Stefan Pauler (1840–)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist Stephan Pauler
tschechische Namensform: Štěpán Pauler
Geburtsdatum
27. Dezember 1840
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch, dann konfessionslos

Vater: Johann Pauler; tschechische Namensform:Jan Pauler , Sohn einer Hausfrau und eines Taglöhners: Fleischhauer; Heirat mit:
Mutter: Katharina Pauler, geborene Haurek; tschechische Namensform: Kateřina Pauler, geborene Haurek, Tochter einer Hausfrau und eines Taglöhners: Hausfrau
Ehe: standesamtlich in Graz (Steiermark) mit Anna Sophia Güsser, mit 15. Jänner 1839 legitimierte Messer (Graz, Steiermark 20. Jänner 1837 – ?): Hausfrau; Radicale
Kind: eines

Biographie

Stefan Pauler zog nach Marburg an der Drau (Steiermark [Maribor, Slowenien]), wo er bei der Eisenbahn arbeitete. Im Oktober 1870 war er Mitbegründer des ersten »Arbeiter-Bildungsvereins« in Marburg.

1871 übersiedelte Stefan Pauler nach Knittelfeld (Steiermark), wo er noch im selben Jahr Mitbegründer und erster Obmann des dortigen »Arbeiter-Bildungsvereins« wurde. Außerdem gehörte er dem 1873 gegründeten gesamtsteirischen »Politischen Verein ›Brüderlichkeit‹« an. Nach der Gründung der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« im April 1874 sollte auch in der Steiermark ein Landeskomitee gegründet werden, doch wurde die Versammlung am 2. Juli 1874 von der Polizei aufgelöst. In diesem Zusammenhang wurde Hippolyt Tauschinsky (1839–1905) verhaftet. Gegen ihn und einunddreißig Genossen, darunter Stefan Pauler, wurde Anklage wegen Religionsstörung und Teilnahme an einer geheimen sozialdemokratischen Verbindung erhoben. Im Hochverratsprozess, der vom 14. bis 24. Oktober 1874 am Landesgericht Graz (Steiermark) stattfand, wurde Stefan Pauler freigesprochen.

Stefan Pauler, der mittlerweile nach Graz übersiedelt war, geriet als Vorsitzender einer am 5. Dezember 1875 vom »Politischen Verein ›Zukunft‹« abgehaltenen Versammlung mit dem Regierungsvertreter in Konflikt. Deswegen des Vergehens der Beleidigung eines öffentlichen Beamten und der Übertretung des Vereinsgesetzes angeklagt, wurde Pauler zunächst vom Bezirksgericht Graz freigesprochen, jedoch am 4. November 1876 vom Appellationssenat zu sieben Tagen Arrest verurteilt. Pauler nahm als einer der steirischen Delegierten am Arbeitertag (Parteitag) der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« am 1. Juli 1877 in Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]) und Atzgersdorf (Niederösterreich [zu Wien 23.]) teil. Danach wurde für die Steiermark ein Agitationskomitee gegründet, welchem auch der mittlerweile als Tischler arbeitende Stefan Pauler angehörte. Außerdem nahm er als steirischer Delegierter am 18. August 1878 am Parteitag in einem Wald bei Langenbruck (Böhmen [Dlouhý Most, Tschechien]) nahe Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]) teil. Auch auf dem ersten österreichischen Metallarbeitertag in Wien, 7. und 8. September 1879, war er vertreten und wurde zum Obmann-Stellvertreter dieser Tagung gewählt.

