02.10.00. Der Aufbruch zum Anarchismus und sozialrevolutionäre Nachwehen. 1887 bis 1888 / Chronik 1887
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Überblick
1887 war die Arbeiterbewegung in Österreich nach außen hin zum Stillstand gekommen. Intern gab es nach wie vor heftige Auseinandersetzungen zwischen den Gemäßigten um den Arzt und Journalisten Victor Adler (1852–1918) und den Radicalen um den Schneidergehilfen Johann Risman (1864–1936), »die Seele der österreichischen Anarchisten«, wie ihn die Polizei beurteilte.1 Zentren der zum Anarchismus tendierenden Radicalen war Graz (Steiermark), doch auch in anderen Orten der Steiermark und in Kärnten sowie in Linz an der Donau (Oberösterreich) spielten die Radicalen noch eine gewichtige Rolle. Der Zwiespalt, in dem sich die Arbeiterbewegung befand, zeigte sich besonders deutlich bei der Diskussion um die Einführung von Arbeiterkammern. Selbst bei Versammlungen, in denen die von den Gemäßigten geforderte Errichtung derselben von den Radicalen abgelehnt wurde, wurde bisweilen gleichzeitig das allgemeine Wahlrecht gefordert. Lediglich in Graz und einigen obersteirischen Orten gab es eine eindeutige Ablehnung aller politischen Aktionen. Auch die Aktionen der Sozialrevolutionäre fanden mit dem Wiener so genannten Anarchisten-Prozess, 21. bis 28. März 1887, weitgehend ihr Ende, sieht man von der dank eines Polizeispitzels am 27. Mai 1887 aufgedeckten Münzfälscherbande in Wien ab. Das bedeutendste Ereignis aus anarchistischer Sicht war wohl die im Mai 1887 vollzogene offene Spaltung der Grazer Radicalen. Die Anhänger von Johann Risman nannten sich nunmehr in Anlehnung an die Gruppierung um den von London (Großbritannien) aus agierenden Journalisten, Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) »Autonomisten«. Mit ihrem bewussten Austritt aus dem recht wirren sozialdemokratischen, radicalen und sozialrevolutionären Einheitsbrei der Arbeiterbewegung wurden die Grazer Radicalen zur Kernorganisation der ersten rein anarchistischen Bewegung in Österreich. Die Autonomisten verstanden sich nicht mehr als gleichsam linker Flügel der Arbeiterbewegung, sondern als eine autonome anarchistische Arbeiterbewegung.
Hier sei auch auf ein für die Bewegung in Österreich wichtiges, vielfach vernachlässigtes Kapitel hingewiesen. Immer bedeutender wurden nun für die radicale Arbeiterbewegung in Österreich auch die ins Ausland geflüchteten Radicalen, Sozialrevolutionäre und Anarchisten. Mit ihren Geldern unterstützten sie einerseits die Familien der verfolgten Genossen in Österreich. Andererseits finanzierten sie die wichtigsten Zeitungen der Bewegung. Das war schon deshalb nötig, weil die behördlichen Verfolgungen es in Österreich unmöglich machten, längerfristig ein Organ als Sprachrohr der Bewegung herauszugeben. In England war es die von Josef Peukert herausgegebene Zeitung »Die Autonomie« (London), die nunmehr den Einfluss der einst wichtigen, vom Journalisten Johann Most (1846–1906) herausgegebenen Zeitung »Freiheit« (New York) weitgehend bedeutungslos machte. Dies war nicht nur in England, Frankreich und vor allem in Österreich der Fall, sondern auch in den USA. Die österreichischen Exilanten, die sich in der »Internationalen Arbeiter-Association«, im »Sozialrevolutionären Club« und in dem fast nur von Österreichern gebildeten »Radicalen Arbeiterbund« organisierten, wandten sich zunehmend den Ideen der Autonomisten zu. Für die Bewegung in Österreich und insbesonders für Böhmen waren die verschiedenen Gruppen der tschechoslawischen Exilanten in den USA von Bedeutung. Der Eisendreher und Journalist Josef Boleslav Pecka (1849–1897) hatte 1886 seine in Österreich stark verbreitete Zeitung »Budoucnost« (Chicago; Die Zukunft) durch die Zeitung »Práce« (Chicago; Die Arbeit) ersetzt, und in New York City (New York, USA) wurde 1886 die Zeitung »Proletář« (New York; Der Proletarier) von der in Österreich weniger verbreiteten Zeitung »Hlas lidu« (New York; Die Volksstimme) verdrängt. Von geringerer Bedeutung war die einst in London (England) und nunmehr in Paris (Frankreich) vom Schneidergehilfen Franz Jonata (1852–1917) herausgegebene Zeitung »Pomsta« [London, dann Paris; Die Rache].
Im Ausland wurden auch jene zwei Schriftenreihen verlegt, deren Hefte nach Österreich eingeschmuggelt werden mussten. Seit April 1887 gab Johann Most die »Internationale Bibliothek« in New York City (New York, USA) heraus, und seit Dezember 1887 erschien in London (England) die von Josef Peukert initiierte und von der »Gruppe ›Autonomie‹« herausgegebene Schriftenreihe »Anarchistisch-communistische Bibliothek« Hatten die Flugblätter der radicalen Arbeiterbewegung rein appellativen Charakter, so eröffneten die Broschüren dieser konkurrierenden Schriftenreihen in Österreich die Möglichkeit, sich über Konzeptionen einer anarchistischen Gesellschaft zu informieren.
Nicht nur die behördlichen Verfolgungen waren der Grund, warum die Flugschriftenpropaganda 1887 völlig bedeutungslos wurde. Es war die Zeit der Diskussion gekommen. Demgemäß versuchten nun die Anarchisten, sich mit der Zeitung »Arbeit« ein eigenes Sprachrohr zu schaffen: zunächst mit der »Arbeit« in Villach / Beljak (Kärnten), dann mit der »Arbeit« in Linz an der Donau (Oberösterreich) und zuletzt mit der »Arbeit« in Wien. Doch schon zum Jahresende 1887 fiel die Zeitung der behördlichen Verfolgung zum Opfer. Nach dem vor allem von Aktionismus geprägten kurzen Sommer der Anarchie von 1883 symbolisiert diese Zeitung den ersten Versuch, eine autonome anarchistische Bewegung in Österreich zu schaffen.
Dass die staatlichen Organe in den vergangenen Jahren ganzen Dienst geleistet hatten, zeigt sich 1887 deutlich. Die Zahl von Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und Prozesse im Zusammenhang mit der radicalen Arbeiterbewegung war so niedrig, wie schon viele Jahre nicht mehr. Das kann nicht verwundern: Viele Aktivisten saßen noch im Gefängnis, andere waren nach Paris (Frankreich), London (Großbritannien) oder in die USA geflüchtet. Bezeichnderweise wurden lediglich sieben Personen wegen so genannter anarchistischer Umtriebe ausgewiesen, und zehn Personen wurde die Rückkehr gestattet. Vor diesem Hintergrund hatte es der durchaus im staatlichen Interesse agierende und von diversen Regierungskreisen wie Behörden geförderte Victor Adler leicht, die Basis für den Hainfelder Parteitag aufzubereiten, auf dem sich zur Jahreswende 1888/1889 die zersplitterte Arbeiterbewegung in der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei« einigte… ohne die Anarchistinnen und Anarchisten.
Chronik
1. Jänner 1887 (Samstag)
Wien und Vororte: Unter dem Datum »Jänner 1887« erscheint die von der Polizei-Direktion Wien verfasste und herausgegebene Broschüre »Die social-demokratische und anarchistische Bewegung im Jahre 1886«.23. Jänner 1887 (Montag)
Wien und Vororte: Am 3. Jänner 1887 erhält der Besitzer einer Seiden- und Wollbandfabrik in Siegersdorf [zu Pottendorf] (Niederösterreich) Franz Macht (1832–1913) eine in Neubau (Wien 7.) aufgegebene, mit »Anarchistisches Comité« unterzeichnete Korrespondenzkarte, in welcher er aufgefordert wird, innerhalb der nächsten fünf Tage 200 Gulden unter einer angegebenen Chiffrenadresse einzusenden, andernfalls ginge sein Etablissement in Flammen auf. Mit einem derartigen Brief war er nicht der Einzige. (►31. Dezember 1886)9. Jänner 1887 (Sonntag)
Wien und Vororte / Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Am 9. Jänner 1887 finden in Wien und Prag Arbeiterversammlungen zu dem am Dienstag dem 5. Oktober 1886 vom deutsch-liberalen Politiker Ernst von Plener (1841–1923) eingebrachten Gesetzentwurf über die Errichtung und Organisation der Arbeiterkammern statt. Auf der Versammlung im Gasthaus »zu den drei Engeln« (Josef Renz) in Wien 4., Große Neugasse 36, sprechen nur Angehörige der Gemäßigten, welche die Arbeiterkammer als Linsengericht bespötteln, ansonsten aber ihre Forderungen nach dem allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht wiederholen. Anders in Prag, wo der tschechische »Politický klub dělnický« (Politischer Verein der Arbeiter) in den Saal der »Sofieninsel-Restauration« (Josef Zelenka) auf der Sofieninsel [Žofín] geladen hat: Zwar sprechen auch hier zunächst Vertreter der Gemäßigten, darunter der spätere Anarchist Vilém Körber (1845–1899). Als Vertreter der Arbeiter von Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]) ergreift dann jedoch der Arbeiter Johann Opletal (1857–1933), später ebenfalls einflussreicher Anarchist, das Wort, der eine Vereinigung aller Arbeiter und jenseits aller Nationalitäten fordert und die Arbeiter unter stürmischem Bravorufen ermutigt, ihre Sache selbst in die Hand zu nehmen. Dennoch wird die Resolution, welche für die Errichtung der Arbeiterkammern ist, einstimmig angenommen.25. Jänner 1887 (Dienstag)
Wiener Neustadt (Niederösterreich): Am 25. Jänner 1887 gibt der Ofensetzer und Arbeiterdichter Franz Johann Leitner (1849–1922) bekannt, dass er seine Posse über die damals einiges Aufsehen erregenden italienischen so genannten Hungerkünstler Giovanni Succi (1855–1918) und Stefano Merlatti (1864–1890), »Succi, Merlatti und Comp.«, fertig gestellt habe und dass diese demnächst in Wiener Neustadt und in Sopron / Ödenburg [Sopron] (Ungarn) aufgeführt werde. Es ist dies eine der letzten Aktionen Franz Johann Leitners als Radicaler.2. Febrau 1887 (Mittwoch)
Stein [zu Krems an der Donau] (Niederösterreich): Der Eisendreher Franz Wögerer (1843–1887) stirbt am 2. Februar 1887 im Gefängnis Stein an Gehirnlähmung in Folge von Alkoholismus. Er war im Prozess, der vom ►11. bis 27. Mai 1885 vor dem Ausnahmsgericht Wiener Neustadt (Niederösterreich) stattgefunden hatte, wegen Verbrechens des Hochverrats zu vier Jahren schwerem Kerker verurteilt worden.7. Februar 1887 (Montag)
Graz (Steiermark): Am 7. Februar 1887 findet in der »Puntigamer Bierhalle« in Graz, Jakobigasse 6 [Orpheumgasse 8], eine Volksversammlung des »Politischen Vereins ›Wahrheit‹« zum Problem der Arbeiterkammern statt, an der etwa vierhundert Arbeiter teilnehmen. Erster Referent ist der ehemals radicale Schuhmachergehilfe Johann Pischler (1854–?), der für die Schaffung von Arbeiterkammern und für die Erweiterung des Wahlrechts ist. Danach spricht sich der Radicale Johann Markitsch dagegen aus und plädiert am Ende seiner Rede für den Internationalismus der Arbeiterschaft. Der Schneidergehilfe Johann Risman (1864–1936) spricht für die Radicalen, verwirft ebenfalls das System der Arbeiterkammern, abaer auch das allgemeine Wahlrecht, und meint: »die Sorge für den Staat überlassen wir Anderen«, und er schließt unter lebhaftem Beifall: »Entweder Alles, oder Nichts!«3 Der Schuhmacher Josef Gans (1853–1912), ein exponierter Gemäßigter, empfiehlt danach die Annahme der von Johann Pischler vorgelegten Resolution, die aber nach einem heftigen Tumult mit großer Mehrheit abgelehnt wird. Die Resolution von Johann Risman kommt nicht mehr zur Abstimmung, weil sie mit der Ablehnung von Johann Pischlers Resolution für angenommen erklärt wird: »In Erwägung, daß die bestehenden traurigen Verhältnisse der Lohnarbeiter durch die privatkapitalistische Production erzeugt wurde und daß der vom deutsch-österreichischen Club im Parlament eingebrachte Gesetzentwurf weder den Wünschen der Arbeiter entspricht, noch eine Besserung der herrschenden wirthschaftlichen Verhältnisse der Arbeiter herbeiführen kann, erklärt die Versammlung, daß die einzig mögliche Besserung der herrschenden Zustände durch eine radicale Umänderung der bestehenden privatkapitalistischen Productionsweise herbeigeführt werden kann. Alle anderen Vorschläge sind nur Versuche, die Arbeiter von ihrem Weg abzulenken und sie auf den bereits als fruchtlos erwiesenen Boden des Parlamentarismus zu locken.«4 Diese Versammlung bedeutet zumindest für größere Teile der steirischen radicalen Arbeiterbewegung eine Wendung Richtung Anarchismus. (►3. April 1887 und ►Mai 1887)17. Februar 1887 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 17. Februar 1887 erscheint die Broschüre »Geschichte des Fachvereines der Bäcker Wiens von der Gründung bis Ende December 1886. Herausgegeben vom Fachverein«.5 Diese offiziell von einer Hochburg der Radicalen, vom Wiener »Fachverein der Bäcker« herausgegebene Schrift wurde vom Bäckergehilfen August Krčal (1860–1894) zusammengestellt, der auch den darin enthaltene Text »Die Geschichte des Fachvereines« verfasste. Es ist dies nach Jahren die erste in Österreich erschienen Broschüre der radicalen Arbeiterbewegung.21. Februar 1887 (Montag)
