Franz Spiegl (1870–)

Persönliche Daten
Namensvarianten
falsche Namensschreibweise: Franz Spiegel
Geburtsdatum
Ungefähr 1870
Berufe

Vater: Alois Spiegl: Holz- und Kohlenhändler

Biographie

Franz Spiegl arbeitete als Metalldreher in Wien, wo er sich dem sozialrevolutionären Flügel der radicalen Arbeiterbewegung anschloss.

Die Münzverfälschungs-Affäre. Wien 1887

Der Knopfdrechslergehilfe Anton Mličko (1857–1900) lernte zu Weihnachten 1886 den Schlossergehilfen Ferdinand Hilbert (1856–?) kennen. Beide kamen zur Überzeugung, dass ihre wegen Münzverfälschung am 28. Dezember 1886 verurteilten Genossen, die Silberarbeiter Johann Ondriczek (~1854–?), Josef Paul Schwarz (1857–?) und Otto Steidl (~1851–?), es dumm angestellt hätten. Für ihr Vorhaben, selbst Falschmünzen herzustellen, konnte Anton Mličko eine Bekannte, die Hausfrau Viktoria Titz (1850–?), gewinnen. Anton Mličko und Ferdinand Hilbert besorgten die nötigen Formenrahmen, Schmelztiegel und andere Utensilien, während Viktoria Titz ihr Schlafkabinett in ihrer Wohnung in Sechshaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Sechshauser Hauptstraße 53 [Sechshauser Straße], sowie einen Gussofen zur Verfügung stellte. Hier wurden nun im Jänner 1887 Silberscheidemünzen aus geringhaltigerem Metall hergestellt, nämlich vier Stück zu zehn Kreuzern und sieben oder acht Stück zu zwanzig Kreuzern. Da Ferdinand Hilbert Ende Jänner 1887 erkrankte, musste die Herstellung des Falschgeldes vorübergehend eingestellt werden. Im Februar 1887 kam der Metallgießer Anton Schreger (1867–1927) ins Spiel, der damals Anton Mličko kennen lernte. Der Polizeispitzel Schreger sei damals – nach späterer – Einschätzung der Polizei wie auch des Gerichts ein Anhänger der so genannten Anarchisten geblieben. Bemerkesnwert: Anton Schreger war vom Polizeirat bei der Polizei-Direktion Wien Bernhard Frankl (1846–1907) als Spitzel eingeschleust worden, auf dass er die Beteiligten zur Münzverfälschung animiere. Anton Mličko und Anton Schreger konnten nun auch den Bronzearbeitergehilfen Ferdinand Emerling (1868–1888) und Franz Spiegl gewinnen. Dazu kam nach seiner Genesung wieder Ferdinand Hilbert. Im Keller von Franz Spiegls Vater, dem Holz- und Kohlenhändler Alois Spiegl, in Wien 5., Siebenbrunnengasse 16, stellten sie – nach eigenen Angaben – sechs Silbergulden her. Diese kamen jedoch nicht in den Verkehr, weil Ferdinand Emerling das Polieren der Münze und die Beifügung der Randbeschriftung erst technisch bewältigen musste. Die hergestellten Münzprodukte wurden im Haus der Viktoria Titz am Dachboden versteckt, teils unter Mist, teils unter den Dachsparren. Bereits zu diesem Zeitpunkt kursierte in gewissen Kreisen der radicalen Arbeiterbewegung die Vermutung, dass Anton Schreger ein Polizeispitzel sei.

