Eduard Doleschal (1848–1883)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Ehe: mit Karoline [?]
Kind: eines
Biographie
Eduard Doleschal absolvierte eine Tischlerlehr und kam als Tischlergehilfe nach Wien, wo er sich früh der radicalen Arbeiterbewegung anschloss. Zum Verhängnis wurde ihm die so genannte Affäre »zum grünen Thor«, bei der Wiener Arbeiterinnen und Arbeiter erstmals den gegen ihre Versammlung einschreitenden Behörden – zweifellos spontanen – Widerstand entgegensetzen. Am 4. Dezember 1881 feierten etwa sechzig Arbeiter mit ihren Familien, zusammen rund hundertfünfzig Personen, im Gasthaus »zum grünen Thor« (Franz Josef Markert) in Neulerchenfeld (Niederösterreich [zu Wien 8.]), Lerchenfelder Straße 17, das Barbarafest. Da erschien der in Arbeiterkreisen berüchtigte Polizeikommissär Franz Kadlec (1841–1898) mit zwei Wachmännern in Zivil, machte sich Notizen und forderte einige Arbeiter zur Bekanntgabe ihrer Namen auf. Die Arbeiterinnen und Arbeiter wurden unruhig. »Wir brauchen keine Polizei!« wurde gerufen, einige stimmten gegen 22 Uhr auf Aufforderung von Eduard Doleschal das Lied »Die rote Fahne« an, ein Arbeiter setzte sich zu Franz Kadlec und begann das Lied »Der Staat ist in Gefahr« zu singen. Ein andrer Arbeiter brachte den Toast aus: »Der Most soll leben!«, um nach einer kurzen Pause hinzuzufügen: »Derselbe ist ja heuer gut geraten.«1 Franz Kadlec fragte diesen Arbeiter nach seinem Namen und erhielt die Antwort: »Heute heiße ich gar nichts.« Daraufhin wollte ihn der Polizeikommissär festnehmen lassen, doch irgendjemand rief: »Lasst keine Opfer fallen, Genossen!« und »Wir lassen unsern Kameraden nicht verhaften!« Ein Tumult brach los, Stühle wurden drohend geschwungen, Gläser in Richtung Franz Kadlec geworfen, und es ertönte der Ruf: »Nieder mit der Polizei!« Als Kadlec seinen Säbel ziehen wollte, wurde ihm dieser aus der Hand gerissen und zerbrochen. Franz Kadlec versuchte nun, die zum Hof führende Tür zu erreichen, doch verstellte ihm ein Arbeiter den Fluchtweg. Kurz darauf stürzten sich einige Arbeiter auf Kadlec und misshandelten ihn schwer. Neben Abschürfungen erlitt Kadlec auch zwei schwere Wunden, am Hinterkopf und an der rechten Schläfe, sowie leichtere Verletzungen an der rechten Achsel und an einem Finger. Schließlich erschien eine größere Abteilung Sicherheitswache, doch der Großteil der Arbeiterinnen und Arbeiter konnte flüchten, indem sie die Fensterscheiben zerschlugen und durch die Fenster ins Freie gelangten. Noch im Laufe der Nacht wurden insgesamt zwölf Personen verhaftet, darunter auch der erst vor zwei Monaten aus dem Norden Deutschlands nach Wien gekommene Inhaber des Lokals Franz Josef Markert, weil er angeblich selbst in den Angriff auf Franz Kadlec involviert war und die Herausgabe eines Tuches zum Verbinden der Wunden von Kadlec verweigert habe, ebenso der Aushilfskellner Franz Gröbner (1856–?) wegen Vergehens des Auflaufs, der aber bald ohne Anklageerhebung aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Am 6. Dezember 1881 wurden weitere vier Verhaftungen vorgenommen. Der Zustand von Franz Kadlec, der schon bei einem ähnlichen Vorfall am 16. Juni 1872 schwer verletzt worden war, verschlechterte sich einen Tag nach diesem Vorfall durch Wundfieber. Kadlec konnte erst am 25. Dezember 1881 seinen Dienst wieder antreten.
Am 20. Jänner1882 fand anlässlich der so genannten Affäre »zum grünen Thor« vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess gegen Eduard Doleschal und den Metalldrechsler Franz Mangl (~1856–?) statt. Doleschal gab zu, dem Polizeikommissär Franz Kadlec ein Henkelglas an den Kopf geworfen sowie diesen am Hals gehalten und dann zu Boden geworfen zu haben, und Mangl gestand den Wurf zweier Gläser auf den Kopf des Polizeikommissärs. Im Sinne der Anklage wurden wegen Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit Eduard Doleschal zu drei und Franz Mangl zu zwei Jahren schwerem Kerker, jeweils verschärft durch einen Fasttag im Monat, verurteilt. Anlässlich der so genannten Affäre »zum grünen Thor« fand ein weiterer Prozess statt, bei dem am 28. April 1882 vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Tischlergehilfe Josef Schenk (1858–1893) des Vergehens des Auflaufs angeklagt wurde. Schenk, der erst am 21. März 1882 als jener Arbeiter identifiziert und verhaftet worden war, der schrie, »Lasst keine Opfer fallen, Genossen!«, wurde im Sinne der Anklage zu vier Monaten strengem Arrest verurteilt.
Eduard Doleschal und Franz Mangl verbüßten ihre Strafe im Gefängnis Stein [zu Krems an der Donau] (Niederösterreich). Hier verstarb Eduard Doleschal am 11. Oktober 1883 an Lungentuberkulose. Sein Leichnam wurde am 13. Oktober 1883 auf dem Friedhof Stein beigesetzt. Seine Frau, die mit ihrem Ehemann auch ein kleines Kind hatte, hatte das nur zufällig erfahren: Sie wollte ihren kranken Mann im Gefängnis besuchen, wo man ihr mitteilte, dass er bereits verstorben und längst begraben sei.
Adressen
- Stein [zu Krems an der Donau], Niederösterreich, Haftanstalt, Stein 84 [Justizanstalt Stein, Steiner Landstraße 4] (Sterbeadresse)
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Autor: Reinhard Müller
Version: Juni 2024
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
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Anspielung auf den bekannten Anarchisten, Schriftsteller, Journalisten und Zeitungsherausgeber Johann Most (1846–1906).