Johann Pischler (1854–)

Persönliche Daten
Geburtsdatum
8. April 1854
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch
Berufe

Vater: Franz Pischler: Wagnermeister; Heirat mit:
Mutter: Anna Pischler, geborene Kmet: Hausfrau

Biographie

Johann Pischler, geboren in und zuständig nach Gottschee, Krain [Kočevje, Slowenien], war Reservefeldwebel und erhielt im November 1878 die silberne Tapferkeitsmedaille zweiter Klasse wegen seines so genannten Heldenmutes bei der Besetzung von Jajce (Osmanisches Reich [Jajce ‹Јајце›, Bosnien und Herzegowina]) durch österreichisch-ungarische Truppen am 29. Juli 1878. Pischler, der eine Schuhmacherlehre absolviert hatte, kam nach Wien, wo er als Schuhmachergehilfe arbeitete und sich der radicalen Arbeiterbewegung anschloss. Er wurde Schriftsführer und mit 18. Juni 1883 zweiter stellvertretender Obmann im »Fachverein der Schuhmacher«. Außerdem zeichnete er 1883 den Rechnungsausweis der radicalen Gewerkschaftszeitung »Schuhmacher-Fachblatt« (Wien).

In der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober 1883 wurde in mehreren Vororten Wiens und in Wien selbst die illegale Flugschrift »Ein Mahnruf an das Volk!«, gezeichnet »Im Sommer 1883, mehrere anarchistische Gruppen«, verteilt.1 Deshalb wurden in den frühen Morgenstunden in Wien und Umgebung mehrere Hausdurchsuchungen durchgeführt, insbesondere bei Schuhmachergehilfen. Zwölf Personen wurden wegen der bei ihnen gefundenen verbotenen Schriften verhaftet, jedoch später wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Zwei von ihnen, die Schuhmachergehilfen Lajos Hlavacsek (1850–?), der seit achtzehn Jahren unbescholten in Wien lebte, und Ferenc Korwasz (1853–?), seit zwölf Jahren in Wien, wurden jedoch am 1. November 1883 aus Niederösterreich in ihre ungarische Heimat abgeschafft. Die ebenfalls verhafteten Schuhmachergehilfen Franz Kraus (1859–?) und Johann Pischler wurden erst im Mitte November 1883 ohne Anklageerhebung freigelassen. Ebenfalls verhaftet wurden der Büchsenmacher Johann Protz (1858–?) und dessen Schwester, die Näherin Marie Protz (1851–?), die bereits nach einigen Tagen ohne Anklageerhebung aus der Untersuchungshaft entlassen wurden. Franz Kraus, die Geschwister Johann und Marie Protz sowie Johann Pischler wurden im Februar 1884 aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 aus Wien ausgewiesen. Johann Pischler wurde sofort unter Überwachung der Polizei-Direktion Wien gestellt: »371 Pischler Johann, Schuhmacher, geb. 1854 und zust. Gottschee, Krain, k., l., mittelgr. , schwächl., mit längl. Ges., ges. Gesichtsf., schwarzen Haaren, Augen u. Augenbrauen, stumpf. Nase, guten Zähnen, Schnurrb. u . Fliege, rund. Kinn, spricht deutsch.«2

Nach seiner Ausweisung begab sich Johann Pischler in die Steiermark, wo er sich in Mürzzuschlag, Bruck an der Mur, Leoben und Kindberg aufhielt. Danach ließ er sich vorübergehend in Laibach (Krain [Ljubljana, Slowenien]) nieder, begab sich aber dann nach Graz (Steiermark).

In Graz wurde errasch eine wichtige Persönlichkeit der radicalen Arbeiterbewegung, wobei er schon früh zum Anarchismus tendierte. Als am 29. August 1886 in der »Puntigamer Bierhalle« in Graz, Jakobigasse 6 [Orpheumgasse 8], eine vom gemäßigten »Politischen Verein ›Wahrheit‹« einberufene Versammlung stattfand, stellte Johann Pischler zum Anarchistengesetz vom 27. Juni 1886 treffend fest: »Der Begriff Anarchist ist überhaupt gar nicht definiert.«3

Am 8. September 1886 fand in Graz, Körösistraße 38, eine Sitzung von steirischen Radicalen und Gemäßigten statt, an der unter Vorsitz von Franz Scherübl (1850–1927) unter anderem der Student der Rechtswissenschaften und spätere Haupttheoretiker des freiheitlichen Sozialismus Hermann Kadisch (1862–1934) teilnahm. Nach heftigen Auseinandersetzungen verließen fünf Gemäßigte und zwei jüdische Vertreter die Sitzung, Die verblieben zwanzig Genossen, überwiegend zum Anarchismus tendierende Radicale, beschlossen die Gründung einer geheimen Organisation mit einem Exekutivkomitee als Leitung. Einflussreichste Persönlichkeit dieser Gruppe wurde der Schneidergehilfe Johann Risman (1864–1936).

