Vinzenz Zich (1846–1917)

Persönliche Daten
Namensvarianten
tschechische Namensform: Čeněk Zich
falsche Namensschreibweise: Vincenz Zich
falsche Namensschreibweise: Vinzenc Zich
Geburtsdatum
1. Dezember 1846
Sterbedatum
30. März 1917
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch

Vater: Karl Zich: Postmeister; Heirat mit:
Mutter: Julia Zich, geborene Strobich; Hausfrau
Ehe: in Wien am 27. August 1871 mit Katharina Reichl (Pirnitz, Mähren [Brtnice, Tschechien] 18. November 1850 – Wien [Klosterneuburg, Niederösterreich] 16. Juni 1940), Tochter eines Tischlermeisters: Handarbeiterin, dann Hausfrau
Kinder: sechs darunter:
Sohn: Karl Reichl, mit 27. August 1871 legitimierter Zich (Wien 30. Juni 1870 – 30. Jänner 1939): Beamter der Unfallversicherungsanstalt
Tochter: Božena Zich; später: Beatrix Zich (Wien 19. Jänner 1874 – ?)
Sohn: Wilhelm Alois Zich (Wien 22. März 1876 – ?)

Biographie

Vinzenz Zich, der Deutsch und Tschechisch sprach, schloss sich 1869 der sozialistischen Arbeiterbewegung an und kam nach Abschluss seiner Sattlerlehre nach Wien, wo er bald eine führende Rolle innerhalb der tschechoslawischen Arbeiterbewegung spielte. So war er Delegierter der tschechoslawischen Sozialdemokraten Wiens auf dem allgemeinen österreichischen Delegiertentag (Parteitag), welcher vom am 1. Juli 1877 in Atzgersdorf (Niederösterreich [zu Wien 23.]) stattfand, und auf dem die Verlegung der Zentralleitung der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« von Wien nach Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]) und des Kontrollkomitees nach Graz (Steiermark) beschlossen wurde. Zich, 1878 zum Obmann des »Böhmisch-politischen Vereins« in Wien gewählt, war auch Wiener Delegierter auf dem tschechischen Delegiertentag, welcher am 7. April 1878 in Breunau (Böhmen [Břevnov, zu Praha, Tschechien]) abgehalten wurde. Auf diesem Delegiertentag wurde die »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku« (Tschechoslawische sozial-demokratische Arbeiterpartei in Österreich) mit Sitz in Wien gegründet.

Kurz darauf war Vinzenz Zich mit seiner Familie nach Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]) übersiedelt, wo er als Stellmacher (Hersteller von Wagen und landwirtschaftlichen Geräten aus Holz) arbeitete. Hier war er einer der sechzehn Sozialdemokraten, die des Vergehens der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung angeklagt wurden, weil der Delegiertentag vom 7. April 1878 der Gründung einer geheimen Gesellschaft gedient habe. Im Prozess, der vor dem Landes- als Strafgericht Prag in geheimer Verhandlung am 24. und 25. Jänner 1879 durchgeführt wurde, wurde Vinzenz Zich im Sinne der Anklage mit Rücksicht auf seine bisherige Unbescholtenheit und seine Familie zu zwei Monaten Arrest verurteilt.