Eine Wende im politischen Leben Stefan Paulers brachte der am 9. März 1879 in Graz gegründete »Erste steiermärkische Arbeiterbund für alle Erwerbszweige«, der seit 1880 zu einer Hochburg der radicalen Arbeiterbewegung und am 2. Jänner 1882 behördlich aufgelöst wurde. Pauler war nicht nur ein tonangebendes Mitglied des Vereins, er war auch wesentlich dafür verantwortlich, dass dieser rasch zum organisatorischen Zentrum der radicalen Arbeiterbewegung in der Steiermark wurde. Im Oktober 1880 fand in der Grazer Wohnung von Pauler eine Konferenz von Vertrauensleuten aus Bruck an der Mur (Steiermark), Graz, Klagenfurt / Celovec (Kärnten), Leoben (Steiermark) und anderen Orten statt, welche die Forderung nach Verlegung der Parteileitung der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« von Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]) nach Graz beschlossen. Nunmehr rückten die Radicalen verstärkt ins Blickfeld der Behörden. Als in der Nacht vom 6. auf den 7. November 1880 in Graz verbotene Flugschriften angeschlagen wurden, folgten mehrere Hausdurchsuchungen, auch bei Pauler, jedoch alle ergebnislos. Pauler, längst einer der wichtigsten Redner bei den Veranstaltungen der Radicalen, trat nicht nur in Graz auf, sondern bereiste regelmäßig die ganze Steiermark. So sprach er beispielsweise bei der Volksversammlung vom 19. Dezember 1880 in Knittelfeld (Steiermark). Kurz danach war Pauler der Grazer Delegierte auf der Delegiertenkonferenz der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs«, welche am 25. Dezember 1880 in Julienfeld (Mähren [Juliánov, zu Brno, Tschechien]) stattfand, und auf welcher die Verlegung des Sitzes der Parteileitung von Reichenberg nach Graz tatsächlich beschlossen wurde. Stefan Pauler gehörte nunmehr gemeinsam mit dem Kleidermachergehilfen Ferdinand Gabriel (1828–1902), dem Maschinenschlosser und nunmehrigen Buchhalter der Grazer »Allgemeinen Arbeiter-Kranken- und Invaliden-Kasse« Michael Kappauf (1843–1890), dem Waffenarbeiter Alois Kern, dem Schuhmachergehilfen Stefan Kohl (~1853–?), dem Tischlergehilfen Franz Kramer (~1848–1921) und dem Tischlergehilfen Anton Riedl (1846–?) der Zentralleitung der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« an, welche seit 1. Jänner 1881 ihren Sitz in Graz hatte. Am 29. November 1881 wurde Stefan Pauler im Hochverratsprozess gegen acht Radicale, der vor dem Landes- als Schwurgericht Graz verhandelt wurde, wegen Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zu zwei Monaten Arrest verurteilt, die er im Gefangenenhaus in der Karlau [zu Graz] (Steiermark) absaß. Nach Verbüßung der Strafe wurde Pauler aus Graz abgeschafft.

Stefan Pauler, mittlerweile verheiratet und als Eisenarbeiter tätig, wurde zunächst in seine böhmische Heimat abgeschoben, übersiedelte aber bald darauf nach Wien. Am 15. Mai 1882 trat er als Redner in der Volksversammlung im Gemeinde-Gasthaus in Großjedlersdorf (Niederösterreich [zu Wien 21.]) zur Tagesordnung »Die Forderungen des vierten Standes gegenüber dem Forum des Parlaments« vor rund 300 Arbeitern auf. Vor allem war Pauler nun als – namentlich nicht ausgewiesener – Redakteur der Gewerkschaftszeitung »Sozialpolitische Fachzeitung der Metallarbeiter Österreichs« (Wien) und als Funktionär der »Gewerkschaft der Eisen- und Metallarbeiter« aktiv. So nahm er als Delegierter des Gewerkschaftsorgans »Sozialpolitische Fachzeitung der Metallarbeiter Österreichs« am österreichischen Arbeitertag teil, der am 15. und 16. Oktober 1882 in Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]) stattfand. Hier ergriff er für die Radicalen das Wort: »Ich erkläre, daß wir den Arbeitertag niemals als solchen anerkennen werden, da noch bis jetzt jedes, selbst das bettelhafteste Programm als staatsgefährlich erklärt und in keiner Weise mit dessen Inhalt etwas erzielt wurde. Wenn wir vom Eisenacher bis zum Neudörfler Programm heruntergehen, so finden wir, daß jedes geschwächt und verkleinert wurde und mit dieser Programmlerei überhaupt die Bewegung nur in jeder Weise verflacht wurde. Was läßt sich überhaupt in der Öffentlichkeit für ein Programm aufstellen? [/] Wenn sie weiters glauben, daß es möglich ist, den Prinzipienstreit heute beizulegen, so ist dies ein Irrtum, denn von uns wird sich niemand mit einem Dorsch und Bardorf in Konnässanzen einlassen, weil wir es unter unserer Würde finden, mit solchen Leuten zu paktieren, ja, weil wir froh sind, sich diese Leute vom Halse geschafft zu haben.«1 Mit seiner Ablehnung der »Programmlerei« setzte Pauler klare Akzente in Richtung Sozialrevolutionäre. Auch auf der freien Schuhmacherversammlung, die am 26. Dezember 1882 im »Hernalser Brauhaus« (Johann Karpf) in Hernals (Niederösterreich [zu Wien 17.]), Frauengasse 27, stattfand, betonte Pauler, dass die Resolutionen und Petitionen der Arbeiterschaft bloß in die Papierkörbe wanderten. Anlässlich dieser Aussage wurde er vom Bezirksgericht Wien-Hernals am 1. Februar 1883 wegen Beleidigung des Reichsrats zu vierzehn Tagen Arrest verurteilt. Außerdem sollte er mit Entscheidung der Wiener Polizeidirektion vom 28. April 1883 aufgrund des Vagabundengesetzes als ein aus der Haft tretender Sträfling aus Niederösterreich für immer abgeschafft werden, wogegen Pauler Rekurs einlegt.

