Leo Walecka (1856–1914)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist Leo Waleczka
falsche Namensschreibweise: Leo Valecka
falsche Namensschreibweise: Leo Waleck
falsche Namensschreibweise: Leo Walecky
falsche Namensschreibweise: Leo Wolecka
Geburtsdatum
1856
Geburtsort
Sterbedatum
27. November 1914
Sterbeort
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch, dann konfessionslos

Ehe: Marie [?] (? – Wien Juli 1925): Hausfrau und sozialdemokratische Frauenrechtlerin
Kinder: keine

Biographie

Leo Walecka, der in Wien die Unterrealschule und die Gewerbeschule besuchte, wurde Mechaniker. Schon jung in der sozialistischen Arbeiterbewegung aktiv, schloss er sich 1874 in Berlin (Preußen [Berlin]) der Eisenacher Richtung der Sozialdemokratie an und wurde im Jänner 1880 zum Obmann des Wiener »Arbeiter-Bildungsvereins« gewählt, dessen Schriftführer er zuvor war. Anfang Jänner 1880 sprach sich Walecka, der sich rasch zu einer wichtigen Persönlichkeit der radicalen Arbeiterbewegung entwickelte, in einer Sitzung der Wiener Lokalorganisation der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« gemeinsam mit Franz Xaver Schneider (1857–1896?) für eine geheime Club-Organisation zur Verbreitung revolutionärer Ideen aus. Als Ende Juni 1880 der Chemiker und Apothekergehilfe Wilhelm Ludwig Fleron (1858–1935) im Auftrag von Johann Most (1846–1906) nach Wien kam, um hier die Gründung geheimer Clubs und das so genannte Gruppensystem zu propagieren, kam es im August 1880 zur Umgestaltung des Wiener Agitationskomitees der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs«, in welches nun Leo Walecka als Sekretär gewählt wurde. Dieses Komitee berief die erste geheime Delegiertenkonferenz der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« ein, welche am 12. September 1880 in einem Wald bei Mürzzuschlag (Steiermark) stattfand und auf der Walecka als Wiener Delegierter Hauptreferent war. Es wurden vor allem die Organisation der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« in geheimen Clubs und die Verlegung der Parteileitung von Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]) nach Graz (Steiermark) diskutiert. Endgültige Beschlüsse sollten jedoch erst auf der nächsten Delegiertenkonferenz gefasst werden. Seit August 1880 hatte Walecka auch die Redaktion der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) inne, und zwar bis zu seiner Verhaftung am 6. Oktober 1880 im Zuge der großen Verhaftungswelle unter den Wiener Radicalen. Grund der Festnahme war die so genannte Bambusrohr-Affäre, das heißt, die Aufdeckung des Schmuggels der Zeitung »Freiheit« (London) in Stöcken aus Bambusrohr von London (England) nach Wien, nachdem eines der Rohre geplatzt war und die darin versteckten 246 Exemplare der Zeitung sowie Exemplare der Flugblätter »An die ›unteren‹ Postbeamten! Leidensgenossen!«1 und »An das deutsche Proletariat«2 herausfielen. Leo Walecka wurde – gemeinsam mit dreizehn anderen Radicalen – im Prozess, der vom 10. bis 12. Februar 1881 vor dem Landes- als Schwurgericht Wien verhandelt wurde, der Verbrechen des Hochverrats und der Majestätsbeleidigung sowie des Vergehens der Aufwiegelung angeklagt und zu vier Jahren Arrest, verschärft durch einen Fasttag pro Monat, sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Waleckas Rekurs wurde am 3. April 1881 verworfen, ebenso sein Ersuchen, in das Gefängnis für politische Häftlinge in Suben (Oberösterreich) zu kommen.

Am 15. April 1881 wurde Leo Walecka ins Gefängnis in Stein ([zu Krems an der Donau], Niederösterreich) eingeliefert, wo er sich für Einzelhaft entschied, die er als politischer Gefangener verbüßte. Dies hätte ihm die Möglichkeit gegeben, sich mit geistiger Arbeit nach seiner Wahl beschäftigen zu können. Dennoch wurde ihm als Beschäftigung das Malen von Briefpapierköpfen und Kuverts zugewiesen, wohl weil er nicht nur wegen des politischen Verbrechens des Hochverrats, sondern auch wegen des nichtpolitischen Verbrechens der Majestätsbeleidigung verurteilt worden war. Somit war sein Status als politischer Häftling nicht ganz geklärt. Die Haftbedingungen waren schrecklich: Im Winter 1881/1882 war es dort so kalt, dass Walecka in seiner Zelle die Finger erfroren.

Als Leo Walecka am 7. Jänner 1884 aus der Haft entlassen wurde, wollten ihm die Genossinnen und Genossen am Wiener Westbahnhof einen großen Empfang bereiten. Walecka hätte von Josef Peukert (1855–1910) von Stein an der Donau abgeholt werden sollen, doch kam es nicht dazu, weil Walecka bereits etwas früher entlassen und auf einem anderen Weg nach Wien gebracht worden war. Davon hatten aber die Wiener Genossinnen und Genossen keine Ahnung. Die Gegend um den Westbahnhof, von Fünfhaus (Niederösterreich [zu Wien 15.]) bis Währing (Niederösterreich [zu Wien 18.]), wurde von berittener Polizei und Militär besetzt, um die zum Bahnhof strömenden Arbeiterinnen und Arbeiter aufzuhalten. Dieses Großaufgebot führte zu kleineren Straßenschlachten. Da ein Arbeiterfest, das man am 13. Jänner 1884 zu Ehren Leo Waleckas veranstalten wollte, verboten wurde, wurde das zweite Gründungsfest des Wiener »Allgemeinen Arbeitervereins« am 27. Jänner 1884 hierzu umfunktioniert. Es war dies die letzte große Veranstaltung der Wiener Radicalen vor der Verhängung der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 über die Gerichtsbezirke Wien und Korneuburg (Niederösterreich). Leo Walecka sollte nach seiner Entlassung auch wieder eine wichtige Rolle unter den Wiener Radicalen spielen. So sollte er im Falle einer Verhaftung von Josef Peukert an dessen Stelle treten, und er wurde auch in das Herausgeberkomitee der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) gewählt. Als er versuchte, die Gelder aus der Redaktion zur Unterstützung Verfolgter zu retten, wurde er verhaftet und mehrere Tage festgehalten.

