Julius Wilhelm (1861–1939)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist Julius Alexander Wilhelm
Geburtsdatum
9. Dezember 1861
Geburtsort
Sterbedatum
23. April 1939
Sterbeort
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch

Vater: Franz Xaver Jacob Anton Carl Wilhelm (Wien 20. Dezember 1827 – Wien 25. Jänner 1904), Sohn einer Hausfrau und eines Händlers: Kaufmann (Material- und Medizinwarenhandel), Präsident des »Österreichisch-ungarischen Export-Vereines«; Heirat in Wien am 15. Februar 1857 mit:
Mutter: Alexandra Maria Anna Wilhelm, geborene Dehne (Wien um 1835 – Wien 13. Dezember 1873), Tochter einer Hausfrau und eines Hausbesitzers und Wiener Gemeinderates: Hausfrau
Bruder: Eduard August Wilhelm (Wien 18. November 1857 – Wien April 1925): Kommerzialrat, Sachverständiger und Schätzer
Schwester: Augusta Anna Aloisia Wilhelm (Wien 5. Jänner 1859 – ?): Hausfrau
Bruder: Heinrich Franz Wilhelm (Wien 15. April 1860 – Wien 29. Jänner 1932): Kommerzialrat, Präsident der »Franz Wilhelm & Co, Aktiengesellschaft«
Bruder: Franz Karl Wilhelm (Wien 13. März 1863 – Wien 7. Juni 1919): Buchhalter
Bruder: Ludwig Robert Wilhelm (Wien 14. August 1865 – Wien 24. Mai 1935): Chemiker
Schwester: Aloysia Mathilde Wilhelm, verheiratete Prantner (Wien 12. Dezember 1869 – Wien 25. April 1955): Hausfrau
Schwester: Alexadrine Wilhelm
Ehe: mit Rosalia Mayreder (12. Juni 1867 – Lussinpiccolo / Klein-Lötzing, Istrien [Mali Lošinj, Kroatien] 14. November 1892): Hausfrau; an Lungentuberkulose verstorben

Biographie

Julius Wilhelm studiere Chemie an der Universität Wien und wurde zum Dr. phil. promoviert. Seit 1890 war er als Kaufmann in Wien tätig.

Julius Wilhelm war von Beginn an Anhänger der Freiland-Bewegung von Theodor Hertzka (1845–1924). Er gehörte dem so genannten Actions-Comité an, welches auf der Konferenz der Freiländer in Pörtschach am Wörthersee / Poreče ob Vrbskem jezeru (Kärnten), 15. und 16. August 1891, konstituiert wurde. Mit der Gründung dieses Komitees nahm die Freiland-Expedition offiziell ihren Anfang. Etliche Diskussionsbeiträge sowie einige Artikel von Julius Wilhelm wurden in der vom 4. Juli 1891 bis 20. November 1894 erschienenen Zeitung »Freiland. Organ der Freiland-Vereine« (Wien) veröffentlich. Organisatorisches Zentrum der Freiländer war der am 12. November 1891 konstituierte »Wiener Freiland-Verein«, dessen Schriftführer Wilhelm wurde.

