Die Zeitung »Freiland« (1891–1894)
Sprachrohr der Freiland-Bewegung war die Zeitung »Freiland. Organ der Freiland-Vereine« (Wien),1 welche zwischen dem 4. Juli 1891 und dem 20. November 1894 in vier Jahrgängen mit fünfundsiebzig Nummern mit zusammen dreihundertzwölf Seiten erschien. Herausgeber der monatlich zwei Mal erscheinenden Zeitung war Theodor Hertzka (1845–1924), verantwortlicher Redakteur der Arzt und Journalist Heinrich Herrnfeld (1837–1917). Die meisten Beiträge stammen von Theodor Hertzka, einige wohl auch von dem namentlich nie zeichnenden Heinrich Herrnfeld. Dazu kommen viele anonym abgedruckte Artikel von Gesinnungsgenossen. Namentlich gezeichnete beziehungsweise entschlüsselte Beiträge stammen von William A. Chanler (1867–1934), Robert H. Cowdrey (1852–1924), Michael Flürscheim (1844–1912), Robert Friedberg (1851–1920), Ludwig von Höhnel (1857–1942), Heinrich Hohenemser (1834–1894), Leopold Katscher (1853–1939), Pjotr Alexejewitsch Kropotkin ‹Пётр Алексеевич Кропоткин› (1842–1921),2 John Henry Mackay (1864–1933),3 Henry Oswalt (1849–1934), Alois Pollak (1844–1904), Hanns Salner, Franz Schindler (1865–1914), Otto Stollowsky (1870–?), Albert Südekum (1871–1944), Alfred Russel Wallace (1823–1913) und Julius Wilhelm (1861–1939).4
Die Zeitung vereinigte mehrere Funktionen. Zunächst einmal sollte sie über die Freiland-Bewegung informieren, über ihre Organisationsversuche und vor allem über Vorbereitung wie Durchführung der Freiland-Expedition an den Fluss Tana 1894. Daneben wurde das Organ für die eingehende Erörterung spezieller Fragestellungen, welche in Theodor Hertzkas Roman »Freiland« nur gestreift wurden, genutzt. Schließlich diente es als Mittel zur Abgrenzung von anderen sozialreformerischen und politischen Bewegungen. Dies erfolgte einerseits durch offene Briefe Herztkas an unterschiedliche Sozialtheoretiker und -praktiker, andererseits durch die Wiedergabe von Vorträgen und Diskussionen des »Wiener Freiland-Vereins«. Hier finden sich Diskussionsbeiträge unter anderem vom Arzt Journalisten und sozialdemokratischen Politiker Victor Adler (1852–1918), vom Fabrikanten, Theosophen und Publizisten Friedrich Eckstein (1861–1939), vom Rechtsanwalt und Journalisten Friedrich Elbogen (1854–1909), von der Journalistin, Sozialreformerin und Frauenrechtlerin Auguste Fickert (1856–1910), vom Drechslergehilfen Nestor von Hueber, vom Ingenieur, Patentanwalt, Schriftsteller und Komponisten Fritz Karmin (1848–1922), vom Damenschneider sowie ehemaligen Wiener Gemeinderat und Reichsratsabgeordneten Anton Kreuzig (1828–1905), vom Fabrikanten Emil von Neuman (1857–1936), vom Rechtsanwalt, Rechtsphilosophen, Sozialpolitiker und linksliberalen Politiker Julius Ofner (1845–1924), vom Kunsthändler und Galeristen Gustav Pisko (1866–1911), vom Fabrikanten Alois Pollak (1844–1904), vom Maschinisten Michael Salamon (1858–1944), vom Journalisten und Zeitungsverleger Moriz Széps (1835–1902) sowie vom Eisenbahnbeamten, Journalisten und Schriftstller Rudolf Tambour (1858–1924). Die genannten Personen waren keineswegs alle Anhänger der Freiland-Bewegung, doch sie bezeugen das weite Interesse an derselben. Hervorgehoben sei noch der Diskussionsabend des »Wiener Freiland-Vereins« vom 22. März 1892. Hier trat auch der ehemalige Oppositionsführer der späteren Unabhängigen Socialisten und nunmehrige Sozialdemokrat Rudolf Hanser (1859–1909) auf, ebenso der Journalist Hermann Kadisch (1862–1934) – hier noch als Sozialdemokrat –, der später in den anarchistischen Bewegungen in Österreich eine interessante Rolle spielte.5
Autor: Reinhard Müller
Version: Juli 2025
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Daten
- 1
Es gab damals auch außerhalb Österreichs Freiland-Zeitschriften, etwa »Frilandsbladet. Organ for Frilandstheoriernes Udbredelse« (København) 1892 bis 1895, »The Social Problem. Organ of the British Freeland Association« (London) 1893 und »Vrijland. Orgaan der Nederlandsche Vrijlandsvereeniging« (Groningen) 1894 bis 1897.
- 2
Vgl. Peter Kropotkin [d. i. Pjotr Alexejewitsch Kropotkin ‹Пётр Алексеевич Кропоткин› (1842–1921)]: ‹La conquête du pain›, in: Freiland (Wien), in: 2. Jg., Nr. 2–3 (15. August 1892), S. 5–7, 2. Jg., Nr. 4 (1. September 1892), S. 3–4, und 2. Jg., Nr. 5 (20. September 1892), S. 1.
- 3
Vgl. den Briefwechsel von Theodor Hertzka (1845–1924) mit John Henry Mackay (1864–1933): Ein Breifwechsel mit Henry Mackay, in: Freiland (Wien), 2. Jg., Nr. 23/24 (30. Juni 1893), S. 1–5.
- 4
Nicht zugänglich waren mir von der Zeitung »Freiland« (Wien) die Hefte [1]. Jg., Nr. 1, 2, 11, 14, sowie 4. Jg., Nr. 1, 2, 3. Nicht berücksichtigt wurden die zahlreichen Diskussionsbeiträge namentlich genannter Personen auf Versammlungen der Freiland-Vereine; siehe dazu weiter unten.
- 5
Vgl. [anonym]: Wiener Freiland-Verein, in: Freiland (Wien), [1]. Jg., Nr. 19/20 (7. April 1892), S. 1–2. Weitere Diskussionsbeteiligungen von Hermann Kadisch (1862–1934) finden sich jeweils in der Rubrik [anonym]: Wiener Freiland-Verein, in: ebenda, 2. Jg., Nr. 13 (31. Jänner 1893), S. 1–3, 2. Jg., Nr. 14/15 (23. Februar 1893), S. 1–3, 2. Jg., Nr. 16/17 (28. März 1893), S. 1–5, 2. Jg., Nr. 20 (15. Mai 1893), S. 1–3.