Jónás Gyula Fried (1864–1929)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Vater: Jakab Fried; deutsche Namensform: Jakob Fried: Geflügelhändler; Heirat mit:
Mutter: Száli Fried, geborene Kohn; deutsche Namensform: Sali Fried, geborene Kohn: Hausfrau
Ehe: in Szeged / Szegedin [Szeged] (Ungarn) am 7. Oktober 1895 mit Borbála Szalkay; deutsche Namensform: Barbara Szalkay (Szeged / Szegedin, [Szeged], Ungarn 17. März 1871 – ?): Hausfrau
Kinder: keine
Biographie
Jónás Gyula Fried besaß eine auffallend gute Bildung und sprach fließend Ungarisch, Deutsch, Französisch, Englisch und Spanisch. Er war zunächst in Warschau ‹Warszawa› (Königreich Polen [Polen]) als Reisender für ein Juweliergeschäft tätig, reiste dann im April 1881 nach New York City (New York, USA), wo er erst als Kellner, dann als Bauarbeiter sein Geld verdiente. Hier nahm er auch an Versammlungen des Journalisten und Zeitungsherausgebers Johann Most (1846–1906) teil.
Am 16. Mai 1883 kehrte Jónás Gyula Fried nach Budapest (Ungarn) zurück. Er arbeitete hier als Buchhalter beim Maschinenfabrikanten Eduárd May. In dieser Zeit reiste er mehrmals nach Wien und Graz (Steiermark), um Kontakte zur dortigen radicalen Arbeiterbewegung zu schließen.
Am 4. Februar 1884 kam aus Zürich / Zurich / Zurigo (Kanton Zürich, Schweiz) der Buchbindergehilfe Anton Kammerer (1862–1884) nach Budapest, reiste am nächsten Tag wieder ab, um wenige Tage später erneut nach Budapest zurückzukehren. Hier soll er nach Vermutungen der Polizei beim Raubmord vom 10. Jänner 1884 am Wechselstubenbesitzer Heinrich Eisert sen. (~1838–1884) in Wien 6., Mariahilfer Straße 55, erbeutete Wertpapiere Genossen übergeben haben.1 Außerdem habe er den Schneidergehilfen und nunmehrigen Fabrikarbeiter Ármin Práger (1851–1905) mehrfach getroffen und diesem 15 Gulden übergeben. Einen Teil der geraubten Wertpapiere, nämlich vierundzwanzig Stück Liesinger Brauerei-Aktien, soll Anton Kammerer unter dem Decknamen »Konrad Wilkens« am 8. Februar 1884 in der Wechselstube der Escompte- und Wechslerbank in Budapest selbst deponiert haben. Weitere Wertpapiere habe der beim Maschinenfabrikanten Eduárd May als Hausknecht beschäftigte Salomon Blau am nächsten Tag dieser Bank verkauft. Außerdem soll Kammerer am 10. Februar 1884 Jónás Gyula Fried 25 Gulden vom Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube übergeben haben. Die von Salomon Blau verkauften Papiere, welche erst am 20. März 1884 von der Polizei ausfindig gemacht wurden, führten schließlich dazu, dass die Budapester Polizei eine Involvierung ungarischer Radicaler in den Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube annahm.
Am 13. März 1884 begann in Budapest unter Leitung des Hauptmanns der Budapester Polizeiwache (Polizeidirektor) Elek Thaisz (1820–1892) eine Verhaftungswelle gegen Radicale wegen angeblicher Mitschuld am Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube, in deren Verlauf bis in die frühen Morgenstunden des 14. März 1884 sechsunddreißig Personen festgenommen, darunter auch Jónás Gyula Fried. Bei den mit den Verhaftungen verbundenen Hausdurchsuchungen wurden insgesamt drei Kisten Korrespondenz und Druckwerke beschlagnahmt. In der Untersuchungshaft soll Fried bei einem Verhör am 3. Juni 1884 gestanden haben, jene dritte Person gewesen zu sein, die beim Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube als Aufpasser beteiligt war. Außerdem belastete er angeblich Anton Kammerer sowie den Schuhmachergesellen Hermann Stellmacher (1853–1884) als ausführende Täter. Dabei handelte es sich offenbar um eine bewusste Falschinformation der Budapester Polizei an die Presse. Ursprünglich plante die Staatsanwaltschaft eine deutlich erweiterte Anklage gegen die inhaftierten Radicalen, doch beantragte sie am 9. Oktober 1884 die Einstellung des Verfahrens gegen die Angeklagten bezüglich der Ermordung des Wiener Polizei-Detektivs Ferdinand Blöch (1845–1884) am 25. Jänner 1884 und des Wiener Polizeikonzipisten Franz Hlubek (1854–1883) am 15. Dezember 1883. Vom 5. bis 9. Dezember 1884 fand vor dem Strafgerichtshof Budapest der Prozess im Zusammenhang mit dem Raubüberfall auf die Eisert’sche Wechselstube gegen sechs Radicale statt. Fried wurde des Verbrechens der Hehlerei angeklagt, weil er Wertpapiere aus dem Raubüberfall auf die Eisert’sche Wechselstube an sich gebracht und an deren Veräußerung mitgewirkt habe. Er wurde wegen Hehlerei zu einem Jahr Kerker verurteilt. Die Witwe von Heinrich Eisert sen., Bertha Eisert sen. (~1851–?), wurde mit ihren Forderungen gegen die Angeklagten vom Strafgerichtshof auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Fried, der Berufung einlegte, wurde gegen eine Kaution von 500 Gulden auf freien Fuß gesetzt. In der Revision änderte die königliche Tafel am 24. Juni 1885 die Urteile teilweise erheblich ab. Fried erhielt nun statt einem Jahr Kerker drei Jahre Zuchthaus, im Ausmaß vom Tag der revidierten Urteilsverkündung an zu rechnen, jedoch unter Einbeziehung der einjährigen Untersuchungshaft.
Nach seiner Freilassung arbeitete Jónás Gyula Fried als Kellner beziehungsweise Oberkellner in Budapest.
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Autor: Reinhard Müller
Version: Mai 2024
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Zum Überfall auf die Eisert'sche Wechselstube siehe die Biografie von Heinrich Eisert sen. (~1838–1884).