02.09.02. Gesetz vom 25. Juni 1886. 1886
Gesetz vom 25. Juni 1886,
womit Bestimmungen über die Gerichtsbarkeit in Strafsachen, welchen anarchistische Bestrebungen zu Grunde liegen, erlassen werden.1
Mit Zustimmung beider Häuser Meines Reichsrathes finde Ich anzuordnen, wie folgt:
§. 1.
Die Hauptverhandlung über eine Anklage wegen einer strafbaren Handlung, welche nach den bestehenden Gesetzen dem Geschworenengerichte zugewiesen ist, gehört dann nicht vor das Geschworenengericht, wenn der strafbaren Handlung anarchistische, auf den gewaltsamen Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung gerichtete Bestrebungen zu Grunde liegen.
In diesem Falle finden die Bestimmungen der §§. 3 und 4 des Gesetzes vom 23. Mai 1873 (R. G. Bl. Nr. 120), betreffend die zweiweise Einstellung der Geschworenengerichte Anwendung, und hat der Ankläger in Gemäßheit des §. 207, Z. 4 St. P. O., zu diesem Ende den geeigneten Antrag zu stellen. Gegen diesen Antrag hat der Beschuldigte in Gemäßheit des zweiten Absatzes des §. 208 St. P. O. das Recht des Einspruches.
Erachtet der Gerichtshof bei der nach Schluß der Verhandlung stattfindenden Berathung, es sei nicht erwiesen, daß der strafbaren Handlung anarchistische, auf den gewaltsamen Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung gerichtete Bestrebungen zu Grunde liegen, so spricht er seine Nichtzuständigkeit aus und finden für das weitere Verfahren die Bestimmungen des §. 261 St. P. O. Anwendung.
§. 2.
Dieses Gesetz gilt für die Dauer von zwei Jahren.
§. 3.
Mit dem Vollzuge dieses Gesetzes ist Mein Justizminister beauftragt.
Schönbrunn, am 25. Juni 1886.
Franz Joseph m. p.
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Gesetz vom 25. Juni 1886, womit Bestimmungen über die Gerichtsbarkeit in Strafsachen, welchen anarchistische Bestrebungen zu Grunde liegen, erlassen werden, in: Reichsgesetzblatt für die im Reichsrath vertretenen Königreiche und Länder (Wien), Nr. 98, unterzeichnet von Franz Joseph I. (1830–1916), Kaiser von Österreich, Apostolischer König von Ungarn, König von Böhmen, König von Kroatien-Slawonien und Dalmatien und Erzherzog von Österreich, von Eduard Graf Taaffe (1833–1895), von 1869 bis 1870 und 1870 bis 1893 Ministerpräsident, und von Alois von Pražák (1820–1901), von 1881 bis 1888 k. k. Justizminister.