Eduard Milý (1858–1923)

Persönliche Daten
Namensvarianten
tschechische Namensform: Edvard Milý
deutsche Namensform: Eduard Mily
in den USA: Edward Mily
Pseudonym: Emil
Pseudonym: Emily
Pseudonym: Nemilý
Pseudonym: Emil Y.
Deckname: Jakob Nowotni
falsche Namensschreibweise: Eduard Mili
falsche Namensschreibweise: Eduard Milly
Geburtsdatum
17. Februar 1858
Sterbedatum
20. Januar 1923
Religionsbekenntnis
konfessionslos
Adressen

Vater: Eduard Milý; tschechische Namensform: Edvard Milý (Millin, Böhmen [Milín, Tschechien] 24. Dezember 1822 – Prag, Böhmen [Praha, Tschechien] 186?): Dekorationsmaler; Heirat mit:
Mutter: Elisabeth Milý, geborene Jelinek; tschechische Namensform: Alžběta Milý, geborene Jelínek: Hausfrau
erste Ehe: in New York City (New York, USA) am 18. Februar 1895 mit Therese Kammerer (Wien um 1865 – ?): Hausfrau; geschieden
Stiefsohn: Edward Kammerer, adoptierter Mily (New York City, New York, USA 25. April 1887 – ?)
zweite Ehe: in New York City (New York, USA) mit seiner Cousine Eva Nabelek, geborene Houdy, verwitwete Nabelek (?, Böhmen [Tschechien] um 1872 – Mays Landing, New Jersey, USA 26. Juli 1954): im Februar 1903 in die USA eingewandert
Stiefsohn: Josef Nabelek, adoptierter Mily; in den USA: Joseph L. Mily (?, Böhmen [Tschechien] um 1898 – ?): im Februar 1903 in die USA eingereist
Stiefsohn: Franz Nabelek, adoptierter Mily; in den USA: Frank Mily; tschechische Namensform: František Nabelek (?, Rumänien 26. März 1901 – ?): im Februar 1903 in die USA eingereist
Stiefsohn: Klemens Nabelek, adoptierter Mily; in den USA: Clemens F. Mily; tschechische Namensform: Klement Nabelek (?, Rumänien 26. März 1901 – Mays Landing, New Jersey, USA 8. Mai 1953): Maschinenschlosser in einer Maschinenwerkstätte; im Februar 1903 in die USA eingereist
Sohn: Edward Mily (New York City, New York, USA 19. November 1903 – New York City, New York, USA 13. April 1946)

Biographie

Eduard Milý, zuständig nach Millin (Böhmen [Milín, Tschechien]), wurde nach dem frühen Tod seines Vaters schon als Kind Halbwaise und wuchs bei ihm fremden Leuten auf. Er absolvierte im November 1876 eine Schriftsetzerlehre. Milý arbeitete als Schriftsetzergehilfe in Zizkow (Böhmen [Žižkov, zu Prag ‹Praha›, Tschechien]), wo er bald zu den wichtigsten Funktionären der tschechoslawischen radicalen Arbeiterbewegung wurde. Er stellte 1881 in einer geheimen Druckerei das erste radicale Flugblatt in tschechischer Sprache – mit fingiertem Druckort und mit November 1880 falsch datiertem Erscheinungsdatum – her: »Našemu narodu!« (An unser Volk!).1 Über die Entstehung dieser Druckschrift verfasste er später eine Broschüre.2 Eduard Milý wurde zwar nicht als Urheber des Flugblatts eruiert, wurde dennoch verhaftet und musste sich zusammen mit dreißig anderen Radicalen, die zwischen August und Dezember 1881 verhaftet wurden, im ersten großen Prozess gegen die böhmischen Radicalen vor Gericht verantworten. Im Prozess, der vom 23. Jänner bis 4. Februar 1882 vor dem Landes- als Strafgericht Prag in geheimer Verhandlung stattfand, wurde Milý der Vergehen gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung und der Geheimbündelei angeklagt. Er wurde wegen Vergehens der Mitgliedschaft in einer geheimen Gesellschaft zu sechs Wochen einfachem Arrest verurteilt. Nach Verbüßung der Strafe wurde Milý aus Prag und dem dazugehörigen Polizeirayon für bestängig abgeschafft und unter polizeiliche Überwachung gestellt: »Die nachstehenden aus Prag für beständig abgeschafften, der Sozialdemokratie angehörigen Individuen sind zu überwachen: [...] 1352 Mily Eduard, Druckergeh., aus Milin, Bez. Přibram, 23 J. alt, I., abgestraft weg. Vergehens der §§. 285, 286 a u. 287 c St.-G. [...] Pol.-Dion. Prag 9/4. 82.«3

