Karl Lenk (1865–1926)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Mutter: Theresia Lenk: Wirtschafterin
Vater: Jakob Würges; d. i. Jacob Würges (Hofen, Nassau [zu Runkel, Hessen] 8. September 1842 – Wien 15. März 1895): Anstreichergeselle; Sozialdemokrat, dann Radicaler, Anarchist
Stiefmutter: Agnes Würges, geborene Agnes Wilhelmine Pierschke (Groß Wartenberg, Preußen [Syców, Polen] 23. Oktober 1837 – Wien 12. April 1895): Hausfrau; Radicale
Stiefschwester: Agnes Anna Würges (Ottakring, Niederösterreich [zu Wien 16.] 10. Dezember 1870 – ?)
Stiefschwester: Amalia Christine Würges (Ottakring, Niederösterreich [zu Wien 16.] 25. August 1872 – ?)
Ehe: in Wien am 15. Jänner 1893 mit Rosa Kraus (Wien 12. Mai 1866 – Wien Mai 1931): Hausfrau; römisch-katholisch; gerichtlich geschieden
Sohn: Karl Borromäus Kraus, mit 9. April 1893 legitimierter Lenk (Wien 23. März 1893 – Wien September 1940)
Tochter: Melanie Lenk (Wien 17. März 1896 – Wien 15. März 1909): an einer Lungenentzündung verstorben
Tochter: Leopoldine Anna Lenk (Wien 18. Oktober 1898 – Wien Oktober 1988)
Biographie
Karl Lenk, geboren im Herzogtum Nassau und zuständig nach Klumtschan (Böhmen [Chlumčany (okres Plzeň-jih)]), zog zu seinem Stiefvater Jakob Würges (1842–1895) nach Wien. Er hatte gerade eine Buchbinderlehre absolviert, als er in die radicale Arbeiterbewegung involviert wurde. Am 15. August 1881 beschlagnahmte die Polizei eine als Kinderwäsche deklarierte Lieferung von achtundzwanzig Exemplaren der Nummer 33 der Zeitung »Freiheit« (London), adressiert an seine Stiefmutter, die Hausfrau Agnes Würges (1837–1895), und deren Stiefsohn Karl Lenk, außerehelicher Sohn des Anstreichergesellen Jakob Würges. Am 11. September 1881 erhielt die Polizei die Anzeige, dass Radicale das Flugblatt »An das österreichische Volk«1 anschlagen wollen. In der Nacht wurde dieses tatsächlich an mehreren Orten Wiens und in den Vororten hinterlegt, ausgestreut und plakatiert. Am 12. September 1881 wurden Karl Lenk auf der Straße von einem angeblich Unbekannten zwei Pakete dieser Flugschrift übergeben. Noch am selben Tag wurde in der Wohnung von Jakob Würges in Ottakring (Niederösterreich [zu Wien 16.]), wo Karl Lenk wohnte, eine Hausdurchsuchung vorgenommen, Lenk festgenommen. Karl Lenk wurde am 13. September 1881 ins Landesgericht Wien eingeliefert, doch bald ohne Anklageerhebung aus der Untersuchungshaft entlassen. Das Ehepaar Würges erblickte in dieser Aktion mit nachfolgender Hausdurchsuchung eine Falle der Genossinnen und Genossen der radicalen Arbeiterbewegung, weil Jakob Würges – ungerechter Weise – unter dem Verdacht stand, ein Polizeispitzel zu sein. Am 6. September 1882, ab zwei Uhr morgens, führten über dreißig Polizisten neuerlich Hausdurchsuchungen durch, angeblich wegen der jüngst erschienenen radicalen Flugschrift »Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk«.2 Diese Aktion fand wohl eher im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre statt, also dem Überfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) am 4. Juli 1882 zwecks Beschaffung von Geld für eine geheimen Druckerpresse der Radicalen. Unter den sechsundzwanzig verhafteten Wiener Radicalen befanden sich Jakob Würges und Karl Lenk, der aber am 18. November 1882 ohne Anklageerhebung wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Im Prozess, der vom 8. bis 21. März 1883 vor dem Landes- als Schwurgericht Wien anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre gegen die neunundzwanzig Wiener Radicalen verhandelt wurde, wurde auch sein Vater Jakob Würges des Verbrechens des Hochverrats angeklagt. Karl Lenk selbst trat nur als Zeuge auf. Er gab zu, dass er im Auftrag von einem der beiden Attentäter, dem Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?), einen anonymen Brief an Josef Merstallinger geschrieben habe, damit dieser seine Haushälterin entlasse, und belastete durch seine Aussagen Josef Engel schwer.1
Nach diesem Prozess zog sich Karl Lenk aus der radicalen Arbeiterbewegung zurück und arbeitete zuletzt als Lackierergehilfe.
Adressen
- Ottakring, Niederösterreich [zu Wien 16.], Ottakring 404 (1870)
- Ottakring, Niederösterreich [zu Wien 16.], Grüllemeiergasse 3 (1870)
- Ottakring, Niederösterreich [zu Wien 16.], Abelegasse 34 (1872)
- Ottakring, Niederösterreich [zu Wien 16.], Dettergasse 12 (1881)
- Wien 16., Rittergasse 18 [Deinhardsteingasse] (1893)
- Wien 3., Trubelgasse 6 (letzte Wohnadresse)
- Wien 3., Boerhaavegasse 98 (Sterbeadresse)
Mitarbeiter*innen an Periodika
- Die Zukunft (Wien) 1882 (K. Würges)
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Autor / Version / Copyleft
Autor: Reinhard Müller
Version: Juni 2024
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
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Karte
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Vgl. [anonym]: An das österreichische Volk. [Wien]: [ohne Verlag] [1881]; Neuauflage der am 19. August 1881 beschlagnahmten Flugschrift, nunmehr mit dem Vermerk des Bedauerns versehen, dass die ganze letzte Auflage von der löblichen Polizei-Behörde konfisziert wurde. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 10. November 1881 in Österreich verboten.
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Vgl. die vom Radicalen Josef Müller (1839–1891) herausgegebene Schrift: Der Hochverraths-Proceß und die Affaire Merstallinger gegen Engel, Pfleger, Berndt, Sommer, Schmidt, Gröbner, Spiegel, Krondorfer, Winter, Masur, Motz, Kompoß, Würges, Wagner, Weich, Spahl, Wetz, Buelacher, Treibenreif, Peukert, Kotidek, Stiaßny, Führer, Gams, Kreps, Schenk, Wordak, Heitzer und Hotze. Verhandelt vor dem k. k. Schwurgericht Wien, vom 8.–21. März 1883. Nach den stenographischen Berichten bearbeitet und wahrheitsgetreu wiedergegeben. Herausgegeben von Josef Müller. VII. Bezirk, Gumpendorferstraße 78. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers 1883, 238 S.
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Vgl. [anonym]: Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk. [London]: [Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit«] [1882], später abgedruckt in der Zeitung »Freiheit« (London), 4. Jg., Nr. 31 (23. September 1882) unter dem Titel »Manifest der socialrevolutionären Arbeiterpartei Oesterreichs an das arbeitende Volk«. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 9. September 1882 in Österreich verboten.