Wenzel Štefek (1850–)

Persönliche Daten
Namensvarianten
tschechische Namensform: Václav Štefek
deutsche Namensform: Wenzel Stefek;
falsche Namensschreibweise: Wenzel Steffek
Geburtsdatum
1850

Ehe: ja

Biographie

Der Tischlergehilfe Wenzel Štefek kam nach Wien, wo er sich der tschechoslawischen Arbeiterbewegung anschloss und bald eine wichtige Rolle in der radicalen Arbeiterbewegung spielte. Er wurde Kassier des »Slawischen Arbeiter-Bildungsvereins ›Dělnická jednota‹« (Arbeiterbund) und beteiligte sich seit 1880 an der Organisation geheimer Clubs in Wien im Rahmen der »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku« (Tschechoslawische sozial-demokratische Arbeiterpartei in Österreich). Im Februar 1881 wurde Štefek in das Herausgeberkomitee der seit 2. Februar 1881 in Wien erscheinenden Zeitung »Dělnické listy« (Vídeň [Wien]; Arbeiterblätter) gewählt, eine Funktion, die er bis 19. Jänner 1884 innehatte.

In der Nacht vom 7. auf den 8. Juli 1881 drangen zwanzig Detektive der Polizei in die Wohnung von Wenzel Štefek in Wien 10., Humboldtgasse 34, ein. Sie nahmen fast alle Mitglieder des Wiener tschechoslawischen Agitationskomitees der »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku« fest, welche hier gerade eine geheime Sitzung abhielten. Zu den sieben Verhafteten gehörte auch Štefek. Bei der anschließenden Hausdurchsuchung wurden verbotene sozialistische Schriften gefunden, aber auch ein vom Silberarbeiter Norbert Zoula (1854–1886) verfasstes Parteistatut. Demzufolge sollten sich in den einzelnen Orten Sektionen mit zehn bis neunzehn Mitgliedern bilden. Orte mit mindestens fünf solcher Sektionen sollten wiederum lokale oder Bezirksorganisationen ins Leben rufen, deren Mitglieder vom Agitationskomitee gewählt werden sollen. Das Agitationskomitee hatte die Pflicht, die politische Organisation und Agitation der Partei im Ort oder Bezirk zu leiten sowie die Tätigkeiten und Wirksamkeit einzelner Mitglieder, Vereine und Sektionen zu regeln, öffentliche Vorträge zu veranstalten und monatlich Bericht über die ihm unterstehenden Korporationen an die Zentralleitung der Partei zu erstatten, wofür im Agitationskomitee ein eigener Korrespondent gewählt wurde, der die Korrespondenz unter den Sektionen sowie zur Zentralleitung besorgte. Außerdem wurde ein Zirkular beschlagnahmt, welches die erfolgreiche öffentliche wie geheime Organisation der »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku« bestätigte. Infolge dieser Verhaftungen wurden die meisten Wiener tschechoslawischen Arbeitervereine aufgelöst. Am 1. September 1881 fand dann vor dem Landes- als Schwurgericht Wien unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Prozess gegen die sieben Verhafteten statt. Sie wurden der Vergehen gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung sowie der Gründung eines Geheimbunds angeklagt. Im Sinne der Anklage wurde Wenzel Štefek zu sechs Wochen strengem Arrest verurteilt.