Ziel der Tagung in Pörtschach am Wörthersee / Poreče ob Vrbskem jezeru war die Konkretisierung der Expeditionspläne zur Erschließung freien Landes in Afrika. Anfang 1892 begann man mit der intensiven Vorbereitung der Vorexpedition an den Oberlauf des Flusses Tana im Sultanat Sansibar ‹Usultani wa Zanzibar / Sultanate of Zanzibar / سلطنة زنجبار› [Kenia]. Da das Sultanat unter starkem Einfluss des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Irland stand, reiste Julius Wilhelm im Mai 1893 im Auftrag der Actions-Comités nach London (England), um die von der »British Freeland Association« eingeleiteten Verhandlungen mit der »Imperial British East Africa Company« zum Abschluss zu bringen. Ein Treffen mit dem Unterstaatssekretär im britischen Auswärtigen Amt, Sir Philip Henry Wodehouse Currie (1834–1906), verlief durchaus positiv. Im Juni 1893 kehrte Wilhlem optimistisch nach Wien zurück und wurde im November 1893 zum Bevollmächtigten der Freiland-Expedition ernannt. Am 15. Februar 1894 reiste Julius Wilhelm von Wien ab und begab sich über Triest (Küstenlande [Trieste, Italien]) und Port Said ‹سعيد بور› (Osmanisches Reich [Ägypten]) auf die Insel Lamu (Sultanat Sansibar [Kenia]). Ihm folgten am 28. März 1894 die restlichen Mitglieder der Expedition. Am 1. April 1894 wurde in Lamu das Freilandhaus »Freeland« fertiggestellt, welches als Basislager fungieren sollte und das in den nächsten Tagen bezogen wurde. Die aus sechsundzwanzig Personen bestehende Expedition schickte zwar am 27. Mai 1894 eine Vorausgruppe den Fluss Tana aufwärts. Doch am 11. Juni 1894 teilte Julius Wilhelm aus Lamu Theodor Hertzka mit, dass die Expedition auf Geheiß des Sultans von Sansibar – wohl auf Druck des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Irland – die Expedition wegen einer befürchteten Revolution, die angeblich unmittelbar bevorstünde, nicht stattfinden könne. »Ich bin recht deprimirt; werden Sie die ganze Geschichte nicht für ein Ammenmärchen halten und für eine Feigheit meinerseits, dass ich vor der angeblichen Gefahr zurückweiche? Sie halten vielleicht die Macht Englands für so gross, dass es über solche elende Versuche des Araberthums nur lächeln könne. Bricht der Aufstand los, so wird uns Klugheit nicht abgesprochen werden, herrscht jedoch hier Frieden, so kann unser Rückzug das Grab unseres Werkes sein; wir sind dann vielleicht unsäglich lächerlich.«1 Am 6. Juli 1894 begann Julius Wilhelm auf Geheiß von Theodor Hertzka mit der Liquidierung der Expedition, und in den folgenden Wochen kehrten fast alle Teilnehmer in ihre Heimat zurück. Damit fand diese Freiland-Expedition ihr Ende. Auch Julius Wilhelm kehrte nach Wien zurück, unternahm aber vom September 1894 bis Februar 1895 mit dem Kaufmann und Afrika-Forscher Gustav Denhardt (1856–1917), der schon 1878 eine Expedition den Tana aufwärts gemacht hatte, eine weitere Expedition nach Britisch-Ostafrika. Als er im Februar 1895 von Mombasa (Sultanat Sansibar [Kenia]) nach Wien zurückkehrte, blieb Wilhelm weiterhin in der Freiland-Bewegung aktiv und war 1896 bis 1898 Vizepräsident des »Wiener Freiland-Vereins«.

Im November 1895 wurde Julius Wilhelm Prokurist der Firma »Helfr. Baron Kaiserstein & Comp., offene Gesellschaft«, ein Unternehmen in Raasdorf (Niederösterreich) zur gewerbsmäßigen Erzeugung von Kraftfutter für Nutztiere. Diese Firma führte Wilhelm, Mitglied des »Vereins österreichischer Chemiker«, seit April 1898 als »Dr. Julius Fischer, Roburfabrik, vorm. Helf. Baron Kaiserstein & Comp.« allein weiter, bis sie im Jänner 1902 aus dem Firmenregister gelöscht wurde. Wilhelm, der sich seit 1897 als Schriftsteller bezeichnete, hielt zahlreiche Vorträge über die gescheiterte Freiland-Expedition, aber auch über die soziale Frage und die Friedensbewegung. Er schloss sich nun den anarchistischen Freiheitlichen Sozialisten um Hermann Kadisch (1862–1934) an. Kadisch initiierte innerhalb der Freiheitlichen Sozialisten eine eigene Bewegung, die sich in dem 1897 gegründeten Verein »Jung-Oesterreich« sammelte. Julius Wilhelm war 1898 bis 1902 Obmann dieser »Vereinigung aller Modernen zum Zwecke der Pflege von Sozialwissenschaft, Literatur und Kunst«. 1906 bis 1907 war Wilhelm Sekretär des »Österreichisch-ungarischen Export-Vereines«, dem er schon seit 1892 als Mitglied angehörte, und war 1906 bis 1907 Redakteur der Zeitschrift »Mitteilungen des österreichisch-ungarischen Export-Vereines« (Wien). Im Jänner 1908 wurde Wilhelm Sekretär des »Österreichischen Orientvereins«.

