Brandleger-Affäre 1886

Daten
Zeitraum
3. Oktober 1886–4. Oktober 1886
Beschreibung

Zeit: 3. und 4. Oktober 1886
Orte: Holzlagerplatz in Hetzendorf (Niederösterreich [zu Wien 12.]); Holzlagerplatz in Untermeidling (Niederösterreich [zu Wien 12.]); Holzlagerplatz in Wien 9., Roßauer Lände 31; Holzlagerplätze in Matzleinsdorf (Wien 5.); Petroleummagazin in der Nähe der Matzleinsdorfer evangelischen Kirche (Wien 5.); Holzlagerplatz in Penzing (Niederösterreich [zu Wien 14.]), Postgasse
Beteiligte: Bronzearbeitergehilfe Stefan Buelacher (1858–1908), Spenglergehilfe Josef Buzek (1851–1921), Drechslergehilfe Heinrich Höfermayer (1862–?), Stuckateurgehilfe Leopold Kaspari (1861–1891), Drechsler- und Wagnergehilfe Franz Koči (1855–1913), Maschinenwärter Gustav Kopetzky (1850–1928), Spenglergehilfe Friedrich Kratochvil (~1850–1891), Korbflechter Stefan Müller (~1858–?), Schuhmachermeister Karl Schwehla (1851–1897), Drechslergehilfe Josef Stieber (~1860–?), Seidenzeugmacher Johann Waněk (1851–?), Webergehilfe Johann Wawrunek (1849–?)
Opfer: Holzhändler Simon Hraschko
beabsichtigte Opfer: Tischlermeister Wenzel Grohmann, Bauholzhändler Karl Johann Scholtes jun.

Zur Vorgeschichte

Am 20. September 1886 traf sich in Obermeidling (Niederösterreich [zu Wien 12.]) nahe der Maria-Theresien-Brücke [Augartenbrücke], Wien 2. und 9., eine Gruppe Wiener Sozialrevolutionäre erstmals zu einer geheimen Zusammenkunft: der Drechslergehilfe Heinrich Höfermayer (1862–?), der Stuckateurgehilfe Leopold Kaspari (1861–1891),, der Drechsler- und Wagnergehilfe Franz Koči (1855–1913), der Spenglergehilfe Friedrich Kratochvil (~1850–1891), der Schuhmachermeister Karl Schwehla (1851–1897), der Seidenzeugmacher Johann Waněk (1851–?) und der Webergehilfe Johann Wawrunek (1849–?). Franz Koči und Friedrich Kratochvil entwickelten einen Plan, in Wien und Umgebung mehrere Holzlagerplätze in Brand zu stecken. In den nächsten Wochen fanden mehrere Treffen bei der Maria-Theresien-Brücke sowie beim Wasserreservoir auf der Schmelz statt, und sie fertigten vierzehn Brandflaschen an. Am 27. September 1886 wurden die vier Gruppen für die Brandanschläge eingeteilt. Zunächst dachte man an einen Wochentag, doch Franz Koči und Friedrich Kratochvil setzten einen Sonntag als Attentatstermin durch, damit man mehr Aufsehen errege. So bestimmte man Sonntag den 3. Oktober 1886 als Attentatstag.

Ein erster Versuch. September 1886

Am 27. September 1886 brach in dem nahe Wien gelegenen Wallfahrtsort Maria-Lanzendorf (Niederösterreich) ein Brand aus. Die Scheune und Stallung des Hauses Nr. 25 stand plötzlich in Flammen, und das Feuer griff wegen des starken Windes rasch auf die nahe gelegene Scheune des Hauses Nr. 24 über. Beide Gebäude wurden vollständig eingeäschert. Der Gerichtschemiker fand bei seiner Untersuchung des Brandplatzes Reste und Bestandteile einer Brandflasche mit Spuren von Salpetersäure. Deshalb nahm die Polizei an, dass es sich um einen Brandanschlag so genannter Anarchisten handle. Später gestanden die verhafteten Sozialrevolutionäre, dass es sich dabei um eine Probebrandlegung für den Anschlag vom 3. und 4. Oktober 1886 gehandelt habe.

