Johann Risman (1864–1936)
Persönliche Daten
Geburtsort von Johann Risman
, Grabendorf, Steiermark [Grabe, zu Središče ob Dravi, Slowenien] (16. Oktober 1864–19. Oktober 1936)
Wohnadresse von Johann Risman
, Münzgrabenstraße 37, Graz (1887)
Wohnadresse von Johann Risman 1893
, Prokopigasse 12, Graz, Steiermark (1893)
Familienverhältnisse
Mutter: Maria Risman (um 1832 – Grabendorf, Steiermark [Grabe, zu Središče ob Dravi, Slowenien] 7. Juli 1872), Tochter einer Inwohnerin und eines Inwohners: Dienstmagd
Vater: Johann Sadwazky
Schwester: Anna Risman (Grabendorf, Steiermark [Grabe, zu Središče ob Dravi, Slowenien] 19. Oktober 1871 – Grabendorf, Steiermark [Grabe, zu Središče ob Dravi, Slowenien] 22. Mai 1875)
Ehe: in Graz (Steiermark) am 12. Juni 1893 mit Aloisia Maria Mixner (Graz, Steiermark 13. April 1870 – Graz, Steiermark 30. November 1944), Tochter einer Hausfrau und eines Viktualienhändlers: Kaffeehausköchin
Tochter: Victoria Aloisia Risman (Graz, Steiermark Dezember 1893 – Graz, Steiermark 26. April 1894): verstorben an Bronchitis
Biographie
ohann Risman, uneheliches Kind einer Dienstmagd, verließ seinen Geburtsort Grabendorf (Steiermark [Grabe, Slowenien]) bereits als Kind. Er lernte das Schneiderhandwerk und engagierte sich seit seinem sechzehnten Lebensjahr in der Arbeiterbewegung. 1882 bis 1884 gehörte er in Wien zu den rührigen Agitatoren der Radicalen und übernahm im Juli 1883 Herausgabe wie Verlag der »Schneider-Fachzeitung. Organ der Kleidermacher Österreich-Ungarns« (Wien). Außerdem wurde er zum Schriftführer des Fachvereins der Schneider gewählt.
Als deklarierter Anhänger der Radicalen am 5. Februar 1884 aus Wien ausgewiesen, wurde Johann Risman im Juli 1884 in St. Pölten (Niederösterreich) wegen Majestätsbeleidigung zu vier Monaten Kerker verurteilt: Er hatte beim Abspielen der Volkshymne während eines Fests die Kopfbedeckung aufbehalten und rief, von einem Wachmann zur Rede gestellt, am Ende der Hymne kein Hoch auf den Kaiser, sondern »Pereat« (»Geh zu Grunde«).
Nach Verbüßung der Strafe übersiedelte Johann Risman nach Marburg an der Drau (Steiermark [Maribor, Slowenien]). Nachdem er an einer Vertrauensmännerkonferenz der Radicalen am 28. Juni 1885 nahe Leoben (Steiermark) teilgenommen hatte, startete er ein eigenes Zeitungsunternehmen, welches bald nach Graz (Steiermark) verlegt wurde: Von August 1885 bis April 1886 war er Herausgeber der Zeitung »Die Arbeit« (Marburg, dann Graz). Am 11. November 1885 fand bei ihm und dem verantwortlichen Schriftleiter Michael Schuster wegen der Zeitung eine Hausdurchsuchung statt; zwecks eines Einspruchs reiste Risman am 19. November nach Cilli (Steiermark [Celje, Slowenien]), wurde dort noch am selben Tag auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Graz verhaftet und ins Landesgericht Graz eingeliefert. Zusammen mit fünf in Graz verhafteten Genossen, gegen die ebenfalls eine Untersuchung wegen Geheimbündelei eingeleitet wurde, musste er am 22. November 1885 freigelassen werden.
Johann Risman ließ sich nunmehr in Graz nieder, wo am 8. Dezember 1885 die erste Grazer Nummer des Organs »Die Arbeit« erschien. Die Zeitung brachte ihm übrigens eine Strafe wegen Übertretung des Pressegesetzes ein. Und 1886 wurde er, allerdings erfolglos, wegen einer Trauerrede beim Begräbnis eines Grazer Genossen von einem Pfarrer wegen Religionsstörung angezeigt. Am 29. Jänner 1886 erschien die einzige Nummer des von Risman herausgegebenen Faschingsblattes »Der Stockfisch. Organ der unfreiwilligen Faster und unschuldigen Büßer« (Graz). Im Februar und März 1886 unternahm Risman eine Agitationsreise durch die Steiermark nach Kärnten, Tirol, Salzburg und Oberösterreich, nicht zuletzt auch deshalb, um Maßnahmen gegen ein drohendes Sozialistengesetz zu erörtern. Nachdem »Die Arbeit« mit 16. April 1886 aus finanziellen Gründen eingestellt werden musste, begab sich Risman Anfang Mai 1886 für einige Wochen in die Schweiz und nach Paris (Frankreich), um sich dort mit Anarchisten zu treffen.
