Ferdinand Barth (1862–1913)

Persönliche Daten
Namensvarianten
falsche Namensschreibweise: Ferdinand Bart
Geburtsdatum
10. Mai 1862
Geburtsort
Sterbedatum
21. Juli 1913
Sterbeort
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch
Berufe

Vater: Jacob Barth (St. Johann am Wimberg, Oberösterreich um 1831 – ?), Sohn einer Weberin und eines Webers: verwitweter Gastwirt, bei Ferdinand Barths Geburt Inwohner; Heirat in erster Ehe Deutschfeistritz (Steiermark) am 6. März 1859 mit der seit 22. August 1858 verwitweten Gastwirtin Anastasia Dösinger, geborene Aschereither (Hollenstein an der Ybbs, Niederösterreich 1790 – Peggau, Steiermark 24. August 1861), Tochter einer Fischerin und eines Fischers: Gastwirtin; Heirat in zweiter Ehe in Deutschfeistritz (Steiermark) am 3. November 1861 mit:
Mutter: Juliana Barth, geborene Schillinger (Peggau, Steiermark 1840 – Peggau, Steiermark 7. Februar 1883): Hausfrau
Ehe: mit Marie [?] (? – Wien 3. Oktober 1934, Freitod): Hausfrau
Tochter: eine

Biographie

Ferdinand Barth absolvierte eine Lehre als Schriftsetzer und wurde Mitglied der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« in Graz (Steiermark). Er gehörte zunächst dem Lager der Gemäßigten an, war allerdings Proponent des am 9. März 1879 in Graz gegründeten »Ersten steiermärkischen Arbeiterbundes für alle Erwerbszweige«, der seit 1880 zu einer Hochburg der radicalen Arbeiterbewegung und am 2. Jänner 1882 behördlich aufgelöst wurde.

Ferdinand Barth übersiedelte im Jänner 1882 nach Wien, wo er sich neuerlich als Anhänger der Gemäßigten positionierte. Dies zeigte sich in der Volksversammlung, die am 25. März 1882 in »Zobel’s Bierhalle« (Franz Zobel) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Gasgasse 4–6 / Zwölfergasse 3–15, stattfand. Diese Versammlung war die erste erfolgreiche öffentliche Manifestation der Radicalen gegen das Wahlrecht, wobei Barth sich eindeutig für das Wahlrecht aussprach. Auf der Volksversammlung zur Tagesordnung »Die Stellung der Arbeiter zur Antisemiten-Bewegung«, die am 16. April 1882 in den »Drei-Engel-Sälen« des Gasthauses »zu den drei Engeln« (Josef Renz) in Wien 4., Große Neugasse 36, stattfand, wurde die Resolution Ferdinand Barths bei etwa 100 Gegenstimmen angenommen, dass das Programm der sozialistischen Arbeiterpartei »mit der jetzt in Wien existirenden Anti-Semiten-Bewegung nichts gemein« habe: »Die Versammlung ist sich bewußt, daß die Arbeiter nur Einen Gegner haben, und dieser ist das Capital, und da dieses confessionslos und international ist, so müssen es auch die Arbeiter sein.«1 Barth, der hier eine konfessionslose Arbeiterbewegung forderte, war im Gegensatz zu vielen Radicalen nie aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten. Im selben Lokal fand am 31. August 1882 eine vom »Politischen Verein ›Wahrheit‹« der Gemäßigten einberufene Versammlung zur so genannten Merstallinger-Affäre – der Überfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) am 4. Juli 1882 zwecks Beschaffung von Geld für eine geheimen Druckerpresse2 – statt, an der nur mehr Gemäßigte teilnehmen konnten. Barth fühlte sich im Gegensatz zu den Anwesenden bemüßigt, Entschuldigungsgründe für das Attentat anzuführen, und er schloss: »Wenn man uns ganz außerhalb des Rahmens des Gesetzes stellt, so werden wir auch nicht innerhalb des Rahmens desselben verbleiben.«3

