Wilhelm Ludwig Fleron (1858–1935)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist Vilhelm Ludvig Fléron
seit 1883: William Fleron
Deckname: Aumann
Deckname: Fleuron
Deckname: Petersen
Deckname: Winter
Geburtsdatum
17. September 1858
Sterbedatum
6. November 1935
Sterbeort
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch, dann konfessionslos

Vater: Joseph Ludvig Fléron (Kopenhagen ‹København›, Dänemark 16. März 1826 – 1883): Schmiedemeister; Heirat in Kopenhagen ‹København› (Dänemark) am 7. November 1857 mit:
Mutter: Elise Kristine Fléron, geborene Schelin (Kopenhagen ‹København›, Dänemark 13. August 1825 – ?): Hausfrau
Schwester: Elise Wilhelmine Josepha Fleron (Kopenhagen ‹København›, Dänemark 15. Oktober 1860 – ?)
Schwester: Eleonora Dorothea Louise Fleron (Kopenhagen ‹København›, Dänemark 8. November 1862 –?)
Bruder: Louis Ferdinand Theodor Fleron (Kopenhagen ‹København›, Dänemark 16.Juni 1864 – ?)
Bruder: Carolus Theodorus Fleron (Kopenhagen ‹København›, Dänemark 28. September 1866 – ?)
Bruder: Carolus Axel Fleron (Kopenhagen ‹København›, Dänemark 31. August 1868 – ?)
Ehe: am 7. September 1893 mit Lona Barrison, d. i. Abelone Maria Bareisen; verheiratete Abelone Barrison Fleron (Kopenhagen ‹København›, Dänemark 10. August 1871 – Kopenhagen ‹København›, Dänemark 16. Februar 1939), Tochter einer Hausfrau und eines Regenschirmmachers: Tänzerin, Sängerin, Artistin und Kunstreiterin
Kinder: keine

Biographie

Wilhelm Ludwig Fleron, der fälschlich bisweilen den 17. Februar beziehungsweise 10. September 1858 als sein Geburtsdatum angab, verlebte seine Jugend in den USA, wohin seine Mutter mit ihren Kindern 1873 ausgewandert war. Hier erhielt er eine Ausbildung als Chemiker und Apotheker. Im September 1879 kehrte er nach Europa zurück, und zwar nach London (England). Hier wurde er einer der engsten Mitkämpfer des Buchbindergesellen und nunmehrigen Journalisten und Zeitungsherausgebers Johann Most (1846–1906). In dessen Auftrag brach er 1880 auf, um in Preußen, Sachsen und Österreich die Gründung geheimer Clubs und des so genannten Gruppensystems zu propagierenDadurch sollte eine bessere Koordinierung der Agitation erreicht werden. Stationen waren Paris (Frankreich), Genf / Genève / Ginevra (Kanton Genf, Schweiz) und Zürich / Zurich / Zurigo (Kanton Zürich, Schweiz).

Ende Juni 1880 kam Wilhelm Ludwig Fleron mit einem Empfehlungsschreiben des Technikstudenten Edmund Mikiewicz (1854–1906) aus der Schweiz nach WienEine Folge dieses Besuchs war die im August 1880 erfolgte Umgestaltung des Wiener Agitationskomitees der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs«, in welches nun der Mechaniker Leo Walecka (1856–1914), ein exponierter Vertreter des radicalen Arbeiterbewegung, als Sekretär gewählt wurde. Fleron reiste anschließend nach Budapest (Ungarn) und besuchte Ende Juli 1880 Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]) und Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]). Von dort ging es weiter nach Breslau (Preußen [Wrocław, Polen]), Dresden (Sachsen), Liegnitz (Preußen [Legnica, Polen) und Leipzig (Sachsen).

Danach begab sich Wilhelm Ludwig Fleron nach Kopenhagen ‹København› (Dänemark), wo er verantwortlicher Redakteur der Zeitung »Herolden« (København; Der Herold) wurde. Hier wurde er auf Betreiben des russischen Gesandten in den Niederlanden wegen Verherrlichung des politischen Mordes im Oktober 1881 verhaftet. Er habe als verantwortlicher Redakteur einen Artikel in seiner Zeitung veröffentlicht, in dem der Mord am russischen Zaren Alexander II. ‹Александр II› (1818–1881) gutgeheißen worden sei. Außerdem habe er am 12. März 1881 zu einer Arbeiterversammlung geladen, in der er zur Wiederherstellung einer Arbeiterpartei aufgerufen habe, der politisch jedes Mittel heilig sein solle. Fleron wurde vom Kriminal- als Polizeigericht Kopenhagen am 21. Februar 1882 wegen Verbrechens gegen die Staatsverfassung zu achtzehn Monaten Zwangsarbeit in einer Besserungsanstalt verurteilt.

