Michael Kumić (1853–)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist Mihajlo Kumić
ungarische Namensschreibweise: Mihály Kumicz
deutsche Namensschreibweise: Michael Kumic
Deckname: Ernst Baum
angeblicher Deckname: August Wolf
falsche Namensschreibweise: Michael Kumics
falsche Namensschreibweise: Michael Kumicz
falsche Namensschreibweise: Michael Kumitsch
Geburtsdatum
11. November 1853
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch
Berufe

Ehe: keine
Kinder: keine

Biographie

Michael Kumić, Sohn einer Hausfrau und eines Tischlers, absolvierte eine Tischlerlehre und kam 1870 nach Graz (Steiermark), wo er als Tischlergehilfe arbeitete.

Michael Kumić in Wien. 1872 bis 1883

1872 übersiedelte Michael Kumić nach Wien, wo er wieder als Tischlergehilfe tätig war und sich um 1880 der radicalen Arbeiterbewegung anschloss. 1882 zeichnete er zusammen mit dem Eisendrehergehilfen Georg Planegger (1852–1932) als Revisor den Rechnungsausweis der Zeitung »Die Zukunft« (Wien), und 1883 war er Revisor des Inhaftiertenfonds der Radicalen. Kumić war auch in der Provinz aktiv, etwa bei der Volksversammlung in Wiener Neustadt (Niederösterreich) vom 14. Mai 1882, wo er als Schriftführer fungierte. 1883 wurde er Obmann des Wiener »Fortbildungs- und Unterstützungsvereins der Tischler«. Im Prozess anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre – der Raubüberfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) durch die Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?) und Franz Pfleger (1831–1884) am 4. Juli 1882 in Wien zur Beschaffung von Geldern für die radicale Propaganda –, der vom 8. bis 21. März 1883 vor dem Landes- als Schwurgericht Wien durchgeführt wurde, war Kumić Vertrauensmann der Angeklagten.1 Im April 1883 wurde Michael Kumić wegen Verbreitung so genannter hochverräterischer Flugschriften in das Landesgericht Wien eingeliefert, jedoch ohne Anklageerhebung wieder auf freien Fuß gesetzt. Allerdings wurde er kurz danach wegen werktätiger Teilnahme an der staatsgefährlichen Propaganda von der Polizeidirektion Wien am 22. April 1883 aus sämtlichen im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern (also der österreichischen Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) für beständig ausgewiesen, was nach seinem Rekurs von der Niederösterreichischen Statthalterei am 30. April 1883 bestätigt wurde.

Um nicht nach Ungarn abgeschoben zu werden, leistete Michael Kumić der polizeilichen Vorladung, am 13. Mai 1883 auf dem zuständigen Polizeikommissariat Mariahilf (Wien 6.) zu erscheinen, keine Folge, sondern reiste am selben Tag unter dem Geleit zahlreicher Genossinnen und Genossen mit einem Dampfschiff über Passau (Bayern) und München (Bayern) Richtung Frankreich. Deshalb erließ das Polizeikommissariat Mariahilf am 17. Mai 1883 einen Steckbrief gegen Kumić.

Michael Kumić in die Schweiz. 1883 bis 1883

Ende Mai 1883 kam Michael Kumić in die Schweiz, wo er St. Gallen / Saint-Gall / San Gallo (Kanton St. Gallen) bis 15. November 1883 in Arbeit stand, zunächst als Tischler, dann als Kellner in einem Gasthaus. Die Arbeitgeber stellten ihm das Zeugnis eines fleißigen, treuen und braven Arbeiters aus. In St. Gallen schloss er sich dem »Deutschen Arbeiterverein« und der Gruppe um den am 12 März 1882 aus Wien geflüchteten Schneidergehilfen Ignaz Formánek (1854–nach 1905) an, mit dem er den Schmuggel revolutionärer Druckschriften nach Österreich organisierte. Kumić war auch in die heftigen Auseinandersetzungen mit dem sozialdemokratischen Reichsratsabgeordneten Karl Grillenberger (1848–1897) involviert. Im August 1883 fand in St. Gallen eine geheime Konferenz in der Schweiz lebender deutschsprachiger Sozialrevolutionäre statt, an der auch Michael Kumić teilnahm. Auf dieser Konferenz wurde der Beschluss gefasst, mit der Propaganda der Tat in Deutschland und Österreich vorzugehen. Kontaktleute für Österreich waren Ignaz Formanek in St. Gallen, der am 24. August 1882 aus Wien geflüchtete Buchbindergehilfe Anton Kammerer (1862–1884) in Bern / Berne / Berna (Kanton Bern), Michael Kumić und der in Preußen gebürtige Schuhmachergeselle Hermann Stellmacher (1853–1884), welche schon bisher für den Schmuggel der Zeitung »Freiheit« (London, dann New York) und anderer sozialrevolutionärer Druckschriften aus der Schweiz nach Österreich zuständig waren. Nach Ansicht der Behörden wurde hier auch jene aus Anton Kammerer, Michael Kumić, Hermann Stellmacher und einem Unbekannten bestehende Gruppe gebildet, welche die Attentate in Straßburg (Elsaß-Lothringen [Strasbourg, Frankreich]) und Stuttgart (Württemberg [Baden-Württemberg]) verübte. Bemerkenswert ist, dass das Schweizer Justiz- und Polizeidepartement Kumić noch im November 1883 das Zeugnis eines ungetrübten Leumunds ausstellte.