Nach der Zerschlagung der radicalen Arbeiterbewegung durch die Behörden und nach der durch den so genannten Einigungsparteitag von Hainfeld (Niederösterreich) zur Jahresende 1888/1889 vollzogenen Spaltung der sozialistischen Arbeiterbewegung brach Ferdinand Barth mit der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei«. Im Februar 1892 kehrte er nach Graz zurück. Hier wurde er ein wichtiger Vertreter der anarchistischen Unabhängigen Socialisten, zu deren Hauptrednern er in Graz zählte. Außerdem war er Proponent und Obmann des am 8. August 1892 gegründeten anarchistischen politischen Vereins »Steiermärkischer Arbeiterbund« mit Sitz in Graz und Wirkungsbereich Steiermark. Bei der Neuwahl des Vorstandes am 19. Februar 1893 – der Verein zählte damals dreiundfünfzig Mitglieder – wurde Barth als Obmann wiedergewählt, der Bäckergehilfe August Krčal (1860–1894) zum Obmann-Stellvertreter gewählt. Am 19. März 1893 wurde Barth zusammen mit August Krčal verhaftet, weil er im Namen des »Steiermärkischen Arbeiterbundes« für den 18. März 1893 zu einer auf geladene Gäste beschränkte »Feier der Commune vom Jahre 1871 in Paris« in das Gasthaus »zum Bergwirt«, Lendplatz 27, eingeladen hatte. Nach erfolgloser Hausdurchsuchung wurde Barth zwar am 21. März 1893 aus der Haft entlassen. Allerdings musste sich Barth wegen dieser Feier am 29. März 1893 vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Graz wegen Vergehens der Gutheißung ungesetzlicher Handlungen verantworten. Um Demonstrationen für den Angeklagten zu unterbinden, wurde der Prozess ohne vorherige Ankündigung und zu nächtlicher Stunde durchgeführt. Barth wurde im Sinne der Anklage zu einem Monat Arrest verurteilt. Unmittelbar nach seiner Freilassung wurde er zu einer Truppenübung einberufen, besuchte aber noch am Vorabend die Erste Mai-Feier der Grazer Unabhängigen Socialisten – in Uniform. Da er dadurch des Kaisers Rock geschändet habe, wurde Barth am 2. Mai 1893 mit Kasernen-Arrest belegt und nach acht Tagen beim Regimentsrapport zu einundzwanzig Tagen strengem Arrest verurteilt, verschärft durch Fasten jeden zweiten Tag und alle drei Tage zweimal sechs Stunden Spangen bei hartem Lager.

Nach seiner Freilassung übersiedelte Ferdinand Barth nach Wien, wo er bei der anarchistischen Zeitung »Die Zukunft« (Wien) Arbeit gefunden hatte und mit seiner Ehefrau in deren Administrationslokal wohnte.

Folgenreich war die Affäre um die unter Mitarbeit des Schneidermeisters Johann Risman (1864–1936) von August Krčal verfasste, im Juni 1893 veröffentlichte Broschüre »Zur Geschichte der Arbeiter-Bewegung Oesterreichs. 1867–1892. Eine kritische Darlegung«.4 Die Schrift, die in ihrer gesamten Auflage von 5.000 Stück beschlagnahmt und bis auf einige wenige, für das strafrechtliche Verfahren benötigte Exemplare vernichtet wurde, lieferte den Vorwand für die Verhaftung von August Krčal und Johann Risman am 19. Juni 1893 und deren Einlieferung in das Grazer Landesgericht. Im Zusammenhang damit wurde auch Ferdinand Barth am 8. August 1893 in Wien verhaftet und am 11. August 1893 in das Landesgericht Graz überstellt. Wegen dieser Broschüre fand am 1. und 2. Dezember 1893 vor dem Oberlandes- als Schwurgericht Graz unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Hochverratsprozess gegen Ferdinand Barth, August Krčal und Johann Risman statt. Krčal und Risman wurden der Verbrechen des Hochverrats, der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie einiger weiterer Delikte angeklagt. Und Barth habe durch die Besorgung der Drucklegung dieser Broschüre der Ausführung dieser Verbrechen Vorschub geleistet. Zwar endete der Prozess mit einem Freispruch aller drei Angeklagten, doch danach änderte sich die Lage der steirischen Anarchistinnen und Anarchisten grundlegend. Johann Risman zog sich nun aus der anarchistischen Bewegung zurück, August Krčal erlag der während der fünfmonatigen Untersuchungshaft akut gewordenen Tuberkulose am 16. August 1894, und Ferdinand Barth kehrte nach Wien zurück.

