02.05.01. Erste Freie Presse Cisleithanien’s. Nr. 1. Volk und Parlament. 1883

Erste Freie Presse Cisleithanien’s1

Volk und Parlament

Nr. 1. März 1883.

Volk Österreichs, öffne deine Augen! Man hat dir viel Schönes und Frasenreiches von einem Parlamente und einer Volksvertretung vorgesagt und du glaubst es und betest es andächtig nach. In Wirklichkeit aber ist der ganze Parlamentsschwindel eine Komödie, deren Aufführungskosten du mit deinem Schweiße zahlst. Der Parlamentarismus ist ein eckler Mummenschanz, bei welchen du, Volk, an eine Horde internationaler Gauner – Kapitalisten genannt – ausgeliefert wirst, die dir dann rücksichtslos den letzten Tropfen Mark aus den Knochen pressen. Durch den Parlamentsschwindel wirst du den Banditen im Frack an’s Messer geliefert.

Man tauft den Raub mit den verschiedenartigsten Namen, man nennt ihn Einkommensteuer, Erwerbsteuer, direkte und indirekte Steuer – in Wirklichkeit aber ist und bleibt es nur ein direkter und indirekter Raub, mögen die Ordnungs-Banditen ihn auch wie immer nennen.

Man macht dir vor: »der Staat muß ein höheres Erträgnis haben, um endlich seine Wirthschaft auf eine dauernde Grundlage zu stellen und das Gleichgewicht im Haushalte zu erzielen«, und wirft dir eine Steuer auf den Buckel, selbst wenn dein Hungererwerb nur 300 Gulden jährlich ist.

Also der Staat braucht ein höheres Erträgnis, um seine Lumpenwirthschaft auf eine dauernde Grundlage zu stellen. Was glauben denn eigentlich diese Drohnen? glauben sie denn wirklich, daß die ganze Komödie eine Dauer haben kann? glauben sie denn thatsächlich, daß das Volk einen langsamen Hungertod ruhig erleiden wird, ohne die Banditen, die ihm sein sauererworbenes Brod vom Munde wegstehlen, zum Teufel zu jagen? Was ist denn das eigentlich für ein Ding, dieser sogenannte Staatshaushalt? Dieser Staatshaushalt besteht darin, daß man dir, o Volk, wenn du dich Tag und Nacht geschunden und gerackert hast, so viel nur läßt, daß du nicht zu schnell verhungerst, das Übrige aber wegnimmt, um es Tagdieben zu geben, die nichts thun, wie von einem Papier ein Stück herabschneiden, das sie Kupon nennen, oder man gibt es Wursteln, die rechts und links um machen, oder man steckt es Kanzlei-Schäfs in die Tasche, die mehrere Male im Tag ihren Eselsnamen auf das Papier kratzen und zwar gewöhnlich so schlecht, daß es kein Teufel lesen kann, oder man gibt es Ministern, die ihre Unfähigkeit bewiesen haben und nennt es Pension. Anstatt derartige Kerle mit einer Tracht Prügel zu belohnen, wie sie es verdienen, weil derjenige, welcher zu etwas unfähig ist, sich nicht darum annehmen soll, zahlt man ihnen jährlich 3000 fl. für ihre Dummheit!

Du siehst also, daß es auch einen Dummheitsgehalt gibt. Du wirst dir bedenklich den Kopf kratzen und fragen, wie es kommt, daß die Herren im Parlament bei jeder Steuererhöhung »einverstanden!« sagen. Nun die Geschichte ist ganz einfach. Im Parlament sitzen der Mehrzahl nach Millionäre, die jeder Staatspapiere haben; wird nun eine Steuererhöhung bewilligt, so heißt das, anders gesagt, die Herren Abgeordenten [!] bewilligen sich, daß sie dich mehr scheeren können, sie bewilligen sich selbst einen neuen und höheren Raub an dir, und dafür erhalten sie von dir täglich 10 Gulden. Volk, öffne deine Augen! Was du mit deinen Händen erschaffest, ist dein, denn hättest du nicht gearbeitet, so wäre es ja nicht entstanden. Wer aber von deinem Mark und Schweiß lebt, ohne zu arbeiten, der bestiehlt, betrügt und beraubt dich: denn durch das Nichtsthun entsteht nimmer und ewig nichts und die Kapitalisten haben doch täglich ein Futter und noch dazu ein anständiges, da sie eben vor langer Weile fressen und tüchtig entwickelte Saumägen haben!

Volk, wie lange wirst du noch zusehen? Wenn die Parlamentsbanditen eine neue Steuer bewilligen, so sollen diese Kerle sie auch zahlen! Der Staat bist du und nicht das goldene Kalb, dieses zerschlage in Trümmer! Lasse dich nicht länger mehr als großen Lümmel behandeln, erhebe deinen millionenfachen Arm und jage jenes Gezücht, welches von deinem Marke zehrt, jene Vampire der Gesellschaft, die sich mit deinem Blute mästen, zum Teufel!

Ihr aber im Parlamente, die ihr euch Volksvertreter nennt und, richtiger gesagt, Volksverräther seid, seht euch vor! Der Tag des Zorns und der Rache naht! Schergen der Ordnung insgesammt, höret, was die Stimme des Volkes spricht! Er naht, der große Tag, an welchem im Hotel Europa Ordnung gemacht wird! er naht mit Riesenschritten! Groß ist euer Schuldbuch, ihr habt unsere Genossen in die Kerker geschleudert, ihr habt euch, die ihr eigentlich die Hochverräther seid, zum grünen Tisch gesetzt und als Richter Dutzende von Kerkerjahren diktirt. Groß ist die Anzahl von Männern, die ihr gemaßregelt, groß ist die Anzahl der Gefängnisjahre, aber noch größer ist die Anzahl der Gaskandelaber und sie können auch zu anderen Zwecken wie zur Beleuchtung verwendet werden. Ihr habt unsere Blätter, für die wir unser sauer erworbenes Gold hergegeben haben, geraubt oder confiscirt, wir nehmen uns hiermit selbst die Pressfreiheit heraus.

Dieses Blatt ist auch das Erzeugniß der ersten freien Presse und diese wird den Polizeibütteln noch oft Postarbeit machen. Diese freie Presse wird erscheinen bis zum Tage des Zornes, dies sei euch gesagt. Maßregelt weiter unsere Genossen, diktirt ihnen Jahre, wie ihr wollt, wir werden eure Kerker sprengen und unsere Genossen befreien. Die Paar ausgehunderten [!] Commisbrodritter werden uns nicht daran hindern, wir zählen nach hunderttausenden!

Zittert, Schergen der Ordnung! Euer Schuldbuch ist groß und wir werden mit Wucherzinsen zahlen, da wir schon an solche gewohnt sind.

Das Comité der Social-Revolutionäre Österreichs