Rudolf Tambour (1858–1924)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist Juda Gergel
in den USA offiziell: Rudolf Tambour
Pseudonym: Rudolf Tambour
Geburtsdatum
24. Dezember 1858
Sterbedatum
Juni 1924
Sterbeort
Religionsbekenntnis
israelitisch, seit 1890 konfessionslos

Ehe: in Wien 1890 mit Emma Karolina Müllner (Trebitsch, Mähren [Třebíč, Tschechien] 14. September 1854 – Wien 17. Jänner 1939): Hausfrau
Sohn: Emil Gergel (Wien um 1892 – ?): Violinist, emigrierte in die USA

Biographie

Rudolf Tambour kam 1865 nach Wien. Hier absolvierte er die Unterklassen der Mittelschule. Anschließend machte er im Rahmen zweier Vorbereitungskurse der Bau- und Maschinengewerbeschule in der »G. Sigl’schen Maschinenfabrik« ein Praktikum. Juda Gergel, wie er eigentlich hieß, nannte sich schon früh »Rudolf Tambour«, wie ein Vorfall vom 2. September 1876 zeigt: Er verschwand damals aus seiner Wohnung in Wien 2., Große Ankergasse 18 [Hollandstraße], und wurde polizeilich als »Rudolf Tambour« gesucht, weil er seinem Wohnungsgeber Bücher im Wert von 13 Gulden gestohlen haben soll. Zunächst versuchte es Tambour beim Theater, wurde aber nach zwei Jahren Beamter bei den Eisenbahnen. 1882 wurde er Revident im Eisenbahn-Abrechnungs-Bureau und 1889 Beamter im Eisenbahn-Zentral-Abrechnungs-Bureau in Österreich. Tambour war schwerhörig, weshalb er sich eines Hörrohrs bedienen musste, und außerdem neurasthenisch (nervenschwach). Nach seiner vorzeitigen Pensionierung 1896 betätigte er sich ausschließlich als freier Schriftsteller, Verleger und Zeitungsherausgeber.

Rudolf Tambour war seit 1880 schriftstellerisch tätig. 1890 gab er die Zeitschrift »Die literarische Gesellschaft in Wien« (Wien) heraus, von der im Mai und Juni insgesamt zwei Hefte erschienen. In den Jahren 1891 bis 1894 setzte er sich in mehreren Broschüren kritisch mit der Freiland-Bewegung um Theodor Hertzka (1845–1924) auseinander, und es finden sich auch Diskussionsbeiträge in der Zeitung »Freiland« (Wien). 1891 gab Tambour auch sein erstes Theaterstück heraus. 1901 gegründete er den »Bücherverlag R. Tambour« in Wien 2., Große Sperlgasse 1, seit 1905 in Wien 14., Beckmanngasse 31, schließlich seit 1910 in Wien 15., Goldschlagstraße 93. Seit September 1901 gab Tambour unter seinem Geburtsnamen Juda Gergel die Zeitschrift »Wiener Filatelisten-Correspondenz. Unterhaltungs- und Offertenblatt für den Briefmarkensport« (Wien) heraus. Einen kleinen Skandal erregte Tambour im Februar 1907, als er sich in Wien 7., Neubaugasse, Berührungen des Körpers mit Hand und Ellbogen bei zwei Frauen und zwei Mädchen erlaubte. Sie ließen ihn noch auf der Straße verhaften, weil sie die Sittlichkeit und das Schamgefühl verletzt sahen. Tambour musste sich deswegen am 23. April 1907 vor dem Bezirksgericht Wien-Neubau wegen Übertretung der Sittlichkeit verantworten. Er wurde freigesprochen, wenngleich der eingeklagte Übergriff für erwiesen befunden wurde; es handle sich dabei aber um ein polizeilich zu ahndendes Delikt, weshalb der Akt an das Polizeikommissariat Wien-Neubau abgetreten wurde.

