Ármin Práger (1851–1905)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Vater: Abrahám Práger; deutsche Namensform: Abraham Prager: Leinwandhausierer; Heirat mit:
Mutter: Juli Práger, geborene Spátz; deutsche Namensform: Julia Prager, geborene Spatz; auch: Julianna Spátz (um 1820 – Buda / Ofen [zu Budapest], Ungarn 28. März 1868): Hausfrau
Schwester: Mária Práger, verheiratete Denhof; deutsche Namensform: Maria Prager, verheiratete Denhof (um 1846 – ?)
Bruder: Lipót Prager; deutsche Namensform: Leopold Prager (Buda / Ofen [zu Budapest], Ungarn 29. Jänner 1852 – Prag, Budapest, Ungarn 3. November 1891)
Schwester: Rozália Práger; deutsche Namensform: Rosalia Prager (Buda / Ofen [zu Budapest], Ungarn 27. Juli 1859 – ?)
Schwester: Regina Práger, verheiratete Goldman (Buda / Ofen [zu Budapest], Ungarn um 1860 – ?)
Schwester: Resi Práger (Buda / Ofen [zu Budapest], Ungarn 2. Oktober 1862 – ?)
Schwester: Julie Práger (Buda / Ofen [zu Budapest], Ungarn 13. Mai 1864 – ?)
Ehe: mit Franciska / Fáni / Fanni Augenfeld, verwitwete Kohn; deutsche Namensform: Franziska Prager (Dunaföldvár / Donaufeldburg [Dunaföldvár], Ungarn um 1857 – Budapest, Ungarn 24. September 1921): Hausfrau
Tochter: Lenke Práger, verheiratete Forstner; deutsche Namensform: Lenke Prager, verheiratete Forstner (Dunaföldvár / Donaufeldburg [Dunaföldvár], Ungarn 26. Jänner 1892 – Budapest, Ungarn 22. Dezember 1939)
Sohn: Árpád Práger; deutsche Namensform: Arpad Prager (Budapest, Ungarn 15. September 1893 – ?)
Tochter: Margit Práger, verheiratete Biró; deutsche Namensform: Margit Prager, verheiratete Biro (Budapest, Ungarn 18. Jänner 1896 – Budapest, Ungarn 7. Juni 1971)
Biographie
Ármin Práger wuchs zunächst in Óbuda / Alt-Ofen [zu Budapest] (Ungarn) auf und übersiedelte mit seinen Eltern 1862 nach Wien. Hier besuchte er eine jüdische Schule. Nach der Volksschule absolvierte er eine Schneiderlehre, besuchte auch eine Fachschule und wurde 1868 als Schneidergehilfe freigesprochen. 1870 trat Ármin Práger dem kurz zuvor gegründeten Wiener »Fachverein der Kleidermachergehilfen« bei, wurde Mitglied der Ordnersektion und nahm am 10. Juni 1872 am Ausflug des Fachvereins nach Dornbach (Niederösterreich [zu Wien 17.]) teil. Dabei forderte ein Polizist die mitgeführte Fahne ein, während Práger von einem anderen Polizisten festgehalten wurde. Er konnte sich losreißen, und auch die Fahne konnte gerettet werden. Um 1872 trat Práger dem Wiener »Arbeiter-Bildungsverein« bei, wurde Mitglied der Festsektion und schließlich in den Ausschuss gewählt. Als im März 1874 die Schneider in Wien streikten, wurde Práger zum Werkstattvertreter gewählt, wobei er erstmals in Versammlungen öffentlich auftrat.
1874 ging Ármin Práger nach München (Bayern). Hier trat er am 30. August 1874 bei einer Versammlung der Schneidergesellen als Redner auf, wurde aber als Ausländer vom anwesenden Polizeikommissär von der Versammlung verwiesen. Als er zur Versammlung zurückkehrte, wurde Práger festgenommen.
Kurz danach begab sich Ármin Práger nach Salzburg (Salzburg) und später nach Innsbruck (Tirol), wo er sich am Aufbau der sozialdemokratischen Organisationen beteiligte, vor allem bei dem 1875 gegründeten Innsbrucker »Fachverein der Kleidermacher«.