Im Februar 1910 wurde Julius Wilhelm beamteter Sekretär der österreichisch-ungarischen Handelskammer in Paris (Frankreich). Nach Beginn des Ersten Weltkriegs wurde Wilhelm am 10. August 1914 als feindlicher Ausländer in ein Internierungslager nahe Angers (Frankreich) eingeliefert. Ende September 1914 ging es Richtung Brest (Frankreich), wo er in der Festung Lanvéoc /Lañveog (Frankreich) interniert wurde. Erst im März 1916 konnte Wilhelm nach Wien zurückkehren.

1919 schloss sich Julius Wilhelm der »Sozialistischen Vereinigung geistiger Arbeiter«, vor allem aber dem am 22. Juli 1919 konstituierten anarchistischen »Freiheitlich-sozialistischen Volksverein« des Realschuldirektors Georg Hanisch (1876–1946) und des Ingenieurs Karl Janotta (1880–1966) an, mit dem Ziel, die Freiland-Idee Theodor Hertzkas zu verwirklichen. Beruflich wurde Wilhelm nach Auflösung der österreichisch-ungarischen Handelskammer in Paris Beamter beim Österreichischen Handelsmuseum in Wien 9., Berggasse 16. Daneben positionierte sich Wilhelm nunmehr als Anhänger eines lebensreformerischen genossenschaftlichen Sozialismus und war 1920 bis 1925 regelmäßiger Mitarbeiter der Zeitung »Der freie Genossenschafter. Fachblatt für wirtschaftliche Selbsthilfe und Gemeinwirtschaft« (Wien).

Im April 1921 unternahm Julius Wilhelm eine Reise nach China, genauer nach Shanghai ‹上海市›. 1922 übersiedelte er nach Tientsin [Tianjin ‹天津市›] (China), wo er sich dem Studium der chinesischen Wirtschaft widmete.

Erst im Sommer 1923 kehrte Julius Wilhelm nach Wien zurück. Seit 1925 engagierte er sich verstärkt für die innere Kolonisation in Österreich als Lösung des Arbeitslosenproblems. Von 1926 bis 1931 war er regelmäßiger Mitarbeiter der Zeitung »Der Tag« (Wien) und von 1931 bis 1937 des Organs »Kleine Volks-Zeitung« (Wien), wo er vor allem wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Artikel veröffentlichte. Und am 12. September 1926 hielt er erstmal einen Vortrag im Radio Wien der RAVAG (Radio-Verkehrs-Aktien-Gesellschaft). Als am 11. Jänner 1927 der »Verein zur Errichtung eines Forschungsinstitutes für Innenkolonisation« in Wien 1., Singerstraße 16, gegründet wurde, wurde Wilhelm zum Obmann gewählt, der Güterinspektor Leopold Reinagl (1859–1933) zum Obmann-Stellvertreter. Seit 1927 widmete sich Wilhelm auch wieder verstärkt der Friedensbewegung und wurde Mitglied des »Bundes der Kriegsdienstgegner«. Im Dezember 1928 war er Mitbegründer des »Kultur- und Wirtschaftsvereins ›Idealbund‹«, dann Ausschussmitglied des im April 1930 gegründeten »Vereins für Kultur- und Wirtschaftsdemokratie«. Außerdem war er 1931 Obmann der »Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Innenkolonisation«, eine Dachorganisation mehrerer Vereine für innere Kolonisation. 1933 wurde er Vorstandsmitglied der »Gemeinnützigen Bau-, Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft ›Hortense‹, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung«. Seit Jänner 1935 bemühte sich Wilhelm um die Gründung eines »Institutes für Siedlungsforschung und -förderung«. Und im November 1935 gehörte er dem Ausschuss der Enquete »Was soll die Jugend für den Frieden tun?« an. Noch am 21- Februar 1938 hielt er als – seit 1937 – Obmann des »Wiener Kulturklubs« den Vortrag »Josef Popper-Lynkeus und Theodor Hertzka (Freiland Nährarmee). Vergleich und Synthese«. Am 28. März 1938 wurde Wilhelm von einem Auto niedergestoßen und schwer verletzt.