Im Juli 1912 emigrierte Rudolf Tambour mit seiner Ehefrau in die USA, wo er sich in New York City (New York, USA) niederließ. Hier lebte schon seit Oktober 1910 sein Sohn, der Violinist Emil Gergel (~1892–?). Anlässlich des Ersten Weltkriegs wurde Rudolf Tambour 1915 und 1916 wieder publizistisch tätig, wobei er zu seinen Flugschriften anmerkte: »Der Ertrag all dieser Schriften ist für arme deutsche und österr.-ungar. Kriegskrüppel bestimmt.«1 Er veröffentlichte 1915 auch ein Verzeichnis seiner bisherigen Werke: »Verzeichnis der von RUDOLF TAMBOUR bereits verfassten Bühnenwerke und Schriften: I. Band. Eine Liebesgeschichte. Melodrama in 6 Zeitläuften. Ofterdingen. Komische Oper in 5 Akten. Die spanische Bauernrache. Musik-Komödie in 4 Akten. II. Band. Prinz Simplicius. Phantastische Oper in 3 Akten. Das Fest zu Coqueville. Humoristische Volksoper in 3 Akten. Die Schwester der Armen. Legendäre Oper in 5 Akten.*) III. Band. Nubamus! Altrömische Komödie in 3 Akten. Der Fall von Syrakus. Altrömische Operette in 3 Akten.*) Orpheus. Altgriechisches Satyr-Singspiel in 3 Akten. IV. Band. Die Türkenbraut. Türkische Operette in 3 Akten.*) Umkehr! Wiener Lustspiel mit Gesang und Tanz. Die drei Brüder. Wiener Zeitbild mit Gesang und Tanz. V. Band. Die Frau vom / im Parlament. Amerikanische Operette in 3 Akten. Der Rabbi von Kiew. Russisch-jüdisches Drama in 4 Akten. VI. Band. Sonate, Hymne, Totenklage auf Emile Zola. Das kleine Dorf. Das Blut. (Zwei Sinfonien.) Deutsche Kriegslieder (wie vorliegend). Lyrisches Traktätchen aus dem Alten und Neuen Testament. VII. Band. Die literarische Hyksosherrschaft unserer Zeit. (In 3 Büchern.) VIII. Band. Der Geisterspuk. Altwiener Erzählung. Die Niedere und die Höhere Tochter. Humoristische Wiener Novelle. Vier Humoresken: ›Edward Chaim,‹ ›Immer im Gleichen,‹ ›Admiral Don Quichote, ›Auf der Geigenjagd.‹ IX. Band. Christus II. Studie über den ›Heiligen‹ K. W. Diefenbach. Dr. Hertzka’s ›Ostafrikanaan‹ u. andere freiländische ›Strahl‹-Reflexe. Sociale Streiflichter. Oskar Paniza [!]. Emile Zola. (Zwei Essais.) X. Band. Lieder und Couplets (zum Teil vertont). *) Im Klavierauszug vertont.«2

Nach 1920 kehrte Rudolf Tambour mit seiner Ehefrau nach Wien zurück, wo er im Juni 1924 verstarb.

Rudolf Tambour hatte nie einer anarchistischen Bewegung angehört, hatte sich vermutlich auch nie selbst als Anarchist bezeichnet. Abgesehen von seinen Dichtungen weisen seine Publikationen immer wieder libertäre Positionen auf, geprägt von einem religiösen Anarchismus. 

Adressen

  • Wien 2., Große Ankergasse 18 [Hollandstraße] (1876)

  • Wien 2., Nestroygasse 9 (1882)

  • Wien 2., Untere Augartenstraße 16 (1883)

  • Wien 3., Salesianergasse 25 (1884 bis 1885)

  • Wien 4., Aleegasse 50 [Argentinierstraße] (1886 bis 1887)

  • Wien 2., Scherzergasse 10 (1888 bis 1890)

  • Wien 4., Technikerstraße 5 (Büro 1890 bis 1896)

  • Wien 3., Hörnesgasse 7 (1890 bis 1893)

  • Wien 14., Wiengasse 8 [Guldengasse] (1894 bis 1896)

  • Wien 14., Ameisgasse 10 (1896 bis 1898)

  • Wien 3., Hörnesgasse 7 (1898 bis 1899)

  • Wien 14., Ameisgasse 10 (1900 bis 1904)

  • Wien 2., Große Sperlgasse 1 (Verlag 1904 bis 1905)

  • Wien 14., Beckmanngasse 31 (1907 bis 1910)

  • Wien 15., Goldschlagstraße 93 (1910 bis 1912)

  • New York City, New York, USA, 344 Bowery (1915)

  • New York City, New York, USA, 927 927 E. 180th Street (1916)

