Heinrich Hotze (1851–1891)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Vater: Johann Heinrich Hotze (Braunschweig, Herzogtum Braunschweig [Niedersachsen] um 1816 – ?), evangelisch (A. B.), Sohn einer Hausfrau und eines Bataillonshornisten: Viktualienhändler. Heirat in Lichtental (Niederösterreich [zu Wien 9.]) am 7. August 1846 mit:
Mutter: Johanna Hotze, geborene Schmidt (Kuttelberg, Österreichisch-Schlesien [Spálené, zu Holčovice, Tschechien] um 1823 – ?), römisch-katholisch, Tochter einer Hausfrau und eines Müllergesellen: Dienstmagd, dann Hausfrau
Ehe: in Wien am 2. Mai 1875 mit Jakobine Josefa Agnes Berghuber, d. i. Jakoba Josepha Agnes Berghuber; in den USA: Jacobine Agnes Hotze (Wien 20. April 1850 – Cicero, New York, USA 10. Mai 1931), Tochter einer Hausfrau und eines Viktualienhändlers: Dienstmagd, dann Hausfrau
Sohn: Heinrich Johann Berghuber, mit 2. Mai 1875 legitimierter Hotze; in den USA: Henry John Hotze (Margareten, Niederösterreich [zu Wien 5.] 29. April 1874 – Syracuse, New York, USA 24. September 1941): Maler und Anstreicher
Sohn: Karl Hotze (Margareten, Niederösterreich [zu Wien 5.] 22. August 1875 – Margareten, Niederösterreich [Wien 5.] 26. August 1875)
Tochter: Aloisia Hotze; in den USA: Louisa Hotze (Margareten, Niederösterreich [zu Wien 5.] 12. Dezember 1876 – Syracuse, New York, USA 22. Juli 1939)
Tochter: Theresia Rosa Hotze (Gaudenzdorf, Niederösterreich [zu Wien 12.] 24. August 1878 – Wien 1879/1880)
Tochter: Hermine Hotze (Meidling, Niederösterreich [zu Wien 12.] 21. Dezember 1881 – ?)
Sohn: William Hotze (New York City, New York, USA 1. Juli 1884 – Syracuse, New York, USA 12. November 1947): Tischler und Holzveredler
Sohn: Emil Hotze (New York City, New York, USA 20. Februar 1887 – Syracuse, New York, USA 19. April 1958): Schuhmacher
Biographie
Der Tischlergehilfe Heinrich Hotze heiratete 1875 die Dienstmagd Jakobine Berghuber (1850–1931). Er schloss sich früh der Arbeiterbewegung in Wien an, war Ausschussmitglied des »Fortbildungs- und Unterstützungs-Vereins der Tischler« und trat zwischen Oktober 1879 und Februar 1880 wiederholt als Redner in Volks- und Fachversammlungen auf. Rasch wurde er zu einem wichtigen Vertreter der radicalen Arbeiterbewegung. Am 15. Februar 1880 wurde er in das Wiener Agitationskomitee der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« gewählt. Er vertrat in der für die Spaltung in Gemäßigte und Radicale wichtigen Versammlung in »Schwender’s Colosseum« (Anna Silberbauer, damals noch verwitwete Schwender) in Rudolfsheim (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Fünfhauser Hauptstraße, Ecke Kirchengasse [Mariahilfer Straße, Ecke Reindorfgasse], am 14. November 1880 den Standpunkt der Radicalen und gehörte seit Dezember 1880 dem geheimen Exekutivkomitee der Radicalen an. Am 6. Dezember 1880 wurde er unter dem Verdacht der Verbreitung der verbotenen Flugschrift »Der Reichsrath ist wieder einmal versammelt«1 verhaftet und erst am 17. Februar 1881 ohne Anklageerhebung aus der Untersuchungshaft entlassen. Im März 1881 wurde Hotze in das Herausgeberkomitee der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) gewählt, dem er bis Juni 1882 angehörte, und zeichnete außerdem im Oktober und November 1881 offiziell als deren Redakteur. Am 20. Juni 1881 fand im Gasthaus »zu den drei Engeln « (Anton Ott) in Wien 4., Große Neugasse 36, eine Volksversammlung statt. Wegen einer Äußerung