In den folgenden Monaten entwickelte sich Johann Risman – vor allem unter dem Einfluss des in London (England) lebenden Zimmermalers und kommunistischen Anarchisten Josef Peukert (1855–1910) – zum überzeugten Anarchisten. In diesem Sinne wirkte er seit 1887 auf seine Grazer Genossen ein, und langsam bildete sich eine Gruppe ehemaliger Radicaler heraus, die sich zum kommunistischen Anarchismus, wie er in Peukerts Zeitung »Die Autonomie« (London) vertreten wurde, bekannte und sich selbst als Autonomisten bezeichnete. Diese Gruppe, die erste bewusst und explizit anarchistische Gruppierung in Österreich, spaltete sich anlässlich einer Versammlung der Radicalen im Mai 1887 von diesen ab und gab die Nachfolgeorgane heraus: im Juni 1887 »Arbeit« (Villach), im Oktober 1887 »Arbeit« (Linz) und vom Oktober bis Dezember 1887 »Arbeit« (Wien). Dadurch wurden auch Gesinnungsfreunde in Wien und in anderen Städten Österreichs für den Anarchismus gewonnen.
Auf dem Gründungsparteitag der österreichischen Sozialdemokratie in Hainfeld (Niederösterreich) zur Jahreswende 1888/1889 nahm Johann Risman als Grazer Delegierter der Autonomisten teil und ergriff als einziger das Wort gegen den von Victor Adler (1852–1918) vorgegeben Kurs der Arbeiterbewegung. Nach zwei Reden und einem Schlusswort verließ er noch am ersten Tag, am 30. Dezember 1888, den Kongress und kehrte nach Graz zurück.
Nach einer Abschiedsrede in der »Puntigamer Bierhalle« in Graz, Jakobigasse 6 [Orpheumgasse 8], am 14. Januar 1889 verließ Johann Risman Graz, um sich gleichsam als Anarchist weiterzubilden. Er weilte vom April bis August 1889 in Köln (Preußen [Nordrhein-Westfalen]), war dann kurze Zeit in Aachen (Preußen [Nordrhein-Westfalen]), seit November für einige Monate in Elberfeld (Preußen [zu Wuppertal, Nordrhein-Westfalen]), vom Oktober 1890 bis April 1891 in Düsseldorf (Preußen [Nordrhein-Westfalen]), vom April 1891 bis Februar 1892 in Berlin (Preußen [Berlin]), dazwischen jedoch in Bern (Kanton Bern) und London (England). In all diesen Städten besuchte er Anarchisten, versuchte internationale Kontakte herzustellen und erweiterte sein Wissen über anarchistische Weltanschauungen.
Am 24. Februar 1892 kehrte Johann Risman nach Graz zurück, wo er als einer der wichtigsten Agitatoren der Autonomisten, welche nunmehr unter der Bezeichnung »Unabhängige Socialisten« auftraten, wirkte. Risman schränkte jetzt seine Reisetätigkeit ein: Im November und Dezember 1892 reiste er vermutlich nach Warasdin / Varasd (Ungarn [Varaždin, Kroatien]), vom Oktober bis Anfang Dezember 1893 verreiste er mit unbekanntem Ziel, und vom März bis 1. Mai 1894 weilte er in Budapest (Ungarn).
Folgenreich war am 21. März 1892 Johann Rismans Teilnahme am so genannten oppositionellen Parteitag der von Adolf Heimann (1853–?) und Rudolf Hanser (1859–1909) Ende 1891 gegründeten sozialdemokratischen Opposition in Wien, welche zu einer weiteren Radikalisierung dieser Opposition führte und zum Verzicht des Prädikats »socialdemokratisch« zugunsten von »socialistisch«. Eine Absplitterung dieser Opposition beschloss die Gründung einer »Partei der unabhängigen Socialisten«, die sich bisweilen auch »Anti-Autoritäre« nannte, und gab eine neue Zeitung heraus: »Die Zukunft« (Wien). Sie erschien 1892 bis 1896 als erste längerlebige anarchistische Zeitung Österreichs. Risman war hier 1892 bis 1893 als Herausgeber und bis 1894 auch als verantwortlicher Schriftleiter tätig. Wegen der von ihm mitverfassten Broschüre von August Krčal (1862–1894) »Zur Geschichte der Arbeiter-Bewegung Oesterreichs. 1867–1892. Eine kritische Darlegung«, welche in ihrer gesamten Auflage von etwa 5.000 Exemplaren beschlagnahmt und bis auf einige Belegexemplare vernichtet wurde, wurde er gemeinsam mit Krčal am 18. Juni 1894 verhaftet und nach fünfeinhalb Monaten Untersuchungshaft am 1. und 2. Dezember 1894 vor dem Oberlandes- als Schwurgericht Graz in geheimer Verhandlung des Verbrechens des Hochverrats und des sechsfachen Vergehens gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung angeklagt. Mitangeklagt wurde auch der am 8. August 1893 in Wien verhaftete und in das Landesgericht Graz überstellte Schriftsetzer Ferdinand Barth (1862–1913), beschuldigt der Mitschuld durch Veranlassung der Drucklegung der Broschüre. Ale drei Angeklagten wurden jedoch von einem Schwurgericht freigesprochen.
