02.07.02. Zum Gedächtniß an den tapferen, opfermuthigen, getreuen Genossen Hermann Stellmacher. Die Gruppe New York der Internationalen Arbeiter-Association an die Proletarier aller Länder. [1884]

Zum Gedächtniß

an den tapferen, opfermuthigen, getreuen Genossen

Hermann Stellmacher.

Die Gruppe New York der Internationalen Arbeiter-Association

an die

Proletarier aller Länder.1

Genossen!

Die Banditen einer schmachvollen „Ordnung“ haben ihre ruchlosen Hände mit einem weiteren scheußlichen Morde besudelt. Unser unvergeßlicher Kamerad Hermann Stellmacher wurde von den Henkern des gekrönten Verbrechers, Franz Joseph Habsburg, kalten Blutes in grausamer Weise hingewürgt.

Mit brennendem Schmerz in der Brust blicken die Revolutionäre hinab in die Grube, welche den theuren Todten umschließt; denn sie sind und bleiben solidarisch mit dem, dessen Körper in ein so frühes Grab geschleudert worden.

Indessen: es fließt keine Thräne. Weit mächtiger noch, als die Trauer, regt sich der Haß in dem Herzen der kämpfenden Arbeiterschaft. Sie denkt nur an Eines: an Rache für die Vernichtung des braven Genossen.

Hermann Stellmacher hat Einzug gehalten im Pantheon der Vorkämpfer aller leidenden Menschen. Unter den Märtyrern der socialen Revolution, neben Ferrè, Varlin, Brady, O’Donnell, Passanante, Perowskaja, Solowjeff, Hödel, Nobiling, Libenyi12 und den zahllosen anderen Blutzeugen unserer Zeit, wird auch sein Name leben bis zu den spätesten Tagen. Denn auch er ist gefallen im Vorpostengefecht des Krieges der Armen und Tyrannisirten gegen die Reichen und Mächtigen einer brutalen Gesellschaft.

Ganz Liebe, ganz Selbstverleugnung, ganz Freiheitssinn, hat sich Hermann Stellmacher in die vordersten Reihen Derer gestellt, welche gewillt sind, durch die Gewalt kühner Thaten die Knechtschaft des Volkes einem baldigen Ende zuzuführen.

Haß und Verachtung im Herzen, zog er hinaus in den Kampf gegen die Tyrannen und deren Schergen. Was er vollbracht – er that es nicht aus persönlichen Gründen; er kämpfte nur für die Gesammtheit; er schlug sich, opferte sich und fiel als ein Soldat der Revolution.

Arbeiter! ehret diesen Mann, ehret diesen wackeren Kämpen, der für Euch gestorben ist, indem Ihr das Beispiel, das er Euch gegeben, zur Richtschnur nehmt; indem Ihr einsteht mit Gut und Blut für Freiheit und Gleichheit, indem Ihr kämpfet bis zum letzten Athemzuge gegen Despoten und Büttel, gegen kapitalistische Räuber und gleißnerisch-lügenhaftes Pfaffengezücht!

Ihr seid die Schöpfer des Reichthums. – fasset zu! Ihr habt die Kraft, Eure Herrscher und Blutsauger der Vernichtung preiszugeben – ergreifet sie! Ihr habt das Recht und die Pflicht, Euch und Euren Nachkommen freie Bahn für freie Arbeit und gleichen Lebensgenuß zu ebnen – säumet nicht!

Agitirt, organisirt, empört Euch! Pflanzet das Banner der socialen Revolution auf alle Kirchen und Paläste! Machet das Kapital zur Dienerin der Arbeit und duldet nicht länger, daß eitle Schmarotzer die Früchte Eures Schaffens vergeuden! Wollet – waget – handelt, und Euer ist die Welt!

Das ist das Vermächtniß, welches der sterbende Freund uns hinterlassen hat. Das sind die Worte, die Euch Hermann Stellmacher aus dem Grabe herauf in die Ohren ruft. Lasset sie nicht ungehört verhallen.

Hermann Stellmacher ist todt – es lebe die Propaganda der That!

Hoch die sociale Revolution!

New York. Die Executive.