Das Ereignis. Oktober 1886

Am 3. Oktober 1886, spät nachts, scheiterte die so genannte Brandleger-Affäre. In der Nacht vom 3. auf den 4. Oktober 1886 sollten gleichzeitig Brandanschläge in Rudolfsheim (Niederösterreich [zu Wien 14.]), Hietzing (Niederösterreich [zu Wien 13.]) und Penzing (Niederösterreich [zu Wien 14.]) ausgeführt werden. Dazu werden vier Gruppen gebildet, und zwar aus dem Kreis der zwölf Verschwörer: der Bronzearbeitergehilfe Stefan Buelacher (1858–1908), der Spenglergehilfe Josef Buzek (1851–1921), Heinrich Höfermayer, Leopold Kaspari, Franz Koči, der Maschinenwärter Gustav Kopetzky (1850–1928), Friedrich Kratochvil, der Korbflechter Stefan Müller (~1858–?), welcher sich allerdings später als unschuldig herausstellen wird, Karl Schwehla, der Drechslergehilfe Josef Stieber (~1860–?), Johann Waněk und Johann Wawrunek.

Die erste Gruppe sollte in Hetzendorf (Niederösterreich [zu Wien 12.]) und Untermeidling (Niederösterreich [zu Wien 12.]) agieren. Franz Koči, Friedrich Kratochvil und Johann Waněk zogen mit zwei Brandflaschen versehen bereits gegen 15 Uhr los und deponierten zwischen 20 und 21 Uhr eine Flasche auf dem Holzplatz des Holzhändlers Simon Hraschko in Hetzendorf. Friedrich Kratochvil fürchtete, dass die Flasche nicht explodieren könnte, verschüttete daher deren Inhalt, nämlich Terpentinöl, auf die dort lagernden Eichenschwellen und tränkte auch noch mitgebrachte Fetzen in Terpentinöl. Das Feuer begann nur langsam zu brennen, und ein Passant, der Diurnist (Verwaltungsbeamter) der Staatsbahn Josef Martinek, entdeckte außerdem die brennende Umhüllung der Flasche und konnte den Brand durch Treten mit den Füßen und Schlagen mit seinem Stock im Keim ersticken. Es war dies der einzige Brandanschlag dieser Serie, bei dem auch tatsächlich – zumindest kurzzeitig – ein Feuer ausbrach. Anschließend begabtsich die Gruppe zu einem Holzlagerplatz bei der Meidlinger Remise, wo sie aber an ihrem Vorhaben durch das Erscheinen eines Sicherheitswachmanns gehindert wurde. Als ein weiterer Brandlegungversuch vereitelt wurde, weil neuerlich ein Wachmann auftauchte, glaubten die Attentäter an Verrat. Auf ihrem Rückzug warfen sie die zweite, mit Zündstoff gefüllte und bereits adjustierte Flasche auf den Holzlagerplatz des Tischlermeisters Wenzel Grohmann in Untermeidling (Niederösterreich [zu Wien 12.]), Miesbachgasse 60 [Vivenotgasse], doch auch diese war falsch adjustiert, explodierte nicht und wurde am 4. Oktober 1886 von den Behörden sichergestellt.

Die zweite Gruppe, die vier Brandflaschen mit sich führte, sollte ein großes Holzlager in der Roßau (Wien 9.) in Brand stecken. Heinrich Höfermayer und Karl Schwehla deponierten nach 22 Uhr am Holzlagerplatz des Bauholzhändlers Karl Johann Scholtes jun. in Wien 9., Roßauer Lände 31, zwei mit Zündstoff gefüllte Flaschen, eine Flasche an dem einen, die zweite am anderen Ende des Lagerplatzes, wobei allerdings eine beim Adjustieren explodierte, ohne zu zünden. Die beiden anderen Flaschen funktionierten ebenfalls nicht, weil die Gaszylinder verkehrt in die Flasche eingesetzt worden waren. Diese Brandsätze wurden erst am 8. und 9. Oktober 1886 vom Holzplatzarbeiter Karl Quarda aufgefunden.

Die dritte Gruppe, bestehend aus Leopold Kaspari und Johann Wawrunek, sollte mittels vierer Brandflaschen das Feuer legen: bei den Holzlagerplätzen in Matzleinsdorf (Wien 5.) und bei einem Petroleummagazin in der Nähe der Matzleinsdorfer evangelischen Kirche. Sie legten die Brandflaschen jedoch nicht ab, vermutlich, weil sie durch Passanten gestört wurden. Sie entledigten sich nach 18 Uhr der Attentatswerkzeuge: vier Explosivröhrchen, zwei Flaschen Schwefelsäure und eine Petroleumflasche. Diese wurden nahe dem Hundsturmer Friedhof [Haydnpark] in Untermeidling (Niederösterreich [zu Wien 12.]) verscharrt, wo sie später von der Polizei sichergestellt wurden. Vor Gericht gaben sie an, die Brandflaschen nicht gelegt zu haben, weil um den Holzlagerplatz zu viele Wohnhäuser standen.

