Jakob Würges (1842–1895)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist Jacob Würges
Geburtsdatum
8. September 1842
Sterbedatum
15. März 1895
Sterbeort
Religionsbekenntnis
evangelisch (H. B.)

Vater: Johann Adam Würges; Heirat mit:
Mutter: Catharina Margaretha Würges, geborene Porz
Ehe: in Wien am 25. April 1870 mit Agnes Wilhelmine Pierschke (Groß Wartenberg, Preußen [Syców, Polen] 23. Oktober 1837 – Wien 12. April 1895): Hausfrau; Radicale
Sohn: Karl Lenk (Schadeck, Nassau [zu Runkel, Hessen] 11. September 1865 – Wien 16. August 1926): Buchbindergehilfe, dann Lackierergehilfe; Radicaler
Tochter: Agnes Anna Würges (Ottakring, Niederösterreich [zu Wien 16.] 10. Dezember 1870 – ?)
Tochter: Amalia Christine Würges (Ottakring, Niederösterreich [zu Wien 16.] 25. August 1872 – ?)

Biographie

Der Anstreichergeselle Jakob Würges kam 1860 nach Wien, wo er sich der sozialistischen Arbeiterbewegung anschloss und bald Obmann des »Fachvereins der Vergolder, Maler und Anstreicher« in Wien wurde. Würges war Delegierter für die Holzmaler auf dem allgemeinen österreichischen Arbeitertag (Parteitag) in Lajtaszentmiklós / Neudörfl (Ungarn [Neudörfl, Burgenland]) am 5. und 6. April 1874, auf dem die »Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs« gegründet wurde. Würges wurde auch Mitglied des im Anschluss an der Arbeitertag in Graz (Steiermark) konstituierten Zentralkomitees der Partei sowie vorgesehenes Mitglied des geplanten Landeskomitees für die Steiermark. Deswegen fand der große Hochverratsprozess gegen Hippolyt Tauschinsky (1839–1905) und einunddreißig Genossen statt, der vor dem Landes- als Strafgericht Graz vom 14. bis 24. Oktober 1874 verhandelt wurde. Jakob Würges wurde des Vergehens der Geheimbündelei, begangen durch seine Teilnahme am Zentralkomitee, angeklagt, aber freigesprochen. Tauschinsky zog sich nach einer weiteren Verurteilung im Februar 1876 von allen parteipolitischen Aktivitäten zurück, und Würges haftete im Zuge der nachfolgenden innerparteilichen Flügelkämpfe der »Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs« der Ruf an¸ die Partei an Tauschinsky verraten zu haben.

Am 13. April 1879 fand im Gasthaus »zur Bretze« (Adalbert Handlos) in Neulerchenfeld (Niederösterreich [Wien 16.]), Gärtnergasse 25 [Grundsteingasse], eine freie Versammlung der Schuhmacher statt. Auf dieser bewarb Jakob Würges, der in seiner Freizeit als Kolporteur der Firma »C. Daberkow, Buchhandlung« von Carl Ludwig Johann Daberkow in Wien 7., Kaiserstraße 37, tätig war, Kochbücher und andere Werke, verteilte aber auch das Probeblatt »Der 18. März« (London) für die Zeitung »Freiheit« (London), dessen Verbreitung mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Troppau vom 23. März 1879 in Österreich verboten worden war. Von einem Wachorgan dabei betreten, fand am 9. Juni 1879 vor dem Landes- als Pressgericht Wien der Prozess gegen Jakob Würges statt, angeklagt des Vergehens gegen das Pressegesetz durch den Vertrieb verbotener Druckschriften und der Übertretung des Pressegesetztes durch unbefugtes Hausieren mit Druckschriften. Wegen des Vergehens wurde er zu 35 Gulden Geldstrafe verurteilt.