Liège / Luik / Lüttich (Belgien): Am 21. Februar 1887 wird in Liège / Luik / Lüttich der für den Schmuggel der Zeitung »Freiheit« (London / New York) nach Österreich wichtige Anarchist Johann Christian Neve alias John Neve (1844–1896) verhaftet. (►21. bis 26. Juli 1883 und ►4. bis 11. Oktober 1887)21. Februar 1887 (Montag)
London (England): Am 21. Februar 1887 veranstaltet die »Gruppe ›Autonomie‹« in London einen Maskenball. Der Gewinn dieser Veranstaltung wird den Familien verhafteter Genossen in Österreich zur Verfügung gestellt.27. Februar 1887 (Sonntag)
Wilten [zu Innsbruck] (Tirol): Am 27. Februar 1887 findet im »Adambräu« in Wilten, Adamgasse 23, eine freie Volksversammlung mit der Tagesordnung »Die Lage der Arbeiter und die Stellungnahme derselben zu dem Gesetzentwurf, betreffs der Errichtung von Arbeiterkammern« statt, an der rund sechshundert Personen teilnehmen. Die Radicalen erleiden eine schwere Niederlage. In der verabschiedeten Resolution werden Arbeiterkammern für die Organisation der Arbeiterklasse als förderlich erachtet und das allgemeine Wahlrecht gefordert.März 1887
Paris (Frankreich): Mit der Nummer 5 vom März 1887 wird die seit ►5. September 1886 erscheinende, bislang in London (England) gedruckte tschechische Zeitung »Pomsta« [Paris; Die Rache]; Die Arbeit) in Paris gedruckt. Die treibende Kraft hinter dieser Zeitung ist nunmehr der Schneidermeister Josef Marek. (►26. August 1888)3. März 1887 (Donnerstag)
Stein [zu Krems an der Donau] (Niederösterreich): Vororte: Am 3. März 1887 verstirbt mit vierunddreißig Jahren der Spenglergehilfe Johann Bleicher (1850–1887) im Gefängnis Stein an Lungentuberkulose. Johann Bleicher war im Wiener Hochverratsprozess vom ►28. und 29. November 1884 zu acht Jahren schwerem Kerker verurteilt worden.4. März 1887 (Freitag)
Wien und Vororte: Am 4. März wird am Hauptplatz in Meidling (Niederösterreich [zu Wien 12.]) ein kleines, mit Explosivstoffen gefülltes Glasrohr gefunden. Die Polizei vermutet dahinter eventuell »anarchistische« Machenschaften, kann aber keine Personen ausfindig machen.8. März 1887 (Dienstag)
Wien und Vororte: Am Abend des 8. März 1887 wirft der Hausknecht Wilhelm Tlapák (1863–?) in seiner Wohnung in Wien 6., Strohmayergasse 3, eine brennende Petroleumlampe vom Tisch, worauf ein Feuer entsteht, das aber noch im Keim erstickt werden kann. Wilhelm Tlapák läuft daraufhin auf die Straße, wo er randaliert, bis er von einem Wachmann für arretiert erklärt wird. Wilhelm Tlapák bedroht diesen mit dem Erstechen, schreit, dass er ein Anhänger des Journalisten Johann Most (1846–1906) und aus Amerika gekommen sei, um hier »etwas anzustellen«. Gegen den stark betrunkenen »Anarchisten« wird eine Untersuchung eingeleitet.9. März 1887 (Mittwoch)
Wien und Vororte: Das erwachte öffentliche Interesse an den im Exil lebenden Anarchisten aus Österreich zeigt der am 9. März 1887 in der »Wiener Allgemeinen Zeitung« (Wien) veröffentlichte Artikel »Die Londoner Anarchisten-Clubs«,6 in dem unter anderem auch über die am ►16. Mai 1885 gegründete »Gruppe ›Autonomie‹« um den Journalisten, Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) berichtet wird.10. März 1887 (Donnerstag)
London (England): Am 10. März 1887 erscheint in London das Flugblatt »An die Arbeiter im Soldatenrock!«,7 das in Österreich starke Verbreitung findet. Der Text dieses Flugblattes wird 1892 mit dem Zusatz »Es lebe die Soziale revolution.« von Sozialrevolutionären in Wien neu gedruckt werden.10. März 1887 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 10. März 1887 findet vor dem Landesgericht Wien der Prozess gegen den Maurergehilfen und nunmehrigen Taglöhner Karl Maleček (1860–?) wegen wörtlicher und tätlicher Wachebeleidigung statt. Karl Maleček wird im Sinne der Anklage zu zwei Jahren schwerem Kerker verurteilt. Karl Maleček war bereits sieben Mal wegen Diebstahls vorbestraft, als er am 16. August 1886, eben erst aus einer in Stein [zu Krems an der Donau] (Niederösterreich) verbüßten zweijährigen Haftstrafe entlassen, neuerlich wegen eines Taschendiebstahls verhaftet worden war. Der von den Autonomisten als »Genosse« bezeichnete Karl Maleček ist ein Gewohnheitsdieb, der, als er im Mai 1895 wieder verhaftet werden wird, zu diesem Zeitpunkt bereits vierzig Mal wegen Diebstahls abgestraft worden war.13. März 1887 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am 13. März 1887 finden die Feiern am Schmelzer Friedhof in Rudolfsheim (Niederösterreich [zu Wien 15.]) die Feiern für die so genannten Märzgefallenen von 1848 statt (►14. März 1880), die ja exhumiert und auf dem Wiener Zentralfriedhof in Simmering (Niederösterreich [zu Wien 11.]) beigesetzt werden sollen. (►2. Dezember 1886, ►11. August 1888) Der von den Behörden erwartete Andrang bleibt zunächst aus. Am frühen Morgen, um 7 Uhr, erscheinen der Schriftsetzergehilfe Rudolf Hanser (1859–1909) und der Arbeiter Franz Stefsz (1860–?) beim Grab und legen einen Kranz mit den Schleifen »Diesem Tod – die Welt« und »Oesterreichs radicale Arbeiterpartei« nieder. Sie werden sofort wegen Widersetzlichkeit gegen die Wache festgenommen. Doch noch fehlen die radicalen Arbeiter. Dafür gibt es von den eintreffenden Gemäßigten gleich zwei Kränze: einen mit der Schleife »Die demokratische Arbeiterpartei – politischer Verein ›Wahrheit‹, Wien« und einen von der Redaktion der Zeitung »Gleichheit« (Wien) mit der Aufschrift »Den Märtyrern des 13. März«. Die Lage ändert sich am frühen Nachmittag schlagartig, Seit 14 Uhr ziehen kleine Trupps von Arbeitern zum Schmelzer Friedhof, umstellen den Obelisken und verweilen dort einige Zeit. Punkt 16 Uhr marschieren über vierhundert Arbeiter auf, postieren sich vor dem Grabdenkmal, entblößen ihr Haupt und bringen ein dreimaliges »Hoch!« aus. Nach wenigen Minuten verlassen sie den Friedhof Richtung Mariahilfer Linie. Als die Wache die Arbeiter auffordert, sich zu zerstreuen, marschieren diese in kleinen Trupps die Mariahilfer Linie bis zur Stumpergasse (Wien 6.), wo sie sich neuerlich sammeln und abermals über den Neubaugürtel (Wien 7. und 15.) zur Schmelz ziehen. Nachdem sie den erneuten Aufforderungen, sich zu zerstreuen, nicht nachkommen, wird eine Abteilung Sicherheitswache angefordert. Auch die Sicherheitswache fordert die Arbeiter auf, das Marschieren in Kolonnen zu unterlassen. Da mittlerweile unzählige Neugierige aus den anliegenden Kaffee- und Gasthäusern den Neubaugürtel säumen, werden acht berittene Wachmänner aufgeboten, die innerhalb einer Viertelstunde die Straße brutal säubern. Der übrigens an diesem Tag ebenfalls nach seiner Kranzniederlegung verhaftete Vertreter des »Demokratischen Vereins« des 9. Bezirks wird nach der Feststellung seiner Personalien auf der Wachstube sofort wieder entlassen. Anders verhält es sich bei Rudolf Hanser und Franz Stefsz. Sie werden ins Polizei-Gefangenenhaus eingeliefert, müssen sich vollständig entkleiden und werden einer Leibesvisitation unterzogen. Beim Verhör kommt zutage, dass die Kosten für den Kranz von rund dreihundert Arbeitern getragen worden waren, die jeweils 2 bis 3 Kreuzer gespendet hatten. Schon am Vormittag werden in den Wohnungen der beiden Verhafteten Hausdurchsuchungen durchgeführt. Bei Rudolf Hanser werden dessen handschriftliche Exzerpte aus Büchern beschlagnahmt, er selbst aber am Montag dem 14. März 1887 wieder auf freien Fuß gesetzt. Franz Stefsz, bei dem nichts gefunden wird, bleibt in Haft. Der zuständige Polizeikommissär spricht dessen Abschiebung aus und Stefsz wird aufgrund der Ausnahmsverodnungen vom ►30. Jänner 1884 am 11. Juli 1887 ausgewiesen werden.20. März 1887 (Sonntag)
Villach / Beljak (Kärnten): Am 20. März findet in Villach / Beljak im Hotel »zum Elephanten« (Johanna Tarmann), Südbahnstraße 18, eine Volksversammlung zur Tagesordnung »1. Die Bestrebungen der politischen Parteien in Österreich. 2. Die politischen Forderungen des arbeitenden Volkes« statt. Daran nehmen rund zweihundert Personen teil, darunter auch Vertreter aus Klagenfurt / Celovec [Klagenfurt am Wörthersee / Celovec ob Vrbskem jezeru] (Kärnten) und Graz (Steiermark). Unter dem Einfluss der Radicalen wird eine Resolution verabschiedet, dass die Errichtung von Arbeiterkammern den Forderungen des arbeitenden Volkes nicht entspräche.21. März 1887 (Montag) bis 28. März 1887 (Montag)
Wien und Vororte: Vom 21. bis 28. März 1887 findet vor dem Landes- als Ausnahmsgericht Wien der so genannte Anarchisten-Prozess gegen die im Oktober 1886 (►3. und 4. Oktober 1886) verhafteten Sozialrevolutionäre statt. Verhandelt werden die zweite so genannte Brandleger-Affäre (►3. und 4. Oktober 1886), die so genannte Trostler-Affäre (►April 1886), die so genannte Linke-Affäre (►März 1886), die so genannte Dynamit-Affäre (►Februar 1886), die so genannte Tyll-Affäre (►3. August 1885) und die so genannte Reich-Affäre (►18. Juni 1885). Der Prozess soll ursprünglich in geheimer Verhandlung stattfinden, da aber jeder der fünfzehn Angeklagten drei Vertrauensmänner bestimmen kann, wäre der geheime Charakter ohnedies hinfällig, so dass man sich zu einer öffentlichen Verhandlung entschließt. Lediglich in der Verhandlung vom Freitag dem 25. März 1887 wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Angeklagt sind der Bronzearbeitergehilfe Stefan Buelacher (1858–?), der Spenglergehilfe Josef Bůžek (1852–?), der Schneidergehilfe Albert Friedmann (1867–?), der Drechslergehilfe Heinrich Höfermeier (1862–?), der Schuhmachergehilfe Johann Hospodský (1864–?), der Stuckateurgehilfe Leopold Kaspari (1862–?), der Maschinenwärter Gustav Kopecký (1851–?), der Spenglergehilfe Friedrich Kratochvíl (1851–?), der Korbflechter Stefan Müller (1858–?), der Fleischausträger Heinrich Rischawy (1859–?), der Webergehilfe Franz Schustaczek (1850–1908), der Schuhmachermeister Karl Schwehla (1851–?), der Drechslergehilfe Josef Stieber (1860–?), der Webergehilfe Johann Wawrunek (1850–?) und der Pfeifenschneidergehilfe Thomas Zoppoth (1866–?). Angeklagt werden des Verbrechens der Brandlegung Heinrich Höfermeier, Friedrich Kratochvíl und Karl Schwehla, des Verbrechens der Mitschuld an der Brandlegung Stefan Buelacher, Josef Bůžek, Heinrich Höfermeier, Leopold Kaspari, Gustav Kopecký, Friedrich Kratochvíl, Stefan Müller, Karl Schwehla, Josef Stieber und Johann Wawrunek, der Verbrechen nach den §§ 5 und 6 des Gesetzes vom 27. Mai 1886, betreffend Anordnungen gegen den gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen und die gemeingefährliche Gebarung mit denselben Leopold Kaspari, Friedrich Kratochvíl und Johann Wawrunek, des Verbrechens des teils vollbrachten, teils versuchten Betrugs Albert Friedmann, Heinrich Höfermeier, Johann Hospodský, Franz Schustaczek und Karl Schwehla, des Verbrechens des versuchten Diebstahls Leopold Kaspari, Heinrich Rischawy, Johann Wawrunek und Thomas Zoppoth sowie des Verbrechens der versuchten Verleitung zum Raub Stefan Buelacher. Außer Stefan Buelacher und Josef Stieber sowie dem später freigesprochenen Josef Bůžek legen alle Angeklagten mehr oder weniger umfangreiche Geständnisse ab, belasten aber einander auch stark. Die Anklage gegen Stefan Müller zieht der Staatsanwalt am Freitag dem 25. März 1887 zurück; er wird freigesprochen und sofort auf freien Fuß gesetzt. Dieser Prozess ist der letzte von Staatsanwalt Karl von Pelser-Fürnberg (1838–1917), der am Montag dem 14. März 1887 mit Wirksamkeit vom Freitag dem 1. April 1887 zum Rat am Oberlandesgericht ernannt worden war.
Zur Erinnerung: In die die so genannte Reich-Affäre (►18. Juni 1885) waren Albert Friedmann, Johann Hospodský, Franz Schustaczek und Karl Schwehla involviert, in die die so genannte Tyll-Affäre (►3. August 1885) Franz Czermak, Albert Friedmann, Heinrich Höfermeier, Johann Hospodský, Franz Schustaczek und Karl Schwehla, in die so genannte Dynamit-Affäre (►Februar 1886) Leopold Kaspari, Friedrich Kratochvíl und Johann Wawrunek, in die so genannte Linke-Affäre (►März 1886) Stefan Buelacher, Heinrich Höfermeier, Leopold Kaspari und Johann Wawrunek, in die so genannte Trostler-Affäre (►April 1886) Leopold Kaspari, Heinrich Rischawy, Johann Wawrunek und Thomas Zoppoth sowie in die zweite so genannte Brandleger-Affäre (►3. und 4. Oktober 1886) Stefan Buelacher, Josef Bůžek, Heinrich Höfermeier, Leopold Kaspari, Franz Kočí, Gustav Kopecký, Friedrich Kratochvíl, Stefan Müller, Karl Schwehla, Josef Stieber, Johann Wanek und Johann Wawrunek.
