Franz Rauch (1851–)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Vater: Franz Rauch: befugter Pfadler (Textilverkäufer) und Schneidermeister; Heirat mit:
Mutter: Franziska Rauch, geborene Prösenhuber: Hausfrau
Biographie
Franz Rauch absolvierte eine Spenglerlehre und schloss sich als Spenglergehilfe in Wien der radicalen Arbeiterbewegung an. Am 15. November 1881 fand am Nachmittag in »Zobel’s Bierhalle« (Franz Zobel) in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Gasgasse 4–6 / Zwölfergasse 3–15, eine Volksversammlung gegen den Gewerbetag statt, an welcher etwa sechshundert Personen teilnahmen. Nach den Referaten des Tischlergehilfen Alois Treibenreif (1836–1903), des Webergehilfen Franz Schustaczek (1850–1908) und des Tischlergehilfen Johann Kompoß (1842–192?) kam es zu einer heftigen Debatte. Franz Schustaczek wurde vom Behördenvertreter das Wort entzogen, als er anlässlich des ersten Tagesordnungspunkts, nämlich einer Resolution des Gewerbetages, an der liberalen Presse Kritik übte. »Ausreden lassen!« riefen die Anwesenden. Es entstand ein Tumult, die Versammlungsteilnehmer weigerten sich, den Saal zu räumen, und es kam zu einem Handgemenge. Rufe wie »Hinaus mit der Polizei! « und »Es lebe die Freiheit!« wurden laut. Die anwesenden Sicherheitswachleute zogen die Säbel, Franz Rauch sowie der Tischlergehilfe Johann Feichtinger (1858–?) wurden verhaftet, in das Polizeikommissariat Sechshaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]) eingeliefert und am 16. November 1881 ins Landesgericht Wien überstellt. Wegen dieses Tumults fand am 11. Jänner 1882 vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess gegen Feichtinger und Rauch statt. Im Sinne der Anklage wurden Franz Rauch wegen Vergehens des Auflaufs, weil er eine Verhaftung verhinderte, zu sechs Monaten schwerem Kerker und Johann Feichtinger wegen Vergehens des Auflaufs durch Behinderung von Amtspersonen zu zwei Monaten strengem Arrest verurteilt. Franz Rauch, der in Göllersdorf (Niederösterreich) einsaß, veröffentlichte nach seiner am 11. Juli 1882 erfolgten Entlassung in der Nummer 68 (27. Juli 1882) der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) einen ausführlichen, namentlich gezeichneten Bericht über die schrecklichen Zustände in diesem Gefängnis.1
Franz Rauch wurde im Februar 1884 aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 aus Wien ausgewiesen und unter polizeiliche Überwachung gestellt: »762 Rauch Franz, Spengler, geb. 1851 u . zuständ. Graz, konfessionslos, mittelgr., stark, mit oval. Ges., dunkelbld. H. u. Augenbr., breiter Stirne, grauen Augen, kl. Nase und Mund, br. Schnurr- u. Vollb., ovalem Kinn, der linke Daumen ohne Nagel u. dick, deutsch sprechend.«2
Da Franz Rauch weder in Gmunden (Oberösterreich), Ischl [Bad Ischl] (Oberösterreich) noch Salzburg (Salzburg) Arbeit finden konnte, begab er sich nach Bayern, von wo er aber bereits am 11. April 1884 ausgewiesen wurde: »1851 Rauch Franz, Spänglergeh., – Bl. Nr. 15, Art. 762 v. J. 1884 – wurde laut Mittheilung der kön. Pol.-Dion. zu München vom 22/4. l. J. mittelst Ausweisungs-Rescriptes d. kön. baier. Staatsministeriums des Innern, ddo. 11/4. 1884, Nr. 5007, wegen fortgesetzter agitatorischer Thätigkeit im sozial-revolutionären Sinn aus dem Königreiche Baiern ausgewiesen u. ist am 19. d. M. von dort nach Innsbruck abgereist. K. k. Polizei-Direktion Wien 28/4.84.«3
Franz Rauch suchte daraufhin in Budapest (Ungarn) Zuflucht. Vermutlich am 25. August 1884 fand in Budapest eine Hausdurchsuchung bei dem erst kürzlich hierher gezogenen Eisengießer Edurd Tetzel (1866–?) statt. Angeblich fand die Polizei so genannte Höllenmaschinen, die bei der Versendung in Schatullen Dynamit zu Explosion brächten, weiters Gussformen für Dynamitbomben und eine halbfertige, noch mit Sand gefüllte Pistonbombe. Eduard Tetzel und drei weitere, aus Wien ausgewiesene Radicale, die gerade in der Wohnung anwesend waren, wurden ebenfalls festgenommen: Franz Rauch, der erst am 21. August 1884 in Budapest eingetroffene Schneider Arnold Mrňa (1860–1884) und der Kupferschmiedgehilfe Karl Urbanek (1848–?). Obwohl man ihnen kein direktes Verbrechen nachweisen konnte, wurden Rauch, Mrňa, Tetzel und der am 9. September 1884 neuerlich verhaftete Urbanek im September 1884 wegen staatsgefährdender Umtriebe aus sämtlichen Ländern der ungarischen Krone (also aus der ungarischen Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) für immer ausgewiesen und in die österreichische Reichshälfte abgeschoben. Mit dieser Aktion der Behörden schied Ungarn als Rückzugsfeld österreichischer Radicaler endgültig aus.
Franz Rauch wurde in seine Geburts- und Zuständigkeitsgemeinde Graz (Steiermark) abgeschoben. Hier wurde er auf Anweisung der Polizei-Direktion Wien noch im September 1884 unter polizeiliche Überwachung gestellt: »3579 Rauch Franz, Spenglergeh., – zuletzt Bl. Nr. 33, Art. 1851 v. J. 1884 – wurde mit Erk. der Oberstadthauptmannschaft Budapest, ddo. 19/8. d. J., Z. 659, weg. staatsgefährl. Umtrieben, sohin als für die öffentl. Ordnung gefährlich, aus Budapest u. auch aus den Ländern der ungar. Krone ausgewiesen u. am 20/8. mittelst Zwangspasses in seine Heimatsgemeinde nach Graz befördert. Pol.-Dion. Wien.«4
Franz Rauch konnte erst nach Aufhebung der Ausnahmsverordnungen nach Wien zurückkehren. Rauch war weiterhin in der Arbeiterbewegung aktiv. Gerichtlich fiel er noch einmal auf. Bei den so genannten Teuerungsexzessen, die sich am 17. und 18. September 1911 in Wien abspielten, rief er am Naschmarkt in Wien 6. angesichts eines vorüberfahrenden Zellenwagens: »Hoch die Freiheit, die goldene Freiheit!«. Außerdem soll er der Aufforderung eines Bezirksinspektors, fortzugehen, nicht Folge geleistet haben. Dafür musste er sich am 27. September 1911 zusammen mit mehreren anderen Angeklagten vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien verantworten. Rauch, der vor Gericht betonte, sich von aller Politik längst zurückgezogen zu haben, wurde zu vierzehn Tagen strengen Arrest verurteilt.
Adressen
Graz, Steiermark, Oberer Gries 975 (Geburtsadresse)
Wie 6., Mollardgasse 42 (1881)
Wie 6., Mollardgasse 52 (1883)
Mitarbeiter*innen an Periodika
- Die Zukunft (Wien) 1881 und 1883
Kategorien
Autor / Version / Copyleft
Autor: Reinhard Müller
Version: November 2024
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
Copyleft