in seiner Rede wurde Heinrich Hotze vom Behördenvertreter das Wort entzogen und eine gerichtliche Untersuchung gegen Hotze eingeleitet. Am 14. und 15. August 1881 nahm Heinrich Hotze an der geheimen Delegiertenkonferenz der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« nahe Mürzzuschlag (Steiermark) teil. Schon am 15. September 1881 fand bei ihm in Wien im Zusammenhang mit der Delegiertenkonferenz nahe Mürzzuschlag eine Haudurchsuchung statt, und Ende Oktober wurde ihm die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Graz (Steiermark) zugestellt. Am 29. November 1881 fand vor dem Landes- als Schwurgericht Graz der Prozess in geheimer Verhandlung gegen acht Radicale wegen Verbrechens der Geheimbündelei, begangen durch die Delegiertenkonferenz nahe Mürzzuschlag, statt. Heinrich Hotze wurde in Abwesenheit zu sechs Wochen strengem Arrest, verschärft mit zwei Fasttagen je Woche, verurteilt. Am 8. Dezember 1881 stellte Hotze den eben erst in Wien eingetroffenen Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) in einer Arbeiterversammlung im Gasthaus »zum Sandwirth« in Wien 6., Schmalzhofgasse 5, öffentlich den Wiener Radicalen vor. Am 10. Dezember 1881 erschien nach der Beschlagnahme in zweiter Auflage der von Heinrich Hotze herausgegebene »Österreichische Arbeiter-Kalender für das Jahr 1882«. Doch schon am 15. Dezember 1881 wurde Hotze gemeinsam mit Josef Peukert verhaftet, wegen des Verdachts der Gründung geheimer Gesellschaften sowie der Aufreizung zum Hass und zur Verachtung gegen den Staat im Wiener Landesgericht in Untersuchungshaft gehalten und schließlich ohne Anklageerhebung am 6. März 1882 entlassen. Während seiner Haftzeit wurde Heinrich Hotze am 16. Jänner 1882 vor dem Landesgericht Wien als Erkenntnissenat des Vergehens der Aufreizung sowie der Schmähung des Reichsrats angeklagt, begangen durch Äußerungen in einer Volksversammlung am 24. Oktober 1881, und zu drei Monaten Arrest, verschärft durch einen Fasttag im Monat, verurteilt, erhielt zunächst aber Haftaufschub.
Heinrich Hotze war der Autor eines im Mai 1882 beim Schuhmachergehilfen Johann Richter (1852–nach 1932) gefundenen handschriftlichen Aufrufs (»Werthe Genossen«), unterzeichnet im Namen des »Executiv-Comités«, zur Sammlung von Beiträgen für eine geheime Druckerei. Ebenfalls im Mai 1882 nahm Hotze an einer Sitzung des geheimen Clubs »Nummer II« teil, auf welcher er sich für die Beschaffung von Geld für die Agitation um jeden Preis aussprach. Er gehörte dann auch dem in dieser Sitzung gegründeten geheimen Club für den am 4. Juli 1882 durchgeführten Überfall auf den Schuhwarenfabrikanten Josef Merstallinger (~1832–?) an und stellte dafür nach einem Chemielehrbuch Chloroform her. Nach dem Attentat soll gemäß den gerichtlichen Feststellungen der Tischlermeister Wilhelm Bernt (1841–?) im Auftrag von Heinrich Hotze vom Miederfabrikanten Franz Gams (1850–1899) ein Paket mit 70 Gulden Silbergeld angenommen und vier Gulden für sich behalten haben. Auch Hotzes Ehefrau Jakobine Hotze (1850–1931) soll noch am Tag des Überfalls 92 Gulden von dem erbeuteten Geld vom Tischlergehilfen Josef Engel (~1858–?) erhalten haben. Der drohenden Verhaftung im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger–Affäre entzog sich Heinrich Hotze am 10. August 1882 durch Flucht. An diesem Tag hätte er gemäß Gerichtsurteil vom 16. Jänner 1882 seine dreimonatige Haftstrafe antreten müssen.
