, sofern dieser geheim abgehalten werde. Die Gemäßigten beharrten auf dem Wahlrecht und einem öffentlichen Parteitag. Diese Konferenz besiegelte den Bruch zwischen den Wiener Radicalen und Gemäßigten.
Am 25. Juli 1882 fanden im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre, dem von den Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?) und Franz Pfleger (1831–1884) am 4. Juli 1882 verübten Raubüberfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) zur Geldbeschaffung für die radicale Arbeiterbewegung, mehrere Hausdurchsuchungen in Wien und seinen Vororten statt, darunter auch bei Wenzel Führer. Am 29. August 1882 fand im Gasthaus »zu den drei Engeln« (Josef Renz) in Wien 4., Große Neugasse 36, eine Versammlung des »Politischen Vereins ›Wahrheit‹«, Sammelbecken der Wiener Gemäßigten, zur Tagesordnung »Stellungnahme der Arbeiter zur so genannten Merstallinger-Affäre« statt, zu der auch Radicale eingeladen wurden. Die etwa 1.600 Anwesenden forderten, dass nicht der Vereinsobmann, der Sattlergehilfe Heinrich Gehrke (1835–1917), sondern der Webergehilfe Franz Schustaczek (1850–1908), ein bekannter Radicaler, den Vorsitz übernehmen solle. Es kam zu einem Tumult, woraufhin Wenzel Führer seine radicalen Genossen aufforderte, das Lokal zu verlassen. Die von den Radicalen zur Abstimmung vorbereitete Resolution kam nicht zur Abstimmung: »Die heute am 29. August in den ›Drei-Engel-Sälen‹ tagende Volksversammlung erklärt in Anbetracht des vorgefallenen Raubattentates, welches man der radicalen Arbeiterpartei in die Schuhe schieben will, nicht früher Stellung nehmen zu wollen, bis nicht die Entscheidung des Gerichtes vorliegt.«7
Am 6. September 1882 führten über dreißig Polizisten die zweite große Verhaftungswelle durch, angeblich wegen der jüngsten radicalen Flugschrift »Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk«,8 wobei sechsundzwanzig Wiener Radicale – wohl eher im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre – verhaftet wurden, darunter auch Wenzel Führer. Dieser war dann einer der neunundzwanzig Angeklagten, gegen die die Wiener Staatsanwaltschaft am 13. Dezember 1882 in der so genannten Merstallinger-Affäre offiziell Anklage erhob. Vom 8. bis 21. März 1883 fand dann vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre statt, der von der Staatsanwaltschaft als großer Schau- und Hochverratsprozess gegen die Wiener Radicalen angelegt wurde. Vor Gericht standen neunundzwanzig Personen. Wenzel Führer wurde des Verbrechens der Mitschuld am Hochverrat angeklagt, aber wie die meisten freigesprochen.9 In der Untersuchungshaft gab es ein bemerkenswertes Ereignis: Als am 14. März 1883 Karl Marx (1818–1883) in London (England) verstarb, versammelte der Vorsitzende des Prozesses, Eduard Graf Lamezan-Salins (1835–1904), alle in Untersuchungshaft befindlichen Radicalen in einer großen Zelle, und Wenzel Führer hielt wohl die erste Trauerrede in Österreich auf Karl Marx.
Ende März 1883 setzte unter den Bäckergehilfen Wiens und Umgebung merkliche Unruhe ein. Erste Anzeichen für einen Streik machten sich am 29. März 1883 bemerkbar, wobei es um die Einführung des neunstündigen Arbeitstags ging, weiters um das Verbot erzwungener Verköstigung und erzwungener Beherbergung durch den Arbeitgeber, die Einführung eines Minimalwochenlohns von 11 bis 15 Gulden, die Möglichkeit einer gegenseitigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses, das Verbot fachfremder Tätigkeiten (Gebäckaustragen, Holzarbeiten usw.) sowie um die Regelung der Mehlarbeit (für das Abtragen von Mehlsäcken sowie das Ausleeren je 5 Kreuzer pro Sack). Es wurde das mit geheimer Handpresse hergestellte Flugblatt »Mahnruf an sämmtliche Bäckergehilfen Wiens und in den Provinzen«,10 gezeichnet »Mit social-revolutionärem Gruße – Das Executiv-Comité« verteilt. Am 12. April 1883 fand in Anwesenheit mehrerer hundert Bäcker eine freie Versammlung des am 2. März 1882 von Radicalen gegründeten »Fachvereins der Bäcker Wiens« in »Neßner’s Bierhalle« und Restauration »zum Stadtgut« (Johann Neßner) in Sechshaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Sechshauser Hauptstraße 7 [Sechshauser Straße], statt, auf der auch Führer sprach. Am 21. September 1883 fand vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess gegen Wenzel Führer wegen Vergehens der Gutheißung einer ungesetzlichen Handlung statt. Er habe in einer am 2. Juli 1883 in einer Arbeiterversammlung in Mariahilf (Wien 6.) vor etwa fünfhundert Kleidermachern gehaltenen Rede über das Genossenschaftswesen und die allgemeine Lage der Arbeiter angedeutet, dass es Zeit sei, den bisher eingehaltenen Weg der Gesetzlichkeit zu verlassen. Im Sinne der Anklage wurde Führer zu zwei Monaten strengem Arrest, verschärft