Ferdinand Barth, der in Wien wieder als Schriftsetzer arbeitete, war auch hier als wichtiger Agitator der Unabhängigen Socialisten aktiv. Außerdem war er Redakteur und vom Mai bis September 1894 Mitherausgeber der 1892 bis 1896 erschienenen anarchistischen Zeitung »Die Zukunft« (Wien). Wegen eines Artikels in dieser Zeitung wurde er am 12. August 1894 zusammen mit dem Redakteur, dem Schuhmachergehilfen Josef Huber (~1867–?), verhaftet und am 28. September 1894 vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Aufwiegelung zu Feindseligkeiten gegen die besitzenden Klassen angeklagt. Huber wurde freigesprochen, und die Anklage gegen Barth wurde vom Staatsanwalt zurückgezogen, weil ihm die Kenntnis des beanstandeten Artikels nicht nachgewiesen werden konnte. Am 26. Mai1895 wurde Barth in den Gehilfenausschuss der Buchdrucker und Schriftgießer gewählt. Allerdings zog er sich – wohl vor allem aus familiären Gründen – in den nächsten Jahren Schritt für Schritt aus der anarchistischen Bewegung zurück. Er engagierte sich nunmehr in der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbewegung, war aber angeblich nie Mitglied der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei«. Dafür war der begeisterte Sänger Barth Mitglied des »Gesangvereins ›Freie Typographia‹« und des Sängerchors des »Klubs der Zeitungssetzer Wiens«. Und er besuchte alle größeren Veranstaltungen der Wiener Anarchistinnen und Anarchisten, trat aber als anarchistischer Agitator nie wieder in Erscheinung. Ferdinand Barth, der zuletzt als Schriftsetzer bei der Zeitung »Neues Wiener Tagblatt« (Wien) arbeitete, starb nach langer Krankheit am 21. Juli 1913 in Wien an »Erschöpfung bei Hirnschwund« in der Niederösterreichischen Landes Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof.5

Adressen

  • Peggau, Steiermark, Peggau 41 (Geburtsadresse)
  • Graz, Steiermark, Brockmanngasse 55 (1893)
  • Wien 5., Kohlgasse 1 (1894)
  • Wien 9., Pfluggasse 5 (letzte Wohnadresse)
  • Wien 14., Niederösterreichische Landes Heil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke, Baumgartner Höhe 1 (Sterbeadresse)

Nachrufe

  • [Anonym]: Es ist ein seltsames Zusammentreffen [...], in: Wohlstand für Alle (Wien), 6. Jg., Nr. 15 (13. August 1913), S. [8].
Karte
  • 1

    Zitiert nach [anonym]: Die Arbeiter und der Anti-Semitismus, in: Die Presse (Wien), 35. Jg., Nr. 105 (17. April 1882), S. 2.

  • 2

    Vgl. die vom Radicalen Josef Müller (1839–1891) herausgegebene Schrift: Der Hochverraths-Proceß und die Affaire Merstallinger gegen Engel, Pfleger, Berndt, Sommer, Schmidt, Gröbner, Spiegel, Krondorfer, Winter, Masur, Motz, Kompoß, Würges, Wagner, Weich, Spahl, Wetz, Buelacher, Treibenreif, Peukert, Kotidek, Stiaßny, Führer, Gams, Kreps, Schenk, Wordak, Heitzer und Hotze. Verhandelt vor dem k. k. Schwurgericht Wien, vom 8.–21. März 1883. Nach den stenographischen Berichten bearbeitet und wahrheitsgetreu wiedergegeben. Herausgegeben von Josef Müller. VII. Bezirk, Gumpendorferstraße 78. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers 1883, 238 S.

  • 3

    Zitiert nach [anonym]: Eine Kundgebung der Arbeiter, in: Neue Freie Presse (Wien), [19]. Jg., Nr. 6471 (1. September 1882), S. 6.

  • 4

    Vgl. August Krčal: Zur Geschichte der Arbeiter-Bewegung Oesterreichs. 1867–1892. Eine kritische Darlegung von August Krčal. Graz: Selbstverlag des Verfassers 1893, 52 S.

  • 5

    Vgl. auch den Nachruf von [anonym]: Es ist ein seltsames Zusammentreffen [...], in: Wohlstand für Alle (Wien), 6. Jg., Nr. 15 (13. August 1913), S. [8].