Heinrich Hotzes Ehefrau Jakobine Hotze wurde noch im August verhaftet. Ihre drei Kinder wurden dem Bürgermeisteramt Meidling (Niederösterreich [zu Wien 12.] unterstellt. Jakobine Hotze wurde im Prozess anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre des Verbrechens der Teilnahme am Raub angeklagt, aber am 21. März 1883 freigesprochen und aus der Haft entlassen.2
Heinrich Hotze flüchtete in der Nacht auf den 10. August 1882 – wie übrigens kurz darauf auch der im Zusammenhang mit der so genannten Merstallinger-Affäre gesuchte Tischlergehilfe Franz Domes (~1854–?) – über Antwerpen / Anvers (Belgien) in die USA. Am 17. November 1882 erließ das Wiener Landesgericht einen Steckbrief: »4158 Hotze Heinrich, Tischlergeh., zu Wien geb. u. zust., 27 J. alt, verh., zuletzt hier wohnh. gewesen, mittelgr., kräftig, mit bld. H. und bld. Schnurrb., ist des Verbr. des Hochverrathes u. der Mitschuld, Theilnahme u. Theilnehmung am Raube dringend verd., u. 4159 Domes Franz, zu Schwansdorf in Oesterr.-Schlesien geb. u. zust., 28 J. alt, verh., zuletzt hier wohnh. gewesen, mittelgr., mit schwz. H., solchem Backenb., ist des Verbr. des Hochverrathes u. der Mitschuld am Raube dringend verd. u. halten sich Beide gegenwärtig angeblich in den Vereinigten Staaten von Nordamerika auf. Um deren Festnahme u. Einlieferung wird ersucht. Land.-Ger. Wien 17/11. 82.«3 Eine Auslieferung an Österreich war chancenlos, weil er im Prozess anlässlich der so genannten Merstallinger-Affäre nicht der für eine Auslieferung notwenigen unmittelbaren Täterschaft angeklagt war; außerdem wurde er in der Fahndung als »Sozialist« bezeichnet, und in den USA wurden politisch Verfolgte nicht ausgeliefert. Im August 1883 folgte Jakobine Hotze mit ihren drei Kindern ihrem Ehemann ins Exil. Hier hatte sie mit ihm noch zwei Söhne. Heinrich Hotze ließ sich in New York City (New York, USA) nieder. Er wurde auch Mitglied des im Dezember 1886 vor allem von österreichischen Sozialrevolutionären, Anarchistinnen und Anarchisten in New York City gegründeten »Radikalen Arbeiterbunds«, der Not leidende Genossinnen und Genossen in Österreich-Ungarn unterstützte, die verbotene Druckschriftenpropaganda in und den Schmuggel der Flugschriften nach Österreich förderte und der – nach Meinung der österreichischen Polizei – der Vorbereitung von Aktionen im Rahmen der Propaganda der Tat diente. Hier nahm er am 18. Februar 1885 an der Gedenkfeier für den am 7. Februar 1885 in Halle an der Saale (Preußen [Halle (Saale), Sachsen-Anhalt]) hingerichteten Schriftsetzer und Attentäter August Reinsdorf (1849–1885) teil. Bei der am 26. August 1886 abgehaltenen Massenversammlung anlässlich des Urteils gegen die so genannten Chicagoer Märtyrer führte er den Vorsitz. 1887 zog sich Heinrich Hotze aus der Arbeiterbewegung zurück und übersiedelte nach Syracuse (New York, USA).
Adressen
- Lichtental, Niederösterreich [zu Wien 9.], Himmelpfortstiege 25 (Geburtsadresse)
- Margareten, Niederösterreich, Wienstraße 55 [Wien 5., Rechte Wienzeile] (1875)
- Margareten, Niederösterreich [zu Wien 5.], Schwarzhorngasse 8 (1876)
- Gaudenzdorf, Niederösterreich, Jakobstraße 11 [Wien 12., Dunklergasse] (1878)
- Meidling, Niederösterreich, Hirschengasse 2 [Wien 12., Steinackergasse] (1881)
- Wien 6., Gumpendorfer Straße 78 (1881)
Publikationen
Herausgeber
- Oesterreichischer Arbeiter-Kalender für das Jahr 1882. Herausgegeben von Heinrich Hotze. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers [1881], 88 S. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 2. Dezember 1881 in Österreich verboten.
b) Oesterreichischer Arbeiterkalender für das Jahr 1882. Herausgegeben von Heinrich Hotze. Nach der Beschlagnahme zweite Auflage. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers [1881], 88 S.
Mitarbeiter*innen an Periodika
- Die Zukunft (Wien) 1880 bis 1882
Kategorien
Autor / Version / Copyleft
Autor: Reinhard Müller
Version: Dezember 2023
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
Copyleft
Karte
- 1
Vgl. [anonym]: Der Reichsrath ist wieder einmal versammelt. [London]: [Druck der socialdemocratischen Genossenschafts-Buchdruckerei »Freiheit«] [1880]; später abgedruckt in der Zeitung »Freiheit« (London) vom 12. Februar 1881. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 13. Dezember 1880 in Österreich verboten.
- 2
Vgl. die vom Radicalen Josef Müller (1839–1891) herausgegebene Schrift: Der Hochverraths-Proceß und die Affaire Merstallinger gegen Engel, Pfleger, Berndt, Sommer, Schmidt, Gröbner, Spiegel, Krondorfer, Winter, Masur, Motz, Kompoß, Würges, Wagner, Weich, Spahl, Wetz, Buelacher, Treibenreif, Peukert, Kotidek, Stiaßny, Führer, Gams, Kreps, Schenk, Wordak, Heitzer und Hotze. Verhandelt vor dem k. k. Schwurgericht Wien, vom 8.–21. März 1883. Nach den stenographischen Berichten bearbeitet und wahrheitsgetreu wiedergegeben. Herausgegeben von Josef Müller. VII. Bezirk, Gumpendorferstraße 78. Wien: Im Selbstverlage des Herausgebers 1883, 238 S.
- 3
[Anonym]: 4158 Hotze Heinrich [...] u. 4159 Domes Franz, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien (Wien), Nr. 79 (28. November 1882), S. 329.