Leopold Bronec (1867–1912)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Vater: Franz Bronec (Vöslau [Bad Vöslau], Niederösterreich 10. August 1826 – ?): Spinner in einer Kammgarnfabrik; Heirat in Vöslau [Bad Vöslau] (Niederösterreich) am 7. Mai 1865 mit:
Mutter: Anna Bronec, geborene Schindler (Vöslau [Bad Vöslau], Niederösterreich 6. April 1837 – ?), Tochter einer Hausfrau und eines Schulgehilfen: Hausfrau
Ehe: am 16. Februar 1898
Biographie
Leopold Bronec arbeitete als Fabrikarbeiter in der Kammgarnfabrik in Vöslau [Bad Vöslau] (Niederösterreich), wo er sich der radicalen Arbeiterbewegung anschloss. Folgenreich wurde für ihn das Jahr 1884.
Am 22. September 1884 explodierte um 2 Uhr morgens am Pfarrkirchturm von Wiener Neustadt – er ist wegen Renovierungsarbeiten gerade eingerüstet – eine Patrone. Diese war am Fuß der Hauptkirchtürme in einer Nische deponiert worden und richtete lediglich leichten Sachschaden am Mauerwerk an. Die Polizei vermutete, dass es sich dabei um gestohlenes Schießpulver handle, nicht zuletzt, weil am Vortag, am 21. September 1884, bei einem Steinmetzmeister in Neunkirchen (Niederösterreich) Dynamit gestohlen worden war. Die Polizei bestätigte aber auch, dass es sich um einen Bubenstreich gehandelt haben könnte. Am selben Tag, am 22. September 1884, um 21 Uhr, ging eine weitere Bombe, diesmal an der rückwärtigen Front des Wiener Neustädter Rathauses, in der Sparkassengasse 2, hoch. Die Mauer zeigte ein großes Loch, und alle Fensterscheiben zur Straße hin gingen kaputt. Zunächst nahm man diesbezüglich an, dass der Anschlag dem gegenüberliegenden Hotel »zum goldenen Hirschen« in der Sparkasengasse 1 gegolten habe, weil dort Splitter der Rohrbombe gefunden worden und dreizehn Fensterscheiben zu Bruch gegangen waren. Kurz darauf, am 23. September 1884, um 0 Uhr 30, wurde neuerlich bei den Kirchtürmen versucht, einen Brandsatz zu zünden, doch wurden die beiden Attentäter dabei gestört, und diese ergriffen die Flucht. Daraufhin wurden noch in der Nacht die Polizeipatrouillen durch eine Abteilung Dragoner verstärkt. Am Vormittag des 23. September 1884 erhielt der seit 1874 amtierende Bürgermeister von Wiener Neustadt Josef Pöck (1826–1886) einen Drohbrief aus Baden (Niederösterreich), in welchem ihm seine Verurteilung zum Tod mitgeteilt wurde: »Stellmacher und Kammerer sind hin, jetzt kommen Sie an die Reihe.«1 Kurz darauf langte ein weiterer Brief ähnlichen Inhalts ein. Josef Pöck, als Bürgermeister auch Chef der Stadtpolizei, war unter Radicalen besonders verhasst, weil auf seine Empfehlung hin nach Verhängung des Ausnahmezustands ein Dutzend Arbeiter aus Wiener Neustadt ausgewiesen worden waren. Die Briefe waren mit »Das Executiv-Comité« gezeichnet. In den nächsten Tagen wurden regelmäßig sozialrevolutionäre Flugschriften ausgestreut und die Kundmachungen des Bürgermeisters mit Plakaten revolutionären Inhalts überklebt. Und am 30. November 1884, um 7 Uhr morgens, erfolgte in Wiener Neustadt eine heftige Detonation, außen an der Kirchenmauer der Hauptpfarrkirche. Die Gläubigen, die gerade am Johannesaltar das Abendmahl empfingen, gerieten in Unruhe, jedoch nicht in Panik. Das Attentat wurde nun eindeutig den Sozialrevolutionären angelastet.
In der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 1884 wurden in Wiener Neustadt rund vierzig Kilo Rundscheibenpulver aus dem zwischen Fischauer Straße und Wöllersdorfer Straße gelegenen Pulvermagazin des Kaufmanns und Holzhändlers Ferdinand Lasnaňsky (1849–1933) sowie sechzig bis hundert Stück Eisenbahn-Knallsignale und ein halbes Kilo Knallsalz sowie ein Achtel Liter Salpetersäure und eine Pulvertüte aus dem nur achthundert Schritt entfernten chemischen Laboratorium der Firma »Alois Obertimpfler« gestohlen. Die Behörden brachten diese Sprengmitteldiebstähle sofort mit der radicalen Arbeiterbewegung in Verbindung.
Am 7. Dezember 1884 erschien der Maschinist und Schlosser Josef Mannsberger im Amtszimmer von Bürgermeister Josef Pöck und teilte diesem mit, dass mehrere Arbeiter der Wiener Neustädter Lokomotivfabrik zu Weihnachten während der Christmette einen Bombenanschlag gegen die Pfarrkirche und das Kreisgerichtsgebäude planten. Am 8. Dezember 1884 lud Josef Pöck um 22 Uhr Mannsberger zu sich nachhause ein, wobei ihm Mannsberger mehrere Namen von Verdächtigen nannte. In Begleitung von drei Sicherheitswachmännern fuhr Josef Pöck anschließend in die Wiener Neustädter Lokomotivfabrik, wo in einem Versteck rund zwei Kilo Dynamit, eine Schachtel mit Sprengkapseln und mehrere Exemplare des Flugblatts »Zum Gedächtniß an den tapferen, opfermuthigen, getreuen Genossen Hermann Stellmacher«2 gefunden wurden. Die Denunziation und dieser Fund führten zur großen Verhaftungswelle unter den Wiener Neustädter Radicalen.