Im April 1883 wurde Stefan Pauler in das Herausgeberkomitee der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) gewählt, welchem er bis Jänner 1884 angehörte. Pauler, mittlerweile Mitglied der Parteileitung der Wiener Radicalen, nahm im Frühjahr 1883 auch an den Verhandlungen mit den »Feudal-Klerikalen« um den katholischen Sozialreformer Karl von Vogelsang (1818–1890) teil. Und bei der vom Gewerbeausschuss des Österreichischen Reichsrats zwischen 30. April und 8. Mai 1883 im Parlament durchgeführten Enquete »Über die Arbeitergesetzgebung« war Pauler einer der hundertdrei befragten Experten, wobei er Gesetze zur Verbesserung der Lage der Arbeiterschaft als Palliativmittel ablehnte.2 Wegen seiner Aussagen um Gewerbeausschuss verlor Pauler seinen Arbeitsplatz als Installateur. Als die Niederösterreichische Statthalterei am 8. Mai 1883 die Entscheidung der Wiener Polizeidirektion zur Ausweisung Paulers bestätigte, wurde er aus Wien abgeschafft.

Stefan Pauler begab sich am 26. Mai 1883 in seine nordböhmische Heimat, ging aber bereits Ende Mai 1883 nach Budapest (Ungarn), wo er Mitarbeiter der Zeitung »Radikal« (Budapest) wurde. Mittlerweile legte Paulers Advokat gegen die Ausweisung aus Niederösterreich beim Reichsgericht Beschwerde ein, welcher am 10. Juli 1883 auch stattgegeben wurde. Schon seit Juli 1883 standen und seine Ehefrau Anna Pauler (1837–?) unter polizeilicher Beobachtung. Anna Pauler war mehrmals nach Wien gereist, weshalb man in ihr eine Verbindungsperson zwischen den Wiener und Budapester Radicalen vermutete. Außerdem brachte sie im Juli 1883 dem in Budapest vorübergehend verhafteten Schneidegehilfen und Redakteur der Zeitung »Radikal« Ármin Práger (1851–1905) regelmäßig Essen in die Untersuchungshaft. Schließlich wurden am 14. März 1884 in Budapest und Umgebung sechsunddreißig Radicale verhaftet, darunter auch Stefan Pauler und seine Ehefrau Anna Pauler. Beide wurden beschuldigt, dem als Attentäter gesuchten Buchbindergehilfen Anton Kammerer (1862–1884) während dessen Aufenthalts in Budapest Vorschub geleistet zu haben. Sie wurden am 25. März 1884 in das Strafgericht Budapest eingeliefert. Das Verfahren gegen die beiden wurde zwar nach wenigen Wochen eingestellt. Stattdessen wurden sie wegen Aufreizung gegen die bestehende Gesellschaftsordnung sowie wegen Teilnahme an sozialistischen Umtrieben und hierdurch bedingte Gefährlichkeit für die öffentliche Ordnung aus Ungarn für beständig ausgewiesen und nach Hradek (Böhmen [Hrádek (okres Rokycany), Tschechien]) abgeschoben. Am 11. April 1884 verließen Stefan und Maria Pauler mit ihrem Kind Ungarn. Allerdings vermuteten die ungarischen Behörden noch im Juni 1884 fälschlich, dass sich Pauler unter falschem Namen im Komitat Árva (Ungarn [Slowakei]) aufhalte.

Tatsächlich begab sich Stefan Pauler aber nach Mokrzyszów [zu Tarnobrzeg] (Galizien und Lodomerien [Polen]), wo er als Maschinenschlosser Arbeit fand. Später wanderte Stefan Pauler – vermutlich gemeinsam mit seiner Ehefrau – nach Brasilien aus, wo er 1902 Präsident des »Österreichisch-ungarischen Hilfsvereins« in der Colônia Jaguari (Estado do Rio Grande do Sul, Brasilien) war.

Adressen

  • Rudig, Böhmen [Vroutek, Tschechien], Rudig 192 (Geburtsadresse)
Karte
  • 1

    Zitiert nach Ludwig Brügel (1866–1942): Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie. Dritter Band: Parteihader. Propaganda der Tat. Einigung. (1878 bis 1889). Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1922, S. 283–284. Angesprochen wurden hier der Bandmachergehilfe Ferdinand Dorsch (1845–1898), exponierter Vertreter der gemäßigten Arbeiterbewegung, und der Woll- und Seidenfärbergehilfe Josef Bardorf (1847–1922), der nur kurz der radicalen Arbeiterbewegung angehört hatte.

  • 2

    Vgl. Stenographisches Protokoll über die vom 30. April bis inclusive 8. Mai 1883 im Gewerbeausschusse des Abgeordnetenhauses stattgehabte Enquête Über die Arbeitergesetzgebung. Wien: k. u. k. Hof- und Staatsdruckerei 1883, mit den Stellungnahmen der Radicalen Josef Peukert (1855–1910), S. 86–96, Franz Nechvíle (1856 – 1931), S. 106–111, und Stefan Pauler, S. 116–119.