Verurteilt werden wegen Brandlegung als unmittelbarer Täter und Mitschuldiger sowie wegen des Verbrechens der §§ 5 und 6 des Sprengstoffgesetzes Friedrich Kratochvíl zu zwanzig Jahren, wegen Mitschuld an der Brandlegung, wegen Verbrechens der §§ 5 und 6 des Sprengstoffgesetzes und wegen versuchten Diebstahls Leopold Kaspari zu sechzehn Jahren, wegen Brandlegung als unmittelbar Täter und Mitschuldiger sowie wegen versuchten und vollbrachten Betrugs Heinrich Höfermeier und Karl Schwehla zu jeweils fünfzehn Jahren, wegen Mitschuld an der Brandlegung, wegen Verbrechens der §§ 5 und 6 des Sprengstoffgesetzes und wegen versuchten Diebstahls Johann Wawrunek zu fünfzehn Jahren, wegen Mitschuld an der Brandlegung und versuchter Verleitung zum Raub Stefan Buelacher zu zwölf Jahren, wegen Mitschuld an der Brandlegung Josef Stieber zu neun und Gustav Kopecký zu acht Jahren, wegen versuchten und vollbrachten Betrugs Franz Schustaczek zu sechs und Johann Hospodský zu fünf Jahren, wegen Betrugs als unmittelbarer Täter und Mitschuldiger Albert Friedmann zu sechs Jahren, wegen versuchten Diebstahls Thomas Zoppoth zu einem Jahr und Heinrich Rischawy zu sechs Monaten schwerem Kerker, bei allen verschärft mit einem Fasttag im Monat, bei Friedrich Kratochvíl zusätzlich durch Dunkelhaft an jedem 3. Oktober des Jahres. Thomas Zoppoth wird seine Strafe im Gefängnis Stein [zu Krems an der Donau] (Niederösterreich) absitzen. Leopold Kaspari, Friedrich Kratochvíl und Johann Wawrunek (►23. April 1887) werden außerdem nach Verbüßung der Strafe für immer aus Niederösterreich ausgewiesen, alle anderen Verurteilten nach überstandener Strafe unter Polizeiaufsicht gestellt werden. Josef Bůžek, der sich auch nach Aussagen aller Verurteilten von vornherein gegen die Brandlegung ausgesprochen habe, wird freigesprochen. Insgesamt werden in diesem Prozess hundertachtundzwanzig Jahre und sechs Monate Haft verhängt. Mit Ausnahme von Johann Hospodský legen alle Verurteilten Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung ein. (►25. und 26. August 1887)
Zwei Hauptbeteiligte, der Drechslergehilfe Franz Kočí (~1856–?) und der Seidenzeugmacher Johann Wanek (1851–?), konnten sich durch Flucht in die USA der strafrechtlichen Verfolgung entziehen. Ein anderer Flüchtling, der Metallschleifer Franz Czermak (1864–?), wird am ►9. April 1887 verhaftet werden. Die Ermittlungen gegen zwei ebenfalls im Oktober 1886 verhaftete Sozialrevolutionäre, nämlich den Spenglergehilfen Michael Kerschbaum und den Bäckergehilfen Moritz Sendne, waren schon zuvor eingestellt worden und kamen daher nicht zur Anklage. Das Verfahren gegen den Bäckergehilfen Anton Hößler wird am ►4. Mai 1887, jenes gegen Franz Czermak am ►9. Mai 1887, jenes gegen den am ►7. Oktober 1887 verhafteten Formstecher Franz Süß (1858–?) und den am ►15. November 1887 festgenommenen Drechslergehilfen Benedikt Stark (1856–?) am ►13. Februar 1888 stattfinden.27. März 1887 (Sonntag)
Kleinmünchen [zu Linz an der Donau] (Oberösterreich): Am 27. März 1887 beschließen Radicale aus Oberösterreich in einer geheimen Konferenz in Kleinmünchen, geheime Klubs in St. Martin [zu Traun] (Oberösterreich) und Traun (Oberösterreich) zu gründen. Tatsächlich entstehen in Traun zwei Klubs: ein deutschsprachiger und ein tschechoslawischer. Wichtige Aktivisten sind die aus Deutschland gebürtigen Weber Johann Bauer, Franz Blaschek und Anton Zeipert sowie der in Böhmen gebürtige Webereiarbeiter Alois Englisch. Ihre Aktivitäten machen sich auch dadurch bemerkbar, dass in den genannten Orten wiederholt verbotene Druckschriften ausgestreut werden.1. April 1887 (Freitag)
New York City (New York, USA): Am 1. April 1887 wird der am ►29. Mai 1886 verurteilte Journalist Johann Most (1846–1906) aus dem Zuchthaus auf der in New York City gelegenen Insel Blackwell’s Island [Roosevelt Island] entlassen. Am Abend des nächsten Tags wird eine große Feier für den Freigelassenen stattfinden.3. April 1887 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am Nachmittag des 3. April 1887 findet in »Schwender’s Colosseum« (Anna Silberbauer) in Rudolfsheim (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Fünfhauser Hauptstraße, Ecke Kirchengasse [Mariahilfer Straße, Ecke Reindorfgasse], unter freiem Himmel eine Volksversammlung des »Politischen Vereins ›Wahrheit‹« zur Tagesordnung »Unsere politischen Forderungen« statt, an der über zweitausend Arbeiter teilnehmen. Anders als in Graz (Steiermark) am ►7. Februar 1887 verabschieden hier Gemäßigte und Radicale eine gemeinsame Resolution einstimmig: »Sofortige Aufhebung des Ausnahmszustandes, Beseitigung der Beschränkungen der Preßfreiheit, freies Vereins- und Versammlungsrecht, allgemeines Wahlrecht, freies Coalitionsrecht und endlich Schaffung eines Gesetzes, das eine strenge Bestrafung solcher Beamten gewährleistet, welche die politischen Rechte einzelner Staatsbürger oder Vereine beeinträchtigen.«8 Diese Versammlung gilt in der sozialdemokratischen Parteigeschichtsschreibung als Wendepunkt in der österreichischen Arbeiterbewegung Richtung Einigungsparteitag von Hainfeld (Niederösterreich). (►30. Dezember 1888) Der Wiener Versammlung werden ähnliche in Klagenfurt / Celovec [Klagenfurt am Wörthersee / Celovec ob Vrbskem jezeru] (Kärnten), Oberösterreich, Mähren und Böhmen folgen. In Wien wird nun ein Fünfzehner-Komitee eingesetzt, das sich im Notfall auch als Ausschuss des »Politischen Vereins ›Wahrheit‹« darstellen könne. Die Polizei will daraus einen Geheimbundprozess machen und wird zwei Gemäßigte, den Journalisten Ludwig Brügel (1866–1942) und den Metallarbeiter Rudolf Pokorny (1862–1912), während einer Agitationsreise in Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien] verhaften. Allerdings werden die eingeleiteten Untersuchungen gegen die beiden am Samstag dem 23. April 1887 von der Staatsanwaltschaft abgelehnt werden, weil sie weder durch gesetzliche noch durch Opportunitätsgründe gerechtfertigt seien. (►11. April 1887 und ►Mai 1887)9. April 1887 (Samstag)
Wien und Vororte: Am 9. April 1887 wird der im Zusammenhang mit dem so genannten Anarchisten-Prozess (►21. bis 28. März 1887) gesuchte Metallschleifer Franz Czermak (1864–?) in Wien verhaftet. Der an der so genannten Tyll-Affäre (►3. August 1885) Beteiligte war zunächst nach Italien geflüchtet, von dort nach Triest (Küstenland [Trieste, Italien]), wo er wegen Ausweis- und Subsistenzlosigkeit verhaftet worden war, nicht jedoch aufgrund des 1886 veröffentlichten Steckbriefs. Per Schub nach Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]) gebracht, wurde er hier auf freien Fuß gesetzt. Erst als er um ein Arbeitsbuch ansucht, wird der mittlerweile wieder steckbrieflich Gesuchte am 9. April 1887 in Wien verhaftet.11. April 1887 (Montag)
Klagenfurt / Celovec [Klagenfurt am Wörthersee / Celovec ob Vrbskem jezeru] (Kärnten): Am 11. April findet im Gasthaus »zum Maßlgarten« in Klagenfurt / Celovec, St. Veiter Ring 27, eine freie Volksversammlung zur Tagesordnung »1. Die verschiedenen Parteien in Österreich und ihre Presse, 2. Die politischen Forderungen der Arbeiter« statt. Daran nehmen rund siebenhundertfünfzig Personen teil, darunter auffallend viele Frauen und auch einige Vertreter aus anderen Orten Kärntens. Hauptredner ist der später für die anarchistische Bewegung bedeutende Taglöhner Friedrich Preschern (1850–1919), der die Errichtung von Arbeiterkammern ablehnt. Er verliest danach die am ►3. April 1887 in Wien verabschiedete Resolution, doch wird die Abstimmung darüber vom anwesenden Polizeikommissär untersagt. Danach sprechen für die Radicalen der aus Graz (Steiermark) angereiste Schneidergehilfe Johann Risman (1864–1936) und für die Gemäßigten der aus Wien gekommene Arzt und Journalist Victor Adler (1852–1918). Trotz der gegensätzlichen Äußerungen dieser Referenten lässt Friedrich Preschern nun darüber abstimmen, ob die Arbeiter mit den Ausführungen dieses Tages einverstanden seien, was einstimmig bekundet wird. Der Antrag auf Drucklegung einer Erklärung wird mit dem Hinweis abgelehnt, dass die Publikation ohnedies sofort beschlagnahmt würde. In dieser Erklärung wird festgehalten, »dass die Arbeiterclasse erfahrungsgemäß von keiner der bestehenden Parteien auch nur das Geringste zu erwarten hat, sondern die ökonomische Befreiung nur von ihrem eigenen Classenbewusstsein und ihrer eigenen Energie abhängt: Beseitigung aller Fesseln der freien Meinungsäußerung, z. B. Aufhebung der Beschränkungen der Pressfreiheit, der Vereins- und Versammlungsgesetze, Einführung des allgemeinen, gleichen, directen und geheimen Wahlrechtes vom 20. Jahre an«.912. April 1887 (Dienstag) und 13. April 1887 (Mittwoch)
Jägerndorf (Österreichisch-Schlesien [Krnov, Tschechien]): In Jägerndorf werden am 12. und 13. April 1887 sieben Arbeiter unter dem Verdacht anarchistischer Umtriebe festgenommen: die Brüder Alois Hartl und Rudolf Hartl, Robert Hirt, Karl Kuhn, Josef Prauss sen. und sein Sohn Josef Praus jun. sowie Hermann Wanke. Fast gleichzeitig wird in Petrowitz (Preußen [Pietrowice, Polen]) Josef Langer festgenommen. Bei den nachfolgenden Hausdurchsuchungen werden zwar verbotene Flugschriften beschlagnahmt, darunter das Flugblatt »An die Arbeiter im Soldatenrock!« (►10. März 1887). Die erhofften Sprengstoffe werden jedoch nicht gefunden. Alle Festgenommen werden nach zwei Tagen wieder freigelassen werden, ausgenommen Josef Langer und Josef Praus jun., gegen die eine Untersuchung wegen Verbreitung verbotener Flugschriften eingeleitet wird. Dieser Vorgang erregt auch in der österreichischen radicalen Arbeiterbewegung einige Empörung.23. April 1887 (Samstag)
Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]): Am 23. April 1887 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Prag der Prozess gegen acht Radicale wegen Geheimbündelei statt, weil man bei ihnen verbotene Druckschriften sowie Korrespondenz mit Sozialisten aus Frankreich und der Schweiz gefunden hatte. Einer der Angeklagten, der im November 1886 verhaftete Webergehilfe Vinzenz Haschak (1855–?) soll auch mit den Wiener Sozialrevolutionären der zweiten so genannten Brandleger-Affäre (►3. und 4. Oktober 1886) in Verbindung gestanden und ein enger Freund des damals (►21. bis 28. 1887) abgeurteilten Webergehilfen Johann Wawrunek (1850–?) in Wien gewesen sein. Verurteilt werden der Töpfergehilfe Anton Richter zu vier Monaten, der Webergehilfe Vinzenz Haschak zu drei Monaten, der Schneidergehilfe Franz Hájek und das Dienstmädchen Marie Pomahač zu je zwei Monaten, der Strumpfwirker Friedrich Bárta (1854–?) zu vier Wochen, der Schneidergehilfe Emil Dočkálik (1854–?) und der Webergehilfe Anton Haschak zu je drei Wochen strengem Arrest. Ein Angeklagter wird freigesprochen.Ende April 1887
New York City (New York, USA): Ende April 1887 erscheint das erste Heft der Schriftenreihe »Internationale Bibliothek«, von der jeden Monat ein Heft mit jeweils 16 Seiten Umfang erscheinen soll: »An das Proletariat« anonym von Johann Most (1846–1906).10 Zu beziehen ist die Schriftenreihe beim Verleger und anonymen Herausgeber John Müller, das ist der Deckname des Journalisten Johann Most, New York, 167 William Street. Die Hefte dieser Schriftenreihe finden auch in Österreich Verbreitung. Da der Schriftenreihe der Postdebit (Zeitungsvertrieb durch die Post) mit Erkenntnis des Ministeriums des Innern vom 4. Juni 1887 für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder (also für die österreichische Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie) behördlich entzogen wird, muss sie nach Österreich eingeschmuggelt werden.Mai 1887
Graz (Steiermark): Im Mai 1887 kommt es zur offenen Spaltung der Grazer Radicalen. Die Anhänger des Schneidergehilfen Johann Risman (1864–1936) nennen sich nunmehr »Autonomisten« und werden zur Kernorganisation der ersten rein anarchistischen Bewegung in Österreich werden.Mai 1887
New York City (New York, USA): Im Mai 1887 erscheint das zweite Heft der Schriftenreihe »Internationale Bibliothek«: »Die Hoelle von Blackwells Island« von Johann Most (1846–1906).11 Das Heft dieser Schriftenreihe findet auch in Österreich Verbreitung.3. Mai 1887 (Dienstag)
Wien und Vororte: Am 3. Mai 1887 findet vor dem Landes- als Ausnahmsgericht Wien der Hochverratsprozess gegen zwei am ►29. Dezember 1886 verhaftete Radicale statt. Angeklagt sind der Bäckergehilfe Franz Hajek (1857–?) der Verbrechen des Hochverrats sowie der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie des Vergehens der Ruhestörung, begangen durch Verteilung von Druckschriften, und der Perlmutterdrechslergehilfe Karl Markowitsch (1863–?) wegen Verbrechens der Vorschubleistung der vorgenannten Verbrechen und Verhehlung, weil er jenen Satz von Lettern verwahrt hatte, mit denen das Flugblatt »Im August 1886. Lebenszeichen der Anarchisten, Arbeiter! Brüder« (►14. und 15. August 1886) gedruckt worden war. Die beiden Angeklagten hatten sich regelmäßig mit anderen Gesinnungsgenossen in einem Café in Ottakring (Niederösterreich [zu Wien 16.]) am Yppenplatz getroffen hatten, geben im Prozess zu, Sammlungen für inhaftierte Genossen organisiert zu haben, bestreiten aber die Herstellung des Flugblatts. Als Zeuge wird unter anderem der am ►4. Mai 1887 angeklagte Bäckergehilfe Anton Hößler vernommen. Im Sinne der Anklage werden Franz Hajek zu vier Jahren schwerem Kerker, verschärft mit einem Fasttag im Monat, und Karl Markowitsch zu acht Monaten einfachem Kerker verurteilt, wogegen Markowitsch Berufung anmeldet.4. Mai 1887 (Mittwoch)
Wien und Vororte: Am 4. Mai 1887 findet vor dem Landes- als Ausnahmsgericht Wien in geheimer Verhandlung der Prozess gegen den in den so genannten Anarchisten-Prozess vom ►21. bis 28. März 1887 involvierten Bäckergehilfen Anton Hößler statt, angeklagt des Verbrechens der Religionsstörung, begangen durch die Schmähung eins Kruzifixes. Anton Hößler, der am ►3. Mai 1887 im Prozess gegen den Bäckergehilfen Franz Hajek (1857–?) und den Perlmutterdrechslergehilfen Karl Markowitsch (1863–?) als Zeuge vernommen worden war, wird zu drei Monaten schwerem Kerker verurteilt.9. Mai 1887 (Montag)
Wien und Vororte: Am 9. Mai 1887 findet vor dem Landes- als Ausnahmsgericht Wien der Prozess wegen versuchten Betrugs gegen den Metallschleifer Franz Czermak (1864–?) statt, gleichsam als Nachtrag zum so genannten Anarchisten-Prozess vom ►21. bis 28. März 1887. Der an der so genannten Tyll-Affäre (►3. August 1885) Beteiligte war aus Wien geflüchtet und erst am ►9. April 1887 in Wien verhaftet worden. Franz Czermak bekennt sich schuldig und wird zu vier Jahren schwerem Kerker und zur nachherigen Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt.27. Mai 1887 (Freitag)
Wien und Vororte: Am Abend des 27. Mai 1887 wird in Wien eine Falschmünzerbande aufgedeckt. Die Ironie dabei: Ein vom Polizeirat bei der Polizei-Direktion Wien Bernhard Frankl (1846–1907) eingeschleuster Polizeispitzel hatte die Sozialrevolutionäre zur Münzverfälschung angestiftet. Bernhard Frankl wird für die Aufdeckung der Falschmünzerbande im Juli 1887 den Preußischen Königlichen Kronenorden dritter Klasse und den spanischen Real y Distinguida Orden Española de Carlos III. erhalten, obwohl durch den von ihm angeworbenen Polizeispitzel mehrere Menschen wochenlang unschuldig in Untersuchungshaft saßen und eine Ehefrau eines unschuldig Inhaftierten aus Scham zum Suizidversuch getrieben und schließlich in ein so genanntes Irrenhaus gebracht wurde.
