Caspar Gargula (1852–1888)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Vater: Johann Kargula; seit 1831 Johann Gargula (Wilhelmsburg, Niederösterreich 30. März 1803 – Wien 25. August 1860), Sohn einer Hausfrau und eines Schlossergehilfen: bürgerlicher Schlossermeister und Waagenmacher;
erste Ehe des Vaters: in der Alservorstadt (Niederösterreich [zu Wien 8.]) am 9. August 1830 mit Theresia Schlegel (Karnabrunn, Niederösterreich 15. Jänner 1800 – 16. Dezember 1851)
Stiefschwester: Barbara Gargula (Wien 24. Oktober 1831 – Wien 12. März 1849)
Stiefschwester: Carolina Gargula (Wien 23. Dezember 1833 – Wien 2. September 1855)
Stiefbruder: Joseph Karl Gargula (Wien 17. Dezember 1836 – Wien 10. Juli 1855): Schlossergehilfe
zweite Ehe des Vaters: in Wien am 11. Februar 1852 mit:
Mutter: Anna Maria Gergula, geborene Pfaller (Buttendorf [zu Reinprechtspölla], Niederösterrreich 2. Juli 1821 – ?), Tochter einer Hauerin und eines Hauers: Hausfrau
Schwester: Emilie Gargula, seit 20. Jänner 1878 verheiratete Körner (Wien 23. Juni 1854 – ?)
Bruder: Johann Nepomuk Gargula (Wien 17. März 1856 – Wien 31. März 1856): an Gedärmlähmung verstorben
Schwester: Carolina Gargula (Wien 31. Juli 1857 – Wien 17. Juni 1872)
Schwester: Theresia Gargula (Wien 16. September 1858 – Wien 4. Oktober 1858): an Gehirnlähmung verstorben
Bruder: Johann Gargula (Wien 16. August 1859 – ?)
Schwester: Leopoldin Gargula, seit 22. April 1884 verheiratete Leopoldine Krichenbaum (Wien 10. September 1860 – ?)
Ehe: mit Johanna [?]: Gemischtwarenhändlerin
Kinder: ja
Biographie
Caspar Gargula absolvierte eine Bäckerlehre in Wien und schloss sich als Bäckergehilfe der radicalen Arbeiterbewegung an. Hier spielte er bald eine wichtige Rolle unter den Bäckergehilfen. Dies zeigte sich bei der von rund zweitausend Bäckergehilfen besuchten Versammlung, die am 26. September 1881 in den »Thaliasälen« (Josef Wurmbrand) in Neulerchenfeld (Niederösterreich [zu Wien 16.]), Grundsteingasse 20, abgehalten wurde. Anlässlich des zweiten Punktes der Tagesordnung, »Die Lage der Bäckergehilfen Wiens«, wurde die Schaffung eines neuen Bäcker-Vereins gefordert. Dessen Statuten sollten von einem so genannten Fünfer-Komitee ausgearbeitet werden, dem auch Gargula angehörte. Im Februar 1882 wurde der »Fachverein der Bäcker Wiens« gegründet, dessen Obmann Gargula bis kurz vor seinem Tod war.
Die Bedeutung dieses neuen »Verbandes der Bäckereiarbeiter Oesterreichs« zeigte sich, als Ende März 1883 unter den Bäckergehilfen Wiens und der Umgebung merkliche Unruhe einsetzte. Erste Anzeichen für einen Streik machten sich am 29. März 1883 bemerkbar, wobei es um die Einführung des neunstündigen Arbeitstags ging, weiters um das Verbot erzwungener Verköstigung und erzwungener Beherbergung durch den Arbeitgeber, die Einführung eines Minimalwochenlohns von elf bis fünfzehn Gulden, die Möglichkeit einer gegenseitigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses, das Verbot fachfremder Tätigkeiten (Gebäckaustragen, Holzarbeiten usw.) sowie um die Regelung der Mehlarbeit (für das Abtragen von Mehlsäcken sowie das Ausleeren je fünf Kreuzer pro Sack). Bereits am 1. April 1883 wurde das auf einer geheimen Handpresse hergestellte Flugblatt »Mahnruf an sämmtliche Bäckergehilfen Wiens und in den Provinzen«, gezeichnet »Mit social-revolutionärem Gruße – Das Executiv-Comité«,1 verteilt. Nachdem die für den 19. April 1883 von Caspar Gargula in »Dreher’s Etablissement« (Anton Dreher) in Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 97, einberufene Versammlung untersagt wurde, fanden an diesem Tag erste Arbeitseinstellungen statt. Der eigentliche Streik, dessen Forderungen in dem am 21. April 1883 erstmals verbreiteten Flugblatt »Forderungen der Wiener Bäckergehilfen an ihre Arbeitgeber«2 dargelegt wurden, begann am 23. April 1883. Die Polizei vermutete wohl zurecht, dass hinter diesen Flugblättern Caspar Gargula und der Bäckergehilfe Anton Notzar (1848–1917) standen.