Die vierte Gruppe, bestehend aus Josef Buzek und Gustav Kopetzky, sollte bei einem Holzlagerplatz in Penzing (Niederösterreich [zu Wien 14.]), Postgasse, agieren. Die beiden trafen sich mit einem später nicht ermittelten Sozialrevolutionär im »Mader’schen Gasthaus« (Karl Mader) in Penzing (Niederösterreich [zu Wien 14.]), Poststraße 59 [Linzer Straße]. Nachdem die Polizei mittlerweile in der Wohnung Gustav Kopetzkys vier Brandflaschen gefunden hatte, wurden Josef Buzek und Gustav Kopetzky abends in Rudolfsheim (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Schmiedgasse [Beckmanngasse], verhaftet, nachdem sie gegen 21 Uhr das Gasthaus verlassen hatten. Der Widerstand der beiden Verhafteten, bei denen dann auch Dolche gefunden wurden, war so stark, dass der von zwei Polizeidetektiven unterstützte Polizeikommissär vier sich in der Nähe befindliche Polizeiagenten zur Hilfe holen musste.

Die behördliche Verfolgung. Oktober 1886

Schon länger beobachtete die Polizei eine Gruppe von etwa zwanzig Arbeitern, die sich jeden Sonntag im »Mader’schen Gasthaus« (Karl Mader) in Penzing (Niederösterreich [zu Wien 14.]), Poststraße 59 [Linzer Straße], traf. Nun holte die Polizei nach wochenlangen Beobachtungen zum großen Schlag gegen die Wiener Sozialrevolutionäre aus. Noch in der Nacht vom 3. auf den 4. Oktober 1886 konnten acht Sozialrevolutionäre verhaftet werden, und innerhalb der nächsten Woche folgten weitere sieben. Im Zusammenhang mit der so genannten Brandleger-Affäre wurden Stefan Buelacher, Josef Buzek, Heinrich Höfermayer, Leopold Kaspari, Gustav Kopetzky, Friedrich Kratochvil, Stefan Müller, Karl Schwehla, Josef Stieber und Johann Wawrunek verhaftet. Lediglich Franz Koči und Johann Waněk gelang die Flucht in die USA. Die Behörden gingen mit ihren Kenntnissen über die so genannte Brandleger-Affäre erst am 9. Oktober 1886 an die Öffentlichkeit, und in den Zeitungen berichteten nun ausführlich von einem so genannten Anarchisten-Komplott.

Die weitreichenden Kontakte der Sozialrevolutionäre, die alle am 11. Oktober 1886 ins Landesgericht Wien eingeliefert wurden, sind auch dadurch belegt, dass bereits am 4. Oktober 1886 die Polizei-Direktion Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]) die Polizei-Direktion Wien von einem bevorstehenden Attentat in Wien unterrichtete. Die polizeiliche Operation gegen die Wiener Sozialrevolutionäre war durch die Verhöre, vor allem aber durch die Hausdurchsuchungen möglich. Dabei wurden zweieinhalb Kilogramm Dynamit, sieben mit Terpentin und Salpetersäure gefüllte Brandflaschen, zwei mit dem Sprengmittel »Janit« gefüllte Bomben mit Pistons, drei Dolche, Zündhütchen, mehrere Explosivstoffe, chlorsaures Kali, Salzsäure, Chloroform, falsche Bärte, falsche polizeiliche Hausdurchsuchungsbefehle sowie zahlreiche illegale Druckschriften beschlagnahmt. Außerdem wurden auf den Holzlagerplätzen vier Brandflaschen sichergestellt. Während der Erhebungen und Verhöre kam es zu gegenseitigen Beschuldigungen und Denunziationen der Verhafteten, welche dem Ansehen der Sozialrevolutionäre äußerst schadeten. So folgten in den folgenden Wochen weitere Verhaftungen, so dass bis zum 29. Dezember 1886 insgesamt siebzehn Sozialrevolutionäre verhaftet wurden.