Im Dezember 1880 gründete Jakob Würges gemeinsam mit dem Tischlermeister Wilhelm Bernt (1841–?), dem Schneidegehilfen und nunmehrigen Kellner Franz Gröbner (1856–?), dem Webergehilfen und nunmehrigen Geschäftsdiener Robert Krondorfer (1853–?), dem Handschuhmachergehilfen Berthold Spiegel (~1854–?) sowie dem Maler- und Anstreichergehilfen Franz Weich (1855–1925) den geheimen Club »Nummer II«, der sich wöchentlich im Gasthaus »zu den drei Bindern« (Rudolf Hammer) in Wien 8., Brunngasse 5 [Josefstädter Straße 101 / Blindengasse 32], traf und der sich im Juli 1881 aus Misstrauen gegenüber Jakob Würges auflöste. Einige in der radicalen Arbeiterbewegung vermuteten damals, dass Jakob Würges ein Polizeispitzel sei, und Würges wiederum misstraute gewissen Kreisen der radicalen Arbeiterbewegung. Dies zeigte sich bei zwei Ereignissen 1881 deutlich. Am 15. August 1881 beschlagnahmte die Polizei eine als Kinderwäsche deklarierte Lieferung von achtundzwanzig Exemplaren der Nummer 33 der Zeitung »Freiheit« (London) an Jakob Würges’ Ehefrau Agnes Würges (1837–1895) und deren Stiefsohn, den Buchbindergehilfen Karl Lenk (1865–1926). Das Ehepaar Würges erblickte in dieser Aktion, der eine Hausdurchsuchung folgte, eine Falle der Genossinnen und Genossen. Und am 11. September 1881 erhielt Karl Lenk auf der Straße angeblich von einem Unbekannten ein Paket mit sozialrevolutionären Flugschriften für seinen leiblichen Vater, und am Abend wurde bei Jakob Würges wieder eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Trotz dieser Atmosphäre blieb Würges in der radicalen Arbeiterbewegung aktiv. So war er auch bei der so genannten Affäre »zum grünen Thor« am 4. Dezember 1881 dabei, bei der Wiener Arbeiterinnen und Arbeiter erstmals den gegen ihre Versammlung einschreitenden Behörden – zweifellos spontanen – Widerstand entgegensetzen. Am 6. September 1882, ab zwei Uhr morgens, führten über dreißig Polizisten neuerlich Hausdurchsuchungen durch, angeblich wegen der jüngst verbreiteten radicalen Flugschrift »Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk«.1 Diese Aktion fand wohl eher im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre statt, also dem Überfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) am 4. Juli 1882 zwecks Beschaffung von Geld für eine geheimen Druckerpresse. Unter den sechsundzwanzig verhafteten Wiener Radicalen befand sich auch Jakob Würges sowie dessen unehelicher Sohn Karl Lenk, der aber am 18. November 1882 ohne Anklageerhebung wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Gegen den in Untersuchungshaft befindlichen Jakob Würges erhob die Wiener Staatsanwaltschaft am 13. Dezember 1882 im Zuge der so genannten Merstallinger-Affäre offiziell Anklage. Vom 8. bis 21. März 1883 fand vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der Prozess anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre statt, der von der Staatsanwaltschaft als großer Schau- und Hochverratsprozess gegen die neunundzwanzig Wiener Radicalen angelegt wurde. Jakob Würges wurde des Verbrechens des Hochverrats angeklagt, aber freigesprochen.2

Auch danach blieb Jakob Würges in der radicalen Arbeiterbewegung aktiv. Am 10. August 1883 zeigte er als Obmann die freiwillige Auflösung des »Kranken-Unterstützungs- und Fortbildungsvereins der Anstreicher- und Lackierergehilfen Wiens« an. Und am 16. Mai 1889 wurde Jakob Würges bei der Wahl zur Bezirkskrankenkasse von Wien in den Überwachungsausschuss der Arbeitnehmer gewählt.

Auch wenn der Verdacht der Genossinnen und Genossen offensichtlich groß war, gibt es keinerlei Beweise dafür, dass Jakob Würges tatsächlich ein Polizeispitzel war.

Adressen

  • Ottakring, Niederösterreich [zu Wien 16.], Ottakring 404 (1870)
  • Ottakring, Niederösterreich [zu Wien 16.], Grüllemeiergasse 3 (1870)
  • Ottakring, Niederösterreich [zu Wien 16.], Abelegasse 34 (1872)
  • Ottakring, Niederösterreich [zu Wien 16.], Dettergasse 12 (1881)
  • Wien 9., Alser Straße 4 (Sterbeadresse)

Die Zukunft (Wien) 1881

Karte
  • 1

    Vgl. [anonym]: Manifest der sozialrevolutionären Arbeiter-Partei Oesterreichs an das arbeitende Volk. [London]: [Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit«] [1882], später abgedruckt in der Zeitung »Freiheit« (London), 4. Jg., Nr. 31 (23. September 1882) unter dem Titel »Manifest der socialrevolutionären Arbeiterpartei Oesterreichs an das arbeitende Volk«. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 9. September 1882 in Österreich verboten.

  • 2

    Vgl. die vom Radicalen Josef Müller (1839–1891) herausgegebene Schrift: Der Hochverraths-Proceß und die Affaire Merstallinger gegen Engel, Pfleger, Berndt, Sommer, Schmidt, Gröbner, Spiegel, Krondorfer, Winter, Masur, Motz, Kompoß, Würges, Wagner, Weich, Spahl, Wetz, Buelacher, Treibenreif, Peukert, Kotidek, Stiaßny, Führer, Gams, Kreps, Schenk, Wordak, Heitzer und Hotze. Verhandelt vor dem k. k. Schwurgericht Wien, vom 8.–21. März 1883. Nach den stenographischen Berichten bearbeitet und wahrheitsgetreu wiedergegeben. Herausgegeben von Josef Müller. VII. Bezirk, Gumpendorferstraße 78. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers 1883, 238 S.