Das Attentat in Straßburg. 22. Oktober 1883

Am 22. Oktober 1883 fand das erste, für die radicale Arbeiterbewegung Österreichs bedeutsame Attentat statt, an welchem laut polizeilichen Erhebungen Anton Kammerer, Michael Kumić und Hermann Stellmacher beteiligt waren; dazu kam noch ein unbekannt gebliebener vierter Attentäter. Nach polizeilichen Erhebungen reisten drei später als Täter identifizierte Personen am 21. Oktober 1883 mit dem Zug von Lauterbach (Preußen [zu Völklingen, Saarland]) nach Straßburg (Elsaß-Lothringen [Strasbourg, Frankreich]). Ursprünglich war laut polizeilichen Erhebungen die Ermordung von Andreas Kaltenbach, kaiserlicher Polizeiinspektor in Mülhausen (Elsaß-Lothringen [Mulhouse, Frankreich]) geplant. Diesem hatte sich Hermann Stellmacher schon früher in einem mit »Zürich, 19. Jänner 1883« datierten Brief als Spion angeboten. Dieser Attentatsplan sei jedoch gescheitert. Drei Attentäter mieteten beim Bahnhof Straßburg am 22. Oktober 1883 zwischen 21 und 22 Uhr eine Kutsche, vorgeblich zu einer Spazierfahrt in die Umgebung der Stadt. Unter dem Viadukt beim Tor nach Kronenburg (Elsaß-Lothringen [Cronenbourg, zu Strasbourg, Frankreich]) ließen sie den Kutscher anhalten. Als der Droschkenkutscher Michael Schätzle (~1852–?) abstieg, um zum Fenster der Droschke zu gehen, wurde er laut Polizei von Anton Kammerer von hinten festgehalten und gewürgt, während ihn Hermann Stellmacher mittels eines Schwammes mit Chloroform zu betäuben versuchte. Das Unternehmen scheiterte aber am heftigen Widerstand Schätzles, der außerdem laut um Hilfe schrie. Daraufhin flüchteten die Attentäter und wollten sich laut polizeilichen Erhebungen beim Pulverturm vor dem Spitaltor, Kasematte 21–22 [bei der Rue de la 1ère Armée], maskieren. Dabei wurden sie aber von dem wachestehenden Musketier Johann Adels (?–1883) vom 1. Rheinischen Infanterieregiment Nr. 25, ein gelernter Schreiner, überrascht. Offensichtlich ging Adels mit gefälltem, allerdings ungeladenem Gewehr auf die drei Männer los. Laut Polizei habe sich Anton Kammerer auf den Soldaten gestürzt und ihn von hinten festgehalten, während Hermann Stellmacher dem Soldaten das Gewehr entriss und ihn mit mehreren Kolbenhieben auf den Kopf so schwer verletzte, dass Adels noch in den Morgenstunden des 23. Oktober 1883 seinen Verletzungen erlag. Dieses Attentat erfolgte nachweislich noch vor 23 Uhr 45. Johann Adels wurde allerdings erst im Zuge der Wachablöse um 1 Uhr morgens gefunden, schwer verletzt, mit sechzehn Stichwunden und zertrümmertem Schädel; an seinem Gewehr, dessen Kolben ebenfalls zertrümmert war, klebte Gehirnmasse. Nahe dem Tatort wurden später auch ein Rebmesser, allerdings ohne Blutspuren, und ein falscher Bart gefunden. Danach fuhren laut polizeilicher Erhebung die vier Attentäter zur Apotheke »zum Storch« von Emil Reeb (1843–1928), Lange Straße 2 [Grande Rue]. Hier läuteten sie um etwa 23 Uhr 45 den im Haus wohnenden Apothekergehilfen Franz Lienhardt (~1833–1883) aus dem Bett. Er öffnete die Tür, um ein Rezept einzulösen. Während er das von einem Arzt in Zürich ausgestellte Rezept von Hermann Stellmacher überprüfte, wurde Lienhardt überfallen und – wie die Polizei später meinte – von Anton Kammerer ermordet, wobei Lienhardt, der noch in ein Nebenzimmer flüchten konnte, siebenunddreißig Hiebwunden beigebracht worden sein sollen. Die durch den Lärm und das Klingeln der elektrischen Kasse alarmierte Ehefrau des Apothekenbesitzers Louise Bertha Reeb (1853–1934) weckte ihren Mann, der dann in der Apotheke den ermordeten Lienhardt vorfand: der Kopf gespalten, ein Stich in der Brust, ein Stich im Oberschenkel, beide Pulsadern durchschnitten. Aufgrund der Blutspuren vermuteten die Behörden mehrere Täter und als Tatwaffe ein schweres Metzgermesser. Kammerer und Stellmacher sowie der vor der Türe wachestehende Attentäter ergriffen nun die Flucht, wobei sie die Kassette mit Geld wegwarfen, sodass sie nur den Bestand an Kleinmünzen, rund 50 Mark, rauben konnten. Neben Geld sollen auch Gift und Chemikalien geraubt worden sein. Bevor der Soldat Johann Adels noch am 23. Oktober 1883 nach kaum zwölf Stunden seinen Verletzungen erlag, gab er an, dass ihn vier Männer überfallen hätten. Es wurde nun eine Belohnung für die Beibringung der Mörder in der Höhe von 1.000, eventuell 2.000 Mark ausgesetzt, und allein innerhalb der nächsten zwei Wochen wurden über 300 Verhaftungen vorgenommen. Der Zusammenhang mit Sozialrevolutionären wurde im Zuge der polizeilichen Erhebungen erst später offenkundig, wobei Geldbeschaffung für revolutionäre Zwecke sowie für die Verbreitung sozialistischer Schriften als Hauptmotiv angenommen wurden. Gerichtlich verurteilt wurde für dieses Attentat Anton Kammerer, der seine Beteiligung gestanden haben soll, am 6. September 1884. Für Kammerer besonders belastend war, dass am Tatort eine stählerne Uhrkette gefunden wurde, die nach Aussagen von Kammerers Mitarbeitern jener von Kammerer zumindest »ähnlich« sei.

