Alois Treibenreif (1836–1903)

Persönliche Daten
Namensvarianten
Deckname: Thomas Mandlius
Geburtsdatum
1. November 1836
Sterbedatum
30. Juli 1903
Sterbeort
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch
Berufe

Ehe: keine
Kinder: keine

Biographie

Alois Treibenreif, der Deutsch und etwas Italienisch sprach, absolvierte eine Tischlerlehre und kam als Tischlergehilfe nach Wien, wo er sich 1870 der Arbeiterbewegung anschloss und Mitglied des »Arbeiter-Bildungsvereins« wurde.

Bald darauf ging Alois Treibenreif nach Salzburg (Salzburg), wo er 1874 Obmann des »Arbeiter-Bildungsvereins Salzburg« wurde. Hier hätte am 24. und 25. Mai 1874 eine Vertrauensmännerkonferenz mit Delegierten aus Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg und der Steiermark stattfinden sollen. Das Einschreiten der Behörden machte es notwendig, diese Konferenz ins nahe Salzburghofen [zu Freilassing] (Bayern) zu verlegen, wo das Salzburger Landeskomitee der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« konstituiert und Alois Treibenreif zu dessen Vorstand gewählt wurde. Am 25. August 1874 wurde er in Salzburg wegen Falschmeldung angeklagt, jedoch freigesprochen.

Nachdem der »Arbeiter-Bildungsverein Salzburg« kurz nach der Vertrauensmännerkonferenz vom Mai 1874 behördlich aufgelöst wurde, kehrte Alois Treibenreif nach Wien zurück, um sich von dort aus nach Zürich / Zurich / Zurigo (Kanton Zürich) zu begeben. Hier wurde er 1875 Vorsitzender des »Allgemeinen Bildungs-Vereins Zürich« und lernte übrigens Michail Alexandrowitsch Bakunin ‹Михаил Александрович Бакунин› (1814–1876) persönlich kennen.

Von 1877 bis 1879 hielt sich Alois Treibenreif in München (Bayern) auf. Hier wurde er 1879 vom Bezirksgericht München wegen Unterschlagung und Ehrenbeleidigung zu vierzehn Tagen Haft verurteilt. Danach begab sich Alois Treibenreif nach Hamburg (Freie und Hansestadt Hamburg).

Ende 1879 kehrte Alois Treibenreif wieder nach Wien zurück, wo er rasch zu einem wichtigen Vertreter der radicalen Arbeiterbewegung wurde. Am 15. Februar 1880 wurde er in das Wiener Agitationskomitee der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« und im März 1880 zum Obmann des »Fortbildungs- und Unterstützungs-Vereins der Tischler Wiens« gewählt. Am 21. August 1880 wurde Treibenreif unter dem Verdacht der Verbreitung des illegalen Flugblatts »Unserer freudigen Stimmung«1 verhaftet und erst am 6. Dezember 1880 aus der Untersuchungshaft entlassen. Diese Verhaftung könnte von der Polizei eingefädelt worden sein, denn am Vorabend seiner Festnahme saß er zeitunglesend in einem Lokal, als ihm ein Unbekannter eine Rolle Flugblätter zusteckte. Am nächsten Morgen kam die Polizei, führte eine Hausdurchsuchung durch, fand die Rolle und verhaftete Treibenreif. Vom 10. bis 12. Februar 1881 (eigentlich bis zum Morgen des 13. Februar 1881) fand vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der erste große Wiener Radicalen-Prozess gegen vierzehn Radicale, unter ihnen Alois Treibenreif, statt. Er wurde wegen Weiterverbreitung des verbotenen Flugblatts angeklagt, jedoch freigesprochen.

Im Frühjahr 1881 hatte die Handels- und Gewerbekammer für Österreich unter der Enns den verschiedenen Fachvereinen Fragen zur Gewerbeordnung vorgelegt, als Vorbereitung zu einer Expertise, bei der auch die Meinung der Arbeiter zum Ausdruck kommen sollte. Dies bot auch den Tischlern Gelegenheit, ihre politische Haltung zu Fragen einer Sozialreform kundzutun. In einer Versammlung der Tischlergehilfen im Gasthaus »zum grünen Jäger« (Franz Weißmayer) in Wien 5., Hundsturmer Straße 13 [Schönbrunner Straße], am 13. März 1881, an der achthundert bis tausend Tischlergehilfen teilnahmen, lehnten sie es ab, Delegierte zur Expertise zu entsenden. In einer vier Punkte umfassenden Begründung führten sie aus, dass sie unzählige Male ihren Forderungen in Resolutionen und Petitionen Ausdruck verliehen hätten, dass man diese jedoch immer unberücksichtigt ließ, wie etwa die Forderung nach dem Zehn-Stunden-Tag. Sie erinnerten auch an eine Massenversammlung im Jahr 1872, bei der sich fünftausend Tischlergehilfen für die Aufhebung der Zwangsgenossenschaften ausgesprochen hatten. Sie hätten keine Vertreter in der Genossenschaft und würden derartige Übereinkommen mit nicht von ihnen gewählten Gehilfen nicht anerkennen. Alois Treibenreif wurde als Vorsitzender der Versammlung beauftragt, diesen Beschluss der Handels- und Gewerbekammer zu überbringen. Den Sitzungen wohnte er dann als Beobachter teil, ohne an ihnen aktiv teilzunehmen.

