Franz Lienhardt (1833–1883)

Persönliche Daten
Namensvarianten
französische Namensform: François Lienhardt
Geburtsdatum
1833
Sterbedatum
22. Oktober 1883
Berufe
Biographie

Franz Lienhardt, verheiratet und Vater zweier Kinder, arbeitete seit etwa 1862 als Apothekergehilfe in der Apotheke »Cigogne« / »zum Storch« in Straßburg (Elsass-Lothringen [Strasbourg, Frankreich]), Lange Straße 2 [Grande Rue], von Emil Reeb (1843–1928).

Am 22. Oktober 1883 fand ein für die radicale Arbeiterbewegung Österreichs bedeutsames Attentat statt, an welchem laut polizeilichen Erhebungen der gelernte Buchbindergehilfe Anton Kammerer (1862–1884), der Tischlergehilfe Michael Kumić (1853–?) und der in Preußen geborene Schuhmachergeselle Hermann Stellmacher (1853–1884) beteiligt waren; dazu kam noch ein unbekannt gebliebener vierter Attentäter. Franz Lienhardt war das dritte Opfer dieses Attentats. Nach dem gescheiterten Überfall auf den Droschkenkutscher Michael Schätzle (~1852–?) wollten sich am Abend des 22. Oktober 1883 laut polizeilichen Erhebungen drei Attentäter beim Pulverturm vor dem Spitaltor in Straßburg, Kasematte 21–22 [bei der Rue de la 1ère Armée], maskieren. Dabei wurde sie aber von dem wachestehenden Musketier Johann Adels (?–1883) vom 1. Rheinischen Infanterieregiment Nr. 25, ein gelernter Schreiner, überrascht. Offensichtlich ging Adels mit gefälltem Gewehr auf die drei Männer los. Laut Polizei habe sich Anton Kammerer auf den Soldaten gestürzt und ihn von hinten festgehalten, während Hermann Stellmacher dem Soldaten das Gewehr entriss und ihn mit mehreren Kolbenhieben auf den Kopf schwer. Dieses Attentat erfolgte nachweislich noch vor 23 Uhr 45. Johann Adels wurde allerdings erst im Zuge der Wachablöse um 1 Uhr morgens gefunden, schwer verletzt, mit sechzehn Stichwunden und zertrümmertem Schädel; an seinem Gewehr, dessen Kolben ebenfalls zertrümmert war, klebte Gehirnmasse. Bevor Adels am 23. Oktober 1883 nach kaum zwölf Stunden seinen Verletzungen im Militärlazarett erlag, gab er an, dass ihn vier Männer überfallen hätten.

Nach diesem Attentat läuteten drei Attentäter um etwa 23 Uhr 45 bei der Apotheke »zum Storch« von Emil Reeb. Der im Haus wohnende Apothekergehilfe August Lienhardt verließ sei Bett und öffnete die Tür, um ein Rezept einzulösen. Während er das von einem Arzt in Zürich / Zurich / Zurigo (Kanton Zürich) ausgestellte Rezept überprüfte, wurde Lienhardt überfallen und – wie die Polizei später meinte – von Anton Kammerer ermordet, wobei Lienhardt siebenunddreißig Hiebwunden beigebracht worden sein sollen. Die durch den Lärm und das Klingeln der Kasse alarmierte Ehefrau des Apothekenbesitzers Louise Bertha Reeb (1853–1934) weckte ihren Mann, der dann in der Apotheke den ermordeten Lienhardt vorfand: der Kopf gespalten, ein Stich in der Brust, ein Stich im Oberschenkel, beide Pulsadern durchschnitten. Aufgrund der Blutspuren vermuteten die Behörden mehrere Täter und als Tatwaffe ein schweres Metzgermesser. Kammerer und Stellmacher sowie der vor der Türe wachestehende Attentäter ergriffen nun die Flucht, wobei sie die Kassette mit Geld wegwarfen, sodass sie nur den Bestand an Kleinmünzen, rund 50 Mark, rauben konnten. Neben Geld sollen auch Gift und Chemikalien aus der Apotheke von Emil Reeb geraubt worden sein. Es wurde nun eine Belohnung für die Beibringung der Mörder in der Höhe von 1.000, eventuell 2.000 Mark ausgesetzt, und allein innerhalb der nächsten zwei Wochen wurden über 300 Verhaftungen vorgenommen. Die Leiche von Franz Lienhardt wurde am 25. Oktober 1883 auf dem Friedhof Saint-Gall beigesetzt, wobei rund 10.000 Bewohnerinnen und Bewohner Straßburgs am Begräbnis teilnahmen. Für die Familie von Franz Lienhardt wurde eine große Sammelaktion gestartet, die bis Ende November 1883 rund 20.000 Mark erbrachte, wobei allein vom »Deutschen Apothekerverein« etwa 4.000 Mark beigebracht wurden.

Der Zusammenhang mit Sozialrevolutionären wurde im Zuge der polizeilichen Erhebungen erst später offenkundig, wobei Geldbeschaffung für revolutionäre Zwecke sowie für die Verbreitung sozialistischer Schriften als Hauptmotiv angenommen wurden. Gerichtlich verurteilt wurden für dieses Attentat Michael Kumić, der seine Beteiligung bestritt, am 30. Juni 1884 und Anton Kammerer, der seine Beteiligung gestanden haben soll, am 6. September 1884.

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