Danach enthielt sich Johann Risman jeder politischen Agitation. Als Gründe wurden eine allgemeine Erschöpfung angesichts der massiven staatlichen Verfolgung vermutet, vor allem aber – laut Polizei – seine Frau Aloisia Maria Risman, geborene Mixner (1870–1944), eine Kaffeehausköchin, die er 1893 geheiratet und mit der er die jung verstorbene Tochter Victoria Aloisia Risman (1893–1894) hatte. Im März 1895 ließ sich Johann Risman als Damenschneidermeister in Zágráb / Agram (Ungarn; [Zagreb, Kroatien]) nieder, kehrte aber im Juli 1898 nach Graz zurück und eröffnete hier neuerlich ein Geschäft als Damenschneider. Am 23. Februar 1899 wurde Risman als Mitglied in den sozialdemokratischen »Politischen Verein ›Vorwärts‹« aufgenommen. Sozialdemokraten verschafften ihm schließlich 1910 eine Stelle als Kassenbeamter der »Allgemeinen Arbeiter-Kranken- und Unterstützungs-Kasse in Graz«. Als einst bedeutender Arbeiterführer völlig in Vergessenheit geraten, verstarb Johann Risman am 19. Oktober 1936 in Graz.
Adressen
Grabendorf, Steiermark [Grabe, zu Središče ob Dravi, Slowenien], Grabendorf 7 (Geburtsadresse)
Graz, Steiermark, Münzgrabenstraße 37 (1887)
Graz, Steiermark, Prokopigasse 12 (1893)
Publikationen
Bücher und Broschüren
August Krčal (1862–1894): Zur Geschichte der Arbeiter-Bewegung Oesterreichs. 1867–1892. Eine kritische Darlegung von August Krčal. Graz: Selbstverlag des Verfassers 1893, 52 S. Enthält auch Johann Rismann [!]: Vorwort, S. 3–4. Johann Risman ist ungenannter Ko-Autor dieser Broschüre. Die Broschüre wurde am 14. Juni 1893 polizeilich vollständig beschlagnahmt und bis auf einige Belegexemplare vernichtet.
b) August Krčal: Zur Geschichte der Arbeiter-Bewegung Oesterreichs. 1867–1894. Eine kritische Darlegung von August Krcal nebst Ergänzungen von X. Y. Berlin: [Verlag des »Sozialist«] 1894, 50 S. »X. Y.« ist Josef Schmied (1870–?). Neudruck der Ausgabe Graz 1893, erweitert um ein Porträtfoto Krčals und Der Verleger [d. i. Gustav Landauer]: An die geehrten Leser!, S. 5; [Josef Schmied (1870–)]: XV. 1893–1894, S. 45–48; [Josef Schmied]: Anhang, S. 49–50.
c) Blätter aus der Geschichte der Arbeiterbewegung Oesterreichs (1867–1894). Eine kritische Darlegung von August Krcal. Mit dem Bildnis des verstorbenen Verfassers. Zürich: Verlag Kulturgemeinschaft Freie Generation (Rainer Trindler) 1913, XVI, 95 S. Es handelt sich dabei um die dritte, erweiterte Auflage. Motto auf Titelblatt: Durch Wahrheit zur Klarheit! Enthält auch Kulturgemeinschaft Freie Generation [d. i. Rudolf Großmann alias Pierre Ramus (1882–1842)]: Geleitworte, S. III–XVI.
A) August Krčal: K dějinám dělnického hnutí v Rakousku 1867–1894. Přeložil Karel Vohryzek. V Liberici [Liberec]: Nákladem Ladislava Brunlíka [1898], 152 S. Enthält auch Karel Vohrýzek; Kamarádům, S. [3]–4. Übersetzer: Karel Vohryzek (1876–1933); übersetzt wurde die zweite, erweiterte Auflage Berlin 1894. Zuvor erschien eine tschechische Übersetzung als Artikelserie unter dem Titel: Úryvek z revolučního hnutí v Rakousku, in: Volné listy (Brooklyn), 1895–1896. Tschechisch: Zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Österreich 1867–1894. Übersetzt von Karel Vohryzek.
Mitarbeiter*innen an Periodika
Schneider-Fachzeitung (Wien) 1883
- Die Arbeit (Marburg / Graz) 1885 bis 1886
- Arbeit (Villach) 1887
- Arbeit (Linz) 1887
- Arbeit (Wien) 1887
- Die Zukunft (Wien) 1892 bis 1893
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Autor: Reinhard Müller
Version: August 2024
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