1875 übersiedelte Ármin Práger nach Steyr (Oberösterreich), wo sich damals die Zentralleitung der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« befand. Hier spielte er eine wichtige Rolle bei dem 1875 gegründeten Steyrer »Fachverein der Kleidermacher«. Er wurde außerdem zum Obmann des »Arbeiter-Bildungsvereins Steyr« gewählt. Damit verbunden war die Aufgabe, Berichte und Vorschläge der Zentralleitung der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« zu kopieren und an die Lokalorganisationen weiterzuleiten sowie die eingehenden Antworten an die Zentralleitung zu übermitteln. Práger, der wegen seiner politischen Tätigkeit seine Arbeit verlor, nahm als Delegierter aus Steyr am Arbeitertag (Parteitag) der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« teil, der am 14. und 15. August 1876 in Wiener Neustadt (Niederösterreich) stattfand. Hier sprach er sich unter anderem für ein gegenüber der Parteizeitung unabhängiges Gewerkschaftsorgan aus. Práger war auch Delegierter von Steyr am Arbeitertag, welcher am 1. Juli 1877 in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]) und Atzgersdorf (Niederösterreich [zu Wien 23.]) stattfand. Er wurde wegen seiner Teilnahme an diesem Arbeitertag verhaftet, in das Landesgericht Wien eingewiesen und erst nach vier Wochen ohne Anklageerhebung freigelassen. Während seiner Untersuchungshaft wurde er aus Steyr ausgewiesen. Dennoch kehrte Práger heimlich nach Steyr zurück, um über den Arbeitertag zu berichten.
Im August 1877 ließ sich Ármin Práger wieder in Wien nieder, wo er bald der Parteileitung der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« angehörte und früh zum Anhänger der radicalen Arbeiterbewegung wurde. Am 8. Februar 1880 wurde Práger wegen der Verbreitung des Flugblatts »Die Zeiten sind schlecht«1 zusammen mit zwei anderen Genossen verhaftet und in das Landesgericht Wien eingeliefert. Im Prozess, der am 23. April 1880 vor dem Landes- als Schwurgericht Wien stattfand, wurden Ármin Práger und der Hafnergehilfe Emanuel Doktor (1844–1925) der Verbrechen des Hochverrats sowie der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung angeklagt. Práger wurde wegen Vergehens der öffentlichen Aufreizung zu feindlichen Parteiungen zu acht Monaten strengem Arrest und anschließendem Landesverweis verurteilt. Am 23. Dezember 1880 wurde Práger, der in Wien zweimal polizeilich und einmal pressgerichtlich abgestraft worden war, nach Budapest (Ungarn) abgeschafft.
Ende Dezember 1880 begab sich Ármin Práger nach Budapest (Ungarn), wo er seit September 1881 dem Exekutivkomitee der »Magyarországi Általános Munkáspárt« (Ungarische Allgemeine Arbeiterpartei) angehörte. Rasch wurde Práger zu einem wichtigen Repräsentanten der radicalen Arbeiterbewegung in Ungarn. Vom 1. Jänner bis Mai 1882 war er Redakteur der Zeitung »Der Sozialist« (Budapest) und vom 1. März 1883 bis 1. März 1884 Redakteur der radicalen Zeitung »Radikal« (Budapest).