Eduard Milý, der nur gebrochen Deutsch sprach, begab sich noch 1882 nach Wien, wo er Geschäftsführer der »Gesellschafts-Buchdruckerei, registrierte Genossenschaft mit unbeschränkter Haftung« in Wien 3., Erdbergstraße 3, unter Leitung von Josef Postolka (~1827–1888) wurde. Seit Februar 1883 war er Herausgeber der Zeitung »Proletář« (Vídeň [Wien]; Der Proletarier), welche nach drei Nummern im April 1883 ihr Erscheinen einstellen musste. Am 15. März 1883 erschien die erste Nummer der Untergrundzeitung »Erste Freie Presse Cisleithanien’s« [Inzersdorf (zu Wien)],4 die in der Wohnung des Tischlergehilfen Johann Slezák (1851–1907) im Auftrag von Eduard Milý vom Schriftsetzer Ferdinand Hübner (~1860–1897) hergestellt wurde. Genau genommen handelte es sich dabei um eine Flugblattzeitung, welche nach drei Nummern im Dezember 1883 eingestellt wurde. Während die Polizei zahlreiche Verhaftungen von Verteilern des Druckwerks vornahm, machte sich die liberale Zeitung »Figaro. Humoristisches Wochenblatt« (Wien) über die »Erste Freie Presse Cisleithanien’s« lustig: »In sämmtlichen Bezirken und in den Vororten wurde eine gedruckte Flugschrift sozial-revolutionären Inhaltes in Massen ausgestreut und auch an die Häuser geklebt; sie führt den Titel ›Erste freie Presse Zisleithaniens‹. Ein neuerlicher Beweis, daß sich unsere Sozialisten nur mit Hirngespinnsten befassen.«5 Am 8. April 1883 wurden in Wien der Herausgeber und der Schriftleiter der Zeitung »Proletář« wegen Vergehens der Aufreizung gegen die Behörde und gegen einzelne Volksklassen verhaftet: Eduard Milý in seiner Wohnung in Wien 3., Rasumofskygasse 2, der in Meidling (Niederösterreich [zu Wien 12.]) wohnhafte Schriftleiter, der Kürschnergehilfe Johann Petržílek (1855–1946), im Redaktionslokal der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) in Wien 6., Gumpendorfer Straße 78. Am 13. April 1883 fand vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess gegen die beiden verhafteten Radicalen statt. Anlässlich mehrerer in der ersten Nummer (3. Februar 1883) der Zeitung »Proletář« veröffentlichten Artikel wurden wegen Verbrechens und Vergehens der Störung der öffentlichen Ruhe sowie der Vergehen der Aufreizung zu Hass und Verachtung, der Gutheißung ungesetzlicher Handlungen Eduard Milý zu sechs und Johann Petržílek zu vier Monaten schwerem Kerker verurteilt, und da sie nicht nach Wien zuständig waren, wurden beide nach Verbüßung der Strafe aus Niederösterreich ausgewiesen.