Diese gleichsam offizielle Funktion von Alois Treibenreif ist umso bemerkenswerter, als er zur selben Zeit unter polizeilicher Beobachtung stand. Er selbst berichtete einmal über das Vorgehen dreier Polizei-Detektive: Sie folgten ihm von seiner Wohnung nach Gaudenzdorf (Niederösterreich [zu Wien 12.]), dann ins Redaktionslokal der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) in Wien 6., Gumpendorfer Straße 78, von dort in Richtung Mariahilfer Straße, wo er auf eine Straßenbahn auf- und sogleich wieder absprang. Dann ging es weiter über den Rennweg nach Simmering (Niederösterreich [zu Wien 11.]), wo seine drei Begleiter von drei Mann aus dem Simmeringer Kommissariat abgelöst wurden, die dann Alois Treibenreif in den Prater, Wien 2., begleiteten. Am nächsten Morgen, um halb fünf Uhr früh, standen wieder zwei andere Polizei-Detektive vor dem Haus, in dem er wohnte. Am 26. September 1881 hielt Alois Treibenreif ein Referat vor etwa zweitausend Wiener Bäckergehilfen, welche daraufhin ein Fünferkomitee zur Vorbereitung der Statuten einer radicalen Bäckergewerkschaft wählten.

Mitte November 1881 verließ Alois Treibenreif Wien, um so genannte revolutionäre Gruppen nach den Anweisungen des Journalisten Johann Most (1846–1906) in der Provinz zu organisieren. Er bereiste als Bilderhändler verkleidet Steyr (Oberösterreich), Wels (Oberösterreich), Ried im Innkreis (Oberösterreich), Salzburg (Salzburg), Rosenheim (Bayern), Innsbruck (Tirol), Meran (Tirol [Merano / Meran, Italien]), Bludenz (Vorarlberg), Feldkirch (Vorarlberg) und Bregenz (Vorarlberg), wo er Mitte Februar 1882 verhaftet wurde, jedoch nach zwei Wochen aufgrund einer Intervention des Hof- und Gerichtsadvokaten Sigismund Wolf-Eppinger (1850–1912) wieder freikam. Er begab sich nun für kurze Zeit nach Salzburg (Salzburg), schließlich weiter in die Schweiz.

Vom März bis Oktober 1882 hielt sich Alois Treibenreif in St. Gallen / Saint-Gall / San Gallo (Kanton St. Gallen) auf, um den Schmuggel revolutionärer Druckschriften von der Schweiz nach Österreich zu organisieren.

Am 30. November 1882 kehrte Alois Treibenreif nach Wien zurück. Im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre, also dem von den Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?) und Franz Pfleger (1831–1884) am 4. Juli 1882 verübten Raubüberfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) zur Geldbeschaffung für die radicale Arbeiterbewegung, hatte das Landesgericht Wien am 22. November 1882 unter dem Verdacht des Verbrechens des Hochverrats einen Steckbrief gegen Alois Treibenreif erlassen: »Treibenreif Alois, Tischlergeh., 44 J. alt, zu Klausen in Tirol geb., l., kl., kahlköpfig, mit bld. Voll- u- Schnurrb.«2 Er wurde am 1. Dezember 1882 in einem Massenquartier in Wien verhaftet. Am 13. Dezember 1882 wurde im Zuge der so genannten Merstallinger-Affäre gegen neunundzwanzig Personen, darunter Alois Treibenreif, offiziell Anklage erhoben. Vom 8. bis 21. März 1883 fand vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre statt, der von der Staatsanwaltschaft als großer Schau- und Hochverratsprozess gegen die Wiener Radicalen angelegt wurde. Alois Treibenreif wurde des Verbrechens des Hochverrats angeklagt, wurde aber wie die meisten anderen Angeklagten freigesprochen und aus der Haft entlassen.3

Seinen letzten Auftritt in Wien als Redner hatte Alois Treibenreif am 6. Jänner 1884 in der Arbeiterversammlung im Gasthaus »zu den drei Engeln« (Anton Ott) in Wien 4., Große Neugasse 36, wo er vor über dreitausend Arbeitern unter anderem feststellte: »Wer wird nicht radical sein in einer Zeit, wo uns die Clerikalen aufs Beten und auf ein socialistisches Himmelreich vertrösten!«4 Um einer Auflösung der Versammlung zuvorzukommen, verließ er danach das Podium.