Am 4. Februar 1884 kam aus Zürich / Zurich / Zurigo (Kanton Zürich, Schweiz) der Buchbindergehilfe Anton Kammerer (1862–1884) nach Budapest, reiste am nächsten Tag wieder ab, um wenige Tage später erneut nach Budapest zurückzukehren. Hier soll er nach Vermutungen der Polizei beim Raubmord vom 10. Jänner 1884 am Wechselstubenbesitzer Heinrich Eisert sen. (~1838–1884) in Wien 6., Mariahilfer Straße 55, erbeutete Wertpapiere Genossen übergeben haben.2 Außerdem habe er dem nunmehrigen Fabrikarbeiter Ármin Práger mehrfach getroffen und diesem 15 Gulden übergeben. Einen Teil der geraubten Wertpapiere, nämlich vierundzwanzig Stück Liesinger Brauerei-Aktien, soll Anton Kammerer unter dem Decknamen »Konrad Wilkens« am 8. Februar 1884 in der Wechselstube der Escompte- und Wechslerbank in Budapest selbst deponiert haben. Weitere Wertpapiere habe der Hausknecht Salomon Blau am nächsten Tag dieser Bank verkauft. Außerdem soll Kammerer am 10. Februar 1884 dem Buchhalter Jónás Gyula Fried (1864–1929) 25 Gulden vom Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube übergeben haben. Die von Salomon Blau verkauften Papiere, welche erst am 20. März 1884 von der Polizei ausfindig gemacht wurden, führten schließlich dazu, dass die Budapester Polizei eine Involvierung ungarischer Radicaler in den Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube annahm.
Vor diesem Hintergrund erhielt Ármin Práger über Ersuchen der Wiener Polizei am 1. März 1884 um 6 Uhr morgens beim Verlassen seiner Wohnung, Dob utca 10 (Trommelgasse), auf offener Straße eine Vorladung zur Ober-Stadthauptmannschaft, wo er gemeinsam mit seinem Rechtsvertreter pünktlich um 9 Uhr erschien. Bei der nun durchgeführten Durchsuchung von Prágers Wohnung wurden die erhofften Wertpapiere aus dem Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube nicht gefunden, dafür aber mehrere Exemplare der Zeitungen »Freiheit« (New York), »Die Zukunft« (Budapest)] und »Radikal« (Budapest) sowie das Flugblattgedicht »An Se. ›Excellenz‹ den Minister Taaffe. Vorwärts Staatsraison!«.3 Práger wurde daraufhin festgenommen und am 2. März 1884 der Staatsanwaltschaft eingeliefert, welche nun wegen Aufreizung gegen die Behörde sowie Ehrenbeleidigung und Verleumdung des Ministerpräsidenten ermittelte. Ármin Prágers Zimmergenosse, der Schriftsetzer Eduard Milý (1858–1923), konnte sich seiner Verhaftung durch Flucht rechtzeitig entziehen und ging nach London (England) ins Exil. Am 13. März 1884 begann in Budapest unter Leitung des Hauptmanns der Budapester Polizeiwache (Polizeidirektor) Elek Thaisz (1820–1892) eine Verhaftungswelle gegen Radicale wegen angeblicher Mitschuld am Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube, in deren Verlauf bis in die frühen Morgenstunden des 14. März 1884 sechsunddreißig Personen festgenommen wurden. In dieser aufgeheizten Atmosphäre fand am 15. Mai 1884 vor dem Schwurgericht Budapest der Presseprozess gegen Ármin Práger wegen eines am 1. März 1884 in der von ihm redigierten Zeitung »Radikal« (Budapest) erschienenen Artikels statt. Práger, der nur Deutsch sprach, wurde die Aufforderung zur Verübung von Verbrechen, die Vorbereitung der Revolution, die Aufreizung zum Klassenhass sowie die Aufforderung zum Ungehorsam gegen das Gesetz vorgeworfen. Er wurde zu fünfzehn Monaten Staatsgefängnis und 600 Gulden Geldstrafe, eventuell 60 Tage Staatsgefängnis, sowie zur Übernahme der Prozesskosten in der Höhe von 141 Gulden verurteilt, wogegen er sofort in die Berufung ging. Vom 5. bis 9. Dezember 1884 fand vor dem Strafgerichtshof Budapest der Prozess im Zusammenhang mit dem Raubüberfall auf die Eisert’sche Wechselstube gegen sechs Radicale statt, darunter Práger. Er wurde nun des Verbrechens der Hehlerei angeklagt. Er hätte Wertpapiere aus dem Raubüberfall an sich gebracht und an deren Veräußerung mitgewirkt. Ármin Práger wurde wegen Verbrechens der Hehlerei und mit Rücksicht auf das nunmehr rechtskräftige Urteil des Pressgerichts vom 15. Mai 1884 zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren und sechs Monaten Kerker, zu 600 Gulden Geldstrafe, sechs Jahren Amtsverlust und zum Ersatz der Gerichtskosten verurteilt. In der Revision änderte die königliche Tafel am 24. Juni 1885 das Urteil erheblich ab: Ármin Práger erhielt statt drei Jahren und sechs Monaten Kerker nunmehr sechs Jahre Zuchthaus und 600 Gulden Geldstrafe oder weitere 60 Tage Zuchthaus, wobei ihm ein Jahr Untersuchungshaft anzurechnen sei.