Nach dem nur teilweise erfolgreichen Streik wurde Caspar Gargula am 19. November 1883 in der konstituierenden Generalversammlung zum Geschäftsleiter der »Ersten Productiv-Gesellschaft der Bäcker Wien's, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung« in Dornbach (Niedderösterreich [zu Wien 17.]), Ottakringer Straße 3, gewählt.
Die wichtige Rolle, die Caspar Gargula unter den Radicalen spielte, zeigte sich am 10. Jänner 1886. An diesem Tag fand in der Volkshalle des Rathauses in Wien 1. eine vom gemäßigten »Politischen Verein ›Wahrheit‹« und von den Obmännern von sechsunddreißig Gehilfenausschüssen einberufene Versammlung zur »Diskussion über den § 114 der Gewerbeordnung« statt, an der etwa dreitausend Arbeiter des gemäßigten wie des radicalen Lagers teilnahmen. Die Leitung hatte der Obmann des »Politischen Vereins ›Wahrheit‹«, der Bildhauer Ludwig Bretschneider (1860–1929) inne, welcher die Position der Gemäßigten darstellte. Nach ihm referierte der Buchbinder Gustav Höfner, der sich gegen Zwangsgenossenschaften als Mittel der Arbeiterorganisation aussprach, jedoch am Ende seiner Rede aufforderte, hinter den Gehilfenausschüssen zu stehen. Nach ihm erklärte der gemäßigte Sattlergehilfe Heinrich Gehrke (1835–1917) das Zustandekommen dieser Versammlung. Als daraufhin der nunmehrige Gemischtwarenhändler Caspar Gargula, seit 7. Juli 1885 Obmann des Gehilfenausschusses der Bäckergehilfen-Vereinigung, meinte, man habe diese Veranstaltung nur dazu gemacht, um zu klären, ob die Gemäßigten oder die Radicalen in Wien den Ton angäben, kam es zum Tumult, und Gargula rief: »Jeder, der für die Resolution stimmt, ist ein Schuft!«3 Nach etwa zehnminütigem Gejohle kam es zu einer Abstimmung, bei der jedoch keine Mehrheit zustande kam. Die nunmehrige Schwäche der Wiener Radicalen, die ja Sozialreformen als Palliative, als wertlose Beruhigungsmittel, ablehnten, zeigt die verabschiedete Resolution, der zufolge die Genossenschaften das Recht zur Regelung der Verhältnisse über Arbeitszeit, Arbeitsvermittlung und über das Lehrlingswesen in Anspruch nehmen sollten. Den Radicalen kam man etwas entgegen, indem auch beschlossen wurde, dass jede Teilnahme am Genossenschaftswesen unterbleiben solle, falls die Gewerbebehörde dem Ansinnen der Resolution nicht zustimme. Gegen den Protest der Radicalen wurde die Resolution nach einer neuerlichen Abstimmung von einer Mehrheit der Arbeiter angenommen, die Versammlung aber wegen des erneuten Tumults sofort nach der Abstimmung geschlossen.
Caspar Gargula Rolle als Pionier einer anarchistischen Bewegung in Österreich zeigte sich bei der vom »Verband der Bäckereiarbeiter Oesterreichs« seit 1887 herausgegebenen »Bäcker-Zeitung« (Wien). Nach der Verhaftung des Bäckergehilfen August Krčal (1860–1894) übernahm Gargula die Stelle als verantwortlicher Redakteur. Diese Zeitung war zunächst stark von den zum Anarchismus tendierenden Radicalen geprägt. Nach der Verhaftung von August Krčal übernahm Gargula die Herausgeberschaft. Dieser anarchistische Lichtblick währte allerdings nicht lange: Caspar Gargula verstarb nach längerer schwerer Krankheit am 18. September 1888 in Wien an Gehirnschwund. Danach entwickelte sich die Zeitung zu einem Organ der Gemäßigten, dann der Sozialdemokratie. An Caspar Gargulas Beisetzung am Baumgartner Friedhof beteiligten sich rund fünfhundert, nach andern Quellen rund eintausend Arbeiter – unter Überwachung durch zahlreiche Polizisten und Polizei-Detektiven.
Mitarbeiter*innen an Periodika
- Die Zukunft (Wien) 1883
- Bäcker-Zeitung (Wien) 1887 bis 1888
Nachrufe
- [Anonym]: Kaspar Gargula, in: Bäcker-Zeitung (Wien), 2. Jg., Nr. 19 (4. Oktober 1888), S. 3.
Kategorien
Adresse
- Wien 8., Josefstadt 93 (Geburtsadresse)
- Fünfhaus, Niederösterreich [zu Wien 15.], Karmeliterhofgasse 10 (Sterbeadresse)
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Autor: Reinhard Müller
Version: Dezember 2024
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