Das Attentat in Stuttgart. 21. November 1883

Am 21. November 1883 fand das zweite, für die radicale Arbeiterbewegung Österreichs bedeutsame Attentat statt, an welchem laut polizeilichen Erhebungen Anton Kammerer, Michael Kumić und Hermann Stellmacher beteiligt waren; dazu kam noch ein unbekannt gebliebener vierter Attentäter. Bereits am Abend des 20. November 1882 sei Michael Kumić nach eigenen Angaben gemäß einer brieflichen Aufforderung aus St. Gallen kommend in Stuttgart (Württemberg [Baden-Württemberg]) eingetroffen, wo er in der Keinath’schen Gastwirtschaft von einem gewissen Josef Limbacher (~1858–?), Schlossergeselle aus Bayern, empfangen und einem gewissen August Wolf, Schlossergeselle aus Nürnberg (Bayern), vorgestellt worden sei. Ein Vierter, vom Beruf Schneider, sei dann noch hinzugestoßen. Am 21. November 1883 wurden gegen 18 Uhr der Wechselstubenbesitzer Josef Heilbronner (1850–1930), Kronprinzstraße 12, und sein zufällig anwesender Freund, der Kaufmann Louis Oettinger (~1856–?), von drei Männern überfallen, mit Bleihämmern zu Boden gestreckt und beraubt. Wie die Polizei später feststellte, soll Anton Kammerer Josef Heilbronner und Hermann Stellmacher Louis Oettinger niedergeschlagen haben. Eine vierte Person soll zunächst vor dem Geschäft Wache gestanden haben. Nachdem der Inhaber und sein Freund schwer verletzt niedergeschlagen im Geschäftslokal lagen, trat auch der unbekannte Attentäter in das Geschäft ein und beteiligte sich am Raub, der aber wegen der Hilferufe Josef Heilbronners, der sich zur Tür schleppen konnte, nur sehr hastig ausgeführt werden konnte. Angeblich wurden 2.000 Mark und 3.000 Mark in Gold sowie zahlreiche Wertpapiere und Wechsel geraubt: Gesamtwert über 17.000 Mark. Vier Bleihämmer wurden am Tatort zurückgelassen. Josef Heilbronner hatte acht verschiedene Wunden an Kopf, Hand und Arm, darunter ein komplizierter Schädelknochenbruch mit Depression. Louis Oettinger erlitt bei dem Überfall vier Wunden, darunter einen Schädelbruch, von dem er eine lebenslange Schädigung davontrug. Außerdem wurde ihm beim Überfall ein künstliches Bein, das er trug, vom Körper gerissen. Die Täter mussten schließlich flüchten, weil zwei Mädchen im Haus auf den Lärm aufmerksam wurden und den Besitzer eines im Haus untergebrachten Restaurants verständigten, der dann zusammen mit einem Gast Nachschau hielt. Zumindest einer der Attentäter begab sich danach zum Bahnhof, trank dort noch ein Bier und bestieg schließlich den Zug nach Pforzheim (Baden [Baden-Württemberg]). Am Abend des 21. November 1883, gegen 20 Uhr 30, wurde der angebliche Schlossergeselle Ernst Baum aus Chemnitz (Sachsen) im Bahnhof von Pforzheim verhaftet. Beamte durchsuchten gerade den aus Stuttgart angekommenen Zug nach den drei avisierten Attentätern: die angeblichen Schlossergesellen Ernst Baum, Josef Limbacher und August Wolf. Die Beamten wussten, dass es sich um falsche Namen handelte. Einer von ihnen, Ernst Baum, wurde noch im Zug festgenommen. Nach dem Aussteigen brachte er vor dem Telegrafenbüro des Bahnhofs plötzlich ein Sprenggeschoss zur Explosion. Im Zuge des Handgemenges mit den Beamten wurde Ernst Baum zu Boden geworfen. Er brachte ein zweites Sprenggeschoss zur Explosion und verletzte dadurch