mit zwei Fasttagen, verurteilt. Er erhob dagegen Nichtigkeitsbeschwerde, doch der Oberste Gerichts- als Kassationshof bestätigte in der Verhandlung am 14. Dezember 1883 das Ersturteil. Am 29. Dezember 1883 stand Wenzel Führer, nunmehr Obmann des »Fortbildungs- und Unterstützungsvereins der Tischler«, wieder vor Gericht, diesmal vor dem Bezirksgericht Mariahilf (Wien 6.), angeklagt der Übertretung des Vereinsgesetztes. Er habe eine am 1. Dezember 1883 abgehaltene Versammlung des »Fortbildungs- und Unterstützungsvereins der Tischler« in dessen Vereinslokal in Wien 6., Gumpendorfer Straße 91, nicht angemeldet und sei den Aufforderungen des eintretenden Polizeiorgans nicht nachgekommen. Wenzel Führer, der diese Versammlung als eine der üblichen »Samstag-Zusammenkünfte« des Vereins bezeichnete, wurde zu 5 Gulden Geldstrafe, eventuell vierundzwanzig Stunden Arrest, verurteilt. Am selben Tag, am 29. Dezember 1883, sprach der Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910) bei einer Versammlung des »Fachvereins der Tischler« in Wien über »Die Stellung des Menschen zur Natur«. Als der anwesende Regierungsvertreter den Versammlungsvorsitzenden, Wenzel Führer, hinwies, dass er bei neuerlichen Ausfällen des Referenten die Versammlung auflösen werde, entgegnete Führer: »Ich bitte den Redner, sich nicht unterbrechen zu lassen.«11 Wenzel Führer musste sich deswegen am 21. März 1884 vor Gericht verantworten.
Am 6. Jänner 1884 fand im Gasthaus »zu den drei Engeln« (Josef Renz) in Wien 4., Große Neugasse 36, eine von Wenzel Führer einberufene Arbeiterversammlung statt, in der er vor über dreitausend Radicalen über die Arbeiterbewegung der letzten Jahre sprach. Als er auf die Ermordung des Polizeikonzipisten Franz Hlubek (1854–1883) in Floridsdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) am 15. Dezember 1883 zu sprechen kam, unterbrach ihn der anwesende Behördenvertreter, und es kam zu einem Tumult. Am 21. Jänner 1884 meldete sich Führer im Landesgericht für Strafsachen Wien zum Antritt seiner am 21. September 1883 verhängten dreimonatigen Arreststrafe. Er wurde dabei von etwa sechzig Arbeitern begleitet, die Wenzel Führers Abschiedsworte mit Hochrufen beantworteten. Von der Polizei zum Verlassen des Eingangsbereichs aufgefordert, zerstreuten sich die Arbeiter ohne jeglichen Widerstand. Am 21. März 1884 fand vor dem Bezirksgericht Mariahilf (Wien 6.) der Prozess gegen den noch in Haft sitzenden Wenzel Führer wegen Übertretung der Einmengung in eine Amtshandlung und des Vereinsgesetzes statt, begangen in der Versammlung vom 29. Dezember 1883, wobei der Richter Führer in allen Anklagepunkten freisprach. Allerdings wurde Wenzel Führer aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 am 24. März 1884 aus deren Geltungsbereich für beständig abgeschafft: »Auf Grund des Gesetzes vom 27. Juli 1871, §. 2, R. G. Bl. Nr. 88, wurden von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien mit Erkenntniß vom 12/2. 84, Z. 8829/1411, wegen Theilnahme an der staatsgefährlichen, sozialistischen Propaganda, sohin aus Rücksichten der öffentlichen Ordnung und Sicherheit aus Nieder-Oesterreich für beständig abgeschafft: 1254 Führer Wenzel, Tischlergeh., geb. 1852 u. zust. zu Klentnitz, Bez. Nikolsburg in Mähren, l., verh., mittelgr., mit ovalem Ges., br. H. u . Augenbr. solchem Schnurr- u. schwachem Vollbart, gr. Aug., spitziger Nase, kleinem Mund, ovalem Kinn, einer Narbe auf der linken Wange in der Nähe des Ohres und unter dem rechten Mundwinkel, deutsch sprechend. K. k. Polizei-Direktion Wien 24/3. 84.«12
Wenzel Führer ging er im Sommer 1884 mit seiner Familie ins Exil nach England. 1887 emigrierte Wenzel Führer mit seiner Familie weiter in die USA, wo er sich in New York City (New York, USA) niederließ. Am 18. November 1888 fand in New York City die zweite Versammlung sozialistischer Organisationen statt, mit dem Ziel, alle Organisationen Nordamerikas zu vereinen. Nach dem Scheitern dieses Plans berief Wenzel Führer eine Versammlung zur Gründung einer anarchistisch-kommunistischen Gruppe ein. Führer wurde Mitglied des »Radikalen Arbeiterbunds« und erhielt von diesem ein Mandat für den vom Schriftsteller, Journalisten und Zeitungsherausgeber Johann Most (1846–1906) im Namen der »Internationalen Arbeiterassociation« am 14. Juli 1889 in New York City einberufenen Parteitag mit hundertzwanzig Delegierten aus verschiedenen Orten der USA; allerdings wurden alle Mitglieder des »Radikalen Arbeiterbunds«, darunter Wenzel Führer, als Delegierte nicht anerkannt und aus dem Saal hinausgeworfen. Wenzel Führer, seit 19. Oktober 1892 US-amerikanischer Staatsbürger, zog sich bald darauf aus der Arbeiterbewegung zurück und lebte noch 1922 auf einem kleinen Anwesen in den USA.