Zur Vorgeschichte: Denunziant ist der Metallgießer Anton Schreger (1867–1927), zu diesem Zeitpunkt in der radicalen Arbeiterbewegung kein Unbekannter mehr. Er war trotz seines jugendlichen Alters kurzzeitig Redakteur der Zeitung »Radikal« (Budapest), wurde aber 1884 aus Budapest ausgewiesen. Anton Schreger begab sich nun nach Bayern, wo er in Nürnberg (Bayern) als Metallgießer arbeitete. Anfang Oktober 1884 wegen revolutionärer Umtriebe aus Bayern ausgewiesen, begab er sich sofort nach Wien, von wo er am Samstag dem 27. Dezember 1884 neuerlich ausgewiesen wurde. Nun ging er nach Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]), von wo er ebenfalls ausgewiesen wurde. Im März 1885 erhielt Anton Schreger auf sein Ansuchen hin die probeweise Erlaubnis zur Rückkehr nach Wien und wurde hier vom Polizeirat Bernhard Frankl als Polizeispitzel angeworben. Anton Schreger wurde unter dem falschen Namen »Wagner« Mitglied des »Arbeiter-Bildungsvereins«. Im Februar 1887 schloss sich Anton Schreger der sozialrevolutionären Münzfälscherbande um den Knopfdrechslergehilfen Anton Mliczko (1857–?), Mitglied und ehemaliger Revisor des »Arbeiter-Bildungsvereins«, an.
Anton Mliczko lernte zu Weihnachten 1886 den Schlossergehilfen Ferdinand Hilbert (1856–?) kennen. Beide kamen zur Überzeugung, dass ihre wegen Münzverfälschung am ►28. Dezember 1886 verurteilten Genossen, die Silberarbeiter Johann Ondříček (1854–?), Josef Paul Schwarz (1857–?) und Otto Steidl (1851–?), es dumm angestellt hätten. Für ihr Vorhaben, selbst Falschmünzen herzustellen, konnte Anton Mliczko eine Bekannte, die Hausfrau Viktoria Titz (1836–?), gewinnen. Anton Mliczko und Ferdinand Hilbert besorgten die nötigen Formenrahmen, Schmelztiegel und andere Utensilien, während Viktoria Titz ihr Schlafkabinett in ihrer Wohnung in Sechshaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Hauptstraße 53 [Sechshauser Hauptstraße], sowie einen Gussofen zur Verfügung stellte. Hier wurden nun im Jänner 1887 Silberscheidemünzen aus geringhaltigerem Metall hergestellt, nämlich vier Stück zu zehn Kreuzern und sieben oder acht Stück zu zwanzig Kreuzern. Da Ferdinand Hilbert Ende Jänner 1887 erkrankte, musste die Herstellung des Falschgeldes vorübergehend eingestellt werden.
Im Februar 1887 kam Anton Schreger ins Spiel, der damals Anton Mliczko kennen lernte. Der Polizeispitzel Schreger sei damals – nach späterer – Einschätzung der Polizei wie auch des Gerichts ein Anhänger der so genannten Anarchisten geblieben. Anton Mliczko und Anton Schreger konnten nun auch den Bronzearbeiter Ferdinand Emerling (1868–?) und den später flüchtigen Kohlenhändlersohn und Metalldreher Franz Spiegel (1870–?) gewinnen. Dazu kam nach seiner Genesung wieder Ferdinand Hilbert. Im Keller von Franz Spiegels Vater in der Siebenbrunnengasse (Wien 5.) stellten sie – nach eigenen Angaben – sechs Silbergulden her. Diese kamen jedoch nicht in den Verkehr, weil Ferdinand Emerling das Polieren der Münze und die Beifügung der Randbeschriftung erst technisch bewältigen musste. Die hergestellten Münzprodukte wurden im Haus der Viktoria Titz am Dachboden versteckt, teils unter Mist, teils unter den Dachsparren. Bereits zu diesem Zeitpunkt kursierte in gewissen Kreisen der radicalen Arbeiterbewegung die Vermutung, dass Anton Schreger ein Polizeispitzel sei. Mitte März 1887 machte Anton Schreger der Polizei die Mitteilung, dass es zwei radicale Gruppen gäbe, die sich mit Münzverfälschung beschäftigten.
Seit Mitte März 1887 hatte die Polizei die Wohnung des Tischlergehilfen Karl Titz (1836–?) in Sechshaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Hauptstraße 53 [Sechshauser Hauptstraße], beobachtet, und am 27. Mai 1887 nimmt sie ihn auf der Landstraße [Linzer Straße] bei einer Kundin fest, wo er gerade Reparaturarbeiten macht. Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung von Karl Titz und des dazugehörigen Dachbodens findet die Polizei sozialistische und anarchistische Druckschriften, falsches Silbergeld, Bilder von Ferdinand Lassalle (1825–1864) sowie der Sozialrevolutionäre Hermann Stellmacher (1853–1884) und Anton Kammerer (1862–1884). Nun wird auch seine Ehefrau verhaftet, Viktoria Titz, Mutter von vier Kindern zwischen drei Monaten und zwölf Jahren, wobei das jüngste Kind, der am 17. Februar 1887 geborene Carl Titz (1887–?), bei der Verhaftung seiner Eltern schwer krank ist. In ihrer Wohnung befinden sich zu diesem Zeitpunkt gerade die Ehefrauen der wegen der zweiten so genannten Brandleger-Affäre (►21. bis 28. März 1887) flüchtigen Franz Kočí (~1856–?), Drechslergehilfe, und Johann Wanek (1851–?), Seidenwerkzeugmacher. Spät abends werden weitere fünf Arbeiter in Sechshaus verhaftet, darunter der Ferdinand Emerling, Ferdinand Hilbert und Anton Mliczko.
Anton Schreger teilt nun dem Polizeirat Bernhard Frankl die Namen einer angeblich weiteren Münzfälscherbande mit, weshalb in den nächsten Tagen weitere fünf Personen festgenommen werden, darunter auch jene, die von Anton Schreger wissentlich fälschlicherweise der Münzverfälschung beschuldigt werden: der Kartenmaler Karl Czastka, der Meerschaumbildhauer Ludwig Nedomansky, Schriftführer des »Arbeiter-Bildungsvereins«, und der Tischlergehilfe Adolf Preßl, später Herausgeber der »Tischler-Zeitung« (Wien). Als Beweis für deren Münzverfälschung übergab Anton Schreger bei seiner Denunziation Polizeirat Bernhard Frankl eine gefälschte Zwanzigkreuzer-Münze, die er allerdings von Anton Mliczko erhalten hatte. Erst nach Wochen, im Juli 1887, wird sich aufgrund des beim Verhör gemachten Geständnisses von Anton Schreger deren Unschuld herausstellen. Ludwig Nedomansky wird erst nach sieben Wochen aus der Untersuchungshaft entlassen werden, Karl Czastka nach neununddreißig Tagen. Dessen Ehefrau Karoline Czastka (1839–?) erkrankt während der Untersuchungshaft ihres Ehemannes schwer und verübt wenige Tage nach dessen Freilassung, am Sonntag dem 10. Juli 1887, in ihrer Wohnung in Wien 7., Burggasse 110, aus Kränkung über die lange Zeit, die ihr Ehemann im Gefängnis verbringen musste, einen Suizidversuch: Sie fügt sich mit einem Messer eine schwere Wunde am Hals zu, wird in das Allgemeine Krankenhaus und später wegen Verfolgungswahn in ein sogenanntes Irrenhaus eingeliefert werden.
