Bernhard Tag (1863–1937)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist bis 28. Februar 1912: Baruch Malesdorf
Pseudonym: Bernhard Sopher
Pseudonym: Bernard Tag
Pseudonym: Bernhard Tag
Geburtsdatum
12. März 1863
Sterbedatum
22. Oktober 1937
Sterbeort
Religionsbekenntnis
israelitisch

Mutter: Chawa Malesdorf
Vater: Abraham Tag: Krämer
Ehe: in Wien am 21. Mai 1899 mit Caroline Lederer; verheiratete Malesdorf; Namensänderung mit 28. Februar 1912: Tag (Trebitsch, Mähren [Třebíč, Tschechien] 10. März 1869 – Wien 26. Februar 1917): Hausfrau
Kinder: keine

Biographie

Bernhard Tag, als außereheliches Kind geboren, wuchs in einem streng jüdischen Milieu seiner Heimatstadt Przemysl (Galizien und Lodomerien [Przemyśl, Polen]) auf, wo er auch das polnische Gymnasium absolvierte.

Im September 1885 kam Bernhard Tag nach Wien, wo er bis 1897 an der Universität Wien studierte. Beruflich war Tag zunächst als Privatlehrer tätig. Als Sekretär von Theodor Hertzka (1845–1924) sympathisierte er mit dessen 1891 initiierten Freiland-Bewegung. Schon früh in der Arbeiterbewegung engagiert, schloss sich Tag zunächst der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei« um den Arzt und Journalisten Victor Adler (1852–1918) an. Bernhard Tag gehörte zu den ersten, die in der im Juli 1889 gegründeten »Arbeiter-Zeitung. Organ der österreichischen Sozialdemokratie« (Wien) und in der im Mai 1897 von Theodor Herzl (1860–1904) als Zentralorgan des Zionismus gegründeten Zeitschrift »Die Welt« (Basel) Artikel über die jüdische Arbeiterbewegung veröffentlichte. Tag, der seit 1897 zu den engsten Mitarbeitern von Theodor Herzl gehörte, war seit 1894 – meistens unter dem damals noch Pseudonym »Bernard Tag« – auch dichterisch tätig. Vor allem aber veröffentlichte er unzählige Zeitungsartikel, und er hielt bis zu seinem Tod zahlreiche Vorträge, vorrangig bei jüdischen Institutionen und Vereinen. Hauptberuflich war Bernhard Tag seit 1899 als Privatbeamter tätig.

Bernhard Tag wandte sich bald von der Sozialdemokratie ab und einem freireligiösen, libertären Sozialismus zu. In diesem Sinne wurde er seit 1906 auch bei der anarchistischen Bewegung der Freiheitlichen Sozialisten im Umfeld von Hermann Kadisch (1862–1934) aktiv. Mit Kadisch eng befreundet, sympathisierte Tag mit dessen zionistischem Anarchismus. Tag war 1906 bis 1912 Obmann des 1894 von den Freiheitlichen Sozialisten übernommenen »Allgemeinen Bildungs- und Diskussions-Klub«, der die »Förderung der allgemeinen, mit besonderer Berücksichtigung der sozial-wissenschaftlichen Bildung« bezweckte.

Seit 1912 verbrachte Bernard Tag als Teilhaber eines Unternehmens einige Jahre in Abbazia (Küstenland [Opatija, Kroatien]), kehrte aber kurz vor dem Tod seiner Ehefrau nach Wien zurück.

1918 Obmann wurde Bernhard Tag wieder Obmann des »Allgemeinen Bildungs- und Diskussions-Klub«. 1919 engagierte er sich noch einmal im Umfeld einer anarchistischen Bewegung. Der am 22. Juli 1919 in Wien gegründete »Freiheitlich-sozialistische Volksverein« gab als sein Organ die Halbmonatsschrift »Neue Gemeinschaft. Internationale Halbmonatsschrift für Erneuerung der Gesamtkultur. Für Völkerverständigung! – Für individualsozialistische Gesellschaftsreform!« (Wien) heraus, von der vom Juni bis Juli 1919 drei Nummern erschienen. Herausgeber und verantwortlicher Redakteur war der Wiener Anarchist Theodor Brun (1898–1973), als Redakteure zeichneten Theodor Brun, Hermann Kadisch und Bernhard Tag. Die zwei ersten Nummern der Zeitschrift hatten die Beilage »Das Narrenschiff. Satirische Halbmonatsschrift« (Wien), als deren »Leiter« der pseudonyme »Steuermann Benjamin Sparkassa«; hinter diesem Pseudonym steckt eventuell der Privatbeamte Karl Reznicek, Wien 9., Lustkandlgasse 3, der vorübergehend auch ein Zeitungs- und Maschinschreibbüro in Wien 9., Wagnergasse 3, betrieb.