Nach seiner Haftentlassung übersiedelte Wilhelm Ludwig Fleron 1883 nach New York City (New York, USA). In New York City war er, nunmehr unter dem Namen »William Fleron«, zunächst in der anarchistischen Bewegung wieder als Journalist und Agitator tätig, schrieb aber auch Texte für kleine Varietés der Stadt und für größere in Chicago (Illinois, USA). 1886 lernte er Lona Barrison (1871–1939) kennen. Sie war gerade mit ihrer Mutter und ihren vier Schwestern aus Kopenhagen in die USA eingewandert. Diese fünf Schwestern erhielten nun in New York Tanzunterricht und traten erstmals 1889 in New York auf. 1890 übernahm Fleron als Impresario das Management der Gruppe, übrigens die erste ausschließlich weibliche Varietétruppe der USA. Seit 1892 traten sie als die »Five sisters Barrison« auf und erregten mit ihren für die damalige Zeit gewagten Tänzen und Kostümen bald allgemeines Aufsehen. 1893 heiratete Wilhelm Ludwig Fleron die Älteste der Schwestern, Lona Barrison. Er schrieb ein neues Programm und tourte 1893 bis 1897 durch die USA und Europa. Die Tour startete in Paris (Frankreich), wo die »Five sisters Barrison« in den Folies Bergère, 32 Rue Richer, begeistert aufgenommen wurden. Auf ihrer Europatournee gastierte Wilhelm Ludwig Fleron seit 22. Oktober bis Dezember 1894 mit der Revue »The 5 Sisters Barrison« täglich im Etablissement Ronacher in Wien 1., Seilerstätte 9. 1897 kehrte die Truppe nach New York zurück, wo sie sich noch im selben Jahr auflöste. Nunmehr managte Wilhelm Ludwig Fleron nur mehr seine Ehefrau Lona Barrison in Berlin (Preußen [Berlin]), für die er ein Soloprogramm verfasste, bei dem sie auf einem Schimmel in schwarzer Herrenkleidung auf die Bühne ritt und sich danach bis auf ein Seidenhemdchen entkleidete. Dabei trat sie nach wie vor in einer Truppe unter dem Namen »The five Barrison« auf, wobei die teils ausgeschiedenen Mitglieder der Familie Barrison durch andere Frauen ersetzt wurden. Wieder gab es zahlreiche Gastauftritte in Deutschland und Österreich, seit 1. Februar 1897 neuerlich im Etablissement Ronacher. Nachdem hier »The five Barrison« am 25. Februar 1897 ein letztes Mal auftreten durften, klagte Fleron am 1. März 1897 den Direktor des Etablissements Ronacher Ludwig Moritz Waldmann (1837–1907) vor dem Wiener Handelsgericht wegen der vorzeitigen Auflösung des bis 1. April 1897 vereinbarten Vertrags und erhielt am 6. Dezember 1898 auf dem Weg des Ausgleichs 2.250 Gulden gerichtlich zugesprochen. Einen besonderen Skandal erregte Lona Barrison bei ihren als schamlos empfundenen Gastauftritten, die sie vom 19. bis 22. Februar 1897 im Theater im Stadtpark in Graz (Steiermark) absolvierte. Wie sehr ihm seine anarchistische Vergangenheit nachhing, zeigte sich bei dem vom Schriftsteller und Redakteur Hermann Waldemar Otto (1863–1941) 1897 in Hamburg (Freie und Hansestadt Hamburg) angestrengten Prozess gegen Wilhelm Ludwig Fleuron, bei dem er als Anarchist denunziert werden sollte und dessen Ausweisung aus Preußen gefordert wurde.1

Nachdem das Programm des Ehepaares Fleron als religiös und moralisch anstößig 1901 von den Bühnen in Berlin verbannt wurde, zog sich das Ehepaar nach Kopenhagen zurück, wo Lona Barrison nach jahrelangem Auftrittsverbot als Solistin auftreten konnte. Hier erwarb das mittlerweile zu beachtlichem Reichtum gekommene Ehepaar mehrere Grundstücke und auch eine Villa, die nach dem Tod von Lona Barrison Teil ihrer Stiftung für mittellose Künstlerinnen und Künstler wurde. Im Zuge der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg und wegen gewagter Spekulationen Flerons verlor das Ehepaar zwar einen Teil ihres einstigen Vermögens.

1919 übersiedelte das Ehepaar Fleron nach Wien, wo Lonas Schwester Gertrude Barrison (1880–1946) eine Tanzschule betrieb. Wilhelm Ludwig Fleron arbeitete hier als Schriftsteller und bot seit 1924 gemeinsam mit seiner Ehefrau Privatunterricht für Englisch speziell für Journalisten, seit 1933 auch für Bühne und Tonfilm, an. Lona Barrison Fleron betrieb außerdem einen kleinen Massage- und Maniküre-Salon. Nach dem Tod ihres Ehemannes blieb Lona Barrison Fleron in Wien, wo sie an ihren Memoiren arbeitete, und kehrte erst kurz vor ihrem Tod nach Kopenhagen zurück.

Adressen

  • Kopenhagen ‹København›, Dänemark, Nye Adelgade 5 (Geburtsadresse)
  • Wien 4., Rienößlgasse 7 (mindestens seit 1912; Sterbeadresse)
Karte
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    Vgl. zum Beispiel [anonym]: Die Barrisons – Anarchistinnen? Die Anklage gegen Mr. Fleron, in: Neues Wiener Journal. Unparteiisches Tagblatt (Wien), [5]. Jg., Nr. 1273 (10. Mai 1897), S. [1].