Ferdinand Emerling, Ferdinand Hilbert, Anton Mliczko, Anton Schreger und Viktoria Titz werden sich am ►10. Dezember 1887 vor Gericht verantworten müssen.Juni 1887
New York City (New York, USA): Im Juni 1887 erscheinen das dritte und vierte Heft der Schriftenreihe »Internationale Bibliothek«: »Die Gottespest« von Johann Most (1846–1906) mit einem Text von Friedrich Krasser (1818–1893)12 sowie »Stammt der Mensch vom Affen ab?« von Johann Most.13 Die Hefte dieser Schriftenreihe finden auch in Österreich Verbreitung.2. Juni 1887 (Donnerstag)
Graz (Steiermark): Am 2. Juni 1887 findet vor dem Bezirksgericht Graz der Prozess gegen den Schneidergehilfen Johann Risman (1864–1936) und gegen [?] Kaltenecker wegen versuchter verbotener Kolportage statt. Ihnen waren bereits Pakete mit der Zeitung »Arbeit« (Villach) vom ►3. Juni 1887 zugesandt worden, und sie hatten in ihren Wohnungen weitere Pakete mit Druckschriften. Kaltenecker und Johann Risman werden freigesprochen, wogegen der Staatsanwaltssubstitut Berufung einlegt. In der Berufungsverhandlung wird der Appellsenat am Donnerstag dem 6. Oktober 1887 die Freisprüche bestätigen.3. Juni 1887 (Freitag)
Villach / Beljak (Kärnten): Am 3. Juni 1887 erscheint die erste Nummer der Zeitung »Arbeit« (Villach), von der bis ►16. Juni 1887 zwei Nummern erscheinen werden. Dieses eindeutig anarchistische Organ wird als Fortsetzung der am ►16. April 1886 eingestellten Zeitung »Die Arbeit« (Graz) verstanden. Als Herausgeber zeichnen der Schneidergehilfe Johann Risman (1864–1936) für Graz (Steiermark) und der Comptoirist Josef Tikal (1865–1891) für Villach / Beljak. Als verantwortlicher Redakteur fungiert der Schuhmachergehilfe Valentin Wutte (1858–1932). Die Herausgabe der Zeitung war nicht nur von materiellen Problemen begleitet. Nach vergeblichen Versuchen in Klagenfurt / Celovec [Klagenfurt am Wörthersee / Celovec ob Vrbskem jezeru] (Kärnten) und Laibach (Karin [Ljubljana, Slowenien]) war endlich in Marburg an der Drau (Steiermark [Maribor, Slowenien]) ein Drucker gefunden worden, der die erste Nummer der Zeitung bis zum Donnerstag dem 5. Mai 1887 fertigstellen wollte, doch sandte der Drucker dann die Manuskripte zurück. (►28. Dezember 1887)16. Juni 1887 (Donnerstag)
Villach / Beljak (Kärnten): Mit der Nummer vom 16. Juni 1887 stellt die seit ►3. Juni 1887 erscheinende Zeitung »Arbeit« (Villach) nach nur zwei Nummern ihr Erscheinen ein. Der Drucker der Zeitung, Ferdinand Weiler (1843–1915), weigert sich, die Zeitung weiterhin zu drucken, obwohl der Schriftsetzer Wilhelm Prowaseck (1863–?), damals ein Anarchist, als für die Druckerei Verantwortlicher zeichnet. Trotz der zweimaligen Konfiskation der Nummer 2 soll noch eine Nummer 3 erscheinen. Die dafür vorgesehenen Manuskripte werden aber am Freitag dem 9. September 1887 bei einer Hausdurchsuchung beim Kleidermachergehilfen Franz Škopek (1861–1926) in Seebach / Jezernica [zu Villach / Beljak] (Kärnten) beschlagnahmt und von der Polizei nicht mehr zurückgegeben werden. Daher soll die Zeitung zunächst nach Graz (Steiermark) verlegt werden, wobei der Schneidergehilfe Johann Risman (1864–1936) als Herausgeber den Lackierergehilfen Johann Ondra (1856–?), ein ehemaliger Radicaler und nunmehriger Autonomist, vorschlagt. Auch die geplante Fortsetzung der Zeitung am ►6. Oktober 1886 in Linz an der Donau (Oberösterreich) wird aufgrund der vorzeitigen Beschlagnahme nicht erscheinen.20. Juli 1887 (Mittwoch)
Böhmisch Märzdorf (Mähren [Bohdíkov, Tschechien]): Am 20. Juli 1887 findet der Gendarmerie-Postenführer von Mährisch Schönberg (Mähren [Šumperk, Tschechien]) im Haus eines Seidenfabrikarbeiters in Böhmisch Märzdorf unter dem Schweinestall vergraben eine Kiste mit achtundsiebzig Dynamitpatronen. Die wohl von einem Diebstahl aus dem Jahr 1884 stammenden Dynamitpatronen werden am nächsten Tag unter behördlicher Aufsicht fachmännisch gesprengt werden. Die Behörden bringen diese Dynamitpatronen mit den Attentätern auf das Amtsgebäude in Sternberg (Mähren [Šternberk, Tschechien]) in Verbindung, die vom ►26. Mai bis 5. Juni 1885 in Olmütz (Mähren [Olomouc, Tschechien]) vor Gericht gestanden waren.30. Juli 1887 (Samstag)
Chicago (Illinois, USA): Am 30. Juli 1887 muss die seit ►Mai 1885 erscheinende radicale tschechische Zeitung »Práce« (Chicago; Die Arbeit) ihr Erscheinen einstellen.31. Juli 1887 (Sonntag)
Chicago (Illinois, USA): Am 31. Juli 1887 muss die seit ►2. August 1885 erscheinende radicale tschechische Zeitung »Lampička« (Chicago; Das Laternchen), die aber in Österreich kaum Verbreitung fand, ihr Erscheinen einstellen.August 1887
New York City (New York, USA): Im August 1887 erscheint das fünfte Heft der Schriftenreihe »Internationale Bibliothek«: »Die Freie Gesellschaft« von Johann Most (1846–1906).14 Das Heft dieser Schriftenreihe findet auch in Österreich Verbreitung.8. August 1887 (Montag)
Graz (Steiermark): Am 8. August 1887 findet in Graz die Monatsversammlung des Grazer »Arbeiter-Lese-Clubs« – Nachfolger des aufgelösten »Allgemeinen Arbeiter-Vereins« – im Gasthaus »zum Bierstrom« (Johann Landerl) in Graz, Sackstraße 45, statt. Der Schneidergehilfe Johann Risman (1864–1936) setzt sich bei der Abstimmung mit seiner Forderung, die gemäßigten Zeitungen »Arbeiterstimme« (Brünn), »Gleichheit« (Wien) und »Volksfreund« (Brünn) nicht länger zu abonnieren, mit vierzehn gegen elf Stimmen durch. Daraufhin legt der Tischlergehilfe Josef Pongratz (1863–1931) gemeinsam mit den anderen Mitgliedern des Ausschusses sein Mandat zurück.9. August 1887 (Dienstag)
Wien und Vororte: Nach Einschätzung eines Schreibens des Innenministeriums vom 9. August 1887 konnte der Arzt und Journalist Victor Adler (1852–1918) Anhänger in Asch (Böhmen [Aš, Tschechien]), Bärn (Mähren [Moravský Beroun, Tschechien]), Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]), Innsbruck (Tirol), Jägerndorf (Österreichisch-Schlesien [Krnov, Tschechien]), Klagenfurt / Celoverc [Klagenfurt am Wörthersee / Celovec ob Vrbskem jezeru] (Kärnten), Linz an der Donau (Oberösterreich), Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]), Proßnitz (Mähren [Prostějov, Tschechien]), Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]), Triest (Österreichisches Küstenland [Trieste, Italien]) und Wartberg im Mürztal [zu St. Barbara im Mürztal] (Steiermark) gewinnen. Die Arbeiter von Bruck an der Mur (Steiermark), Eisenerz (Steiermark), Graz (Steiermark), Laibach (Krain [Ljubljana, Slowenien]), Leoben (Steiermark) und Mürzzuschlag (Steiermark) stünden mehrheitlich im Lager des Schneidergehilfen Johann Risman (1864–1936).13. August 1887 (Samstag)
Salzburg (Salzburg): Am 13. August 1887 6. Oktober 1887 unternimmt der Wiener »Fachverein der Bäcker« einen Ausflug nach Salzburg, vor allem um dort Werbung für die geplante »Bäcker-Zeitung« (Wien) zu machen. (►6. Oktober 1887)14. August 1887 (Sonntag) und 15. August 1887 (Montag)
Linz an der Donau (Oberösterreich): Am 14. und 15. August findet in Linz an der Donau das Fahnenweihe-Fest des Linzer »Arbeiter-Sängerbundes« statt. In den Gesprächen mit einem aus Wien angereisten Delegierten wird die Forderung laut, die am ►16. Juni 1887 eingestellte Zeitung »Arbeit« (Villach) wieder erscheinen zu lassen. (►6. Oktober 1887)25. August 1887 (Donnerstag) und 26. August 1887 (Freitag)
Wien und Vororte: Am 25. und 26. August 1887 findet vor dem Kassationshof in Wien die Revisionsverhandlung der Verurteilten im so genannten Anarchisten-Prozess vom ►21. bis 28. März 1887statt. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Bronzearbeitergehilfen Stefan Buelacher (1858–?), des Drechslergehilfen Heinrich Höfermeier (1862–?), des Stuckateurgehilfen Leopold Kaspari (1862–?), des Maschinenwärters Gustav Kopecký (1851–?), des Webergehilfen Franz Schustaczek (1850–1908), des Drechslergehilfen Josef Stieber (1860–?) und des Webergehilfen Johann Wawrunek (1850–?) wird dahingehend teilweise stattgegeben, dass die Brandlegung auf dem Holzplatz des Karl Johann Scholtes jun. nicht nach dem Strafsatz des § 167 lit. d (Wiederholung), sondern nach § 167 lit. f zu erfolgen habe; dies habe auch auf die Urteile gegen den Spenglergehilfen Friedrich Kratochvíl (1851–?) und den Schuhmachermeister Karl Schwehla (1851–?) Auswirkung, welche keine Nichtigkeitsbeschwerde eingebracht hatten. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Schneidergehilfen Albert Friedmann (1867–?), des Drechslergehilfen Heinrich Höfermeier (1862–?) und des Webergehilfen Franz Schustaczek in der Angelegenheit Franziska Tyll (1804–1892) wird dahingehend anerkannt, dass es sich nicht um vollbrachten, sondern versuchten Betrug handle; dies habe auch auf die Urteile gegen den Schuhmachergehilfen Johann Hospodský (1864–?) und den Schuhmachermeister Karl Schwehla Einfluss, welche keine Nichtigkeitsbeschwerde eingebracht hatten. Eine Änderung des Strafmaßes sei aber durch diese Erkenntnisse nicht bewirkt. Die anderen eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen. Über die Berufungen werde der Oberste Gerichtshof entscheiden.30. August 1887 (Dienstag) bis 29. September 1887 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Das zunehmende Interesse der Bevölkerung am Anarchismus zeigt auch die vom dem 30. August bis 29. September 1887 in der Zeitung »Neue Freie Presse« (Wien) veröffentlichte Artikelserie »Gegenwärtiger Stand der anarchistischen Bewegung«15 eines Korrespondenten in London (England) über die anarchistische Bewegung.September 1887
New York City (New York, USA): Im September 1887 erscheint das sechste Heft der Schriftenreihe »Internationale Bibliothek«: »Die Eigenthumsbestie« von Johann Most (1846–1906).16 Das Heft dieser Schriftenreihe findet auch in Österreich Verbreitung.Oktober 1887
New York City (New York, USA): Im Oktober 1887 erscheint das siebente Heft der Schriftenreihe »Internationale Bibliothek«: »An die jungen Leute« von Pjotr Alexejewitsch Kropotkin ‹Пётр Алексеевич Кропоткин› (1842–1921).17 Das Heft dieser Schriftenreihe findet auch in Österreich Verbreitung.4. Oktober 1887 (Dienstag) bis 11. Oktober 1887 (Dienstag)
Leipzig (Sachsen): Vom 4. bis 11. Oktober 1887 findet vor dem Reichsgericht Leipzig unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Hochverratsprozess gegen den am ►21. Februar 1887 in Liège / Luik / Lüttich (Belgien) verhafteten Anarchisten Johann Christian Neve alias John Neve (1844–1896) statt. Der für den Schmuggel der Zeitung »Freiheit« (London / New York) nach Österreich wichtige Anarchist wird zu fünfzehn Jahren Zuchthaus verurteilt und wird am Dienstag dem 8. Dezember 1896 in Berlin (Preußen [Berlin]) im Gefängnis sterben. (►21. bis 26. Juli 1883)6. Oktober 1887 (Donnerstag)
Linz an der Donau (Oberösterreich): Am 6. Oktober 1887 soll die am ►3. Juni 1887 und ►16. Juni 1887 in Villach / Beljak (Kärnten) erschienene anarchistische Zeitung »Arbeit« (Linz) in Linz an der Donau weiter erscheinen. Als Herausgeber zeichnen der Comptoirist Josef Tikal (1865–1891) für Linz an der Donau, der Schriftsetzergehilfe und Journalist Rudolf Hanser (1859–1909) für Wien und der Schneidergehilfe Johann Risman (1864–1936) für Graz (Steiermark), als verantwortlicher Redakteur der Kleidermachergehilfe Johann Neander (1849–1899). Doch vor der Auslieferung werden alle drei gedruckten Exemplare noch in der Druckerei beschlagnahmt und die Zeitung muss eingestellt werden. Als Nachfolgerin wird seit ►27. Oktober 1887 die Zeitung »Arbeit« (Wien) in Wien erscheinen.6. Oktober 1887 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 6. Oktober 1887 erscheint in Wien die erste Nummer der Zeitung »Bäcker-Zeitung« (Wien). Dieses »Organ der Bäcker-Arbeiterschaft Oesterreich-Ungarns« wird vor allem durch seinen Mitherausgeber, dem Bäckergehilfen und Journalisten August Krčal (1860–1894), rasch zu einem einflussreichen der Radicalen und der Anarchisten und wird bis April 1894 erscheinen. (►24. Oktober 1887)6. Oktober 1887 (Donnerstag)
Wien und Vororte: In einem am 6. Oktober 1887 veröffentlichten Gedicht wird gespöttelt: »Die Anarchisten woll’n express [/] Auch ihren eigenen ›Kongress‹; [/] Sie agitir’n und wandern [/] Von einem Land zum andern! [/] Die Polizei indessen [/] Scheint diesmal aufgesessen [/] Und sucht das Quiproquo – [/] Aber wo?«187. Oktober 1887 (Freitag)
Wien und Vororte: Aufgrund einer Denunziation des inhaftierten Silberarbeiters Otto Steidl (1851–?) (►17. Mai 1887) war seit Herbst 1886 nach einer unbekannten Person gefahndet worden. Im Mai 1887 wurde der Gesuchte als der in Preußen gebürtige Kammmachergehilfe August Scharff (1862–1889), auch bekannt unter den Decknamen »deutscher Bruder«, »Stüblin« und »Wilder«, identifiziert. August Scharff war danach von der Polizei in Augenschein genommen worden. Otto Steidl hatte aus freiem Willen August Scharff beschuldigt, dass er Bomben habe gießen lassen. Diese Kugeln habe er als Beschwer- und Aufzugskugeln für Hängelampen ausgegeben, doch tatsächlich wolle er sie mit Dynamit füllen, und er erwarte eine entsprechende Kiste aus Paris (Frankreich). Die Verwendung der Bomben bei Massenaufläufen als Einschüchterungs- und Kampfmittel sei nur unterblieben, weil sich die Ankunft des Dynamits verzögert habe und weil am ►3. und 4. Oktober 1886 eine Gruppe von Sozialrevolutionären verhaftet worden war. Weder die Hausdurchsuchung bei August Scharffs Vater Rudolf Scharff in Währing (Niederösterreich [zu Wien 18.]), Währinger Hauptstraße 20 [Währinger Straße], noch die an August Scharff vorgenommene Leibesvisitation sind für die Polizei erfolgreich. Als jedoch in Erfahrung gebracht wird, dass die Familie Scharff bis Herbst 1886 in Ottakring (Niederösterreich [zu Wien 16.]) gewohnt hatte, findet die Polizei dort am 7. Oktober 1887 im Kellerabteil des Hauses Ottakringer Hauptstraße 172 [Ottakringer Straße] unter Gerümpel einen Sack mit zweiundfünfzig gusseisernen Hohlkugeln. August Scharff, der behauptet, dass er sie 1885 zum Verwendungszweck für Lampen habe gießen lassen, wird sofort verhaftet, zusammen mit vier weiteren Genossen. August Scharff wird sich am ►29. März 1888 vor dem Ausnahmsgericht verantworten müssen.7. Oktober 1887 (Freitag)
Wien und Vororte: In Meidling (Niederösterreich [zu Wien 12.]) werden am 7. Oktober 1887 der Arbeiter [?] Damm und der Formstecher Franz Süß (1858–?) verhaftet. Bei Letzterem werden im Zuge einer Hausdurchsuchung zahlreiche verbotene Druckschriften gefunden. Franz Süß wird sich – allerdings unter einem anderen Vorwurf – am ►13. Februar 1888 vor Gericht verantworten müssen.17. Oktober 1887 (Montag)
Wien und Vororte: Am 17. Oktober 1887 erscheint in Wien gleichsam als Fortsetzung der am ►6. Oktober 1887 beschlagnahmten Zeitung »Arbeit« (Linz) die erste Nummer der anarchistischen Zeitung »Arbeit« (Wien), von der bis ►22. Dezember 1887 fünf Nummern erscheinen werden. Als Herausgeber zeichnen der Comptoirist Josef Tikal (1865–1891) für Wien und der Schneidergehilfe Johann Risman (1864–1936) für Graz (Steiermark), als verantwortlicher Redakteur der Schriftsetzergehilfe und Journalist Rudolf Hanser (1859–1909).17. Oktober 1887 (Montag)