Nach seiner Freilassung wurde Wenzel Štefek Mitglied des geheimen Exekutivkomitees der »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku«. Er war auch Delegierter der Wiener tschechoslawischen Parteileitung auf der geheimen Parteikonferenz der Radicalen, die vom 25. bis 27. Oktober 1883 in Langenzersdorf (Niederösterreich), Neulerchenfeld (Niederösterreich [zu Wien 16.]) und Wien stattfand. Die Tagesordnung umfasste vier Punkte: 1) die Frage, ob die Partei sich eine zentralistische oder föderalistische Organisation geben soll; 2) die politische und ökonomische Frage; 3) die Parteipresse; 4) die Parteiorganisation überhaupt. Diskutiert wurde unter anderem, sich nach einem Gruppensystem zu organisieren und eine ländermäßige Aufgliederung vorzunehmen. Man wollte künftig auch entschiedene Front gegen alle anderen politischen Parteien machen und alle zu Gebote stehenden Mittel zur Propaganda ergreifen, besonders in Fabriken, wo Arbeiterinnen und Arbeiter schlecht entlohnt würden. Die Fachzeitungen sollten zugunsten eines Hauptorgans eingestellt werden. Bemerkenswert ist, dass nicht die Zeitung »Die Zukunft« (Wien), sondern »Radikal« (Budapest) die Funktion eines Hauptorgans übernehmen sollte, welche von Graz (Steiermark) aus kontrolliert und von Grazer sowie Wiener Boten aus Budapest (Ungarn) abgeholt werden sollte. Schließlich wurde geplant, in jeder Provinz eine geheime Presse zu organisieren, auf der Flugschriften gedruckt werden könnten, die dem Charakter der jeweiligen Provinz entsprechen sollten. Es blieb jedoch nur bei Erörterungen, Beschlüsse wurden keine gefasst. Diese letzte große Konferenz der Radicalen ließ nicht nur deutliche anarchistische Ansätze (etwa dezentrale, föderative Organisation) erkennen, es zeigten sich auch deutliche Differenzen unter den Sozialrevolutionären innerhalb der radicalen Arbeiterbewegung: So meinten einige, man solle versuchen, die Revolution mittels einer Art Guerillakrieg auszulösen, während andere für Aktionen Einzelner plädierten.

Wenzel Štefek gehörte zu den ersten, die am 1. Februar 1884 aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 aus Wien ausgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde er unter Überwachung der Polizei-Direktion Wien gestellt: »376 Stefek Wenzel , Tischler, geb. 1850, Newolitz, Bez. Taus zust., k., verh., groß, untersetzt, mit rund. Ges., guter Gesichtsf., schwz. Haaren, Augen und Augenbr., stumpfer Nase, guten Zähnen, Backenb., rund. Kinn, spricht deutsch und böhmisch.«1

Wenzel Štefek  begab sich zunächst nach Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]), ließ sich dann in Linz an der Donau (Oberösterreich) nieder, wo er seit Dezember 1884 unter polizeilicher Beobachtung stand. Gemeinsam mit dem Kleidermachergehilfen Franz Škopek (1861–1926) wurde er eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Linzer tschechoslawischen radicalen Arbeiterbewegung und war für deren Organisation zuständig. Doch am 28. Juli 1885 verließ Štefek Linz an der Donau, angeblich, um in die USA zu reisen.

Tatsächlich begab sich Wenzel Štefek nach Pilsen (Böhmen [Plzeň, Tschechien]). Hier wurde er nach einer Hausdurchsuchung am 16. August 1885 zusammen mit fünf anderen Sozialisten verhaftet. Im Frühjahr 1886 tauchte Štefek wieder in Linz an der Donau auf, wo er den Genossinnen und Genossen mitteilte, dass er Europa verlassen werde.

Wenzel Štefek ging im April 1886 in die USA ins Exil, wo er sich in New York City (New York, USA) niederließ. Štefek wurde Mitglied des Agitationskomitees der New Yorker Anarchisten für Österreich, schickte anarchistische Literatur unter anderem noch 1886 nach Linz an der Donau und blieb als Korrespondent der New Yorker Gruppen mit den österreichischen Genossinnen und Genossen in regelmäßiger Verbindung. Schließlich fand Wenzel Štefek, seit 26. November 1890 US-amerikanischer Staatsbürger, in einer Nähmaschinenfabrik in Elizabethport [zu Elizabeth] (New Jersey, USA) Arbeit.

Adressen

  • Wien 10., Humboldtgasse 34 (1881)

Dělnické listy (Vídeň [Wien]; Arbeiterblätter) 1881 bis 1884

Karte
  • 1

    [Anonym]: 376 Stefek Wenzel, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien (Wien), Nr. 9 (6. Februar 1884), S. 32.