Bücher und Broschüren

  1. Die literarische Hyksosherrschaft unserer Zeit. Von Rudolf Tambour. Wien (3. Buch: Wien – Leipzig): Buchdruckerei »Helios« (3. Buch: Literarische Anstalt August Schulze) 1884–1890, 3 Bände:
    1. Die literarische Hyksosherrschaft unserer Zeit. Von Rudolf Tambour, 1. Buch. Gegen Carl Emil Franzos! Ein Schreckbild für aufstrebende jugendliche Literaten nach der Natur aufgenommen, nebst einer anklingenden Erörterung: »Blätter zur Hebung des Geschmacks auf dem Gebiete der neuesten deutschen Literatur« (I. und II Lesestück) und der Schilderung: Ein mißlungener Versuch, Redacteur zu werden. Wien: Buchdruckerei »Helios« 1884/85 (= Die literarische Hyksosherrschaft unserer Zeit. 1.), 112 S. Betrifft Karl Emil Franzos (1848–1904).
    b) Gegen Karl Emil Franzos! Ein Schreckbild für aufstrebende jugendliche Literaten. Von Rudolf Tambour. Wien: Selbstverlag, Fischer & Comp. 1884, 51 S. Sonderdruck aus: Die literarische Hyksosherrschaft unserer Zeit. 1. Band. Wien 1884. Betrifft Karl Emil Franzos (1848–1904).
    2. Die literarische Hyksosherrschaft unserer Zeit. Von Rudolf Tambour, 2. Buch. Blätter zur Hebung des Geschmacks auf dem Gebiete der neuesten deutschen Literatur. (III. Lesestück) Die sogenannte öffentliche Meinung. Eine Fastenpredigt. Wien: Buchdruckerei »Helios« 1885 (= Die literarische Hyksosherrschaft unserer Zeit. 2.), IV, 94 S.
    3. Die literarische Hyksosherrschaft unserer Zeit. Von Rudolf Tambour, 3. Buch. Ein literarisches Wunderkind. Wien – Leipzig: Literarische Anstalt August Schulze 1890 (= Die literarische Hyksosherrschaft unserer Zeit. 3.), VII, 179 S.

  2. Die Reise nach Ostafrikanaan. Von Rudolf Tambour. Wien – Leipzig: Literarische Anstalt August Schulze 1891, 4 S. Betrifft Theodor Hertzka (1845–1924).

  3. Dr. Hertzka’s Ostafrikanaan. Ein freiländischer Strahl-Reflex aus dem Spiegel eines »Klugen«. Leipzig: Schaumburg, Fr. Fleischers Verlag 1891, 30 S. Anonym erschienen. Betrifft Theodor Hertzka (1845–1924), der bisweilen fälschlich als Autor dieser Schrift bezeichnet wird.

  4. Nubiamus. (Es wird geheiratet!). Eine römische Komödie in drei Akten. Von Rudolf Tambour. Wien – Leipzig: Literarische Anstalt August Schulze 1891, 32 S.
    b) Nubiamus. (Es wird geheiratet!) Eine römische Komödie in drei Akten. Von Rudolf Tambour. II. Auflage. Berlin: im Redactionsverlag des »Rendezvous Guter Geister« 1895, 32 S.

  5. Der Geisterspuk. Eine Altwiener Original-Geschichte. Von Rudolf Tambour. Berlin / Wien: Verlag von O. Harnisch / Commissionsverlag für Oesterreich: Schaumburg & Weiger 1892, 30 S.
    b) Der Geisterspuk. Eine Altwiener Original-Geschichte. Von Rudolf Tambour. Wien – Leipzig: Literarische Anstalt August Schulze 1892, 30 S. Titelausgabe.

  6. Freiland und die Freilandbewegung. (Freigepäck zur Reise nach »Ostafrikanaan«.) Von Rudolf Tambour. Separat-Abdruck aus Nr. 15 der »Lichtstrahlen«. Berlin / Wien: Verlag von O. Harnisch / Commissionsverlag für Oesterreich: Schaumburg & Weiger 1892, 8 S. Betrifft Theodor Hertzka (1845–1924).

  7. Ein Bremser oder der letzte Pinselstrich an dem Freiland-Gemälde. (Billet für die Reise nach »Ostafrikanaan«.) Von Rudolf Tambour. Wien: Buchverlag R. Tambour, Schaumburg & Weiger [1893], 4 S. Betrifft Theodor Hertzka (1845–1924).

  8. Ost-Afrikanische Nachklänge. Von Rudolf Tambour. Berlin / Leipzig: im Redactionsverlag des »Rendezvous Guter Geister« / In Commission: Literarisches Institut (August Schulze, Leipzig) 1894, 24 S. Betrifft Theodor Hertzka (1845–1924). Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 1. Oktober 1894 in Österreich verboten.
    b) Ost-Afrikanische Nachklänge. Von Rudolf Tambour. Ausgabe nach der durch die k. k. Preßbehörde in Wien erfolgten Beschlagnahme. Berlin / Leipzig: im Redactionsverlag des »Rendezvous Guter Geister« / In Commission: Literarisches Institut (August Schulze, Leipzig) 1894, 24 S.