Am 15. Februar 1880 wurde Vinzenz Zich, nunmehr wieder nach Wien zurückgekehrt und Anhänger der tschechoslawischen radicalen Arbeiterbewegung, in das Wiener Agitationskomitee der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« gewählt, welches mit der Organisierung geheimer Clubs beauftragt wurde. Tatsächlich gelang es unter Leitung von Zich, vom Eisendreher und Metallgießer Josef Boleslav Pecka (1849–1897) und vom Silberarbeiter Norbert Zoula (1854–1886) im Sommer 1880 erste tschechoslawische geheime Clubs zu bilden. Als im August 1880 das Wiener Agitationskomitee der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« umgebildet wurde, verblieb Vinzenz Zich als einziges Mitglied des alten Komitees im neuen. Zich war dann Delegierter auf der geheimen Delegiertenkonferenz der »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku«, die am 19. August 1880 in Prag stattfand. Auf diesem Delegiertentag wurde der umstrittene Passus des alten, in Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]) 1878 beschlossenen Parteiprogramms über die Wege zur Erreichung der Parteiziele von »mit gesetzlichen Mitteln« in »mit allen möglichen Mitteln« geändert. Außerdem wurde beschlossen, zwecks Hebung und besserer Organisation der »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku« einzelne Sektionen als geheime Gruppen zu führen. Zich war auch Delegierter auf der Delegiertenkonferenz der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs«, die am 31. Oktober 1880 in Linz an der Donau (Oberösterreich) stattfand, die aber wegen der behördlichen Verfolgungen nur eingeschränkt und mit nur wenigen der vorgesehenen Delegierten abgehalten werden konnte. Zich war ebenso Delegierter auf der nachfolgenden Delegiertenkonferenz der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs«, welche am 25. Dezember 1880 in Julienfeld (Mähren [Juliánov, zu Brno, Tschechien]) stattfand. Auf dieser wurden die Anerkennung der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) als Zentralorgan der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« ab 1. Jänner 1881, die Verlegung der Parteileitung von Reichenberg nach Graz (Steiermark) und der Kontrollkommission von Linz an der Donau (Oberösterreich) nach Wien sowie die öffentliche und geheime Organisation der Partei beschlossen. Im Jänner 1881 wurde Zich zum Vorsitzenden der tschechoslawischen Zentralleitung der »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku« gewählt, wurde Obmann-Stellvertreter des Wiener »Slavischen Arbeiter-Bildungsvereins ›Dělnická jednota‹« (Arbeiterbund) bis zu dessen behördlicher Auflösung im September 1881. Außerdem wurde er in das Herausgeberkomitee der seit 2. Februar 1881 in Wien erscheinenden »Dělnické listy« (Vídeň [Wien]; Arbeiterblätter) gewählt, dem er bis August 1881 angehörte. Im Zusammenhang mit dem Prozess gegen den Mechaniker Leo Walecka (1856–1914) und andere Wiener Radicale im Februar 1881 tauchten erstmals Gerüchte über mögliche Spitzeldienste Zichs auf. Gemeinsam mit Josef Boleslav Pecka gab Vinzenz Zich die seit 30. März 1881 bis November 1881 in Wien erschienene Vierteljahresschrift »Nová doba. List pro zábavu, poučení a politiku. Věnovaný zájmům lidu pracujícího« (Vídeň; Die neue Zeit. Zeitung für Unterhaltung, Unterricht und Politik. Den Interessen der Arbeiter gewidmet) heraus. Die Zeitschrift wurde behördlich verboten und Vinzenz Zich wegen Übertretung des Pressegesetzes zu vierzehn Tagen Arrest verurteilt. Am 7. Juli 1881 werden fast alle Mitglieder des Wiener tschechoslawischen Agitationskomitees der »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku« verhaftet, darunter auch Vinzenz Zich. Im darauffolgenden Prozess vor dem Landes- als Schwurgericht Wien, der am 1. September 1881 verhandelt wurde, war Zich einer der sieben tschechoslawischen Angeklagten, die des Vergehens gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung durch Gründung einer geheimen Organisation beschuldigt wurden. Vinzenz Zich wurde im Sinne der Anklage zu drei Monaten strengem Arrest verurteilt.