Wien und Vororte: Am 17. Oktober 1887 findet im Gasthaus »zur schönen Schäferin« (Franz Schindler) in Wien 6., Gumpendorfer Straße 101, die halbjährige Generalversammlung des »Arbeiter-Bildungsvereins« statt. Den Vorsitz hat der bisherige Obmann-Stellvertreter, der Bildhauer und Redakteur Ludwig Bretschneider (1860–1929), inne, ein exponierter Gemäßigter. In einer Art Überrumpelungsaktion schlägt das Wahlkomitee zwei Kandidaten für die Funktion eines ersten Obmanns vor: Ludwig Bretschneider und den Etuimacher Adolf Zinram (1845–1920). Da der bisherige Obmann, der Knopfdrechslergehilfe Josef Temke (1841–?), ein Radicaler, vom Wahlkomitee nominiert worden war, kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Gemäßigten und Radicalen. Der Bäckergehilfe und Journalist August Krčal (1860–1894) und andere Radicale rufen nun zur Wahl von Adolf Zinram auf. Danach findet die Wahl gemäß Antrag per Akklamation statt. Zinram wird tatsächlich gewählt, doch wird die Wahl für ungültig erklärt, weil auch Nichtmitglieder des Vereins abgestimmt hätten. Deshalb wird die Wahl unter Ausschluss der Nichtstimmberechtigten wiederholt: Ludwig Bretschneider erhält nun siebenundvierzig, Adolf Zinram sechsundvierzig Stimmen. Es kommt neuerlich zu einem Tumult und Josef Temke wirft dem Arzt und Journalisten Victor Adler (1852–1918) vor, als nur unterstützendes Mitglied nicht stimmberechtigt zu sein. Darauf kontert Adler, dass er nicht abgestimmt habe. Nach einem neuerlichen Tumult unterbricht der Vorsitzende Ludwig Bretschneider die Sitzung und erklärt anschließend seinen Rücktritt von der Wahl. Bei der neuerlichen Wahl werden Adolf Zinram zum Obmann und Ludwig Bretschneider zum Obmann-Stellvertreter gewählt. Diese Generalversammlung zeugt nicht nur vom gespannten Verhältnis zwischen Gemäßigten und Radicalen, sie zeigt auch, dass die Radicalen in Wien noch immer sehr einflussreich sind. (►4. Dezember 1887)24. Oktober 1887 (Montag)
Wien und Vororte: Am 24. Oktober 1887 wird in Wien der Bäckergehilfe und Journalist August Krčal (1860–1894) nach einer Hausdurchsuchung wegen sozialistischer Umtriebe verhaftet. (►6. Oktober 1887) Er ist Obmann des »Fachvereins der Bäcker«, in dessen Lokal anschließend ebenfalls eine Hausdurchsuchung stattfindet und welches danach behördlich gesperrt wird. Wegen sozialistischer Umtriebe wird auch der Mitkämpfer von August Krčal, der Kartonnagearbeiter Joseph Matthäus Schreiblechner (1859–?), verhaftet. Selbst die Gastwirtin Franziska Chmelar, in deren Gasthaus in Wien 10., Götzgasse 10, sich das Vereinslokal des »Fachvereins der Bäcker« befindet, wird zur Polizei vorgeladen. Nach seiner kurz danach erfolgten Freilassung wird August Krčal Wien verlassen. Er wurde nicht, wie bisweilen behauptet, ausgewiesen. August Krčal wird sich zunächst nach Berlin (Preußen [Berlin]), dann nach Brüssel ‹Ville de Bruxelles / Stad Brussel› (Belgien) und schließlich in die USA begeben, aus denen er erst im November 1892 nach Österreich, nach Graz (Steiermark), zurückkehren wird.30. Oktober 1887 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am 30. Oktober 1887 trifft der Schneidergehilfe Eduard König (1858–1928) am Nordbahnhof in Wien ein. Er wird von der Polizei sofort angehalten. Im Zuge der Durchsuchung werden Druckschriften und Briefe gefunden, die ihn mit Anarchisten in Verbindung bringen. Er wird aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom ►30. Jänner 1884 am 2. November 1887 ausgewiesen werden und nach Graz (Steiermark) übersiedeln. (►22. April 1888)November 1887
Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]): Die tschechoslawischen Radicalen und Gemäßigten in Mähren einigen sich im November 1887 darauf, dass die tschechischen Zeitungen »Hlas lidu« (Prostějov; Die Volksstimme) und »Rovnost« (Brno; Die Gleichheit) ein gemeinsames Programm vertreten sollen, das unter anderem die Forderung nach dem allgemeinen und direkten Wahlrecht enthält. Der Webergehilfe und Journalist Josef Hybeš (1850–1921) – spätestens nun endet seine Ära als Radicaler – wird Redakteur des Organs »Rovnost« und übersiedelt nach Brünn. Nunmehr sind die beiden gemeinsam von Radicalen und Gemäßigten herausgegebenen Zeitungen eindeutig durch das Lager der Gemäßigten geprägt.November 1887
London (England): Im November 1887 erscheint das tschechische anarchistische Untergrundorgan »Revoluce« [London; Die Revolution], welches nach nur zwei Nummern im ►September 1888 sein Erscheinen einstellen wird.November 1887
London (England) / Le Neubourg (Frankreich) / Arcachon (Frankreich): Im November 1887 reist der Journalist, Maler- und Anstreichergehilfe Josef Peukert (1855–1910), der in London keine Arbeit mehr finden kann, mit finanzieller Unterstützung einiger Genossen und nervlich völlig zerrüttet nach Frankreich. Peukert benutzt dem Decknamen »Jacques Bernard« (in seinen Erinnerungen schreibt Josef Peukert »Bernhardt«), weil dort ja noch der Ausweisungsbefehl von 1880 gültig ist. Zunächst findet er in Le Neubourg Arbeit, dann in Arcachon, wo er sich – bis auf ein Magenleiden – weitgehend erholen wird. Danach wird Josef Peukert das südwestliche Frankreich durchwandern und von Gelegenheitsarbeiten leben. (►Oktober 1888)November 1887
New York City (New York, USA): Im November 1887 erscheint das achte Heft der Schriftenreihe »Internationale Bibliothek«: »Gesetz und Autoritaet« von Pjotr Alexejewitsch Kropotkin ‹Пётр Алексеевич Кропоткин› (1842–1921).19 Das Heft dieser Schriftenreihe findet auch in Österreich Verbreitung.2. November 1887 (Mittwoch)
Wien und Vororte: Eine vom »Politischen Verein ›Wahrheit‹« für Sonntag dem 6. November 1887 einberufene Versammlung in »Schwender’s Colosseum« (Anna Silberbauer) in Rudolfsheim (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Fünfhauser Hauptstraße, Ecke Kirchengasse [Mariahilfer Straße, Ecke Reindorfgasse], wird am 2. November 1887 behördlich untersagt. In dieser Versammlung sollte es um das zwischen Gemäßigten und Radicalen strittige Thema des Antisemitismus gehen. (►4. Dezember 1887)11. November 1887 (Freitag)
Chicago (Illinois, USA): Am 11. November 1887 werden die wegen der so genannten Haymarket-Affäre (►4. Mai 1886) zum Tod verurteilten in Chicago gehängt: der Schuhmacher-, Maler- und Anstreichergehilfe George Engel (1836–1887), der Schriftsetzer Adolph Fischer (1858–1887), der Journalist Albert Richard Parsons (1848–1887) und der Journalist August Spies (1855–1887). Der Tischler und Zimmermann Louis Lingg (1864–1887) wählte am Tag vor der Hinrichtung in seiner Zelle den Freitod. Am 26. Juni 1893 rehabilitiert der Gouverneur von Illinois John Peter Altgeld (1847–1902) die Justizgemordeten offiziell und veranlasste die Freilassung der noch in Haft befindlichen Justizopfer: der zum Tod verurteilte und zu lebenslanger Haft »begnadigte« Fuhrunternehmer und methodistische Laienprediger Samuel Fielden (1847–1922), der zu fünfzehn Jahren Zuchthaus verurteilte Fabrikarbeiter und Gewerkschaftsfunktionär Oscar Neebe (1850–1916) und der zum Tod verurteilte und zu lebenslanger Haft »begnadigte« Buchbinder, Journalist und Zeitungsherausgeber Michael Schwab (1853–1898). Der Tag der Hinrichtung der so genannten Chicagoer Märtyrer, der 11. November, ist bis heute einer der bedeutendensten Gedenktag in den anarchistischen Bewegungen.Mitte November 1887
Chicago (Illinois, USA): Im November 1887 erscheint in Chicago die Flugschrift »Gedenkblatt an den 11. November 87, herausgegeben von der Socialistic Publishing Society«.20 Dieses Druckwerk zum Gedenken an die so genannten Chicagoer Märtyrer (►11. November 1887) wird auch in Österreich verbreitet und kann seit Anfang Dezember 1888 unter anderem von dem erst im September 1888 aus Wien nach London (England) geflüchteten Schriftsetzergehilfen und Journalisten Rudolf Hanser (1859–1909), Mitglied der »Gruppe ›Autonomie‹«, in London, 18 Sun Street, Finsbury E. C., bezogen werden.15. November 1887 (Dienstag)
Haschendorf [zu Ebenfurth] (Niederösterreich): Am 15. November 1887 wird in Haschendorf, wohin er erst vor einem Jahr aus Wien umgezogen war, auf Requisition der Landesgerichts Wien der Drechslergehilfe Benedikt Stark (1856–?) verhaftet und in das Kreisgericht Wiener Neustadt (Niederösterreich) eingeliefert. Er steht unter dem Verdacht, intensive Beziehungen zu Anarchisten in der Schweiz zu unterhalten. Benedikt Stark wird sich – allerdings unter einem anderen Vorwurf – am ►13. Februar 1888 vor Gericht verantworten müssen.Dezember 1887
London (England): Im Dezember 1887 erscheint das erste Heft der vom Journalisten, Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) initiierten und von der »Gruppe ›Autonomie‹« herausgegebene Schriftenreihe »Anarchistisch-communistische Bibliothek«: »Revolutionäre Regierungen« von Pjotr Alexejewitsch Kropotkin ‹Пётр Алексеевич Кропоткин› (1842–1921).21Das Heft dieser Schriftenreihe findet auch in Österreich Verbreitung.Dezember 1887
New York City (New York, USA): Im Dezember 1887 erscheint das neunte Heft der Schriftenreihe »Internationale Bibliothek«: »Zwischen Galgen und Zuchthaus« von Johann Most (1846–1906).22 Das Heft dieser Schriftenreihe findet auch in Österreich Verbreitung.4. Dezember 1887 (Sonntag)
Wien und Vororte: Am 4. Dezember findet in »Schwender’s Colosseum« (Anna Silberbauer) in Rudolfsheim (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Fünfhauser Hauptstraße, Ecke Kirchengasse [Mariahilfer Straße, Ecke Reindorfgasse], das zwanzigjährige Gründungsfest des »Arbeiter-Bildungsvereins« statt (►17. Oktober 1887). Es ist eine der letzten Veranstaltungen, die sowohl von Gemäßigten wie Radicalen beworben wird. Bemerkenswert ist, dass die Festrede der Schriftsetzer und Journalist Rudolf Hanser (1859–1909), verantwortlicher Redakteur der anarchistischen Zeitung »Arbeit« (Wien), hält. Der Arzt und Journalist Victor Adler (1852–1918) hält – wie andere Delegierte auch – nur eine Begrüßungansprache. Ebenso bemerkenswert ist die Einschätzung des Verhältnisses zwischen den beiden Lagern der Arbeiterbewegung durch das katholisch-konservative Organ »Das Vaterland« (Wien): »Die Feier des Gründungsfestes des Arbeiter-Bildungsvereines hat an der Verminderung des Gegensatzes zwischen den Radicalen und den Gemäßigten mitgewirkt, aber verschwunden ist der Gegensatz nicht. Es besteht vorderhand nur ein ruhiges Nebeneinandergehen zwischen den beiden Parteien. Die radicale Partei ist der gemäßigten schon ebenbürtig und wird es nicht mehr lange dulden, von den sogenannten Führern der letzteren ebenfalls an der Nase herumgeführt zu werden. Die radicale Partei ist aber auch im Wachsen begriffen […]. Der Zeitpunkt der Austragung des Kampfes um die Oberhand ist eben noch nicht gekommen und hängt davon ab, ob die geschehenen Bemühungen ein Zusammengehen der radicalen mit der gemäßigten Partei zu ermöglichen, von Erfolg begleitet sein werden. Die radicalen Arbeiter sind einer solchen Einigung nicht abgeneigt, jedoch müßte in einem derartigen Falle der Einfluß und die Führung der Herren Dr. Victor Adler und Bretschneider unbedingt aufhören, denn es bricht sich in Arbeiterkreisen allgemein die Erkenntniß Bahn, daß die Arbeiter unter der Leitung der gegenwärtigen Führer der Gemäßigten eher von ihren Zielen abgelenkt als denselben zugeführt werden. […] Das allgemeine Stimmungsbild in der Arbeiterbewegung ist also […] gegenwärtig ein tristes und stilles, und Leben dürfte erst hineinkommen, wenn der über die Oberfläche gebreitete Schleier der Ruhe durch das darunter verborgene Feuer des Kampfes zwischen der radicalen und der gemäßigten Arbeiterpartei durchbrochen wird und die Frage auftaucht: Haben die Gemäßigten oder die Radicalen die Führung?«23 Ähnlich schätzt auch die Polizei-Direktion Wien die Lage für das Jahr 1887 ein: »In Österreich entwickelte sich im Berichtsjahre eine intensive Agitation in Vereinen und sonstigen Versammlungen, um einerseits einzelnen Führern Gelegenheit zu bieten, die Massen für sich zu gewinnen und anderseits die längst ersehnte Vereinigung aller socialistischen Elemente zustande zu bringen. In letzterer Richtung ergaben sich sowohl in Wien als auch in Graz noch bisher nicht beseitigte Schwierigkeiten, welche allerdings weniger auf sachliche als vielmehr auf persönliche Momente zurückzuführen sind.«245. Dezember 1887 (Montag)
Graz (Steiermark): Am 5. Dezember 1887 wird der Bäckergehilfe Alois Weiß (~1861–?) unter dem Verdacht des Verbrechens des Hochverrats ins Landesgericht Graz eingeliefert. Er habe in der Monatsversammlung des Grazer »Fachvereins der Schuhmacher« in der »Puntigamer Bierhalle« in Graz, Jakobigasse 6 [Orpheumgasse 8], am Montag dem 7. November 1887 das Parlament und die Regierung öffentlich beschimpft: »Geldsack-Parlament« und »Bourgeoisie-Parlament«. Alois Weiß war den Behörden kein Unbekannter: Er war bereits am Dienstag dem 6. März 1883 wegen Verbrechens der Majestätsbeleidigung und wegen Übertretungen des Diebstahls und der Veruntreuung vom Landesgericht Graz zu dreizehn Monaten schwerem Kerker verurteilt und anschließend für vierzehn Monate in die Landes-Irrenanstalt Feldhof [zu Graz] (Steiermark) eingeliefert worden. Alois Weiß wird sich am ►6. Februar 1888 vor Gericht verantworten müssen.10. Dezember 1887 (Samstag)
Wien und Vororte: Am 10. Dezember 1887 findet vor dem Landes- als Ausnahmsgericht Wien der Prozess wegen Verbrechens der Münzverfälschung für anarchistische Zwecke gegen fünf am ►27. Mai 1887 verhaftete Angeklagte statt: der Gürtler und Bronzearbeiter Ferdinand Emerling (1868–?), der Schlossergehilfe Ferdinand Hilbert (1856–?), der Knopfdrechslergehilfe Anton Mliczko (1857–?), die Hausfrau Viktoria Titz (1850–?) sowie der Metallgießer und Polizeispitzel Anton Schreger (1867–1927). Im Prozess tritt auch ein mittlerweile ehemaliger Radicaler, der Knopfdrechslergehilfe Josef Temke (1841–?), als Zeuge auf, ohne die Angeklagten jedoch zu belasten. Angeklagt sind Ferdinand Emerling, Ferdinand Hilbert, Anton Milczko, Viktoria Titz und Anton Schreger wegen des Verbrechens der Münzverfälschung, Schreger zusätzlich des Verbrechens der Verleumdung. Ausgenommen Anton Schreger, der nur zum Schein mitgemacht haben will, sind die Angeklagten teilweise geständig, bestreiten aber anarchistische Zwecke. Im Prozess wird ganz offen über die Spitzeltätigkeit von Anton Schreger gesprochen, doch der Antrag auf Vorladung des Polizeirats bei der Polizei-Direktion Wien Bernhard Frankl (1846–1907), der Schreger angeworben hatte, wird vom Gericht abgelehnt. Im Sinne der Anklage werden Anton Schreger zu fünf Jahren, Anton Mliczko und Ferdinand Hilbert zu je vier Jahren, Viktoria Titz zu fünfzehn Monaten und Ferdinand Emerling zu einem Jahr schwerem Kerker und zur nachherigen Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt. (►19. Juli 1888) Der flüchtige Metalldreher Franz Spiegel (1870–?) wird erst am ►23. Februar 1888 und der Schlossergehilfe Johann Ammerer (1862–?) am ►10. Oktober 1888 vor Gericht gestellt werden. Dieser Prozess gegen die Münzfälscherbande ist der letzte große so genannte Anarchisten-Prozess für längere Zeit.22. Dezember 1887 (Donnerstag)
Wien und Vororte: Am 22. Dezember 1887 wird die seit ►17. Oktober 1887 erscheinende anarchistische Zeitung »Arbeit« (Wien) nach fünf Nummern eingestellt. Grund sind nicht die durch die zahlreichen Konfiskationen – vier der fünf Nummern müssen nach der Konfiskation in zweiter Auflage erscheinen – entstandenen finanziellen Probleme, sondern das Verbot auf Grund der Ausnahmsbestimmungen. Die als »Die Arbeit« (Marburg) mit der Ausgabe vom ►6. August 1885 begonnene Zeitung findet mit der Zeitung »Arbeit« (Wien) als letztes Organ der Radicalen in Österreich mit der Ausgabe vom 22. Dezember 1887 ihr Ende. Alle Ausgaben der Zeitung »Arbeit« können bereits als eindeutig anarchistisch bezeichnet werden.24. Dezember 1887 (Samstag)
Wien und Vororte: Seit 24. Dezember 1887 wird unter Leitung des Arztes und Journalisten Victor Adler (1852–1918) eine in geheimen Besprechungen von Gemäßigten und Radicalen erarbeitete Resolution an die Vertrauensleute beider Lager in verschiedenen Orten zur Kenntnis gebracht:
»I. Die socialdemokratische Arbeiterpartei strebt mit allen Mitteln die Umwandlung des heutigen Classenstaates in die socialistisch- (communistisch-) organisirte Gesellschaft an.