Im Zuge der Erhebungen zur so genannten Brandleger-Affäre konnten weitere Aktionen der Sozialrevolutionäre aufgeklärt werden. Im Zusammenhang mit der so genannten Reich-Affäre vom 18. Juni 1885 und der so genannten Tyll-Affäre vom 3. August 1885 wurden der Schneidergehilfe Albert Friedmann (1866–?), der Schuhmachergehilfe Johann Hospodský (1863–?) und der Webergehilfe Franz Schustaczek (1850–1908) verhaftet. Heinrich Höfermayer und Karl Schwehla waren bereits als Beteiligte an der so genannten Brandleger-Affäre inhaftiert. Dem ebenfalls beteiligten Metallschleifer Franz Czermak (~1864–?) gelang zunächst die Flucht, doch wurde er am 9. April 1887 verhaftet. Im Zusammenhang mit der so genannten Trostler-Affäre vom April 1886 wurde der Fleischausträger Heinrich Rischawy (1858–1942) verhaftet. Der daran beteiligte Pfeifenschneidergehilfe Thomas Zoppoth (1866–1906) saß bereits wegen eines anderen Verbrechens im Gefängnis und Leopold Kaspari sowie Johann Wawrunek waren bereits als Beteiligte an der so genannten Brandleger-Affäre inhaftiert. Wegen der so genannten Linke-Affäre vom März 1886 wurde gegen die auch wegen der so genannten Brandleger-Affäre verhafteten Stefan Buelacher, Heinrich Höfermayer, Leopold Kaspari und Johann Wawrunek ermittelt. Dies gilt auch für die in die so genannte Dynamit-Affäre vom 14. März 1886 involvierten Leopold Kaspari, Friedrich Kratochvil und Johann Wawrunek.

Unter den später Angeklagten befanden sich auch zwei nicht in Wien festgenommene Sozialrevolutionäre. Der Schuhmachergehilfe Johann Hospodský (1863–?) war bereits am 8. September in Linz an der Donau (Oberösterreich) verhaftet worden, und der Webergehilfe Franz Schustaczek (1850–1908) wurde in St. Gallen / Saint-Gall / San Gallo (Kanton St. Gallen, Schweiz) festgenommen und im Dezember 1886 an Österreich ausgeliefert.

Der Anarchisten-Prozess. März 1887

Vom 21. bis 28. März 1887 fand vor dem Landes- als Ausnahmsgericht Wien der so genannte Anarchisten-Prozess gegen die im Oktober 1886 verhafteten Sozialrevolutionäre statt. Verhandelt wurden die so genannte Brandleger-Affäre vom 3. und 4. Oktober 1886, die so genannte Trostler-Affäre vom April 1886, die so genannte Linke-Affäre vom März 1886, die so genannte Dynamit-Affäre vom 14. März 1886, die so genannte Tyll-Affäre vom 3. August 1885 und die so genannte Reich-Affäre vom 18. Juni 1885. Der Prozess sollte ursprünglich in geheimer Verhandlung stattfinden, da aber jeder der fünfzehn Angeklagten drei Vertrauensmänner bestimmen konnte, wäre der geheime Charakter ohnedies hinfällig, so dass man sich zu einer öffentlichen Verhandlung entschloss. Lediglich in der Verhandlung vom 25. März 1887 wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Angeklagt wurden der Bronzearbeitergehilfe Stefan Buelacher (1858–1908), der Spenglergehilfe Josef Buzek (1851–1921), der Schneidergehilfe Albert Friedmann (1866–?), der Drechslergehilfe Heinrich Höfermayer (1862–?), der Schuhmachergehilfe Johann Hospodský (1863–?), der Stuckateurgehilfe Leopold Kaspari (1861–1891), der Maschinenwärter Gustav Kopetzky (1850–1928), der Spenglergehilfe Friedrich Kratochvil (~1850–1891), der Korbflechter Stefan Müller (~1858–?), der Fleischausträger Heinrich Rischawy (1858–1942), der Webergehilfe Franz Schustaczek (1850–1908), der Schuhmachermeister Karl Schwehla (1851–1897), der Drechslergehilfe Josef Stieber (~1860–?), der Webergehilfe Johann Wawrunek (1849–?) und der Pfeifenschneidergehilfe Thomas Zoppoth (1866–1906). Angeklagt wurden des Verbrechens der Brandlegung Heinrich Höfermayer, Friedrich Kratochvil und Karl Schwehla, des Verbrechens der Mitschuld an der Brandlegung Stefan Buelacher, Josef Buzek, Heinrich Höfermayer, Leopold Kaspari, Gustav Kopetzky, Friedrich Kratochvil, Stefan Müller, Karl Schwehla, Josef Stieber und Johann Wawrunek, der Verbrechen nach den §§ 5 und 6 des Gesetzes vom 27. Mai 1886, betreffend Anordnungen gegen den gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen und die gemeingefährliche Gebarung mit denselben Leopold Kaspari, Friedrich Kratochvil und Johann Wawrunek, des Verbrechens des teils vollbrachten, teils versuchten Betrugs Albert Friedmann, Heinrich Höfermayer, Johann Hospodský, Franz Schustaczek und Karl Schwehla, des Verbrechens des versuchten Diebstahls Leopold Kaspari, Heinrich Rischawy, Johann Wawrunek und Thomas Zoppoth sowie des Verbrechens der versuchten Verleitung zum Raub Stefan Buelacher. Außer Stefan Buelacher und Josef Stieber sowie dem später freigesprochenen Josef Buzek legten alle Angeklagten mehr oder weniger umfangreiche Geständnisse ab, belasteten aber einander auch stark. Die Anklage gegen Stefan Müller zog der Staatsanwalt am 25. März 1887 zurück; er wurde freigesprochen und sofort auf freien Fuß gesetzt. Dieser Prozess war übrigens der letzte von Staatsanwalt Karl von Pelser-Fürnberg (1838–1917), der am 14. März 1887 mit Wirksamkeit vom 1. April 1887 zum Rat am Oberlandesgericht ernannt worden war.