Noch im Februar 1882 wurde Vinzenz Zich in der konstituierenden Versammlung des »Böhmisch-politischen Vereins in Wien ›Volnost‹« (Freiheit) zum Obmann gewählt. Doch im Frühjahr 1882 wurde er von seinen Genossen beobachtet, wie er eines Abends gegen elf Uhr die Wohnung des Polizeikommissärs und späteren Hofrats bei der Wiener Polizeidirektion Bernhard Frankl (1846-1907) in Wien 2., Praterstraße 11, aufsuchte, wo er bis fünf Uhr früh blieb. Der Schriftsetzer Anton Christoph (1857–1882), ein Radicaler, stellte ihn am folgenden Tag zu Rede, woraufhin Vinzenz Zich erklärt haben soll, er lehre den – übrigens aus Mähren stammenden – Polizeikommissär die böhmische Sprache. Damit war Vinzenz Zich für die Radicalen erledigt. Dieser wandte sich daraufhin den Gemäßigten zu und trat in deren Versammlungen gegen die Radicalen auf. In der konstituierenden Versammlung des gemäßigten »Politischen Vereins ›Wahrheit‹« in Wien am 7. Juli 1882 wurde Vinzenz Zich zum Schriftführer und im Oktober 1882 in die Kontrollkommission des gemäßigten »Gewerkschaftsvereins der Sattler, Riemer und Taschner« gewählt. Als deren Vertreter nahm Zich auch als Experte an der Enquete zur Gewerbeordnung teil, welche zwischen dem 30. April und 8. Mai 1883 im Parlament stattfand. Zich, der nunmehr auch Kontakt zu den »Feudal-Klerikalen« unterhielt, unternahm im Mai 1883 eine Agitationsreise nach Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]) und wurde vom Referenten der Gewerbegesetzesnovelle Ekbert Graf Belcredi (1816–1894) ersucht, ihm über die dortigen Fabrikverhältnisse zu berichten. Im Dezember 1883 machte Vinzenz Zich erneut eine Agitationsreise nach Brünn. Als er dort einen Vortrag im Fachverein der Manufakturarbeiter halten wollte, kam er nicht zu Wort: »Nieder mit den Verrätern und Denunzianten!«, »Pereat Zich!« dröhnte es ihm entgegen, und er musste fluchtartig den Saal verlassen, um nicht misshandelt zu werden. Und am 19. Jänner 1884 stellte Zich anlässlich einer Leichenfeier für ein verstorbenes Mitglied des »Gewerkschaftsvereins der Sattler, Riemer und Taschner« fest: »Die Gemäßigten […] müssen auch stets Front machen gegen die Radicalen, denn sonst wäre eine Revolution wie in Frankreich mit Robespierre zu gewärtigen.«1

Da er in Wien keine Arbeit mehr finden konnte, zog Vinzenz Zich 1884 mit seiner Familie in seinen Geburtsort Königstädtel (Böhmen [Městec Králové, Tschechien]). 1887 ließ er sich in Klosterneuburg (Niederösterreich) nieder, wo er als beamteter Sattlergehilfe im k. k. Trainzeugsdepot arbeitete und ein Lokalgruppe der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei« gründete. Im März 1899 wurde er auch Mitglied des Vorstands des »Arbeiter-Spar- und Konsumvereins für Klosterneuburg und Umgebung, registrierte Genossenschaft mit unbeschränkter Haftung«, der aber bereits im November 1899 liquidiert wurde.

Adressen

  • Wien 4., Heugasse 54 [Prinz-Eugen-Straße] (1871)
  • Wien 10., Simmeringer Straße 4 [Gudrunstraße] (1874)
  • Wien 10., Quellenstraße 34 (1876)
  • Klosterneuburg, Niederösterreich, Kierlingerstraße 23 A (Sterbeadresse)
  • Die Zukunft (Wien) 1879, 1881
  • Nová doba (Vídeň [Wien]; Die neue Zeit) 1881
Karte
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    Zitiert nach [anonym]: (Eine Kundgebung aus Arbeiterkreisen), in: Neue Freie Presse [/] Morgenblatt (Wien), [21]. Jg., Nr. 6985 (7. Februar 1884), S. 7.