Mitte März 1887 machte Anton Schreger der Polizei die Mitteilung, dass es zwei radicale Gruppen gäbe, die sich mit Münzverfälschung beschäftigten. Seit diesem Zeitpunkt hatte die Polizei die Wohnung des Tischlermeister Karl Titz (1836–1894) in Sechshaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Hauptstraße 53 [Sechshauser Hauptstraße], beobachtet, und am 27. Mai 1887 nahm sie ihn auf der Landstraße [Linzer Straße] bei einer Kundin fest, wo er gerade Reparaturarbeiten machte. Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung von Karl Titz und des dazugehörigen Dachbodens fand die Polizei sozialistische und anarchistische Druckschriften, falsches Silbergeld, Bilder von Ferdinand Lassalle (1825–1864) sowie der Sozialrevolutionäre Hermann Stellmacher (1853–1884) und Anton Kammerer (1862–1884). Nun wurde auch seine Ehefrau Viktoria Titz verhaftet, Mutter von vier Kindern zwischen drei Monaten und zwölf Jahren, wobei das jüngste Kind, der am 17. Februar 1887 geborene Carl Titz (1887–?), bei der Verhaftung seiner Eltern schwer krank war. In ihrer Wohnung befanden sich zu diesem Zeitpunkt gerade die Ehefrauen der wegen der so genannten Brandleger-Affäre vom 3. Oktober 1886 flüchtigen Franz Koči (1855–1913), Drechsler- und Wagnergehilfe, und Johann Waněk (1851–?), Seidenwerkzeugmacher. Spät abends wurden weitere fünf Arbeiter in Sechshaus verhaftet, darunter Ferdinand Emerling, Ferdinand Hilbert und Anton Mličko.

Noch im März 1887 verließ Franz Spiegl fluchtartig Wien, weshalb er vom landesgericht Wien steckbrieflich gesucht wurde. Deshalb gehörte er auch nicht zu den wegen Verbrechens der Münzverfälschung für anarchistische Zwecke Angeklagten, die sich am 10. Dezember 1887 vor dem Landes- als Ausnahmsgericht Wien zu verantworten hatten: der Gürtler und Bronzearbeiter Ferdinand Emerling, der Schlossergehilfe Ferdinand Hilbert, der Knopfdrechslergehilfe Anton Mličko, die Hausfrau Viktoria Titz sowie der Metallgießer und Polizeispitzel Anton Schreger. Im Prozess trat auch ein mittlerweile ehemaliger Radicaler, der Knopfdrechslergehilfe Josef Temke (1841–?), als Zeuge auf, ohne die Angeklagten jedoch zu belasten. Angeklagt wurden Ferdinand Emerling, Ferdinand Hilbert, Anton Milczko, Viktoria Titz und Anton Schreger wegen des Verbrechens der Münzverfälschung, Schreger zusätzlich des Verbrechens der Verleumdung. Ausgenommen Anton Schreger, der nur zum Schein mitgemacht haben wollte, waren die Angeklagten teilweise geständig, bestritten aber anarchistische Zwecke. Im Prozess wurde ganz offen über die Spitzeltätigkeit von Anton Schreger gesprochen, doch der Antrag auf Vorladung des Polizeirats bei der Polizei-Direktion Wien Bernhard Frankl, der ja Schreger angeworben hatte, wurde vom Gericht abgelehnt. Im Sinne der Anklage wurden Anton Schreger zu fünf Jahren, Anton Mličko und Ferdinand Hilbert zu je vier Jahren, Viktoria Titz zu fünfzehn Monaten und Ferdinand Emerling zu einem Jahr schwerem Kerker und zur nachherigen Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt. Dieser Prozess gegen die Münzfälscherbande war der letzte große so genannte Anarchisten-Prozess für längere Zeit. Neben dem noch immer flüchtigen Franz Spiegl wurde auch der Schlossergehilfe Johann Ammerer (~1862–?) erst später vor Gericht gestellt.

Am 1. Februar 1888 stellte sich Franz Spiegl selbst beim Staatsanwalt in Wien, gestand seine Beteiligung an der Münzverfälschung und wurde in Untersuchungshaft genommen. Am 23. Februar 1888 fand vor dem Landes- als Ausnahmsgericht Wien der Prozess gegen Franz Spiegl statt, angeklagt der Mitschuld am Verbrechen der Münzverfälschung. Er wurde zwar im Sinne der Anklage schuldig gesprochen, aber wegen seiner Selbstanzeige zur gesetzlich geringstmöglichen Strafe verurteilt: zu einem Jahr schwerem Kerker. Franz Spiegl wurde wegen seiner bisherigen Unbescholtenheit, als Verleiteter und wegen seiner reumütigen Selbststellung auch nicht zur nachherigen Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt.

Karte