Eduard Milý begab sich im Herbst 1883 nach Budapest (Ungarn), wo er wieder als Schriftsetzer Arbeit fand und in der radicalen Arbeiterbewegung weiterhin aktiv war. Im Zusammenhang mit dem am 10. Jänner 1884 in Wien erfolgten Raubmord in der Eisert’schen Wechselstube wurde über Ersuchen der Wiener Polizei am 1. März 1884 in Budapest der Schneidergehilfe und nunmehrige Fabrikarbeiter und Redakteur Ármin Práger (1851–1905) verhaftet. Bei der Hausdurchsuchung wurden in seiner Wohnung, Dob utcza 10 (Trommelgasse), die erhofften Wertpapiere aus dem Eisert’schen Raubmord zwar nicht gefunden, dafür aber mehrere Exemplare der Zeitungen »Freiheit« (New York), »Die Zukunft« (Budapest) und »Radikal« (Budapest) sowie das Flugblattgedicht »An Se. ›Excellenz‹ den Minister Taaffe. Vorwärts Staatsraison!«6 Ármin Prágers Zimmergenosse Eduard Milý konnte sich unter dem Decknamen »Jakob Nowotni« seiner Verhaftung noch rechtzeitig durch Flucht entziehen. Sein Versuch, durch einen Boten den Koffer mit seinen Habseligkeiten aus der Wohnung holen zu lassen, wurde von der Polizei vereitelt. Der königliche Gerichtshof in Budapest erließ am 5. Juni 1884 einen Steckbrief gegen den Futteralmacher August Koditek (1855–?) und Eduard Milý: »2204 Kotidek [!] August [...] u. 2205 Mili Eduard, Schriftsetzer, zu Prag im J. 1858 geb., nach Milin zust., konfessionslos, led., etwas mehr als mittelgr., sehr kräftig, mit längl., blassem Ges., dunkelbld., dichten, hinaufgekämmten H., hoher, auf beiden Seiten etwas kahler Stirne, bld. Augenbr., etwas gespitzer Nase, unten, jedoch vom Rauchen wahrscheinlich geschwärzten Zähnen, dunkelbld. Schnurrb., lichterem, schütterem, an den Seiten fast röthl . Vollb., böhmisch u . gut deutsch mit böhmischer Aussprache sprechend, zuletzt befl. mit br. Ueberzieher, niederem, steifem, schwz. Hute, bis zum 1. März l. J. h. o . wohuh. [!] und in der Buchdruckerei des Filipp Várnai beschäftigt u. von hier wahrscheinlich mit Benützung eines auf den Namen des Zimmermalers Jakob Nowotni lautenden Arbeitsbuches flüchtig geworden, werden h. g. wegen Theilnehmung am Morde u. wegen Hehlerei verfolgt u. sind eindringlichst auszuforschen, sofort zu verhaften u. an die nächste kön. Staatsanwaltschaft einzuliefern. Kön . Gerichtshof Budapest 5/6. 84.«7

Eduard Milý ging im Oktober 1883 nach London (England) ins Exil. Seit 1884 half er hier beim Satz der Zeitung »Der Rebell« (Nirgendsheim [d. i. London]) mit.

Im August 1884 emigrierte Eduard Milý in die USA, wo er sich in New York City (New York, USA) niederließ. Seit 18. September 1894 US-amerikanischer Staatsbürger, war er wieder als Schriftsetzer tätig und war langjähriges Mitglied der »Deutsch-Amerikanischen Typographia«. Vor allem aber exponierte sich Milý als Anarchist in der tschechischen anarchistischen Bewegung in New York City. Um 1887 arbeitete er gemeinsam mit Jan Petržílek an der Entwicklung eines Apparats, mit dem sie auf fotografischem Weg Mikroflugblätter erzeugen wollten, die wegen ihres kleinen Formats für den Schmuggel besonders geeignet wären und mit einer Lupe trotzdem leicht gelesen werden könnten. Er war auch Mitbegründer der Gruppe »Bezvládí« (Die Anarchie) und der Zeitung »Volné Listy« (New York; Freie Blätter), an der er 1890 bis 1893 mitarbeitete. Außerdem übersetzte er für die Schriftenreihe »Mezinárodní knihovna« (New York; Internationale Bibliothek) mehrere Broschüren.

Adressen

  • Wien 3., Rasumofskygasse 2 (1883)

  • Budapest, Ungarn, Dob utcza 10 (Trommelgasse) (!884)

  • New York City, New York, USA, 415 E, 106 Street (1894)

  • New York City, New York, USA, Manhattan State Hospital (Sterbeadresse)

Bücher und Broschüren

  1. K dějinám jednoho letáku a revolučního tajného tisku v Rakousku a Čechách. Napsal Emil Y. New York: Skupina »Bezvládí« 1906 (= Mezinárodní knihovna. 20.), 19 S. Erschien unter dem Pseudonym »Emil Y.«. Tschechisch: Zur Geschichte eines Flugblatts und der revolutionären geheimen Druckerei in Österreich und Böhmen. Verfasst von Emil Y.