  • 1

    [Anonym]: Zum Gedächtniß an den tapferen, opfermuthigen, getreuen Genossen Hermann Stellmacher. Die Gruppe New York der Internationalen Arbeiter-Association an die Proletarier aller Länder. New York: Die Gruppe New York der Internationalen Arbeiter-Association[1884], Fluglatt. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 4. September 1884 in Österreich verboten.

  • 2

    Théophile Ferré (1845–1871): Blanquist, als Communarde zum Tod verurteilt und am 28. November 1871 in Paris (Frankreich) erschossen; Eugène Varlin (1839–1871): libertärer Sozialist, Buchbinder, als Communarde am 28. Mai 1871 in Paris erschossen; Joe Brady (1852–1883): irischer Unabhängigkeitskämpfer, war am 6. Mai 1882 an der Ermordung des britischen Politikers Lord Frederick Cavendish (1836–1882) und des Beamten Thomas Henry Burke (1829–1882) im Phoenix Park in Dublin (Vereinigtes Königreich Großbritannien und Irland [Dublin / Baile Átha Cliath, Irland]) beteiligt und wurde dafür am 14. Mai 1883 in Dublin gehenkt; Patrick O’Donnell (1835–1883): Bauarbeiter und irischer Unabhängigkeitskämpfer, erschoss am 29. Juli 1883 den Kronzeugen in den Dubliner Prozessen James Carey (1845–1883) auf dem Schiff »Kinfauns Castle« nahe der britischen Colony of Natal (Kolonie des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Irland [KwaZulu-Natal, Südafrika]), welcher am 6. Mai 1882 an der Ermordung des britischen Politikers Lord Frederick Cavendish und des Beamten Thomas Henry Burke im Phoenix Park in Dublin beteiligt war und dann zum Verräter wurde; O’Donnell wurde dafür am 17. Dezember 1883 gehenkt; Giovanni Passanante (1849–1910): Koch, versuchte am 17. November 1878 den italienischen König Umberto I. di Savoia (1844–1900) zu erdolchen und verletzte diesen schwer; er wurde am 7. März 1879 zum Tod verurteilt und am 29. März 1879 zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt; Sofja Lwowna Perowskaja ‹Софья Львовна Перовская› (1853–1881): Sozialrevolutionärin, leitete am 13. März 1881 das Bombenattentat auf den allrussischen Kaiser (Zar) von Russland Alexander II. ‹Александр II› (1818–1881) in Sankt Petersburg ‹Санкт-Петербург› (Russland); sie wurde am 15. April 1881 gehenkt; Alexander Konstantinowitsch Solowjow ‹Александр Константинович Соловьёв› (1846–1879): Lehrer, dann Amtsschreiber und Sozialrevolutionär, verübte am 14. April 1879 ein – allerdings gescheitertes – Attentat auf den allrussischen Kaiser (Zar) von Russland Alexander II. ‹Александр II› und wurde deswegen am 28. Mai 1879 gehenkt; Max Hödel (1857–1878): Klempnergeselle, dann Gelegenheitsarbeiter, schoss am 11. Mai 1878 auf Kaiser Wilhelm I. (1797–1888), wobei der Kaiser unverletzt blieb; Max Hödel wurde deswegen am 16. August 1878 geköpft; Karl Eduard Nobiling (1848–1878): Hauslehrer, dann Landwirtschaftsfachmann, Doktor der Philosophie (Dissertation: Beiträge zur Geschichte der Landwirthschaft des Saalkreises der Provinz Sachsen. Berlin: Unger 1876), schoss am 2. Juni 1878 mit einer Schrotflinte auf Kaiser Wilhelm I. und verletzte ihn schwer mit dreißig Schrotkörnern an Kopf und Armen; danach richtete Karl Eduard Nobiling die Waffe gegen sich und erlag am 10. September 1878 seinen Verletzungen; János Libényi (1831–1853): Schneider, versuchte am 18. Februar 1853 Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) zu erdolchen, wobei der Kaiser nur leicht verletzt wurde; János Libényi wurde am 23. Februar 1853 zum Tod verurteilt und am 26. Februar 1853 gehenkt. – Eugène Varlin war ein libertärer Sozialist, Giovanni Passanante könnte Anarchist genannt werden, Max Hödel, der sich selbst als solcher bezeichnete, und Karl Eduard Nobiling waren Anarchisten. Alle anderen hier genannten Personen gehörten anderen weltanschaulichen Lagern an.