Verurteilt wurden wegen Brandlegung als unmittelbarer Täter und Mitschuldiger sowie wegen des Verbrechens der §§ 5 und 6 des Sprengstoffgesetzes Friedrich Kratochvil zu zwanzig Jahren, wegen Mitschuld an der Brandlegung, wegen Verbrechens der §§ 5 und 6 des Sprengstoffgesetzes und wegen versuchten Diebstahls Leopold Kaspari zu sechzehn Jahren, wegen Brandlegung als unmittelbar Täter und Mitschuldiger sowie wegen versuchten und vollbrachten Betrugs Heinrich Höfermayer und Karl Schwehla zu je fünfzehn Jahren, wegen Mitschuld an der Brandlegung, wegen Verbrechens der §§ 5 und 6 des Sprengstoffgesetzes und wegen versuchten Diebstahls Johann Wawrunek zu fünfzehn Jahren, wegen Mitschuld an der Brandlegung und versuchter Verleitung zum Raub Stefan Buelacher zu zwölf Jahren, wegen Mitschuld an der Brandlegung Josef Stieber zu neun und Gustav Kopetzky zu acht Jahren, wegen versuchten und vollbrachten Betrugs Franz Schustaczek zu sechs und Johann Hospodský zu fünf Jahren, wegen Betrugs als unmittelbarer Täter und Mitschuldiger Albert Friedmann zu sechs Jahren, wegen versuchten Diebstahls Thomas Zoppoth zu einem Jahr und Heinrich Rischawy zu sechs Monaten schwerem Kerker, bei allen verschärft mit einem Fasttag im Monat, bei Friedrich Kratochvil zusätzlich durch Dunkelhaft an jedem 3. Oktober des Jahres. Leopold Kaspari, Friedrich Kratochvil und Johann Wawrunek wurden außerdem nach Verbüßung der Strafe für immer aus Niederösterreich ausgewiesen, alle anderen Verurteilten nach überstandener Strafe unter Polizeiaufsicht gestellt. Josef Buzek, der sich auch nach Aussagen aller Verurteilten von vornherein gegen die Brandlegung ausgesprochen habe, wurde freigesprochen. Insgesamt wurden in diesem Prozess hundertachtundzwanzig Jahre und sechs Monate Haft verhängt. Mit Ausnahme von Johann Hospodský legten alle Verurteilten Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung ein.

Das Revisionsverfahren. August 1887

Am 25. und 26. August 1887 fand vor dem Kassationshof in Wien die Revisionsverhandlung der Verurteilten im so genannten Anarchisten-Prozess vom März 1887 statt. Der Nichtigkeitsbeschwerde von Stefan Buelacher, Heinrich Höfermayer, Leopold Kaspari, Gustav Kopetzky, Franz Schustaczek, Josef Stieber und Johann Wawrunek wegen der so genannten Brandleger-Affäre wurde dahingehend teilweise stattgegeben, dass die Brandlegung auf dem Holzplatz des Karl Johann Scholtes jun. nicht nach dem Strafsatz des § 167 lit. d (Wiederholung), sondern nach § 167 lit. f zu erfolgen habe; dies habe auch auf die Urteile gegen Friedrich Kratochvil und Karl Schwehla Auswirkung, welche diesbezüglich keine Nichtigkeitsbeschwerde eingebracht hatten. Die Nichtigkeitsbeschwerde von Albert Friedmann, Heinrich Höfermayer und Franz Schustaczek in der so genannten Tyll-Affäre wurde dahingehend anerkannt, dass es sich nicht um vollbrachten, sondern versuchten Betrug handle; dies habe auch auf die Urteile gegen Johann Hospodský und Karl Schwehla Einfluss, welche diesbezüglich keine Nichtigkeitsbeschwerde eingebracht hatten. Eine Änderung des Strafmaßes sei aber durch diese Erkenntnisse nicht bewirkt. Die anderen eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerden wurden zurückgewiesen. Über die Berufungen solle der Oberste Gerichtshof entscheiden.

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