Als Ármin Práger nach fünf Jahren und vier Monaten wegen guter Führung am 29. Juni 1889 aus dem königlichen Gerichtsgefängnis in Budapest entlassen wurde, erwartete ihn ein Delegierter der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei« aus Wien und überreichte ihm 50 Gulden. Práger blieb bis 1896 unter Polizeiaufsicht, und der Besuch größerer Versammlungen war ihm verboten. Práger, der im Gefängnis an Tuberkulose erkrankt war, zog sich nach seiner Haftentlassung von der Arbeiterbewegung zurück und arbeitete als Schneidermeister in Budapest. Hier starb er am 18. Mai 1905 an Tuberkulose, nur wenige Jahre nach der Abfassung seiner Erinnerungen, die er mit der Beurteilung der Lage um 1901 schloss: Die Gewerkschaften allein würden die moderne Gesellschaft aus den Fugen heben, eine bessere Gesellschaftsform schaffen. Die »Sozialdemokratische Arbeiterpartei« müsse darauf achten, dass in der eigenen Organisation die demokratischen Grundregeln beachtet werden. »Die Parteileitung einer sozialdemokratischen Partei ist kein Oberkommando über ein Heer, sondern einzig und allein jener Ausschuß, der Agenden der Partei zu führen und Vorschläge, aber nur Vorschläge zur Art des Kampfes zu machen hat.«4
Hinweis: Ármin Práger, der in den Quellen vielfach mit der deutschen Namensform »Hermann Prager« auftaucht, darf nicht mit dem am 11. Februar 1886 wegen sozialistischer Umtriebe von der Polizei-Direktion Wien aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 aus dem Geltungsbereich ausgewiesenen, nach St. Veit an der Triesting [zu Berndorf] (Niederösterreich) zuständigen Fabrikarbeiter Hermann Prager (1857–?) verwechselt werden.
Adressen
- Budapest 7., Dob utca / Trommelgasse 10 (1884)
- Budapest 8., Lujza utca 12 (Sterbeadresse)
Mitarbeiter*innen an Periodika
- Der Sozialist (Budapest) 1882
- Radikal (Budapest) 1883 bis 1884
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Autor: Reinhard Müller
Version: November 2024
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
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Karte
- 1
Vgl. [anonym]: Die Zeiten sind schlecht. London: J. Neve 22, Percy Street, Tottenham Courtroad London W. [1880], Sonderdruck aus der Zeitung »Freiheit. Socialdemokratisches Organ« (London), 2. Jg., Nr. 5 (31. Januar 1880), Artikel »Ein Wort an die Indifferenten«. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht in Strafsachen Wien vom 7. Februar 1880 in Österreich verboten.
- 2
Zum Überfall auf die Eisert'sche Wechselstube siehe die Biografie von Heinrich Eisert sen. (~1838–1884).
- 3
Vgl. [anonym]: An Seine ›Excellenz‹ den Minister Taaffe. Vorwärts Staatsraison! [Budapest]: Quittner József [1884], 1 Blatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 28. Februar 1884 in Österreich verboten. Betrifft unter anderem Eduard Graf Taaffe (1833–1895).
- 4
Zitiert nach Anna Staudacher (geb. 1946): Sozialrevolutionäre und Anarchisten. Die andere Arbeiterbewegung vor Hainfeld. Die Radikale Arbeiter-Partei Österreichs (1880–1884). Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1988 (= Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik. 39.), S. 315.