einen Gendarmerie-Wachtmeister an Arm und Kopf. Auch einige umstehende Beamte erlitten Brandwunden. Ernst Baum, der bei der Festnahme selbst an Brust und Kopf verwundet wurde, hatte einen geladenen Revolver mit sechs Schuss Munition und 946 Mark aus der Beute des Bankraubs bei sich. Als Täter des Überfalls auf Josef Heilbronner wurden zunächst vier Personen gesucht, die in der Nacht vom 20. auf den 21. November 1883 in der Keinath’schen Gastwirtschaft in Stuttgart übernachtet hatten: 1) Karl Slemer, der später als Karl Slamer (~1858–?), Schneidergeselle aus Baden-Baden, und schließlich als Michael Kumić identifiziert wurde; 2) Julius Wagner (~1858–?), Mechaniker aus Freiburg im Breisgau (Baden [Baden-Württemberg]), hinter dem die Polizei zunächst den Schlossergesellen Josef Limbacher (~1858–?) aus Herrieden (Bayern) vermutete; 3) Franz Kreutzer alias Theodor (~1858–?), gelernter Schneidergeselle und nunmehriger Kellner aus Oberursel [Oberursel (Taunus)] (Hessen), hinter dem die Polizei zunächst den Kellner Anton Kreutzer (~1860–?) aus Seckenheim [zu Mannheim] (Baden [Baden-Württemberg]) oder Josef Kreutzer (1857–?), Steinhauer aus Wiesethbruck [zu Bechhofen] (Bayern) vermutete; 4) August Wolf, Schlossergeselle aus Nürnberg, hinter dem die Polizei später Ernst Baum alias Karl Slamer vermutete. Sowohl Josef Limbacher wie auch Anton Kreutzer und Josef Kreutzer waren bereits mehrfach wegen Diebstahls vorbestraft. Steckbrieflich gesucht wurden zunächst der gelernte Schneidergeselle und nunmehrige Kellner Franz Kreutzer aus Oberursel, der Schlossergeselle Josef Limbacher aus Bayern und der Schlossergeselle August Wolf aus Nürnberg. Das königliche württembergische Justizministerium setzte eine Belohnung von 1.500 Mark für sachdienliche Hinweise zur Ergreifung der Täter aus. Aufgeklärt wurde zunächst nur der Fall des im Zug festgenommenen Ernst Baum. Sein Pass stellte sich rasch als falsch heraus, wobei man zunächst hinter dem Festgenommenen den Schneidergesellen Karl Slamer aus Baden-Baden vermutete. Am 23. November 1883 wurde er ins Justizgefängnis Stuttgart eingeliefert. Hier entpuppte sich Ernst Baum beziehungsweise Karl Slamer im Laufe der Verhöre als Michael Kumić. Erst als Kumić am 26. November 1883 seine Identität preisgab, wurde von der Polizei nach den anderen Attentätern in sozialistischen Kreisen gesucht. Allerdings weigerte sich Kumić, die Namen seiner Komplizen zu nennen. Als Mittäter am Überfall auf Josef Heilbronner vermutete die Polizei schließlich Anton Kammerer und Hermann Stellmacher. Michael Kumić, der den Raub in Stuttgart gestand – er war angeblich die Wache stehende vierte Person –, wurde am 30. Juni 1884 verurteilt, Anton Kammerer, der seine Beteiligung ebenfalls gestanden haben soll, am 6. September 1884.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass 31. Dezember 1883 in der Zeitung »Neue Freie Presse« (Wien) ein Artikel erschien, in welchem der des Raubmordes verdächtigte Michael Kumić als »Anarchist« tituliert wurde.2 Bislang wurden Personen der radicalen Arbeiterbewegung in der bürgerlichen Presse im Allgemeinen als »Sozialdemokraten« beziehungsweise »Sozialisten« bezeichnet. Nunmehr setzte sich die Bezeichnung »Anarchisten« in der Presse durch.