1920 initiierte Bernard Tag den »Kulturpolitischen Diskussionsklub«, den er bis kurz vor seinem Tod leitete. Hier traf er auch auf seinen alten Bekannten Julius Wilhelm (1861–1939) aus der Freiland-Bewegung wieder. Die »Literarische Sektion des Kulturpolitischen Diskussionsklubs« gestaltete am 24. November 1920 im Festsaal des Ingenieur- und Architektenvereins in Wien 1., Eschenbachgasse 9, eine Festveranstaltung für den Dichter Bernhard Tag, der aus eigenen Dichtungen las und bei der zwei Mitglieder der Neuen Wiener Bühne Dichtungen Tags vortrugen. Parallel zum »Kulturpolitischen Diskussionsklub« gründete Tag 1921 die Jugendgruppe »Jüdische Moderne« in Wien.

Hier sei auf ein für Bernhard Tag, der sich für die Anerkennung einer jüdischen Nation engagierte, durchaus bemerkenswertes Ereignis hingewiesen. Am 4. November 1922 war Tag einer von insgesamt siebzehn Beschwerdeführern gegen das Bundesministerium für Inneres vor dem Verwaltungsgericht in Wien. Es ging dabei um die nach dem Zerfall der Monarchie Österreich-Ungarn notwendige Option auf Zuerkennung zum deutschen Volk in Österreich nach Rasse und Sprache. Personen, die ihre Option vor dem Regierungswechsel abgaben, wurden auf Wunsch dem deutschen Volk zugerechnet. Jene, die ihre Option erst nach Einsetzung der Regierung Ignaz Seipel (1876–1932) mit 31. Mai 1922 abgaben, wurden mit ihrer Option jedoch abgewiesen. Dies führte dazu, dass Familienmitglieder nunmehr zu verschiedenen so genannten Rassen gehören konnten. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Klage ab.

Im Februar 1926 wurde ein Komitee zur Herausgabe des dichterischen Werks von Bernhard Tag gegründet, welches dann im Sammelband »Morgenlied und Morgenland« 1928 erschien. 1926 erregte Tag auch einiges Aufsehen mit seinen kritischen Artikeln über die Bibel-Übersetzung von Martin Buber (1878–1965) und Franz Rosenzweig (1886–1929).1) Anlässlich seines 70. Geburtstages las Bernhard Tag am 22. März 1933 im »Verein der Przemysler in Wien« im Café-Restaurant »Exzelsior« (»Herzog & Schüller«) in Wien 1., Rotenturmstraße 24, aus eigenen Dichtungen. Bernhard Tag verstarb im Altersheim der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde in Wien 9., Seegasse 9. Sein über Jahre immer wieder bearbeitetes Manuskript »Garten der Kindheit« blieb unveröffentlicht.

Bücher und Broschüren

  1. Morgenlied und Morgenland. Lyrisches – Benadi – Der junge Moses. [Von] Bernard Tag. Wien: Buch- und Kunstantiquariat Gilhofer & Ranschburg 1828, 165 S. Erschien unter dem Autorennamen »Bernard Tag«.

  • Wien 2., Mayergasse 12 (belegt für 1899)

  • Wien 2., Rotensterngasse 10 (belegt für 1900)

  • Wien 18., Witthauergasse 26 (belegt für 1900–1906)

  • Wien 18., Wallrißstraße 96 (belegt für 1907–1910)

  • Wien 18., Messerschmidtgasse 45 (belegt für 1911)

  • Wien 9., Seegasse 9 (Sterbeadresse)

Karte
  • 1

    Vgl. Bernard Tag [d. i. Bernhard Tag]: Bubers und Rosenzweigs Versuch einer neuen Bibelübersetzung, in: Wiener Morgenzeitung (Wien), 8. Jg., Nr. 2585 (5. Mai 1926), S. 3–4, und ders.: Sprache und Glaube. Zum zweiten Buch der Bibelübersetzung BuberRosenzweig, in: ebenda, 8. Jg., Nr. 2731 (3. Oktober 1926), S. 12.