Diese begann am 9. Dezember 1884, um 3 Uhr morgens. Als Erster wurde der Eisendreher Franz Partsch (1860–1931) verhaftet, in dessen Wohnung Zündschnüre, Sprengkapseln und verbotene Druckschriften gefunden wurden. Wenige Stunden danach wurde auch der Eisendreher Adolf Hartmann (1854–1886) festgenommen, in dessen Drehbank ein Büchlein mit Adressen von in der Schweiz lebenden Sozialisten, Radicalen und Sozialrevolutionären gefunden wurde. Am 10. Dezember 1884 ließ die Direktion der Wiener Neustädter Lokomotivfabrik die Arbeitskästen öffnen, wobei in jenem von Franz Partsch weiteres Dynamit und eine Doppelpistole gefunden wurden. Am 12. Dezember 1884 wurde der Eisendreher Franz Wögerer (1843–1887) verhaftet, in dessen Garten, in einem Misthaufen versteckt, rund sieben Kilo Dynamit gefunden wurden. Kurz darauf erfolgte die Verhaftung des Eisendrehers Franz Hermann (1857–1951) und seiner damaligen Lebensgefährtin, der ehemaligen Zündschnurfabrik- und nunmehrigen Kartonagenfabrikarbeiterin Leopoldine Pristovšek (1866–1950), sowie des Schlossers Wenzel Stuckheil (1852–1929). Und am 13. Dezember 1884 wurde der Schlosser Anton Kowalczuk (1864–?) verhaftet, der im Verhör seine Genossinnen und Genossen preisgab, was zu weiteren Verhaftungen führte: der Schlosser Anton Kautschek (1851–1919), der Nietenpresser Franz Mährl (~1850–?), der Schmied Anton Rausch (1852–?) und András Stipschitz (~1830–1910), ein Kleinhäusler in Siklós / Sigleß (Ungarn [Sigleß, Burgenland]). Steckbrieflich gesucht wurden in diesem Zusammenhang seit dem 29. Jänner 1885 der Eisendreher Thomas Tiefenbacher (1862–1948), der am 4. Oktober 1884 Wiener Neustadt Richtung Marburg an der Drau (Steiermark [Maribor, Slowenien]), verlassen haben soll. Tatsächlich reiste Tiefenbacher in die Schweiz und von dort in die USA, wo er sich im Jänner 1885 in New York City (New York, USA) niederließ.
Vom 11. bis 27. Mai 1885 – auch an den Pfingstfeiertagen wurde die Verhandlung fortgesetzt – fand vor dem Ausnahmsgericht Wiener Neustadt unter Ausschluss der Öffentlichkeit der so genannte Anarchistenprozess gegen fünf Radicale wegen der Sprengstoffattentate statt, angeklagt des Verbrechens des Hochverrats: Leopold Bronec, der Eisendreher Adolf Hartmann (1854–1886), der Schlosser und Eisendreher Franz Partsch (1960–1931), der Bernsteindrechsler Heinrich Schaden (1854–?), der Taglöhner Wilhelm Ultz (1865–1951) und der Eisendreher Franz Wögerer (1843–1887). Leopold Bronec wurde beschuldigt, den Drohbrief an den Bürgermeister von Wiener Neustadt Josef Pöck verfasst zu haben. Im Sinne der Anklage wurden wegen Verbrechens des Hochverrats Franz Partsch zu zehn und Heinrich Schaden zu fünf Jahren schwerem Kerker veruteilt, jeweils verschärft durch einen Fasttag vierteljährlich, Adolf Hartmann zu fünf, Franz Wögerer zu vier und Leopold Bronec zu drei Jahren schwerem Kerker, jeweils verschärft durch einen Fasttag. Wilhelm Ultz wurde zwar vom Verbrechen des Hochverrats freigesprochen, jedoch wegen Übertretung des Diebstahls, begangen durch den Diebstahl von Sprengmitteln, zu vierzehn Tagen Arrest verurteilt. Im Gefängnis Stein [zu Krems an der Donau] (Niederösterreich) starben Adolf Hartmann am 7. April 1886 an Lungentuberkulose und Franz Wögerer am 2. Februar 1887 an Gehirnlähmung in Folge von Alkoholismus.
Leopold Bronec schloss sich später der Sozialdemokratie an und ließ sich in Maria Enzersdorf (Niederösterreich) nieder, wo er eine Friseurslehre absolvierte und als Friseurmeister und ein Friseurgeschäft in der Mariazeller Straße 16 betrieb. 1900 übersiedelte er mit seiner Ehefrau nach Wien, wo er in Wien 15., Märzstraße 77, ein Friseurgeschäft eröffnete.
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Adresse
- Vöslau [Bad Vöslau], Niederösterreich, Vöslau 214 (Geburtsadresse)
- Wien 15., Märzstraße 77 (Sterbeadresse)
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Autor: Reinhard Müller
Version: März 2025
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