Der Prozess gegen Michael Kumić. 30. Juni 1884

Am 30. Juni 1884 fand vor dem Land- als Schwurgericht Stuttgart der Prozess gegen Michael Kumić anlässlich seiner Beteiligung am Überfall in Stuttgart statt, angeklagt zweier Verbrechen des versuchten Mordes und des Verbrechens des Raubes. Das Verfahren wegen Widerstandes und versuchter Tötung ihn festnehmender Personen am 21. November 1883 in Pforzheim wurde eingestellt, desgleich das Verfahren gegen seine Mittäter. Michael Kumić wurde im Sinne der Anklage zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Am 21. Juli 1884 gab auf den Vortrag des Justizministeriums hin König Karl von Württemberg (1823–1891) einer Begnadigung von Kumić nicht statt. Ebenfalls im Juli 1884 wurde die vom württembergischen Justizministerium ausgesetzte Belohnung von 1.500 Mark für sachdienliche Hinweise zur Ergreifung der Täter an die an der Festnahme beteiligten Polizeiorgane sowie an einen Einwohner von Pforzheim ausgezahlt.

Die Begnadigung von Michael Kumić. Juli 1901

Nach sechzehn Jahren Kerkerhaft, während der er sich 800 Mark erspart hatte, wurde Michael Kumić, der sich wieder dem Katholizismus zugewandt habe, im Juli 1901 wegen guter Führung begnadigt, freigelassen und aus Stuttgart ausgewiesen. Er begab sich nach Budapest (Ungarn), wo er aber sofort aus der Stadt und seinem Polizeirayon ausgewiesen wurde. Danach verliert sich die Spur von Michael Kumić.

Die Zukunft (Wien) 1882 bis 1883

Karte
  • 1

    Vgl. die vom Radicalen Josef Müller (1839–1891) herausgegebene Schrift: Der Hochverraths-Proceß und die Affaire Merstallinger gegen Engel, Pfleger, Berndt, Sommer, Schmidt, Gröbner, Spiegel, Krondorfer, Winter, Masur, Motz, Kompoß, Würges, Wagner, Weich, Spahl, Wetz, Buelacher, Treibenreif, Peukert, Kotidek, Stiaßny, Führer, Gams, Kreps, Schenk, Wordak, Heitzer und Hotze. Verhandelt vor dem k. k. Schwurgericht Wien, vom 8.–21. März 1883. Nach den stenographischen Berichten bearbeitet und wahrheitsgetreu wiedergegeben. Herausgegeben von Josef Müller. VII. Bezirk, Gumpendorferstraße 78. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers 1883, 238 S.

  • 2

    Vgl. [anonym]: Kleine Chronik. [/] (Ein Anarchist), in: Neue Freie Presse [/] Morgenblatt (Wien), [20]. Jg., Nr. 6948 (31. Dezember 1883), S. 2.