Am 7. Februar 1887 fand in der »Puntigamer Bierhalle« in Graz, Jakobigasse 6 [Orpheumgasse 8], eine Volksversammlung des »Politischen Vereins ›Wahrheit‹« zum Problem der Arbeiterkammern statt, an der etwa 400 Arbeiter teilnahmen. Erster Referent war Johann Pischler, der sich für die Schaffung von Arbeiterkammern und für die Erweiterung des Wahlrechts aussprach. Danach sprach sich der Radicale Johann Markitsch dagegen aus und plädierte am Ende seiner Rede für den Internationalismus der Arbeiterschaft aus. Johann Risman sprach für die Radicalen, verwarf ebenfalls das System der Arbeiterkammern sowie das allgemeine Wahlrecht und meinte: »die Sorge für den Staat überlassen wir Anderen«, und er schloss unter lebhaftem Beifall: »Entweder Alles, oder Nichts!«4 Der Schuhmacher Josef Gans (1853–1912), ein exponierter Gemäßigter, empfahl danach die Annahme der von Johann Pischler vorgelegten Resolution, die aber nach einem heftigen Tumult mit großer Mehrheit abgelehnt wurde. Die Resolution von Johann Risman kam nicht mehr zur Abstimmung, weil sie mit der Ablehnung von Pischlers Resolution für angenommen erklärt wurde: »In Erwägung, daß die bestehenden traurigen Verhältnisse der Lohnarbeiter durch die privatkapitalistische Production erzeugt wurde und daß der vom deutsch-österreichischen Club im Parlament eingebrachte Gesetzentwurf weder den Wünschen der Arbeiter entspricht, noch eine Besserung der herrschenden wirthschaftlichen Verhältnisse der Arbeiter herbeiführen kann, erklärt die Versammlung, daß die einzig mögliche Besserung der herrschenden Zustände durch eine radicale Umänderung der bestehenden privatkapitalistischen Productionsweise herbeigeführt werden kann. Alle anderen Vorschläge sind nur Versuche, die Arbeiter von ihrem Weg abzulenken und sie auf den bereits als fruchtlos erwiesenen Boden des Parlamentarismus zu locken.«5 Diese Versammlung bedeutete zumindest für größere Teile der steirischen radicalen Arbeiterbewegung eine entscheidende Wendung Richtung Anarchismus.

Johann Pischler, mittlerweile Schuhmachermeister und Inhaber eines Geschäfts als Herren- und damenschuhmachers in Graz, Schönaugasse 27, wandte sich später der Sozialdmokratie zu, war unter anderem Vorstandsmitglied des Grazer »Arbeiter-Sängerbundes«, Gründungs- und Vorstandsmitglied des am 4. März 1895 gegründeten »Ersten Grazer Schuhmacher-Rohstoff-Vereins, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung«, 1895 bis 1898 Obmann des »Verbandes der Arbeiter-Gesangsvereine in Steiermark« und Ausschussmitglied der Grazer »Schuhmachergenossenschaft«. Am 21. Juli 1898 wurde Pischler vom Landes- als Erkenntnisgericht Graz wegen Verbreitung des Liedes »Der Völker Freiheitssturm«, dessen Verbreitung wegen der dritten Strophe mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Graz vom 24. Oktober 1895 in Österreich verboten war, wegen Vergehens der Verbreitung verbotener Druckschriften zu 10 Gulden Geldstrafe, eventuell achtundvierzig Stunden Arrest, verurteilt.

Zunehmend ging Johann Pischler auf Distanz zur Sozialdemokratie. Dies zeigte sich in seiner Rede in der freien Schuhmacherversammlung, die am 18. Juni 1900 stattfand: »Ueberhaupt stehen heute in Steiermark an der Spitze der Socialdemokratie Leute, die keine Opfer gebracht haben und von den Arbeitern leben.«6  Am 25. Juli 1900 wurde er wegen seiner Rede, in der er die Klagenden auch als »Väter der Korruption« bezeichnete, von fünf führenden Grazer Sozialdemokraten – darunter der gelernte Tischler, Gemeinderat und Krankenkassendirektor Josef Pongratz (1863–1931) und der gelernte Schneider, Journalist und Landtagsabgeordnete Hans Resel (1861–1928) – wegen Ehrenbeleidigung beim Bezirksgericht Graz angeklagt und am 15. Oktober 1900 zu drei Wochen Arrest, verschärft durch einen Fasttag wöchentlich, verurteilt. Im Prozess meinte er: »Die Herren sind wohl in der Parteileitung, haben aber keine wahrhafte sozialdemokratische Ueberzeugung. [...] Sie thun nichts, als sich selbst ihre Existenzen verbessern und begnügen sich mit dem Streberthume. Ein Führer muss tadellos dastehen.«7

Adressen

  • Graz, Steiermark, Brückenkopfgasse 1 (1896 bis 1897)

  • Graz, Steiermark, Schönaugasse 27 (1897)

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