Adressen

  • Wien 1., Stadt 921 (Geburtsadresse)

  • Wien 1., Maximilianstraße 14 (1891–1892)

  • Wien 1., Dorotheergasse 10 (1894–1896)

  • Wien 18., Bastiengasse 20 (1905)

  • Wien 18., Währinger Straße 147 (1907)

  • Wien 8. Piaristengasse 2 (1915)

  • Wien 13., Hadikgasse 124 (1932)

  • Wien 7., Hermanngasse 14 (letzte Wohnadresse)

  • Wien 9, Allgemeines Krankenhaus, Währinger Gürtel 18–20 (Sterbeadresse)

Bücher und Broschüren

  1. Frachtporto. Ein Vorschlag die bei dem Postverkehr üblichen Grundsätze der Gebührenbemessung auf alle Transportleistungen auszudehnen. Von Dr. Julius Wilhelm. Wien: Im Selbstverlag 1891, 34 S.

  2. Frachtporto. Ein Vorschlag, die bei dem Postverkehr üblichen Grundsätze der Gebührenbemessung auf alle Transportleistungen auszudehnen. Von Dr. Julius Wilhelm. Wien: Verlag von Leopold Weiss 1892, 100 S.
    b) Frachtporto. Ein Vorschlag die bei dem Postverkehr üblichen Grundsätze der Gebührenbemessung auf alle Transportleistungen auszudehnen. Von Dr. Julius Wilhelm. Wien: Manz’sche k. u. k. Hof-Verlags- und Universitäts-Buchhandlung 1900, XIV, 138 S. Um ein Vorwort erweiterte zweite Auflage.

  3. Export und Exportförderung. Von Dr. Julius Wilhelm, Sekretär des Österreichisch-ungarischen Export-Vereines. Wien – Leipzig: Alfred Hölder, k. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1908, 172 S.

  4. Sanierung der Wirtschaft – wodurch?? Zwei Referate. Dr. Julius Wilhelm: Abbau der Grossstadt und innere Kolonisation. Leopold Reinagl: Abbau der Arbeitslosigkeit durch gemeinnützige Bodenwirtschaft. Wien – Leipzig: Verlag von Moritz Perles 1925 (= Gegen den Strom! 4.), 48 S. Koautor: Leopold Reinagl (1859–1933).

  5. Technik und Ethik. Von Dr. Julius Wilhelm. Wien: Sozialpädagogische Gesellschaft 1925 (= Flugschriften der Sozialpädagogischen Gesellschaft. 12.), 27 S.

  6. Stimmen zur inneren Abrüstung in Österreich. Das Ergebnis einer schriftlichen Enquete, veranstaltet vom Komitee für innere Abrüstung in Österreich. Herausgegeben vom Bund der Kriegsdienstgegner Österreichs gemeinsam mit den Vereinen: Die Bereitschaft, Die politische Gruppe der österr[eichischen] Frauenliga für Frieden und Freiheit, Der Freidenkerbund, Landesverband Wien der Kriegsinvaliden und Kriegshinterbliebenen Österreichs, Österreichische Friedensgesellschaft, Verein Allgem[eine] Nährpflicht, Gesellschaft der Freunde. [Wien]: [Bund der Kriegsdienstgegner Österreichs] [1928], 10 S. Enthält unter anderem eine Stellungnahme zum Thema »Innere Abrüstung« von Julius Wilhelm, S. 7.

  7. Erziehung zum Frieden. Von Dr. Julius Wilhelm. Wien: Corina Nohel 1929, 16 S.

  8. Der neue Wirtschaftsgedanke. [Von] Paul Ehrenzweig, Julius Wilhelm. Die Umwandlung der Überproduktion in allgemeinen Wohlstand. Wien: Verlag »Die Bereitschaft« 1933, 32 S. Koautor: Paul Ehrenzweig (1889–1975).

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