II. Da der Träger dieser Entwicklung einzig und allein das classenbewusste und organisirte Proletariat sein kann, so sind die Erweckung des Classenbewusstseins und die Organisation des Proletariats die nächsten Zielpunkte der socialdemokratischen Arbeiterpartei.
III. Als Mittel hiezu dient die Propaganda in Wort und Schrift und eine einheitliche Organisation der Partei, welche aber die Selbständigkeit der einzelnen möglichst zu schonen hat.
IV. Die individuelle Anwendung der Gewalt wird als die Partei schädigend abgelehnt, im Übrigen hängt die Taktik von dem Verhalten der herrschenden Classen und ihrer Organe ab.
V. Die Organisation, sowie die Agitation hat, soweit dies möglich ist, öffentlich zu sein und sind alle Mittel der Öffentlichkeit als: Presse, Versammlungen, Vereinswesen voll und ganz auszunützen.
VI. Die socialdemokratische Arbeiterpartei rechnet sämmtliche bürgerliche Parteien zu einer reactionären Masse, lehnt jedes Compromiss mit ihnen ab und wird neue ökonomische und politische Zugeständnisse (Socialreformen und politische Rechte) für die Emancipation der Arbeiterclasse nach Möglichkeit ausnützen.«2525. Dezember 1887 (Sonntag)
Linz an der Donau (Oberösterreich): Am 25. Dezember 1887 findet in Linz an der Donau eine Konferenz mit Delegierten aus Gmunden (Oberösterreich) und Wels (Oberösterreich) statt. Um eine Einigung der Arbeiterbewegung herbeizuführen, kommt aus Wien der Schuhmachermeister und nunmehrige Miedermacher Andreas Grosse (1940–1917). Andreas Grosse betont zwar in seiner Rede, die Anarchisten auch künftighin als Kampfgenossen anzusehen, doch legt er dann die in Wien erarbeitete Resolution vom ►24. Dezember 1887 vor. Diese kommt allerdings nicht zur Abstimmung, weil die Radicalen erst mit ihren Vertrauensleuten Rücksprache halten wollen.25. Dezember 1887 (Sonntag) und 26. Dezember 1887 (Montag)
Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]): Am 25. und 26. Dezember 1887 findet in Brünn ein Parteitag der »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku« (Tschechoslawische sozial-demokratische Arbeiterpartei in Österreich) statt. Es wird beschlossen, dass sich die Partei weiterhin als Teil der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« versteht, allerdings mit einer eigenen Organisation. Noch wichtiger dürfte für die Wiener Genossen, die den Parteitag interessiert verfolgen, die Tatsache sein, dass die dreiundfünfzig Delegierten ein Parteiprogramm beschließen, durch welches die Radicalen weitgehend Positionen der Gemäßigten übernehmen.28. Dezember 1887 (Mittwoch)
Klagenfurt / Celovec [Klagenfurt am Wörthersee / Celovec ob Vrbskem jezeru] (Kärnten): Am 28. Dezember 1887 findet vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Klagenfurt der Prozess gegen den Comptoiristen Josef Tikal (1865–1891), der mittlerweile in Wien eine wichtige Rolle unter den Autonomisten einnimmt, und den Schuhmachergehilfen Valentin Wutte (1858–1932) statt. Josef Tikal als Herausgeber und Valentin Wutte als verantwortlicher Redakteur der am ►16. Juni 1887 eingestellten Zeitung »Arbeit« (Villach) werden zu je zwei Wochen Arrest und einer Geldstrafe von 10 Gulden verurteilt.31. Dezember 1887 (Samstag)
Österreich: Bis zum 31. Dezember 1887 kamen in Österreich nach dem Anarchistengesetz – »Gesetz vom 25. Juni 1886, womit Bestimmungen über die Gerichtsbarkeit in Strafsachen, welchen anarchistische Bestrebungen zu Grunde liegen, erlassen werden« (►27. Juni 1886) – dreizehn Straffälle mit neununddreißig Angeklagten zur Hauptverhandlung.
Bücher und Broschüren der radicalen Arbeiterbewegung 1887
[Anonym]: Geschichte des Fachvereines der Bäcker Wiens von der Gründung bis Ende December 1886. Herausgegeben vom Fachverein. Wien: Selbstverlag des Vereines 1887, 16 S. Enthält [August Krčal]: Die Geschichte des Fachvereines, S. 3–6; [anonym]: Thätigkeit des Vereines seit der Gründung bis Ende December 1886, S. 7–14; Der Ausschuß: Genossen!, S. 15–16. Auch die Zusammenstellung der Broschüre erfolgte durch August Krčal (1860–1894).
Weitere Bücher und Broschüren im Kontext anarchistischer Bewegungen in Österreich
Auswahl für das Jahr 1887
[Anonym]: Das Blut-Urtheil. Die am 14. September 1887 abgegebene Entscheidung des Ober-Staats-Gerichts von Illinois in dem Monster-Prozeß gegen die Chicagoer Anarchisten, nebst einem Commentar zu derselben. Chicago: Als Beilage zum »Vorbote«, herausgegeben von der »Soc. Publ. Soc.« 1887, 56, 52 S. Fand in Österreich kaum Verbreitung.
[Anonym]: Supplimento. Vorbote. Gedenkblatt an den 11. November 87, herausgegeben von der Socialistic Publishing Society. [Chicago]: Herausgegeben von der Socialistic Publishing Society [1887], 8 S. Beilage zur Zeitung »Vorbote. Unabhängigkeits-Organ für die wahren Interessen des Proletariates« (Chicago). Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Kreis- als Pressgericht Königgrätz vom 25. Jänner 1888 und vom Landes- als Pressgericht Prag vom 30. April 1888 in Österreich verboten.
[Anonym]: Die social-demokratische und anarchistische Bewegung im Jahre 1886. Wien: Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei 1887, 32 S. Veröffentlichung der Polizei-Direktion Wien.
[Anonym]: Zur Erinnerung an die am 11. November 1887 in Chicago hingemordeten Märtyrer des Proletariats. New York: Herausgegeben vom Agitationscomité der I. A. A. New York 1887, 8 S. Fand in Österreich kaum Verbreitung.
Asnyk, Adam (1838–1897): Adam Asynk’s ausgewählte Gedichte. Deutsch von Ladislaus Gumplowicz. Wien: Verlag von Carl Konegen 1887, 135 S. Übersetzer: Ladislaus Gumplowicz (1869–1942). Original unter dem Autorennamen El…y: Poezye. Lwów [L’viv ‹Львів›] 1869.
Domela Nieuwenhuis, Ferdinand (1846–1919): Kapital und Arbeit. Eine gedrängte Darstellung der Marx’schen Lehre. Von Domela-Nieuwenhuis. Uebersetzt von Carl Derossi. New York: Druck von John Oehler, 22–24 North William Street 1887, 97 S. Übersetzer: Carl Derossi (1844–1910). Original: Kapitaal en arbeid [van] Karl Marx. Bewerkt door F[erdinand] Domela Nieuwenhuis. 's-Gravenhage [1881].
E. K.; siehe: Kaler, Emil
Haufe, Ewald (1854–1839): Fremdländisches und einheimisches Erziehungsleben und Bildungswesen. Von Dr. Ewald Haufe. Zürich: Schröter & Meyer, Verlagsbuchhandlung & Buchdruckerei 1887 (= Bibliothek des Familien-Wochenblattes. 11.), 30 S.
Hertzka, Theodor (1845–1924): Das Wesen des Geldes. Von Theodor Hertzka. Leipzig: Verlag von Duncker & Humblot 1887, VIII, 121 S.
K., E.; siehe: Kaler, Emil
Kaler, Emil (1850–1897): Wilhelm Weitling. Seine Agitation und Lehre im geschichtlichen Zusammenhange dargestellt von Emil Kaler. Hottingen-Zürich: Verlag der Volksbuchhandlung 1887 (= Sozialdemokratische Bibliothek. 11.), 104 S. Sozialdemokratische Publikation, Wilhelm Weitling (1808–1871) betreffend. Enthält: I. Der französische Sozialismus. – II. Die ersten revolutionären Verbindungen der Deutschen in der Schweiz und in Frankreich. – III. Wilhelm Weitling’s Leben und Agitation. – IV. Kritische Darstellung der Lehre Wilhelm Weitling’s.
Kaler, Emil (1850–1897): Der Zeitgeist. Eine Skizze von E. K. Hottingen-Zürich: Verlag der Volksbuchhandlung 1887 (= Sozialdemokratische Bibliothek. 32.), 30 S. Erschien unter dem Autorennamen »E. K.«. Zuerst Chicago 1873.
Krapotkin, Peter; siehe: Kropotkin, Pjotr Alexejewitsch
Krapotkine, Peter; siehe: Kropotkin, Pjotr Alexejewitsch
Krasser, Hermann; siehe: Most, Johann
Krapotkin, Peter [d. i. Pjotr Alexejewitsch Kropotkin ‹Пётр Алексеевич Кропоткин› (1842–1921)]: An die jungen Leute. New York: John Müller Oktober 1887 (= Internationale Bibliothek. 7.), 16 S. Aus dem Französischen übersetzt von Frau J. Schultze. Enthält auch Internationale Arbeiter-Assoziation: An das Proletariat der Kopfarbeit, S. 15–16. Original: Aux jeunes gens, in: Le Révolté (Genève), 26. Juni bis 21. August 1880; als Broschüre Genève 1881.
Krapotkin, Peter [d. i. Pjotr Alexejewitsch Kropotkin ‹Пётр Алексеевич Кропоткин› (1842–1921)]: Gesetz und Autoritaet. New York: John Müller November 1887 (= Internationale Bibliothek. 8.), 16 S. Original: La Loi et l’autorité, in: Le Révolté (Genève), 31. Mai bis 19. August 1882; als Broschüre Genève 1882.
Krapotkine, Peter [d. i. Pjotr Alexejewitsch Kropotkin ‹Пётр Алексеевич Кропоткин› (1842–1921)]: Revolutionäre Regierungen. Von Peter Krapotkine. Übersetzt aus dem Französischen und herausgegeben von der Gruppe »Autonomie«. London: [Gruppe »Autonomie«] [1887] (= Anarchistisch-communistische Bibliothek. 1.), 19 S. Original: Le Gouvernement pendant la révolution, in: Le Révolté (Genève) vom 2. September bis 14. Oktober 1882. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 27. Jänner 1888 in Österreich verboten.
Mackay, John Henry (1864–1933): Schatten. Novellistische Studien von John Henry Mackay. Leipzig: Verlag von Eugen Peterson 1887, 214 S.
[Most, Johann]: An das Proletariat. (An- und Absichten eines entlassenen »Sträflings«.) New York: John Müller April 1887 (= Internationale Bibliothek. 1.), 16 S. Zuerst in der Zeitung »Freiheit« (London – New York), 9. Jg., Nr. 15 (9. April 1887), S. [3]. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 8. Juni 1887 in Österreich verboten.
Most, John [d. i. Johann Most (1846–1906)]: Die Hoelle von Blackwells Island. New York: John Müller April 1887 (= Internationale Bibliothek. 2.), 16 S. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 8. Juni 1887 in Österreich verboten.