Adressen
- Klentnitz, Mähren [Klentnice, Tschechien], Klentnitz 52 (Geburtsadresse)
- Wien 6., Meriavigliagasse 4 (1878)
- Fünfhaus, Niederösterreich [zu Wien 15.], Fünfhausgasse 5 (1880)
- Fünfhaus, Niederösterreich [zu Wien 15.], Friesgasse 9 (1882)
- Fünfhaus, Niederösterreich [zu Wien 15.], Kranzgasse 15 (1884, letzte Wohnadresse in Wien)
Mitarbeiter*innen an Periodika
Die Zukunft (Wien) 1881 bis 1882
Kategorien
Autor / Version / Copyleft
Autor: Reinhard Müller
Version: November 2024
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
Copyleft
Karte
- 1
Vgl. [anonym]: An die Fachgenossen. Wien: [ohne Verlag] 1883, Flugblatt.
- 2
Vgl. [anonym]: Der Reichsrath ist wieder einmal versammelt. [London]: [Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit«] [1880], Flugblatt, später abgedruckt in der Zeitung »Freiheit« (London) vom 12. Februar 1881. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 13. Dezember 1880 in Österreich verboten.
- 3
Zitiert nach [anonym]: Wien, 16. Januar. [Orig.-Ber.] (Redner in der Volksversammlung), in: Neue Freie Presse [/] Morgenblatt (Wien), [19]. Jg., Nr. 6247 (17. Jänner 1882), S. 6.
- 4
Zitiert nach [anonym]: Wien, 16. Januar. [Orig.-Ber.] (Redner in der Volksversammlung), in: Neue Freie Presse [/] Morgenblatt (Wien), [19]. Jg., Nr. 6247 (17. Jänner 1882), S. 6.
- 5
Zitiert nach [anonym]: Die Arbeiter und der Anti-Semitismus, in: Die Presse (Wien), 35. Jg., Nr. 105 (17. April 1882), S. 2.
- 6
Zitiert nach [anonym]: Die Forderungen des vierten Standes, in: Die Presse (Wien), 35. Jg., Nr. 112 (24. April 1882), S. 2–3, hier S. 2.
- 7
Zitiert nach [anonym]: Eine aufgelöste Arbeiter-Versammlung, in: Neue Freie Presse [/] Morgenblatt (Wien), [19]. Jg., Nr. 6469 (30. August 1882), S. 6–7, hier S. 7.
- 8
Vgl. [anonym]: Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk. [London]: [Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit«] [1882], später abgedruckt in der Zeitung »Freiheit« (London), 4. Jg., Nr. 31 (23. September 1882) unter dem Titel »Manifest der socialrevolutionären Arbeiterpartei Oesterreichs an das arbeitende Volk«. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 9. September 1882 in Österreich verboten.
- 9
Vgl. die vom Radicalen Josef Müller (1839–1891) herausgegebene Schrift: Der Hochverraths-Proceß und die Affaire Merstallinger gegen Engel, Pfleger, Berndt, Sommer, Schmidt, Gröbner, Spiegel, Krondorfer, Winter, Masur, Motz, Kompoß, Würges, Wagner, Weich, Spahl, Wetz, Buelacher, Treibenreif, Peukert, Kotidek, Stiaßny, Führer, Gams, Kreps, Schenk, Wordak, Heitzer und Hotze. Verhandelt vor dem k. k. Schwurgericht Wien, vom 8.–21. März 1883. Nach den stenographischen Berichten bearbeitet und wahrheitsgetreu wiedergegeben. Herausgegeben von Josef Müller. VII. Bezirk, Gumpendorferstraße 78. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers 1883, 238 S.
- 10
Vgl. [anonym]: Mahnruf an sämmtliche Bäckergehilfen Wiens und in den Provinzen. [Wien]: [ohne Druckerangabe] [1883], Flugschrift. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 30. März 1883 in Österreich verboten.
- 11
Zitiert nach [anonym]: Peukert’s letzte Rede in Wien, in: Wiener Allgemeine Zeitung [/] Morgenblatt (Wien), [5]. Jg., Nr. 1460 (22. Mai 1884), S. 6.
- 12
[Anonym]: 1254 Führer Wenzel, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien (Wien), Nr. 23 (4. April 1884), S. 92.