  9. Die Türkenbraut. Ein dreiactiges Schwänklein von heutzutag mit Gesang und Tanz für lustige und griesgrämige Leute. – Gedanken über Emile Zola. – Nachzitterndes Weh. Zwei Gedichte. Von Rudolf Tambour. Wien: Buchverlag R. Tambour 1901, 44, 3 S. Betrifft unter anderem Émile Zola (1840–1902).

  10. Edward Chaim, oder: Ein Stücklein Welt, durch die Briefmarken-Lupe betrachtet. Filatelistische Humoreske. Von Rudolf Tambour. 3. Auflage. Wien: Buchverlag R. Tambour 1902, 29 S. Vermutlich sind weder eine erste noch eine zweite Auflage erschienen.

  11. Aufruf an die amerikanischen Bürger nebst dem Geleit-Brief an den Präsidenten Woodrow Wilson zum Protest gegen die schiefgewickelte U. S. A.-Neutralität. Von Rudolf Tambour. New York City: R. Tambour 1915, unpaginiert (8 S.). Betrifft Woodrow Wilson (1856–1924).

  12. Deutsche Kriegslieder aus dem Jahre des »Heils« 1914 mit Erläuterungen in gründlicher Prosa. Von Rudolf Tambour. New York: Bücherverlag: R. Tambour 1915, 26 S.

  13. Ein Zwiegespräch zwischen einem Senator und einem Kongressabgeordneten (auf ihrer Eisenbahnfahrt nach Washington, D. C.). [Gezeichnet] Rudolf Tambour. New York City: Bücherverlag R. Tambour 1915, unpaginiert (4 S.). Anonym erschienen.

  14. Eine Begegnung in der Gartenanlage vor dem Weissen Haus in Washington. (Von Rudolf Tambour.) New York City: R. Tambour 1915, unpaginiert (4 S.).

  15. Protest gegen die schiefgewickelte U. S. A.-Neutralität zu Nutz und Frommen der U. St. of A. Von Rudolf Tambour. New York City: R. Tambour 1915, unpaginiert (8 S.).

  16. Sendschreiben der Göttlichen Vorsehung an den Präsidenten Woodrow Wilson (auf seine »Botschaft« vom 7. Dezember 1915). Von Rudolf Tambour. New York City, N. Y.: Tambour [1915], unpaginiert (4 S.). Betrifft Woodrow Wilson (1856–1924).

  17. Woodrow Wilson’s Beichte und Selbsterkenntnis. Vorwurf: Wir sind hier in den U. S. A. [/] Ihr feilen Britenknechte! [/] Wir sind in unsrer Heimat da [/] Und wahren unsre Rechte. [/] Wir wollen, dass den U. S. A. [/] Kein Unheil widerfahre: – [/] Dass Washington’s »Vermächtnis« da [/] Man allerzeiten wahre. Von Rudolf Tambour. New York: R. Tambour, Bücherverlag 1916, unpaginiert (8 S.). Betrifft Woodrow Wilson (1856–1924).

Periodika

  1. Die literarische Gesellschaft in Wien. Monatsschrift für Kritik, Poesie, humanitäre und schriftstellerische Interessen-Gemeinschaft. Herausgegeben von Rudolf Tambour (Wien), 1. Jg. (1890), 2 Hefte (Mai–Juni 1890), Herausgeber.

  2. Wiener Filatelisten-Correspondenz. Unterhaltungs- und Offertenblatt für den Briefmarkensport. Herausgegeben von Juda Gergel (Wien), 1. Jg. (1901), ? Nummern (September 1901–? 1901), Herausgeber.

Freiland (Wien)

Karte
  • 1

    Rudolf Tambour: Ein Zwiegespräch zwischen einem Senator und einem Kongressabgeordneten (auf ihrer Eisenbahnfahrt nach Washington, D. C.). [Gezeichnet] Rudolf Tambour. New York City: Bücherverlag R. Tambour 1915, S. [4].

  • 2

    Rudolf Tambour: Verzeichnis der von Rudolf Tambour bereits verfassten Bühnenwerke und Schriften, in ders.: Deutsche Kriegslieder aus dem Jahre des »Heils« 1914 mit Erläuterungen in gründlicher Prosa. New York: Bücherverlag: R. Tambour 1915, S. [27]. Betrifft unter anderem Émile Zola (1840–1902), Theodor Hertzka (1845–1924), Karl Wilhelm Diefenbach (1851–1913) und Oskar Panizza (1853–1921).