Nach der Verhängung der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 über die Gerichtsbezirke Wien und Korneuburg begab sich Alois Treibenreif im Februar 1884 nach Budapest (Ungarn), von wo er wegen staatsgefährlicher Umtriebe bereits am 8. Mai 1884 aus ganz Ungarn ausgewiesen und nach Marchegg (Niederösterreich) befördert wurde.

Danach hielt sich Alois Treibenreif längere Zeit in Südtirol [Italien] auf. In einem Bericht des Informationsbüros wurde vermerkt, dass keine Anzeichen vorlägen, dass er seine Gesinnung geändert hätte. 1888 suchte Alois Treibenreif um die Ausstellung eines Reisepasses an, der ihm auch bewilligt wurde und mit dem er sich nach Paris (Frankreich) begeben haben soll. Tatsächlich begannen für Treibenreif wieder Jahre der Wanderschaft, während der er aus mehreren Gerichtsbezirken Österreichs ausgewiesen wurde. In dieser Zeit schloss sich Treibenreif dem so genannten linken Flügel der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei« an. Als er sich in Sterzing (Tirol [Vipiteno / Sterzing, Italien]) niederließ, wurde er am 22. Juli 1894 bei der Wahl der Gehilfenausschüsse von den Gehilfen der »Genossenschaft der Bauarbeiter« in den Gehilfenausschuss gewählt. Daraufhin wurde er wegen »extremster sozialistischer Agitation« mit Dekret der Bezirkshauptmannschaft Meran (Tirol [Merano / Meran, Italien]) vom 13. Juli 1894 aus dem politischen Bezirk Meran abgeschafft. Schon am 24. September 1894 wurde er vor dem Bezirksgericht Bozen (Tirol [Bolzano / Bozen, Italien]) der Übertretung des Pressgesetzes angeklagt, jedoch freigesprochen.

Nach Aufhebung seiner Ausweisung kehrte Alois Treibenreif 1898 nach Wien zurück, wo ihm sozialdemokratische Genossen seine Existenz sicherten. Hier war er vor allem während sozialdemokratischer Versammlungen als Kolporteur aktiv. Schwer erkrankt, starb er nach einigen Wochen im Wiedner Krankenhaus in Wien 4., Graf-Starhemberg-Gasse 11–13, an chronischer Nierenentzündung.

Adressen

  • Wien 10., Laxenburger Straße 15 (letzte Wohnadresse; 1903)
  • Wiedner Krankenhaus in Wien 4., Graf-Starhemberg-Gasse 11–13 (Sterbeadresse)
Karte
  • 1

    Vgl. [anonym]: Unserer freudigen Stimmung. London: J. NEVE, 22, Percy Street, Tottenham Court Road, London, W [1880], 1 Bl. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 23. August 1880 in Österreich verboten.

  • 2

    [Anonym]: 4262 Treibenreif Alois, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direction zu Wien (Wien), Nr. 81 (3. Dezember 1882), S. 337.

  • 3

    Vgl. die vom Radicalen Josef Müller (1839–1891) herausgegebene Schrift: Der Hochverraths-Proceß und die Affaire Merstallinger gegen Engel, Pfleger, Berndt, Sommer, Schmidt, Gröbner, Spiegel, Krondorfer, Winter, Masur, Motz, Kompoß, Würges, Wagner, Weich, Spahl, Wetz, Buelacher, Treibenreif, Peukert, Kotidek, Stiaßny, Führer, Gams, Kreps, Schenk, Wordak, Heitzer und Hotze. Verhandelt vor dem k. k. Schwurgericht Wien, vom 8.–21. März 1883. Nach den stenographischen Berichten bearbeitet und wahrheitsgetreu wiedergegeben. Herausgegeben von Josef Müller. VII. Bezirk, Gumpendorferstraße 78. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers 1883, 238 S.

  • 4

    Zitiert nach [anonym]: Arbeiterversammlung, in: Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie (Wien), 25. Jg., Nr. 7 (7. Jänner 1884), S. 4.