Übersetzer

  1. Krasser, Friedrich (1818–1893): Anti-Syllabus od dra. Heřmana Krassera. Přeložil E. Y. Příloha »Volných Listů«. New York: [Volné Listy] 1890 (= Mezinárodní knihovna. 2.), 7 S. Erschien unter dem Autorennamen »Heřman Krasser«. Übersetzer: Eduard Milý. Original: Anti-Sillabus. Von Dr. Hermann Krasser in Hermannstadt in Siebenbürgen. Braunschweig [1870]; zuerst anonym in: Siebenbürgische Blätter (Hermannstadt [Sibiu]), 1869. Tschechisch: Anti-Syllabus von Dr. Hermann Krasser. Übersetzt von E. Y. Beilage zu »Freie Blätter«.
    b) Most, Johann (1846–1906) / Krasser, Friedrich (1818–1893): Náboženský mor. Napsal Jan Most. – Anti-Syllabus. Napsal Heřman Krassera. New York: Skupina »Bezvládí« 1907 (= Mezinárodní knihovna. 21.), 14 S. Erschien unter dem Autorennamen »Heřman Krasser«. Ungenannter Übersetzer: Eduard Milý. Original: John Most: Die Gottespest. – Hermann Krasser: Anti-Syllabus. 12. vermehrte und verbesserte Auflage. New York 1887. Tschechisch: Die Religionsseuche. Verfasst von Jan Most. – Anti-Syllabus. Verfasst von Herman Krasser.

  2. Mackay, John Henry (1864–1933): Stařec a jinoch. Od spisovatele sbírky básní »Sturm« (Bouře). Přeložil E. Y. Příloha »Volných Listů«. New York: [Volné Listy] 1890 (= Mezinárodní knihovna. 5.), 8 S. Übersetzer: Eduard Milý. Original: Der Alte und der Junge. Ein Zwiegespräch von dem Verfasser von »Sturm«. Herausgegeben von der Gruppe »Autonomie«. London 1888, anonym erschienen. Tschechisch: Der Alte und der Junge. Ein Zwiegespräch vom Verfasser des »Sturm«(Sturm). Übersetzt von E. Y. Beilage zu »Freie Blätter«.

  3. Kropotkin, Pjotr Alexejewitsch ‹Кропоткин, Пётр Алексеевич› (1842–1921): Revoluční vlády. Od Petra Krapotkina. Přeložil E. Y. Příloha »Volných Listů«. New York: [Volné listy] 1890 (= Mezinárodní knihovna. 6.), 16 S. Erschien unter dem Autorennamen »Petr Krapotkin«. Übersetzer: Eduard Milý; übersetzt wurde die deutschsprachige Übersetzung. Original: Le Gouvernement pendant la révolution, in: Le Révolté (Genève), 2. September bis 14. Oktober 1882; später Wiederabdruck unter dem Titel: Le Gouvernement révolutionnaire. Tschechisch: Revolutionäre Herrschaft. Von Petr Krapotkin. Übersetzt von E. Y. Beilage zu »Freie Blätter«.

  • Proletář (Vídeň [Wien]; Der Proletarier) 1883

  • Volné Listy (New York; Freie Blätter) 1890 bis 1893

Karte
  • 1

    Vgl. [anonym]: Našemu narodu! Londyn [recze Praha]: Ceský klub [recte Eduard Milý] listopadu 1880 [recte Juni 1881]; Flugblatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 27. Juni 1881 in Österreich verboten.

  • 2

    Vgl. Emil Y. [d. i. Eduard Milý]: K dějinám jednoho letáku a revolučního tajného tisku v Rakousku a Čechách. Napsal Emil Y. New York: Skupina »Bezvládí« 1906 (= Mezinárodní knihovna. 20.), 19 S. Tschechisch: Zur Geschichte eines Flugblatts und der revolutionären geheimen Druckerei in Österreich und Böhmen. Verfasst von Emil Y.

  • 3

    [Anonym]: 1352 Mily Eduard, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien (Wien), Nr. 28 (21. April 1882), S. 115.

  • 4

    Vgl. Erste Freie Presse Cisleithanien’s. Nr. 1. Volk und Parlament. [Inzersdorf (zu Wien)]: [Johann Ehn und Franziska Faber] März 1883, 1 Blatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 18. März 1883 in Österreich verboten.

  • 5

    [Anonym]: In sämmtlichen Bezirken und in den Vororten […], in: Figaro. Humoristisches Wochenblatt (Wien), 27. Jg., Nr. 14 (7. April 1883), S. [53].

  • 6

    Vgl. [anonym]: An Seine ›Excellenz‹ den Minister Taaffe. Vorwärts Staatsraison! [Budapest]: Quittner József [1884], 1 Blatt. Die Weiterverbreitung des Druckwerks wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 28. Februar 1884 in Österreich verboten. Betrifft unter anderem Eduard Graf Taaffe (1833–1895).

  • 7

    [Anonym]: 2204 Kotidek August, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien  (Wien), Nr. 40 (15. Juni 1884), S. 157.