Nach der Verhängung der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 flüchtete Leo Walecka im Februar 1884 in die Schweiz, wo er sich in St. Gallen / Saint-Gall / San Gallo (Kanton St. Gallen) als Schlosser niederließ. Hier schloss er sich der Gruppe um den Anarchisten Johann Neve alias John Neve (1844–1896) an, der Hauptorganisator des Schmuggels der Zeitung »Freiheit« (New York) nach Österreich und Deutschland war. In St. Gallen arbeitete Leo Walecka eng mit aus Österreich exilierten Anarchisten zusammen, etwa mit Adolf Brylicki (1852–?), mit dem Schuhmachergehilfen Károly Halbedl (1847–1914), mit dem Seilergehilfen Josef Klinger (1856–?) und mit dem Drechslergehilfen Josef Koubský (1855–?). Leo Walecka soll dort auch an der Herausgabe anarchistischer Druckschriften mitgewirkt haben. Im Juli 1884 übersiedelte Walecka nach Henau [Uzwil] (Kanton St. Gallen), und im August 1884 nahm er an dem geheimen Kongress der in der Ostschweiz lebenden Sozialrevolutionäre teil, bei welchem aus Österreich auch noch der Maschinenschlossergehilfen Johann Durst (1854–?), der Schneider Ignaz Formanek (1854–nach 1905), Karl Halbedl, der Mechaniker Josef Kaufmann (1841–?) – übrigens ein umgedrehter ehemaliger Polizeispitzel – und Josef Klinger anwesend waren. Der Kongress befasste sich vor allem mit dem Schmuggel sozialrevolutionärer Schriften nach Österreich.

Vermutlich im August 1884 kehrte Leo Walecka nach Wien zurück und arbeitete zunächst als Buchhalter. Ende 1886 soll er eine Aussprache mit dem Ministerpräsidenten und Innenminister Eduard Graf Taaffe (1833–1895) gehabt haben, der ihm eine Vermittlerfunktion innerhalb der Arbeiterbewegung angeboten haben soll, was Walecka jedoch mit dem Hinweis auf seinen gänzlichen Rückzug aus der Bewegung abgelehnt haben soll. Ende 1887, Anfang 1888 schloss sich Leo Walecka dann dem Arzt und Journalisten Victor Adler (1852–1918) an und übernahm als zentrale Persönlichkeit der deutschsprachigen Sozialdemokratie Österreichs die Vermittlerrolle zwischen Gemäßigten und Radicalen.

Leo Walecka wurde im Februar 1888 in den Vorstand des »Vereins für Arbeitsvermittlung« gewählt. Nunmehr Mitglied der zur Jahreswende 1888/1889 gegründeten »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei«, unterzeichnete er als Werkführer den Aufruf des provisorischen sozialdemokratischen Zentralwahlkomitees vom 28. Jänner 1891. Ebenfalls 1891 wurde Walecka Obmann des »Margarethener Volksvereins«, 1893 Obmann-Stellvertreter des »Verbands der Genossenschaft-Krankenkassen Wiens«. Und bei den Wiener Gemeinderatswahlen 1896 kandidierte er für die »Sozialdemokratische Arbeiterpartei«. Auf dem Internationalen Kongress für den gesetzlichen Arbeiterschutz, der vom 25. bis 28. August 1897 in Zürich / Zurich / Zurigo (Kanton Zürich) stattfand, vertrat Walecka den »Verband der Arbeiter-Kranken- und Unterstützungs-Kassen Österreichs«. Ab 1890 gab er die Zeitung »Arbeiterschutz. Organ der Krankenkassen Oesterreichs« (Wien) heraus. 1899 wurde Leo Walecka Obmann des »Sozialdemokratischen Margarethener Wahlvereins«, 1902 Sekretär der Wiener »Allgemeinen Arbeiter-Kranken- und Unterstützungskasse«. Leo Waleckas Leiche wurde gemäß seinem Wunsch in der nächstgelegenen Einäscherungsanstalt, in Zittau (Sachsen), eingeäschert und die Urne dann in Wien beigesetzt.

Adressen

  • Wien 6, Mollardgasse 8 (letzte Wohnadresse)

Die Zukunft (Wien) 1880 bis 1881

Karte
  • 1

    Vgl. [anonym]: An die »unteren« Postbeamten! Leidensgenossen! London: Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit« [1880]. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 22. Oktober 1880 in Österreich verboten.

  • 2

    Vgl. [anonym]: An das deutsche Proletariat. [London]: [Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit«] [1880], Sonderdruck aus der Zeitung »Freiheit« (London) vom 1. Mai 1880. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 22. Oktober 1880 in Österreich verboten.