Most, John [d. i. Johann Most (1846–1906)]: Die Gottespest. (Zwölfte vermehrte und verbesserte Auflage.) New York: John Müller Juni 1887 (= Internationale Bibliothek. 3.), 16 S. Enthält auch Hermann Krasser [d. i. Friedrich Krasser (1818–1893)]: Anti-Syllabus. Von Dr. Hermann Krasser, S. 12–16. Die Schrift von Johann Most erschien zuerst New York 1883, die Schrift von Friedrich Krasser zuerst Braunschweig 1878 unter dem Titel »Anti-Sillabus«.
Most, John [d. i. Johann Most (1846–1906)]: Stammt der Mensch vom Affen ab? New York: John Müller Juni 1887 (= Internationale Bibliothek. 4.), 16 S.
Most, Joh[ann] (1846–1906): Die Freie Gesellschaft. New York: John Müller August 1887 (= Internationale Bibliothek. 5.), 16 S. Gekürzte Ausgabe der Erstausgabe New York 1884.
Most, J[ohann] (1846–1906): Die Eigenthumsbestie. New York: John Müller August 1887 (= Internationale Bibliothek. 6.), 16 S. Erweiterte Ausgabe der Erstausgabe New York 1883.
Most, John [d. i. Johann Most (1846–1906)]: Zwischen Galgen und Zuchthaus. New York: John Müller Dezember 1887 (= Internationale Bibliothek. 9.), 16 S. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Klagenfurt vom 23. November 1888 in Österreich verboten.
Most, John; siehe: Most, Johann
Nettlau, Max (1865–1944): Beiträge zur cymrischen grammatik. (einleitung und vocalismus.). der philosophischen facultät der universität in Leipzig als dissertation zur erlangung der philosophischen doctorwürde eingereicht von Max Nettlau aus Neuwaldegg in Niederösterreich. Leipzig: Druck von König & Freter märz – april 1887, 80 S. Philosophische Dissertation an der Universität Leipzig 1887.
Wichers von Gogh, Otto (1855–1906): Sieger und Besiegte. Original-Lustspiel in vier Aufzügen von Otto Wichers von Gogh. Wien: Selbstverlag, Druckerei Kreisel & Gröger 1887, 83 S. Uraufführung am K. k. Theater in Salzburg (Salzburg) am 5. Februar 1888.
Zielczak, Józef; siehe: Zieliński, Józef
Zieliński, Józef (1861–1927): Co robić, gdy kto zachoruje, napisał Józef Zielczak. Z 2-ma obrazkamy. Wydanie 2 poprawione. Warszawa: Nakładem autora 1887, 32 S. Druck: Bracia Jeżyńscy, Warszawa. Zuerst Warszawa 1885. Polnisch: Was tun, wenn jemand krank wird, von Józef Zielczak. Mit 2 Bildern. Zweite überarbeitete Auflage.
Verbotene Flugblätter
Auswahl aus dem Jahr 1887
[Anonym]: An die Arbeiter im Soldatenrock! [London]: [Druckerei der Zeitung »Die Autonomie«] [1887], Flugblatt; Sonderdruck aus der Zeitung »Die Autonomie« (London), 1. Jg., Nr. 1 (6. November 1886), S. 2–3, weshalb die Weiterverbreitung der Zeitung mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 17. November 1886 in Österreich verboten wurde. Die Weiterverbreitung des Flugblattes wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 14. März 1887 in Österreich verboten. Der Text dieses Flugblattes wurde 1892 mit dem Zusatz »Es lebe die Soziale revolution.« von Sozialrevolutionären in Wien neu gedruckt werden.
Für die radicale Arbeiterbewegung in Österreich wichtige Zeitungen und Zeitschriften
Auswahl für das Jahr 1887
Arbeit (Villach)
Arbeit (Linz)
Arbeit (Wien)
Bäcker-Zeitung (Wien)
Diblík (New York; Der Kobold)
Die Autonomie (London)
Freiheit (New York)
Hlas lidu (New York; Die Volksstimme)
Hlas lidu (Prostějov; Die Volksstimme) (Prostějov; Die Volksstimme), überwiegend gemäßigt
Lampička (Chicago; Das Laternchen)
Londoner Freie Presse (London)
Pomsta [London, dann Paris; Die Rache]
Práce (Chicago; Die Arbeit)
Revoluce [London; Revolution]
Rovnost (Brno; Die Gleichheit), überwiegend gemäßigt
Autor: Reinhard Müller
Version: November 2024
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
Copyleft
Daten
- 1
Vgl. Die social-demokratische und anarchistische Bewegung im Jahre 1887. Wien: Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei 1887, S. 4.
- 2
Vgl. Die social-demokratische und anarchistische Bewegung im Jahre 1886. Wien: Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei 1887, 32 S.
- 3
Zitiert nach [anonym]: Politische Chronik. [/] Graz, 8. Februar. (Arbeiter gegen Arbeiterkammern.), in: Das Vaterland (Wien), 28. Jg., Nr. 40 (10. Februar 1887), S. 2–3, hier S. 2.
- 4
Von Johann Risman (1864–1936) vorgelegte Resolution, zitiert nach dem Bericht im Steiermärkischen Landesarchiv, Graz, 5 Ver–1333/1886, 473/1887.
- 5
Vgl. Geschichte des Fachvereines der Bäcker Wiens von der Gründung bis Ende December 1886. Herausgegeben vom Fachverein. Wien: Selbstverlag des Vereines 1887, 16 S. Enthält [August Krčal]: Die Geschichte des Fachvereines, S. 3–6; [anonym]: Thätigkeit des Vereines seit der Gründung bis Ende December 1886, S. 7–14; Der Ausschuß: Genossen!, S. 15–16. Auch die Zusammenstellung der Broschüre erfolgte durch August Krčal (1860–1894).
- 6
Vgl. [Rudolf Emil Martin (1867–1916)]: Die Londoner Anarchisten-Clubs, in: Wiener Allgemeine Zeitung [/] Morgenblatt (Wien), [8]. Jg. Nr. 2524 (9. März 1887), S. 1–3. Es handelt sich dabei um den auszugsweisen Abdruck aus dem unter dem Pseudonym »∆« erschienenen, vom Kölner Journalisten und Polizeispitzel Rudolf Emil Martin verfassten Buch: Der Anarchismus und seine Träger. Enthüllungen aus dem Lager der Anarchisten von ∆, Verfasser der Londoner Briefe in der Kölnischen Zeitung. Berlin: Verlag von Neufeld & Mehring 1887, V, 211 S.
- 7
Vgl. [anonym]: An die Arbeiter im Soldatenrock! [London]: [Druckerei der Zeitung »Die Autonomie«] [1887], Flugblatt; Sonderdruck aus der Zeitung »Die Autonomie« (London), 1. Jg., Mr. 1 (6. November 1886), S. 2–3, weshalb die Weiterverbreitung der Zeitung mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 17. November 1886 in Österreich verboten wurde. Die Weiterverbreitung des Flugblattes wird mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 14. März 1887 in Österreich verboten.
- 8
Vollständig abgedruckt in Ludwig Brügel (1866–1942): Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie. Dritter Band: Parteihader. Propaganda der Tat. Einigung. (1878 bis 1889). Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1922, S. 382–283.
- 9
Zitiert nach [anonym]: Tagesneuigkeiten. [/] Volksversammlung, in: Freie Stimmen. Ein deutsches Blatt für Kärnten (Klagenfurt), 7. Jg., Nr. 29 (13. April 1887), S. 2–3, hier S. 3.
- 10
Vgl. [Johann Most (1846–1906)]: An das Proletariat. (An- und Absichten eines entlassenen »Sträflings«.) [Gezeichnet] New York, im April 1887. Johann Most, 167 William Street. New York: John Müller April 1887 (= Internationale Bibliothek. 1.), 16 S. Zuerst in der Zeitung »Freiheit« (London – New York), 9. Jg., Nr. 15 (9. April 1887), S. [3]. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 8. Juni 1887 in Österreich verboten.
- 11
Vgl. John Most [d. i. Johann Most (1846–1906)]: Die Hoelle von Blackwells Island. [Gezeichnet] John Most, 167 William Street. New York: John Müller Mai 1887 (= Internationale Bibliothek. 2.), 16 S. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 8. Juni 1887 in Österreich verboten.
- 12
Vgl. John Most [d. i. Johann Most (1846–1906)]: Die Gottespest. (Zwölfte vermehrte und verbesserte Auflage.) New York: John Müller Juni 1887 (= Internationale Bibliothek. 3.), 16 S. Enthält auch Hermann Krasser [d. i. Friedrich Krasser (1818–1893)]: Anti-Syllabus. Von Dr. Hermann Krasser, S. 12–16. Die Schrift von Johann Most erschien zuerst New York 1883, die Schrift von Friedrich Krasser zuerst Braunschweig 1878 unter dem Titel »Anti-Sillabus«.
- 13
Vgl. John Most [d. i. Johann Most (1846–1906)]: Stammt der Mensch vom Affen ab? [Gezeichnet] John Most. New York: John Müller Juli 1887 (= Internationale Bibliothek. 4.), 16 S.
- 14
Vgl. Joh[ann] Most (1846–1906): Die Freie Gesellschaft. [Gezeichnet] Joh. Most. New York: John Müller August 1887 (= Internationale Bibliothek. 4.), 16 S. Gekürzte Ausgabe der Erstausgabe New York 1884.
- 15
Vgl. [anonym]: Gegenwärtiger Stand der anarchistischen Bewegung. (Orig.-Corr. der »Neuen Freien Presse«.) I. London, Ende August, in: Neue Freie Presse [/] Morgenblatt (Wien), [24]. Jg. Nr. 8264 (30. August 1887), S. 1–2, [anonym]: Gegenwärtiger Stand der anarchistischen Bewegung. (Orig.-Corr. der »Neuen Freien Presse«.) II. London, Ende August, in: ebenda, [24]. Jg. Nr. 8265 (31. August 1887), S. 2–3, [anonym]: Gegenwärtiger Stand der anarchistischen Bewegung. (Orig.-Corr. der »Neuen Freien Presse«.) III. London, Angangs September, in: ebenda, [24]. Jg. Nr. 8272 (7. September 1887), S. 1–3, [anonym]: Gegenwärtiger Stand der anarchistischen Bewegung. (Orig.-Corr. der »Neuen Freien Presse«.) IV. London, Angangs September, in: ebenda, [24]. Jg. Nr. 8273 (8. September 1887), S. 1–2, [anonym]: Gegenwärtiger Stand der anarchistischen Bewegung. (Original-Correspondenz der »Neuen Freien Presse«.[)] Die anarchistische Presse. I. London, Ende September, in: ebenda, [24]. Jg. Nr. 8293 (28. September 1887), S. 1–3, und [anonym]: Gegenwärtiger Stand der anarchistischen Bewegung. Original-Correspondenz der »Neuen Freien Presse«. Die anarchistische Presse. II. London, Ende September, in: ebenda, [24]. Jg. Nr. 8293 (29. September 1887), S. 2–3.
- 16
Vgl. J[ohann] Most (1846–1906): Die Eigenthumsbestie. [Gezeichnet S. 9] J. Most. New York: John Müller September 1887, 16 S. Erweiterte Ausgabe der Erstausgabe New York 1883.
- 17
Vgl. Peter Krapotkin [d. i. Pjotr Alexejewitsch Kropotkin ‹Пётр Алексеевич Кропоткин›] (1842–1921): An die jungen Leute. [Gezeichnet] Peter Krapotkin.New York: John Müller Oktober 1887 (= Internationale Bibliothek. 7.), 16 S. Enthält auch Internationale Arbeiter-Assoziation: An das Proletariat der Kopfarbeit, S. 15–16. Original: Aux jeunes gens, in: Le Révolté (Genève), 26. Juni bis 21. August 1880; als Broschüre Genève 1881.
- 18
[Anonym]: Nur schön aufgepasst!, in: Kikeriki! Humoristisches Volksblatt (Wien), 27. Jg., Nr. 80 (6. Oktober 1887), S. 3. – Qui pro quo: Lateinisch »wer für was«. Das Gedicht wurde allerdings vor dem Hintergrund des Parteitags der »Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands« verfasst.
- 19
Vgl. Peter Krapotkin [d. i. Pjotr Alexejewitsch Kropotkin ‹Пётр Алексеевич Кропоткин›] (1842–1921): Gesetz und Autoritæt. [Gezeichnet] Peter Krapotkin. New York: John Müller November 1887 (= Internationale Bibliothek. 8.), 16 S. Original: La Loi et l’autorité, in: Le Révolté (Genève), 31. Mai bis 19. August 1882; als Broschüre Genève 1882.
- 20
Vgl. [anonym]: Supplimento. Vorbote. Gedenkblatt an den 11. November 87, herausgegeben von der Socialistic Publishing Society. [Chicago]: Herausgegeben von der Socialistic Publishing Society [1887], 8 S. Beilage zur Zeitung »Vorbote. Unabhängigkeits-Organ für die wahren Interessen des Proletariates« (Chicago). Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Kreis- als Pressgericht Königgrätz vom 25. Jänner 1888 und vom Landes- als Pressgericht Prag vom 30. April 1888 in Österreich verboten.
- 21
Vgl. Peter Krapotkine [d. i. Pjotr Alexejewitsch Kropotkin ‹Пётр Алексеевич Кропоткин› (1842–1921)]: Revolutionäre Regierungen. Von Peter Krapotkine. Übersetzt aus dem Französischen und herausgegeben von der Gruppe »Autonomie«. London: [Gruppe »Autonomie«] [1887] (= Anarchistisch-communistische Bibliothek. 1.), 19 S. Original: Le Gouvernement pendant la révolution, in: Le Révolté (Genève) vom 2. September bis 14. Oktober 1882. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 27. Jänner 1888 in Österreich verboten.
- 22
Vgl. John Most [d. i. Johann Most (1846–1906)]: Zwischen Galgen und Zuchthaus. [Gezeichnet] Tombs, 3. Dezember 1887. John Most. New York: John Müller Dezember 1887 (= Internationale Bibliothek. 9.), 16 S. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wird mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Klagenfurt vom 23. November 1888 in Österreich verboten.
- 23
[Anonym]: Das zwanzigjährige Gründungsfest des Arbeiter-Bildungsvereines, in: Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie [/] Beiblatt zu Nr. 344 des »Vaterland« (Wien), 28. Jg., Nr. 344 (14. Dezember 1887), S. 3–4, hier S. 4. – Der Bildhauer und Redakteur Ludwig Bretschneider (1860–1929) war damals der wohl exponierteste Anhänger von Victor Adler (1852–1918) in Wien.
- 24
Die social-demokratische und anarchistische Bewegung im Jahre 1887. Wien: Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei 1887, S. 1.
- 25
Abgedruckt in: Die social-demokratische und anarchistische Bewegung im Jahre 1887. Wien: Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei 1887, S. 8.