Gustav Habrman (1864–1932)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Vater: Josef Habrmann: Bäcker; Heirat mit:
Mutter: Barbora Habrmann, geborene Jankovská: Hausfrau
Biographie
Gustav Habrman absolvierte eine Drechsler- und Holzbildhauerlehr eund kam als Holzdrechslergehilfe nach Wien, wo er bei der Remise der k. k. Staatsbahnen arbeitete und sich der radicalen Arbeiterbewegung anschloss und Mitglied des »Vzdělávací a zábavní spolek ›Tyl‹« (Bildungs- und Unterhaltungsverein »Tyl«) in Simmering (Niederösterreich [zu Wien 11.]) wurde.
Gustav Habrman nahm an der so genannten Schottenring-Demonstration teil, eine wichtige Aktion der radicalen Arbeiterbewegung in Wien, bei der er auch verwundet wurde. Am 10. August 1883 fand in Wien eine große, von den Radicalen organisierte Demonstration zum Kampf um die verfassungsmäßigen Rechte für die Arbeiterschaft statt. Anlässe zu einer derartigen Manifestation hatte es sicherlich viele gegeben, doch die Auslieferung und insbesondere das Vorgehen der Behörden und die Form der Auslieferung von Johann Christian Neve alias John Neve (1844–1896) brachte offensichtlich das Fass zum Überlaufen. Vor allem auf Anraten des Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) sollte die Demonstration so organisiert werden, dass sie friedlich verlaufen könne. Seit sieben Uhr abends versammelten sich vor der Votivkirche in Wien 9., Rooseveltplatz, einige hundert Arbeiterinnen und Arbeiter. Diese marschierten um Punkt 20 Uhr vom Schottentor aus zum Gebäude der Polizei-Direktion Wien in Wien 1., Schottenring 11. Hier stießen neuerlich Trupps von Arbeitern dazu, welche von der Roßau (Wien 9.) kamen. Nunmehr waren an die achthundert Personen versammelt. Die Behörden waren gut vorbereitet und sollen bereits am Nachmittag fast eintausend dienstfreie Mann der Sicherheitswache zusammengezogen haben, um das Innenministerium, das Zeughaus und die Polizei-Direktion Wien zu beschützen. Außerdem forderte der Wiener Polizeipräsident Karl Krticzka Freiherr von Jaden (1824–1885) Militärassistenz an, woraufhin eine Eskadron vom 2. Dragonerregiment sowie ein Bataillon vom Infanterieregiment Nr. 31 Mecklenburg-Strelitz beigestellt wurden. Plötzlich stürmten Sicherheitswache, eine im Hof des Polizeigebäudes bereitgestellte Kompanie Infanterie vom Regiment Nr. 57 und von außen berittenes Militär vom Dragonerregiment Nr. 8, teils mit gezückten Säbeln, auf die Arbeiterinnen und Arbeiter los. Es kam zu einem Handgemenge, und Demonstranten warfen Steine. Viele Arbeiterinnen und Arbeiter wurden durch Säbelhiebe verletzt, einige Mitglieder der Exekutive durch Steinwürfe. Nach etwa zehn Minuten war die Demonstration um 21 Uhr aufgelöst, und die Straßen blieben vom Militär besetzt. Offiziell wurden mehr als dreißig Demonstranten durch Säbelhiebe im Gesicht und an den Händen verwundet, darunter zwei schwer, etwa achtzig Arbeiter wurden vorübergehend festgenommen. Achtundvierzig Arbeiter wurden im Zusammenhang mit dieser Demonstration verhaftet und achtundzwanzig der gerichtlichen Beurteilung zugewiesen, wobei einundzwanzig von ihnen vor Gericht gestellt und sieben der polizeilichen Bestrafung zugewiesen wurden. Der verwundete Gustav Habrman wurde noch am 10. August 1883 verhaftet, dann aber nach zwei Tagen ohne Anklageerhebung wieder auf freien Fuß gesetzt.
Am 9. August 1884 erschien mit Unterstützung der Wiener tschechoslawischen Radicalen die erste Nummer der mit »Juli« datierten Untergrundzeitung »Die Zukunft« [Wien und Neulerchenfeld (Wien)],1 gedacht als Fortsetzung der am 15. Februar 1884 erschienenen Zeitung »Die Zukunft« (Budapest). Die Artikel »Revolutionäre Grundsätze« und »Früchte des Gottesglaubens« wurden der Zeitung »Freiheit« (New York) entnommen, die anderen waren Originalbeiträge von Gustav Habrman.
Vom 26. bis 29. November 1884 fand vor dem Ausnahmsgericht Wien der so genannte Anarchistenprozess im Zusammenhang der geheimen Druckerei von Neulerchenfeld statt. Alle zwanzig Angeklagten, darunter Gustav Habrman, wurden der Verbrechen des Hochverrats, der Majestätsbeleidigung, der Beleidigung von Mitgliedern des kaiserlichen Hauses, der Religionsstörung sowie der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung angeklagt. Gustav Habrman wurde im Sinne der Anklage zu vier Jahren schwerem Kerker, verschärft mit einem Fasttag im Monat, verurteilt.
Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis Stein [zu Krems an der Donau] (Niederösterreich) kehrte Gustav Habrman kurz nach Böhmisch-Trübau (Böhmen [Česká Třebova, Tschechien]) zurück, begab sich dann aber nach Paris (Frankreich), wo er als Fotograf tätig war, und im Dezember 1889 in die USA, wo er sich in Chicago (Illinois, USA) niederließ und sich als Journalist bei diversen sozialistischen Zeitungen engagierte. Um 1895 distanzierte er sich von den radicalen und anarchistischen Bewegungen und schloss sich der Sizialdemokratie an.
1897 kehrte Gustav Habrman nach Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]) zurück und übernahm die Redaktion der Zeitung »Rovnost« (Brno; Die Gleichheit). 1891 ließ er sich in Pilsen (Böhmen [Plzeň, Tschechien]) nieder, wo er die Leitung der Sozialdemokratie übernahm und Chefredakteur der Zeitung »Nová doba« (Plzeň; Neu Zeit) war. 1907 bis 1918 war er sozialdemokratischer Abgeordneter zum Reichsrat und schloss sich dem Klub tschechischer Sozialdemokraten, im November 1917 als stellvertretender Vorsitzender der Tschechischen Union an. Im September 1918 wurde er Mitglied des dreizehnköpfigen Sozialistischen Rates.
1914 flüchtete Gustav Habrman in die Schweiz, wo er als Mitglied der so genannten nationalen Opposition innerhalb der Sozialdemokratie an der Organisation des tschechischen Widerstandes gegen die Österreichisch-Ungarische Monarchie mitarbeitete.
Mit der Gründung der Republik Tschechoslowakei kehrte Gustav Habrman nach Plzeň / Pilsen (Tschechoslowakei [Plzeň, Tschechien]) zurück. Er war 1918 bis 1920 Abgeordneter zur Revoluční národní shromáždění (Revolutionäre Nationalversammlung) und 1918 bis 1920 Unterrichtsminister. Danach war er für die Československá sociálně demokratická strana dělnická (Tschechoslowakische Sozialdemokratische Arbeiterpartei) 1920 bis 1925 Abgeordneter und 1925 bis 1932 Senator der Národní shromáždění republiky Československé (Tschechoslowakische Nationalversammlung) und 1921 bis 1925 Minister für soziale Wohlfahrt. Außerdem war er jahrelang Vorsitzender der »Svaz textilního dělnictva v Československé republice« (Union der Textilarbeiter in der Tschechoslowakischen Republik). Im März 1932 erkrankte Gustav Habrman und wurde in das Sanatorium Skrbka in Praha / Prag (Prag ‹Praha›, Tschechoslowakei [Tschechien]) eingeliefert, wo er am 22.März 1932 verstarb.
Publikationen
- Z mého života. Vzpomínky z let 1876–1877–1884–1896. Praha: Ústřední dělnické knihkupectví, nakladatelství a antikvariát (Ant. Svěcený) 1914, 289 S. Tschechisch: Aus meinem Leben. Erinnerungen aus den Jahren 1876–1877–1884–1896.
Übersetzung:
Aus meinem Leben. Erinnerungen aus den Jahren 1876–1877–1884–1896. Mit einer Vorrede von Franz Soukup. Deutsch von Regine Adler. Wien: Verlag von F. Tempský 1919, 484 S. - Mé vzpomínky z války. Črty a obrázky o událostech a zápasech za svobodu a samostatnost. V Praze [Praha]: Ústřední dělnické knihkupectví a nakladatelství (Ant. Svěcený) 1928, 281 S. Tschechisch: Meine Erinnerungen an den Krieg. Skizzen und Bilder über Ereignisse und Kämpfe um Freiheit und Unabhängigkeit.
- Cesty k socialismu. Z cyklu čtyř přednášek proslovených v Ústřední knihovně hlav. města Prahy v listopadu 1930. Praha: Pražská odbočka Dělnické akademie 1932 (= Dělnická výchova. 11.), 15 S. Tschechisch: Wege zum Sozialismus. Aus einer Reihe von vier Vorträgen in der Zentralbibliothek der Hauptstadt Prag im November 1930.
- Jak si moje babička dědečka brala. Plzeň: Odborná pokrač. škola typografická 1932, 20 S. Tschechisch: Wie meine Großmutter meinen Großvater heiratete.
- Moje první láska. Plzeň: Ing. Dalemil Dvořák 1933, 32 S. Tschechisch: Meine erste Liebe.
- Gustav Habrman, myšlenky a názory. Úvodní slovo Luděk Pik. V Plzni [Plzeň]: Dělnická akademie 1934, 58 S. Einführung: Luděk Pik (1876–1948). Tschechisch: Gustav Habrman, Gedanken und Meinungen. Einführung von Luděk Pik.
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- Böhmisch-Trübau, Böhmen [Česká Třebova, Tschechien], Böhmisch-Trübau 62 (Geburtsadresse)
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Autor: Reinhard Müller
Version: Februar 2025
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